Suchbild
Cullens Reichstag
Der amerikanische Historiker Michael S. Cullen, einer der besten Kenner der Geschichte des Reichstagsgebäudes, schreibt uns zu unserem letzten Suchbild:
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1899 veröffentlichte ein Inspektor der Invaliditäts- und Altenversicherungsanstalt in Hannover, ein gewisser H. Ahrens, eine vernichtende Kritik über die Anbringung heraldischer Ornamente am Reichstagsgebäude. Er schrieb: "Der Millionenbau steht nun fertig da, großartig in seiner Ausdehnung, doch mit so argen, so unglaublichen heraldischen Fehlern, wie sie kaum zu denken sind. Ich schicke voraus, dass ich der Genialität des Entwurfes und der technischen Ausführung des Bauwerkes meine Anerkennung nicht zu versagen vermag. Eben darum kann ich es nur auf das Tiefste beklagen, dass man einer Kunstwissenschaft [Heraldik] ... in ihrem spezifisch wissenschaftlichen Theil eine fast wegwerfende Nichtachtung zeigte."
Nun würde heute den Inspektor aus Hannover niemand mehr erwähnen, wenn seine Kritik nicht die einzige Beschreibung der ursprünglichen heraldischen Darstellungen der Fürstentümer und freien Städte an der Ostfassade über den Fenstern im 2. Stock des Reichstagsgebäudes wäre.
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Das Suchbild der Ausgabe 4/2002 zeigt ein Ornament an der Ostfassade. Eine Reise nach Berlin hat Herr Wolfgang Zimmermann aus Hattingen gewonnen.
Bis auf den in unserer letzten Ausgabe gezeigten Stierkopf des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin sind alle inzwischen verschwunden. Und auch an dem hatte Ahrens etwas zu kritisieren. In Vergessenheit sind übrigens auch die Namen der Künstler geraten, die die Wappenfiguren geschaffen haben.
Die anderen Figuren sind vermutlich in den fünfziger Jahren einer "Stilbereinigung" des Reichstagsgebäudes zum Opfer gefallen. Damals hieß es zur Begründung, die Ornamente und der heraldische Schmuck seien nicht auf Wunsch des Künstlers, des Architekten Paul Wallot, sondern auf Geheiß des Kaisers angebracht worden. Ob diese Behauptung allerdings zutreffend ist, ist mindestens sehr fraglich.