Titelthema
Kubus, Kreis, Zylinder
Herr Braunfels, Sie sind durch Ihre städtebaulichen Entwürfe bekannt geworden, Ihre Planungen für den Hofgarten, den Marienhof und den Altstadtring in München, das Leitbild für Dresden. Wie sind Sie das Berliner Projekt angegangen?
Ich habe mich bisher immer über meine städtebaulichen Entwürfe definiert. Die Aufgabe für den Deutschen Bundestag hat mich deshalb gereizt, weil ich beim Hauptstadtwettbewerb eine ähnliche Konzeption wie der spätere Gewinner Axel Schultes' entwickelt hatte. Beim Wettbewerb für das Paul-Löbe-Haus galt es nun, die städtebauliche Figur, das "Band des Bundes", wie es Schultes konzipiert hatte, mit konkreter Architektur zu füllen, also nicht nur ein Haus auf einem vorgegebenen Grundstück zu planen, sondern es in einen städtebaulichen Zusammenhang zu stellen.
Welche Bezüge spielten dabei eine Rolle?
Einmal das Gegenüber zum Kanzleramt natürlich, wobei die Schwierigkeit bestand, dass dessen Wettbewerb gleichzeitig ablief. Ich konnte also nur spekulieren, was dort entstehen würde. Entscheidend war für mich Axel Schultes' letzter Entwurf für das Kanzleramt, der vor dem Wettbewerb entstand. Dessen Ostseite hat er als weit vorkragendes Dach gestaltet. Außerdem gab es die 22 Meter Traufhöhe als Vorgabe. Die Längsseiten sollten möglichst konsequent das "Band des Bundes" definieren, geschlossen wirken und doch von innen durchlässig sein – durchaus widersprüchliche Anforderungen also.
|
Braunfels vor einer Regalwand in einem Büro. |
Nach Osten musste der Sprung über die Spree gelingen, wobei sich der Schultes-Vorschlag mit zwei Brücken nicht realisieren ließ, denn die südliche hätte eine enorme Spannweite haben müssen.
Das Löbe- und das Lüders-Haus vor Augen wird man an Le Corbusier und Louis Kahn erinnert. Wie kam es dazu?
Ich bin von Kindheit an mit Le Corbusier aufgewachsen. Als ich sieben Jahre alt war, besuchte ich mit meinem Vater (der Kunsthistoriker Wolfgang Braunfels, Red.) Le Corbusiers Wallfahrtskapelle in Ronchamp. Ich stand vor der Kirche und sagte: Ich will Architekt werden!
Während der Schulzeit zeichnete ich ungeduldig Häuser im Stile Le Corbusiers, bis ich endlich Architektur studieren konnte.
Sie haben bei Ihren ersten Bauten in München allerdings eher mit Klassizismen gespielt, waren der Postmoderne nicht gerade abhold?
Ja, schon während meines Studiums begann die "postmoderne Krise", wie ich es heute sehen würde. Man schwankte zwischen den eher traditionalistisch orientierten Hilmer und Sattler und dem noch immer modernen Uwe Kiessler, wobei ich mehr zur traditionalistischen Sichtweise tendierte. Doch im Unterschied zu Hilmer und Sattler, mit denen es mittlerweile manchen Disput gibt, komme ich immer mehr zurück zu den einfachen, elementaren Dingen, wie sie Le Corbusier, Mies van der Rohe und Louis Kahn geformt haben. Ich bin jetzt eigentlich da, wo ich mit 35 Jahren hätte sein müssen. Ich entwickle mich mehr und mehr zum Minimalisten, auch in meinem Kunstverständnis. Inzwischen bin ich zum Sammler von monochromer Malerei geworden.
Wie beeinflusste das Ihre Arbeit an den Berliner Bauten des Bundestages?
Zunächst das Material: Nichts anderes als Sichtbeton kam in Frage. Zum anderen der Versuch, ohne gestalterische Mätzchen nur mit architektonischen Mitteln zu arbeiten, den Kontrast von geschlossenen, schweren und offenen, leichten Elementen wirken zu lassen. Manchmal frage ich mich, ob man zum Beispiel die Glasfassaden nicht noch leichter hätte machen können. Und dann natürlich die elementaren Formen Quadrat und Kreis, wie sie Kahn eingesetzt hat. Das wird wohl vor allem beim "Spreeplatz", dessen Umbauung die Grundformen Kubus, Kreis und Zylinder zeigen, besonders deutlich.
Interview: Falk Jaeger