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Anwälte der Ostdeutschen
Der Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder muss um seinen Einfluss kämpfen
Am 18. März jährt sich zum zehnten Mal der Tag der ersten freien Volkskammerwahl in der DDR. Kurz zuvor, am 1. März 1990, war durch Ministerratsbeschluss die Treuhandanstalt gegründet worden, um die Privatisierung der DDRWirtschaft zu organisieren. Die Treuhandanstalt stellte ihre Tätigkeit Ende 1994 ein, aber ihre Nachfolgeorganisationen, allen voran die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, sind immer noch damit beschäftigt, die Relikte des Sozialismus zu beseitigen.
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Mittwochs um 12.00 Uhr: Der Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder berät. |
Bereits unmittelbar nach der deutschen Vereinigung hat der Bundestag auf die Probleme reagiert, die mit diesem Umbruch verbunden waren. Noch im Oktober 1990 konstituierte sich der Unterausschuss "Treuhandanstalt" des Haushaltsausschusses unter Vorsitz des Berliner CDU/CSUAbgeordneten Christian Neuling.
Er wurde erst im Februar 1993 von einem neuen Vollausschuss "Treuhandanstalt" unter dem Vorsitz von Arnulf Kriedner (CDU/CSU) abgelöst, der zuletzt auch den Unterausschuss geleitet hatte. Zusätzlich konstituierte sich im September 1993 ein Untersuchungsausschuss "Treuhandanstalt". Beide Ausschüsse beendeten ihre Tätigkeit mit Ablauf der zwölften Wahlperiode 1994. Doch der "Aufbau Ost" blieb ein Thema, das eines parlamentarischen Gremiums bedurfte. Im Januar 1997 beschloss der Wirtschaftsausschuss, einen Unterausschuss mit diesem Namen ins Leben zu rufen.
Nach dem Regierungswechsel 1998 konstituierte sich erneut ein Vollausschuss, dieses Mal mit dem Anspruch, umfassend für die "Angelegenheiten der neuen Länder" zuständig zu sein. Der Vorsitzende Paul Krüger hatte schon zuvor im Ausschuss "Treuhandanstalt" als Sprecher der CDU/CSUFraktion mitgewirkt.
Dem 15köpfigen Gremium gehören sieben Abgeordnete der SPD, fünf der CDU/CSU und je einer von Bündnis 90/Die Grünen, F.D.P. und PDS an. Der Frauenanteil liegt bei 20 Prozent: Ingrid Holzhüter aus Berlin, Barbara Wittig aus Hoyerswerda (beide SPD) und Katherina Reiche aus Potsdam (CDU/CSU). Der stellvertretende Vorsitzende Peter Eckardt, Ingrid Holzhüter (beide SPD) und Hans Michelbach (CDU/CSU) haben als einzige ordentliche Ausschussmitglieder ihre Wahlkreise nicht in den neuen Ländern oder OstBerlin. Wenn der Ausschuss in Sitzungswochen mittwochs um 12 Uhr zusammentritt, ist zumeist Staatsminister Rolf Schwanitz (SPD) vom Bundeskanzleramt zugegen, um als Beauftragter der Bundesregierung für den Aufbau Ost Fragen der Abgeordneten zu beantworten.
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Der Ausschuss hat ein breites Themenspektrum zu beackern. |
Als Querschnittsausschuss hat das Gremium ein breit gefächertes Themenspektrum zu beackern. Zum einen soll es zu Initiativen von Regierung und Parlament Stellung nehmen, die gezielt auf die neuen Länder Bezug nehmen. Zum anderen soll es aber auch das Parlament dafür sensibilisieren, dass allgemeine politische Vorhaben in Ostdeutschland eine ganz besondere Wirkung entfalten können. Oberstes Anliegen ist dabei stets, die Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Arbeitsplätze zu verbessern und die Lebensverhältnisse in den alten und neuen Ländern schrittweise anzugleichen. Darüber hinaus begleiten die Abgeordneten kritisch die Arbeit des Bundesbeauftragten für die StasiUnterlagen ("GauckBehörde") und der TreuhandNachfolgeorganisationen. Beispielsweise werden sie sich Ende Mai in Sondershausen (Thüringen) über die Tätigkeit der Gesellschaft zur Verwahrung und Verwertung von stillgelegten Bergwerksbetrieben informieren.
Sein Gesellenstück hat der Ausschuss mit dem von ihm federführend beratenen Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR abgeliefert. Der Bundestag hat das Gesetz im vergangenen November verabschiedet. Auch der Bericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit ist federführend in diesem Ausschuss diskutiert worden. Über Monate hinweg haben die Abgeordneten zudem die Bewerbung Rostocks als Standort für die Endmontage des geplanten AirbusGroßraumflugzeugs A3XX unterstützt.
Der Ausschuss hat es nicht leicht, sich im Konzert aller Bundestagsausschüsse gebührend zu behaupten. Noch immer werden Gesetzesvorlagen, die überwiegend ostdeutsche Probleme behandeln, woanders federführend beraten. Jüngstes Beispiel: Zu den geplanten Änderungen des Vermögensrechts in den neuen Ländern wird der Finanzausschuss dem Plenum eine Beschlussempfehlung vorlegen. Der "mitberatende" Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder kann dazu lediglich eine Stellungnahme abgeben. Als Anwalt und Stimme Ostdeutschlands wird der Ausschuss auch künftig darauf bedacht sein müssen, sein Profil in der Öffentlichkeit zu schärfen und dadurch weiter an politischem Gewicht zu gewinnen. Volker Müller