Cullens Reichstag
Der amerikanische Historiker Michael S. Cullen, einer der besten Kenner der Geschichte des Reichstagsgebäudes, schreibt uns zu unserem letzten Suchbild:
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Wer kennt sie nicht, die Ornamente an alten Bauten – vor allem an Kirchen? Kein Bauwerk galt früher als vollendet, wenn es an ernsten und verspielten Bildern, Plastiken mit allegorischen Figuren mangelte. In dieser Hinsicht ist das Reichstagsgebäude – die Schlusssteinlegung fand am 5. Dezember 1894 in Anwesenheit Kaiser Wilhelm II. statt – keine Ausnahme.
Bereits um 1888, als die Hauptmauern Gesimshöhe erreichten, begann der Architekt Paul Wallot sich Gedanken über die Ausschmückung seines Parlamentshauses zu machen. Zusammen mit einigen wichtigen Vertretern der bildenden Künste aus allen deutschen Gegenden entwickelte er für die bedeutendsten Räume – unter anderem den Plenarsaal, die Lobby, den Wandelgang und das Abgeordnetenrestaurant – Bildprogramme. Im südlichen Eingangsbereich sollten acht Bronzeskulpturen von Kaisern des alten Reiches aufgestellt werden, im nördlichen dagegen die "Geisteshelden”. Diese wurden aber nicht vollendet, nachdem die für die Ausschmückung zuständige Kommission sich nicht darauf einigen konnte, eine Skulptur Martin Luthers aufzustellen.
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Das Foto auf Seite 90 der Ausgabe 3/2002 zeigt eine Maske an einem Eckturm. Eine Reise nach Berlin hat Frau Gabi Althammer aus Friedrichshafen gewonnen.
Die überreichlichen Verzierungen der Außenfassaden stießen schon damals auf Kritik. Ludwig Hoffmann, Stadtbaurat von Berlin und Mitglied der "Ausschmückungskommission", meinte, es sei eher eine "Abschmückungskommission" vonnöten.
An den vier Ecktürmen tummelten sich bis zum Zweiten Weltkrieg ganz oben kleine Kronenträger des norddeutschen Bildhauers Adolph Brütt. Die allegorischen Bilder und Masken an den Ecken der Türme sind hingegen erhalten. Eine dieser Masken mit menschlichen und koboldhaften Zügen haben wir im letzten Blickpunkt vorgestellt.