INNENAUSSCHUSS Bei NS-Zwangsarbeiterentschädigung sind noch "alle Fragen offen"(in) In Anlehnung an Brechts "So sehen wir betroffen, der Vorhang zu und alle Fragen offen" hat die CDU/CSU am 19. Januar im Innenausschuss den Stand der Verhandlungen, der Neuverhandlungen und der Bereitstellung von Entschädigungssummen für NS-Zwangsarbeiter beschrieben. Aus ihrer Sicht, so die Union, seien noch zahlreiche Fragenkomplexe zum Stand der neuesten Entwicklung zu klären. Es sei ein "Dilemma" bei Entschädigungsmodalitäten für Zwangsarbeiter, so die Union, wenn unklar sei, was genau entschädigt werden soll, wenn "mehrere Hunderttausend vom Verfahren ausgeschlossen sind". Überspitzt formuliert könne dies zu einer Verrechnung von einem Monat Zwangsarbeit in einer Fabrik unter KZ- bzw. Haftbedingungen gegenüber fünf Jahren Zwangsarbeit im ländlichen Bereich führen. Angesprochen wurden von der Union auch die Problematik einer zweifachen Wiedergutmachung, die Problematik der "Hilfe für die vergessenen Opfer", sowie Detailfragen über die Benachteiligung im Rentenrecht und bei der Sozialversicherung. Eine andere wesentliche Frage war für die Abgeordneten der CDU/CSU die Beschaffung der zugesagten 10 Milliarden DM, wobei sie unter Bezug auf die geäußerten Schwierigkeiten der Industrie, 5 Milliarden DM zur Verfügung zu stellen, nachfragte, ob denn die Regierung gegenüber ihrer bisherigen Verlautbarung, dann noch einmal "drauflegen", werde "wie schon einmal zuvor" und ob es dann statt eines Entschädigungsfonds von 5 plus 5 Milliarden DM ein Verhältnis von 7,5 zu 2,5 Milliarden DM oder ein anderes gäbe. Unmut, so die Opposition, löse vielerorts auch die Frage aus, "wann es denn los gehe" mit der Entschädigung; ob man tatsächlich warten wolle und könne, "bis die Industrie ihre 5 Milliarden DM beisammen" habe und wie man im Fall des Offenbleibens verfahren wolle. "Ungehalten" zeigten sich Oppositions- und Koalitionsfraktionen schließlich auch darüber, wer denn das Problem nun regeln wolle: "wir oder die Amerikaner". Die Regierung sagte, nach ihrer Vorstellung werde das Stiftungsvermögen 10 Milliarden DM für die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern betragen. Die Zahlungen sollen jedoch erst dann in Kraft gesetzt werden, wenn alle Mittel bereitstünden. Bei den einzelnen Entschädigungsbeträgen gehe man in den Verhandlungen von zwei Kategorien aus. Kategorie A umfasse Zwangsarbeit im Produktionsbereich unter Berücksichtigung von Deportation, Inhaftierung und KZ-Aufenthalt und werde mit pauschal 15.000 DM entschädigt. Kategorie B umfasse vorrangig Zwangsarbeiter im ländlichen Bereich und werde mit 5.000 DM Entschädigung angesetzt. Die vereinbarte Öffnungsklausel gelte nicht nur für NS-Zwangsarbeiter im landwirtschaftlichen Bereich sondern auch für andere, bisher nicht berücksichtigte Opfer. Eine Doppelentschädigung werde es nicht geben, da bisherige Entschädigungen darauf gerichtet gewesen seien, eine Wiedergutmachung für andere Unrechtsbestände zu leisten. Die PDS ergänzte die Fragen der CDU/CSU um mehrere Punkte und kritisierte, dass "nach wie vor offenbar alles verhandelbar"sei. Auch könne es nicht angehen, so die PDS, dass erst mit Entschädigungszahlungen begonnen werden solle, wenn die 10 Milliarden DM komplett bereitstünden. Bündnis 90/Die Grünen erklärten, das Verfahren zur NS-Zwangsarbeiterentschädigung entscheide sich wesentlich von anderen Gesetzgebungsverfahren. Noch vor einigen Jahren habe man es nicht für möglich gehalten, eine Milliarde für Zwangsarbeiter als Entschädigungssumme zu erreichen. Insofern sei man heute schon sehr zufrieden über die jetzigen wesentlichen Fortschritte. Die Bündnisgrünen unterstützten zudem die Regierungsauffassung, wonach von einer "Doppelentschädigung" unter Bezugnahme auf Haftdeportierung und gesundheitliche Schäden nicht die Rede sein könne. Kritik und Klärungsbedarf gebe es jedoch besonders hinsichtlich der Berücksichtigung der osteuropäischen Bevölkerung bei der Entschädigung und auch hinsichtlich des wohl vorgesehenen Anteils von mehreren hundert Millionen DM oder einer Milliarde DM für den Zukunftsfonds im Stiftungsrahmen, der zu einer Minderung des ohnehin geringen Entschädigungsbetrages für ehemalige NS-Zwangsarbeiter führe. Die Sozialdemokraten zeigten, ebenso wie ihr Koalitionspartner, eine "gewisse Genugtuung" über das bisher Erreichte, artikulierten aber auch Unzufriedenheit, weil bislang im Unklaren bleibe, wie viel aus der Entschädigung für die NS-Opfer an die anwaltlichen Vertreter der Opferorganisationen fließe. Einvernehmen herrschte zwischen Koalitionsfraktionen und CDU/CSU sowie F.D.P. darüber, dass es sich nicht nur um ein besonderes Gesetzgebungsverfahren handele, sondern auch eine breite Geschlossenheit der Abgeordneten erreicht werden müsse als Voraussetzung für eine entschiedene Verhandlungsposition. Von den Anwälten werde derzeit "vieles vorgelegt, was wir nicht erfüllen werden". |