I. Verfassungsstaatliche Grundlagen
1. Das Grundgesetz und seine Prinzipien
Grundgesetz (GG)
Das Grundgesetz ist die Verfassung für die Bundesrepublik Deutschland. Es wurde vom Parlamentarischen Rat auf der Grundlage des Entwurfs eines Sachverständigenausschusses (Herrenchiemseer Entwurf) am 8. Mai 1949 beschlossen und von den Alliierten genehmigt. Es setzt sich aus einer Präambel, einem Grundrechtsteil und einem organisatorischen Teil zusammen. In den Artikeln, die im Rang über allen anderen deutschen Rechtsnormen stehen, sind die grundlegenden staatlichen System- und Wertentscheidungen festgelegt. Eine Änderung des Grundgesetzes bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Mitglieder des Bundesrates. Eine Änderung, welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze berührt, ist unzulässig (Art. 79 III GG).
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Die Grundrechte des Deutschen Volkes. |
Grundrechte
Grundrechte sind dem Einzelnen zustehende, verfassungsmäßig verbürgte elementare Rechte. Sie gewähren in erster Linie Schutz gegenüber dem staatlichen Eingriff. Daneben strahlen die Grundrechte auf das gesamte Recht aus. Gegen die Verletzung eines Grundrechts durch die öffentliche Gewalt kann jedermann die Verfassungsbeschwerde erheben (Art. 93 I Nr. 4a GG).
Demokratie
Nach Art. 20 GG I ist die Bundesrepublik eine Demokratie. Dies ist eine Staatsform, in der das Volk Träger der Herrschaftsgewalt ist. Kennzeichen der Demokratie sind rechtliche Gleichheit und freie Willensbildung durch Mehrheitsentscheidung. Als Demokratieprinzip wird der Grundsatz bezeichnet, dass das Volk selbst durch eine von Parteien – und der öffentlichen Meinung – getragene Volksvertretung unter solchen Bedingungen herrscht, die eine Ablösung der Regierung durch eine Opposition möglich machen.
Republik
Die Republik ist eine Staatsform, bei der ein gewähltes Staatsoberhaupt an der Spitze des Staats steht. Sie bildet damit den Gegensatz zur Monarchie.
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Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. |
Gewaltenteilung
Seit der klassischen Gewaltenteilungslehre, die vor allem auf John Locke (1632-1704) und Charles de Montesquieu (1689-1755) zurückgeht, wird unter Gewaltenteilung die Aufteilung der staatlichen Gewalt in mehrere, sich gegenseitig kontrollierende und beschränkende Gewalten, die von verschiedenen Personen ausgeübt werden, verstanden. Herkömmlich wird dabei zwischen legislativer, exekutiver und judikativer Gewalt unterschieden. Die Gewaltenteilung wird auch im Grundgesetz in den Artikeln 1 III und 20 II GG angesprochen.
Legislative
Die Legislative ist die gesetzgebende Gewalt. Sie steht in der gewaltengeteilten repräsentativen Demokratie dem Parlament zu. Wichtigste Aufgabe der gesetzgebenden Gewalt ist die Beratung und Verabschiedung von Gesetzen im inhaltlichen und formellen Sinn und die Kontrolle der Exekutive.
Exekutive
Die Exekutive ist die vollziehende Gewalt. Sie ist im gewaltengeteilten Rechtsstaat die staatliche Tätigkeit, die weder Gesetzgebung noch Rechtsprechung ist. Sie umfasst die Regierung als staatsleitendes Organ und die Verwaltung, der in erster Linie die Ausführung der Gesetze anvertraut ist. Auch der vollziehenden Gewalt stehen rechtsetzende Befugnisse zu, die in dem Erlass von Rechtsverordnungen liegen. Im parlamentarischen Regierungssystem ist die vollziehende Gewalt der vom Vertrauen des Parlaments abhängigen Regierung und der ihr nachgeordneten Verwaltung zugewiesen.
Judikative
Neben gesetzgebender und ausübender Gewalt steht die rechtsprechende Gewalt. Sie ist Richtern anvertraut und wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch oberste Gerichtshöfe des Bundes und durch die Gerichte der Länder ausgeübt. Gerichte des Bundes sind das Bundesverfassungsgericht, der Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesarbeitsgericht, das Bundessozialgericht und der Bundesfinanzhof. Der Bund kann auch für andere Bereiche Bundesgerichte einführen, so für die Wehrstrafgerichtsbarkeit, in Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes und für Disziplinarverfahren.
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Justitia mit Waage und verbundenen Augen. |
Föderaler Bundesstaat
Föderalismus ist eine Lehre von der Gestaltung des Staats, die neben der Einheit des Ganzen die Eigenständigkeit seiner Glieder kennt. Föderalistische Gestaltungsmöglichkeiten sind der Staatenbund und der Bundesstaat. Ein Staatenbund ist eine lockere Vereinigung selbstständiger Staaten, die gemeinsame Organe zur Besorgung gewisser Angelegenheiten haben. Im Gegensatz zum Staatenbund zeichnet sich der Bundesstaat dadurch aus, dass durch den Zusammenschluss von Staaten ein neuer Staat entsteht. Die zusammengeschlossenen Staaten verlieren ihre Staatlichkeit jedoch nicht, sondern bleiben neben dem neu gebildeten Gesamtstaat als Gliedstaaten mit eigener originärer Staatsgewalt bestehen. Nach dem GG ist die Bundesrepublik ein Bundesstaat, die Länder als Gliedstaaten bilden den Gesamtstaat. Dem Föderalismus steht der Zentralismus (wie z.B. in Frankreich) gegenüber.
Rechtsstaat
Ein Rechtsstaat (Art. 20 III GG) ist ein bewusst auf die Verwirklichung von Recht ausgerichteter Staat. Unterschieden wird der formelle und der materielle Rechtsstaatsbegriff. Rechtsstaatlichkeit im formellen Sinne bedeutet, dass die Staatsgewalt an Recht und Gesetz gebunden ist und alle staatlichen Maßnahmen durch unabhängige Gerichte überprüfbar sind. Materiell beinhaltet der Begriff die Verpflichtung der Staatsgewalt auf die Idee der Gerechtigkeit, sodass die Rechtsordnung selbst bestimmten materiellen Grundanforderungen genügen muss.
Sozialstaat
Die Sozialstaatlichkeit der Bundesrepublik wird in Art. 20 I GG festgelegt. Damit sollen die Mitverantwortung des Staats für die Ausgleichung sozialer Gegensätze innerhalb des Staatsvolkes und die staatliche Pflicht, in sozialen Notlagen Hilfe zu leisten, verdeutlicht werden. Dies unterscheidet den Sozialstaat vom liberalen Rechtsstaat, dessen alleiniges Anliegen die Gewährleistung von Freiheit, Eigentum und Rechtsgleichheit ist, um einen gesellschaftlichen Freiraum im Verhältnis zum Staat abzugrenzen.
Befriedete Bezirke
Innerhalb der Bannmeile waren Versammlungen unter freiem Himmel, Aufzüge und politische Demonstrationen verboten. Die Bannmeile wurde mit dem Umzug nach Berlin abgeschafft. Der Schutz der Tätigkeit von Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht vor von Versammlungen ausgehenden Störungen wird stattdessen durch ein Gesetz über "befriedete Bezirke" für Verfassungsorgane des Bundes sichergestellt. Dabei wird als Ergebnis einer Abwägung zwischen der Versammlungsfreiheit und der Arbeitsfähigkeit des Parlaments das Demonstrationsrecht nur auf das unbedingt Notwendige eingeschränkt, da gerade nicht die "Verbannung" der Bevölkerung bezweckt wird.