BUNDESREGIERUNG INFORMIERT DEN UMWELTAUSSCHUSS
Entscheidung zum Abschalten von "Philippsburg II" erläutert
(um) In einem kurzfristig aufgesetzten Tagesordnungspunkt hat sich der Umweltausschuss am 10. Oktober von der Regierung über die Hintergründe zum Abschalten des Kernkraftwerkes Philippsburg II berichten lassen und dazu Stellung genommen.
Die Vertreterin der Bundesregierung hatte berichtet, das Ministerium sei einem Vorfall im KKW Philippsburg nachgegangen, der sich bereits am 25. August in Block 2 der Anlage ereignet habe.
Es sei festgestellt worden, dass nach Revisionsarbeiten bei insgesamt drei von vier Flutbehältern die vorgesehene Borsäure-Konzentration nicht vorhanden gewesen sei. Damit hätten für rund 14 Tage die wichtigsten Sicherheitsvorkehrungen gegen einen möglichen Störfall gefehlt.
Der Betreiber habe dies als Kategorie ohne sicherheitstechnische Bedeutung eingestuft. Von Seiten der Regierung habe es jedoch Zweifel gegeben. Deshalb sei entschieden worden, die Anlage abzuschalten, bis die Sicherheit in künftigen Fällen nachweisbar gegeben sei. Dazu habe man die Reaktorsicherheitskommission (RSK) und die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) mit entsprechenden Prüfungen beauftragt und bei der zuständigen Landes-Aufsichtsbehörde in Stuttgart um einen Sachstandsbericht und eine Bewertung gebeten.
SPD: GAU war nicht völlig ausgeschlossen
Die SPD betonte, es gehe eigentlich weniger um die Frage, wie der Störfall nachträglich zu bewerten oder einzuordnen sei, als vielmehr darum, was hätte passieren können.
Entscheidend sei die Erkenntnis, dass in insgesamt drei von vier Behältereinheiten zu wenig Bor enthalten gewesen sei. Es müsse also unterschieden werden zwischen der Gesamtmenge an Kühlflüssigkeit und der Mindermenge an Bor, welches aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften in der Lage sei, Neutronen "zu binden". Nur dann sei zu gewährleisten, dass bei einem wirklichen Störfall eine Kettenreaktion vermieden werden könne. Es ginge also nicht um Kühlung allein, sondern darum, dass bei einem tatsächlichen Störfall auf Grund mangelnder Sicherheitsvorkehrungen ein Gau nicht hätte ausgeschlossen werden können.
Von der CDU/CSU wurde betont, man wolle ohne jede Verharmlosung der tatsächlichen Mindermengen an Bor zur generellen Ausgangslage Position beziehen. Es gehe weniger darum, dass in einem Fall der Bor-Anteil einer Kühleinheit lediglich 80 Prozent betragen habe.
Im Hinblick auf Sicherheit "nicht hinzunehmen"
Entscheidend sei, dass nach jetziger Kenntnis die Kraftwerkbetreiber zwei bis drei Tage lang keine Übersicht darüber hatten, welche Gefährdung vorlag. Im Hinblick auf Sicherheitsmanagement und personelle Verantwortlichkeit sei eine solche Situation "wirklich nicht hinzunehmen".
Von der PDS wurde das Verschweigen von Tatsachen auch im Bezug auf Castortransporte angeführt und mit Bezug auf Philippsburg gefragt, warum nicht früher auf Veranlassung des Bundes oder der Länderbehörde eine Abschaltung des Reaktors vorgenommen worden sei.
Die FDP fragte, was es angesichts einer solchen Situation bedeute, wenn jemand davon spreche, etwas "bewusst in Kauf genommen" zu haben.
Von Bündnis 90/Die Grünen wurde das passive "Nicht-Entscheiden" der verschiedenen Ebenen bei Betreibern und Landesbehörden angesprochen und danach gefragt, wie denn in Zukunft ein Vertrauen in einen fachgerechten Betrieb zu rechtfertigen wäre.