Forum: Jugend und Gewalt
Was lehrt uns Erfurt?
Ein 19-Jähriger zieht sich an wie ein Fernsehkiller, dringt in seine Schule ein, zieht seine Waffe und tötet 16 Lehrer, Angestellte, Mitschüler und am Ende sich selbst. Derartige schreckliche Vorgänge schilderten auch deutsche Medien in den vergangenen Jahren von Zeit zu Zeit – immer dann, wenn das waffenvernarrte amerikanische Volk einmal wieder von einer solchen Tragödie getroffen worden war. Doch nun geschah es in Erfurt, mitten in Deutschland, mitten im Alltag einer ganz normalen deutschen Schule. Und der junge Mann hatte die automatische Waffe legal erworben, sich auf legalem Weg mit so viel Munition eingedeckt, dass er ein noch viel größeres Verbrechen hätte begehen können. Nachdem das erste Entsetzen besonnenem Nachdenken gewichen ist, geht es um die Frage: Was lehrt uns Erfurt?
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Das Erfurter Gutenberg-Gymnasium nach dem Massaker.
Dabei geht es nicht nur um Waffen in der Hand von Jugendlichen. Aber Erfurt hat ins Bewusstsein gerückt, dass Deutschland keine Insel im Strom der Waffenausbreitung ist. Rund 30 Millionen Waffen sind nach Expertenschätzungen im Umlauf, jede dritte davon mit behördlicher Genehmigung: Zehn Millionen Pistolen, Revolver, Gewehre befinden sich bei 4,5 Millionen Inhabern von Waffenberechtigungsscheinen.
Einen solchen zu bekommen, ist unter dem Aspekt eines am Schießsport oder an der Jagd Interessierten nicht einmal schwer. Gerade am Tag von Erfurt hatte der Bundestag das bestehende Waffenrecht konkretisiert und seit Jahren bestehende Probleme bei der Auslegung bestimmter Vorschriften durch präzisere Formulierungen verringert.
Danach gibt es zwei Hürden, die zwischen dem Wunsch nach einer Waffe und dem Erwerb eines Waffenscheines stehen: Der Interessent muss zum einen zuverlässig sein (das ist er nicht, wenn er wegen eines Verbrechens oder sonstiger vorsätzlicher Straftat zu einer mindestens einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde oder wenn er in einer verfassungswidrigen Partei mitarbeitet oder verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder Gewalttätigkeiten massiv zu Tage treten ließ), und er muss zum anderen ein Bedürfnis für den Waffenerwerb glaubhaft machen. Das geschieht beispielsweise dadurch, dass eine schießsportliche Betätigung durch eine Bestätigung des jeweiligen Schießsportverbandes nachgewiesen wird. Dann hat der Schütze die Möglichkeit, drei halbautomatische Langwaffen und zwei mehrschüssige Kurzwaffen zu kaufen. Einläufige Einzelladerwaffen können Sportschützen ohne Mengenbegrenzungen erwerben. Zusätzlich können sie auch "Pumpguns" erstehen, wenn sie vorher eine Einzelerwerbserlaubnis erhalten haben. Sie müssen diese Vorderschaft-Repetierflinten binnen zwei Wochen in die Waffenbesitzkarte eintragen lassen.
Eine weitere Hürde: Nach drei Jahren will der Staat einen weiteren Nachweis, um so "Scheinschützen" von weiterhin aktiven Sportschützen trennen zu können. Die nach Erfurt einsetzende Diskussion um eine Verschärfung des Waffenrechtes bezieht sich vor allem auf die Altersgrenzen. Der Bundestag hatte die Bestimmungen gerade neu geordnet: Die Grenze für das sportliche Schießen mit Druckluft-, Federdruck- und ähnlichen Schusswaffen wurde auf zehn Jahre abgesenkt; ab 14 Jahren darf auch mit scharfen Schusswaffen geschossen werden – allerdings können "zur Förderung des Leistungssportes" diese Altersgrenzen auch unterschritten werden. Bei Zehn- bis Zwölfjährigen muss dann aber eine geeignete Aufsichtsperson dabei sein. Keinerlei Altersbeschränkungen bestehen für das Abdrücken an Schießbuden auf Jahrmärkten und ähnlichen Veranstaltungen.
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Schusswaffen im Film.
Weil Gas- und Schreckschusswaffen besonders häufig bei Raub, Erpressung, Geiselnahme und ähnlicher Schwerkriminalität benutzt werden (sie machen die Hälfte aller im Zusammenhang mit Straftaten sichergestellten Waffen aus), tat der Gesetzgeber hier einen ersten Schritt zur Eindämmung: Bisher gab es hier nur die Altersbeschränkung von mindestens 18 Jahren, nun wurde zusätzlich der "kleine Waffenschein" eingeführt. Danach können diese Waffen zwar weiterhin von allen Volljährigen gekauft werden, in der Öffentlichkeit mitgeführt werden dürfen sie aber nur noch von Personen, die Zuverlässigkeit und persönliche Eignung zuvor nachgewiesen haben. Zudem müssen Waffenhändler besondere Hinweise geben und den Verkauf protokollieren. Verboten wurden mit der Novelle so genannte Wurfsterne sowie Spring-, Fall-, Faust- und Butterflymesser.
Weil diesen vom Bundestag beschlossenen Regelungen der Bundesrat auch noch zustimmen muss, kann das laufende Gesetzgebungsverfahren genutzt werden, auf schnellstmöglichem Weg weitere Hürden einzubauen. Dazu ruft der Bundesrat den Vermittlungsausschuss an, in dem sich Vertreter von Bundesrat und Bundestag dann auf zusätzliche Waffenbeschränkungen verständigen wollen.
Aber das Waffenrecht ist nur ein Aspekt der Folgen von Erfurt. Ein weiterer hängt mit dem Schulsystem zusammen, das nach den Ergebnissen der "Pisa-Studie" ohnehin verstärkt in der Diskussion ist. Zentrale Frage: Wie können die Leistungen deutscher Schüler im Vergleich mit ihren Altersgenossen in anderen Ländern verbessert werden? Wie können die Schüler besser in der Gemeinschaft gehalten und zum Mittun motiviert werden? Dass der Todesschütze von Erfurt nach elfjährigem Schulbesuch ins Nichts fiel, dass er beim Ausscheiden vor dem Abitur keinen Abschluss hätte nachweisen können, wird in diesem Zusammenhang wohl zu einem Überdenken der Vorschriften über Schulabschlüsse führen.
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Waffengeschäft.
Zudem drehen sich die Debatten um die alltägliche Gewalt auf den Bildschirmen. Körperverletzungen, Mord und Totschlag sind in TV-Filmen, Videos und Computerspielen weit verbreitet. Jedes Kind hat bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr etwa 16.000 mal miterlebt, wie ein Mensch einen anderen verletzt oder tötet.
Was aber bewirkt dieser Konsum? Die Medienwirkungsforschung operiert mit verschiedenen Theorien. Die vier verbreitetsten widersprechen sich in ihren zentralen Aussagen.
- Nach der Katharsistheorie dient der Konsum von Gewaltdarstellungen zum Abbau eigener Aggressionen. Wer also Gewalttaten an fiktiven Abläufen miterlebt, neigt weniger dazu, selbst gewalttätig zu werden.
- Nach der Inhibitionstheorie verstärkt der Konsum von Gewaltszenen den Widerstand, selbst Gewalt anzuwenden. Wer vor allem immer wieder die negativen Folgen von Gewalt sieht, wird stark gehemmt, ein solches negatives Verhalten ebenfalls auszuüben.
- Nach der Stimulationstheorie werden vor allem frustrierte Personen angeregt, ihre Probleme ebenfalls mit Gewalt zu "lösen". Vor allem wenn die Bildschirmgewalt zu einer stärkeren Beachtung benachteiligter Menschen führt, wächst der Wunsch, selbst zu einem solchen "Action-Typ" zu werden.
- Nach der Habitualisierungstheorie gewöhnt sich der Gewaltkonsument derart an Gewalt, dass die Abwehrgefühle gegenüber Gewalt abstumpfen. Vor allem wer Gewalt zur Entspannung genießt, verbindet unterbewusst die Anwendung von Gewalt mit Wohlbefinden. Aggressive Verhaltensmuster werden auf Dauer in der eigenen Einstellung unterschwellig positiv besetzt.
Die beiden ersten Theorien über die Harmlosigkeit von Gewalt wurden in den 60er und 70er Jahren bevorzugt. Sie gelten im Licht neuerer Forschungen in weiten Teilen als überholt. Die aktuelle Forschung räumt den bedenklichen und gefährlichen Folgen von Gewaltszenen eine größere Plausibilität ein.
Aus diesem Grund ist eine Verschärfung des Jugendschutzrechtes mit in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. In den vorliegenden Vorschriften geht es unter anderem darum, auch Computerspiele verbindlich mit Alterskennzeichnungen zu versehen, der Bundesprüfstelle die Möglichkeit zu geben, auf eigene Initiative tätig zu werden, und den Katalog der Medien, die als schwer jugendgefährdend eingestuft werden, insbesondere um Gewaltdarstellungen zu erweitern.
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Szene aus dem Computerspiel Counterstrike.
Schließlich, aber nicht zuletzt, rückt die Erziehungsfunktion von Eltern, Geschwistern und Lehrern verstärkt in den Blick. Eine neue Stiftung mit dem Schwerpunkt auf Bildung und Erziehung könnte mit dazu beitragen, diesen Aspekt dauerhaft im Auge zu behalten.
Gregor Mayntz
Stichwort Waffen:
Einzelladerwaffen sind Schusswaffen ohne Magazin, die vor jedem Schuss aus demselben Lauf von Hand geladen werden. Bei Repetierwaffen kann nach Abgabe eines Schusses über einen von Hand zu betätigenden Mechanismus nachgeladen werden. Bei so genannten Pumpguns geschieht dies durch eine Pumpbewegung am Vorderschaft.
Bei Springmessern springt die Klinge auf Knopf- oder Hebeldruck heraus und stellt sich fest. Bei Fallmessern schnellt die Klinge nach Lösen einer Sperre durch .ihre Schwerkraft oder durch eine Schleuderbewegung heraus. Faustmesser haben einen quer zur fest stehenden Klinge verlaufenden Griff, so dass sie in der geschlossenen Faust benutzt werden können. Butterflymesser, deren Klinge nicht fest steht, haben zweigeteilte, schwenkbare Griffe.
Prävention ist eine Antwort
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Dieter Wiefelspütz, SPD
Nach den schrecklichen Ereignissen im Erfurter Gymnasium müssen wir alle darüber nachdenken, welche politischen Konsequenzen wir aus dem Massaker ziehen müssen, das der 19-jährige Schüler angerichtet hat. Wir brauchen eine breite Debatte über die Ursachen der Gewalt in unserer Gesellschaft und was wir, jeder Einzelne von uns, dagegen tun kann. Wie können wir unsere Kinder in die Lage versetzen, mit Gewaltdarstellungen im Fernsehen und mit der Brutalität auf dem Schulhof fertig zu werden?
Es geht hierbei nicht nur um schärfere Gesetze. Gefragt sind Eltern, Lehrer, die Kirchen, kurz: alle gesellschaftlichen Gruppen.
Die SPD-Bundestagsfraktion arbeitet mit Hochdruck an gesetzlichen Maßnahmen. Dazu gehören eine weitere Verschärfung des Waffenrechts und eine Verbesserung des Jugendschutzes. Der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten aller Bundesländer haben sich einmütig darauf verständigt, dass das Waffenrecht überarbeitet und verschärft werden soll. Dabei geht es vor allem um die Altersgrenze, ab der es Sportschützen erlaubt wird, Waffen zu benutzen. Ferner muss der Zugang zu scharfer Munition erheblich erschwert werden.
Eine Expertengruppe soll prüfen, wie das riesengroße Problem der illegalen Waffen wirksamer bekämpft werden kann. Für den Bereich des Jugendschutzes werden wir die schon bestehenden Verbote von Gewaltdarstellungen auf die neuen Medien ausdehnen. Wir begrüßen es, dass sich alle politischen Parteien im Konsens auf diese ersten Maßnahmen verständigt haben. Auch die Medien haben sich bereit erklärt, ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden.
Mit schärferen Gesetzen allein ist es nach Erfurt jedoch nicht getan, wir alle müssen uns fragen, was wir in unserem privaten und beruflichen Umfeld tun können, um frühzeitig Hilferufe zu erkennen. Prävention ist die Antwort auf viele drängende Fragen.
dieter.wiefelspuetz@bundestag.de
www.bundestag.de/mdbhome/WiefeDi0/
Bündel gesetzlicher Maßnahmen
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Hartmut Büttner, CDU/CSU
Die Union will nach der Regierungsübernahme eine bundesweite Initiative "Bündnis für Kinder – gegen Gewalt" ins Leben rufen. Wir werden durch ein Bündel gesetzlicher Maßnahmen den Schutz der Kinder vor Sexualverbrechen verbessern. Ein während seiner Haftzeit als gefährlich erkannter Täter darf nicht wider besseren Wissens entlassen werden. Die Einführung einer "nachträglichen Sicherungsverwahrung" ist bisher von der derzeitigen Koalition abgelehnt worden. Wir werden auch diesen Vorschlag nach einem Regierungswechsel verwirklichen. Bei allen Delikten mit sexuellem Hintergrund ist eine DNA-Analyse vorzuschreiben, damit die DNA-Datei zur Überprüfung und Abschreckung der Täter noch wirksamer werden kann. Kindesmissbrauch schädigt junge Menschen für ihr ganzes Leben und soll künftig als Verbrechen bestraft werden.
Das verabschiedete strengere Waffenrecht sollte nur dort verschärft werden, wo tatsächliche Defizite im Bereich der inneren Sicherheit festzustellen sind. Hierzu gehört eine Heraufsetzung der Altersgrenze für den Erwerb großkalibriger Waffen auf 21 Jahre und eine striktere Verwaltungspraxis bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Waffenbesitzern. Keinesfalls darf Sportschützen und Jägern durch populistische Schnellschüsse eine gesetzestreue Ausübung ihres Sports unmöglich gemacht werden.
Angesichts der verharmlosenden und immer hemmungsloseren Darstellung von Gewalt in den Medien ist allerdings ein strengerer Jugendschutz notwendig. Dazu gehört eine einheitliche schlagkräftige Aufsicht mit eindeutigen Regelungen und spürbaren Sanktionen. Die Anbieter von Programmen und Videos müssen ihrer Eigenverantwortung und Selbstkontrolle ebenfalls stärker nachkommen. Hierzu gehören vor allem eine Einengung der Verbreitung jugendgefährdender Videofilme, Computerspiele und Internetprogramme. Die Kennzeichnung mit einer verbindlichen Altersgrenze ist ebenfalls einzuführen.
www.bundestag.de/mdbhome/BuettHa0/
Medienkompetenz gezielt einsetzen
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Grietje Bettin, Bündnis 90/Die Grünen
Die Geschehnisse in Erfurt sind für alle ein schwerer Schock. Das Täterprofil deutet darauf hin, dass der Täter neben intensiven Schießübungen im Schützenverein auch Gewalt verherrlichende Computerspiele und Videos konsumierte. Doch selbst das reicht nicht aus, die Tat zu erklären. Präventive pädagogische und psychologische Maßnahmen zum Beispiel nach Schulverweisen, wie es sie in einigen Bundesländern bereits gibt, sind aus unserer Sicht flächendeckend wünschenswert.
Auch die Rolle der Medien muss auf den Prüfstand gestellt werden. Zu den traditionellen Medien ist ein neuer Zugang zu gewalttätigen Darstellungen durch das Internet und visuell hoch authentische Computerspiele hinzugekommen. So fordern wir Unterstützung von Eltern und Kindern beim Erwerb von Medienkompetenz, etwa durch Elternkurse zur Aufklärung über Chancen und Gefahren der Medien.
Uns geht es auch um freiwillige Selbstkontrolle bei Sendern und Filmproduzenten und um eine effektive Medienkontrolle, welche die vielfältigen Jugendschutzelemente angemessen berücksichtigt. Eine gemeinsame Koordinierungsstelle der Medienaufsichten halten wir hier für ausgesprochen wünschenswert. Der aufklärende Jugendmedienschutz muss jedoch stets Vorrang vor dem regulierenden haben.
Außerdem unterstützen wir Bemühungen der Bundesregierung zur Verbesserung des Jugendschutzes, um Computerspiele effizienter indizieren zu können. Natürlich ist eine Weiterverbreitung über das Internet dadurch nicht zu verhindern. Allerdings ist die Entwicklung von technisch ausgereiften Computerspielen mit hohen Kosten verbunden, so dass eine Indizierung und der damit beeinträchtigte Verkauf nicht im Interesse der Entwickler liegt. Der Staat muss letztendlich auch mit dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft sich endlich wieder mehr Zeit für die Probleme der Kinder und Jugendlichen nimmt.
Keine Anlassgesetzgebung
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Edzard Schmidt-Jortzig, FDP
Für das Entstehen von Gewalt und die von ihr ausgehende Faszination gibt es keine universelle Erklärung. Der Gesetzgeber befindet sich daher in einer Zwangslage, da er Gewalt nur bekämpfen kann, wenn er die Ursachen kennt. Wer täglich die Erfahrung macht, dass sich Gewalt auszahlt – im Straßenverkehr oder auf dem Schulhof -, kann leichter dazu neigen, Probleme gewaltsam zu lösen.
Im Recht der Bundesrepublik Deutschland ist das Netz von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten derart engmaschig, dass jede Gewaltanwendung, von der Gewalt gegen Sachen über die psychische bis zur körperlichen Gewalt, mit Strafe bedroht ist. Aber die Strafandrohung allein kann Gewalt nicht unterbinden. Das heißt aber nicht, dass es an Gesetzen mangelt, vielmehr lässt ihre Durchsetzung zu wünschen übrig.
Daneben müssen die Mittel, die zur Gewaltanwendung gebraucht werden können, Regeln unterliegen. Damit kann man zwar die Gewalt nicht bekämpfen, aber die Gelegenheiten zur Gewaltnutzung können reduziert werden. Daher stellen etwa das Waffen- oder Sprengstoffgesetz durch ausreichende Vorkehrungen sicher, dass sich Gewaltbereite und Gewaltanfällige nicht entsprechend ausrüsten können.
Leider können sich auch allgemein unbedenkliche Gegenstände verheerend auswirken. Zu denken ist an den 11. September, wo letztlich mittels Teppichmessern Verkehrsflugzeuge gekapert und als Massenvernichtungswaffen missbraucht wurden. Hier können restriktive Gesetze nur begrenzte Wirkung entfalten. Sie sind daher für die rechtstreuen und nicht gewalttätigen Menschen zurückhaltend auszugestalten.
Im Ergebnis ist bei der Gewaltbekämpfung weniger der Gesetzgeber gefordert als die Gesellschaft. Wenn Gesetze zu verändern sind, dann um Lücken zu schließen und den Vollzug zu erleichtern – jedoch nicht durch aktionistische und nur symbolhafte Anlassgesetzgebung.
edzard.schmidt-jortzig@bundestag.de
Keine voreiligen Schlüsse
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Petra Pau, PDS
Der "Gesetzgeber" sollte erst einmal die Luft anhalten und nichts tun, was fixen Eingebungen oder Profilierungssüchten entspringt. Das mag absurd klingen, vor allem angesichts des schlimmen Massenmordes im Erfurter Gutenberg-Gymnasium. Aber es ist vernünftiger, als schnellschlüssig Unsinn zu erlassen. Denn davon ist zurzeit wieder einmal viel zu viel auf dem Markt. So will Bundesinnenminister Otto Schily die Volljährigkeit auf 21 Jahre anheben, damit Jüngere von Waffen fern gehalten werden. Andere fordern eine Kommission, die Gewaltdarstellungen aus dem Internet verbannen soll.
Nur: Was wäre daran logisch und konsequent, wenn 18-Jährigen die Jagd untersagt würde, sie aber gleichzeitig per Wehrpflicht in Kriege geschickt werden können? Und was kann eine Internet-Polizei bewirken, wohl wissend, dass das weltweite Netz zensurresistent ist?
Richtig ist: Es muss etwas getan werden, auch vom "Gesetzgeber"! Beispiel Bildungsreform: mehr soziales Lernen, statt Auslese fördern. Beispiel Medien: mehr Kompetenz bei den Empfängern bilden und nicht nur beim Sender ansetzen. Beispiel Familien: weniger Moral predigen und mehr Vorschul- und Freizeitangebote schaffen.
Ich kann das alles hier nur in Stichpunkten andeuten, aber bereits auf strategische Ansätze verweisen. Beispiel Außenpolitik: Wer Kriege, mithin Gewalt, als "Fortsetzung der Politik" wieder belebt, der sollte innenpolitisch nicht den empörten Zeigefinger heben! Und ausländische Menschen in Nützliche und Ausnutzende zu sortieren, das ist nun wahrlich kein Beitrag für ein friedliebendes Miteinander. Die PDS-Fraktion hat ein interdisziplinäres Gremium eingesetzt. Nicht zum Vertagen der Eingangsfrage, sondern um gründlichen Lösungen näher zu kommen.