ANHÖRUNG IM RECHTSAUSSCHUSS
Kontroverse um Rehabilitation von NS-Deserteuren ohne Einzelfallprüfung
(re) Kontrovers diskutierten die am 24. April bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses geladenen Sachverständigen über einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege ( 14/5612). Die Initiative sieht die Abschaffung von Einzelfallprüfungen vor, denen sich Deserteure der Wehrmacht sowie Homosexuelle bis heute unterziehen müssen, um rehabilitiert zu werden. Franz Seidler, Professor für Neuere Geschichte an der Münchner Bundeswehruniversität, äußerte Vorbehalte gegen den Entwurf. Zum einen würden mit der Einführung dieses Gesetzes etwa eine Viertelmillion Urteile annulliert, ohne dass eine nachvollziehbare Abgrenzung festzumachen wäre zwischen den Militärgerichtsurteilen, die aufgehoben werden, und denen, die beibehalten werden sollen. Seidler betonte, dass Straftaten wie Desertion in allen Armeen der Welt als Vergehen oder Verbrechen gelten. Dieser Auffassung widersprach Professor Peter Steinbach von der Universität Karlsruhe. Es sei heute unbestritten, dass die Nationalsozialisten einen Rassen- und Weltanschauungskrieg geführt hätten. Dieser Krieg mache alle Versuche obsolet, die militärischen Aktionen der Deutschen Wehrmacht soldatisch zu rechtfertigen. Steinbach begrüßte die Gesetzesinitiative und empfahl eine grundsätzliche Rechtfertigung der Desertion während des Dritten Reichs. Er betonte, dass Desertion nicht als Ausdruck von Feigheit, sondern als Abwendung von einem menschenverachtenden, totalitären Regime zu werten sei.