Die Küsten-Goleta Amistad, 45 Tonnen, Kapitän Ramón Ferrer, legte am 28. Juni 1839 in Havanna ab. Ziel: Surgidero de Guanaja, 14 Meilen von Puerto Príncipe [heute Matanzas] und 110 Meilen von Havanna entfernt. An Bord befanden sich zwei Mann Besatzung: Jacinto Verdagué, aus Katalonien, und Manuel Padilla, aus Santo Domingo. Ein Mulattensklave des Kapitäns Ferrer namens Celestino war Koch. An Bord befand auch sich ein Negrito, Sklave von Ferrer, von 16 Jahren, sowie zwei Passagiere namens Don José Ruiz, aus Rodezno, in Alt-Kastilien, 24 Jahre alt, und Don Pedro Montes, aus Tortosa, Katalonien, 58 Jahre alt, beide Bürger von Puerto Príncipe, Kuba. Die Ladung bestand aus 53 Negern, von denen 49 Ruiz gehörten, sowie drei Negritas und ein Negrito, Eigentum von Montes. Am dritten Tag der Reise, nach einem Sturm, waren nur noch die Steuerwache und die Sklaven wach, die sich zum Teil unter Deck, zum Teil auf Deck befanden. Dann kam es zu einem Lärm und alle seien aufgesprungen. Pedro Montes habe dann gesehen, dass die Sklaven den Koch töteten." Dann töteten sie auch Kapitän Ferrer und die Besatzung - wie es einem Millionenpublikum aus dem Spielberg-Film "Amistad" bekannt ist.
Das Zitat ist ein Teil des zeitgenössischen Berichtes der Zeitschrift "Noticioso de Ambos Mundos" (Samstag, 28. September 1839), der in Havanna kursierte, als die Nachricht von der Aufbringung der "Amistad" in US-Gewässern bekannt wurde. Der Bericht enthüllt die wirtschaftliche Ursache sowie die alltägliche Grausamkeit des karibischen Sklavenhandels und die blutige Gegenwehr versklavter Menschen.
Die historische Analyse zeigt aber auch die wirtschaftliche und soziale Funktion des Sklavenhandels in der Karibik und seine Folgen. Ramón Ferrer, der Kapitän des Sklavenschiffes, war als bitterarmer Immigrant von Ibiza nach Kuba gekommen und hatte in die Familie von kubanischen Kreolen aus einem Ort in der Nähe von Havanna eingeheiratet. Mit dem Schoner Amistad transportierte er Waren an der kubanischen Nordküste entlang, zwischen Havanna und Puerto Príncipe. Diese Transporte waren im Grunde immer auch Sklaventransporte, die trotz des seit 1820 gültigen Verbotes des Sklavenhandels offen vor aller Welt abliefen. So sagte seine Frau, Doña Juana González bei der Untersuchung des Marinestaatsanwaltes nach dem Tod ihres Mannes aus, Ferrer habe auch versucht, transatlantischen Sklavenschmuggel von Afrika nach Kuba zu betreiben.
Der Sklavenhandel blühte seit den Tagen der Entdeckung Amerkas durch die Europäer im Jahr 1492. Bereits Christoph Kolumbus hat wohl schon eine dementsprechende Absprache mit dem Florentiner Sklavenhändler Berardi getroffen. Auf jeden Fall kannte der Genuese die Praktiken des Sklavenhandels in Westafrika und im Mittelmeerraum. Zudem gab es auch unter den Taínos und Kariben, die in der Karibik lebten, eine Art von Sklaverei (naboría). Jedenfalls begann der Admiral schon 1494/95 einen umfangreichen Sklavenhandel, um Schulden zu bezahlen und um neue Güter nach La Española einführen zu können.
Die katholischen Könige Isabella und Ferdinand verboten diesen Sklavenhandel zwar 1500, ließen aber Hintertüren offen: "Menschenfresser", Kariben und widerständige Indios zu versklaven, war nach wie vor erlaubt. Neben Westafrika wurde die spanische Karibik daher von 1495 bis 1550 zu einer Gegend der Sklavenrazzien, der Sklavenjäger und der Sklaverei. Die Indiovölker starben aus oder zogen sich zurück - wie die Miskito, Kuna, Guajiros, Seminolen oder Garifuna. Wegen des Mangels an Arbeitskräften und der Annahme, dass "schwarze" Menschen bei Flucht besser einzufangen seien - in Wirklichkeit hielten sie die Krankheiten der Tropen besser aus -, organisierte die spanische Krone seit 1519 sogar selbst das gigantische Geschäft mit Sklaven aus Afrika. "Franchisenehmer", wie man heute sagen würde, waren die Welser aus Augsburg, Niederländer, Portugiesen, Franzosen und Engländer. Mit den so genannten Asientos, einer Art Vertrag zwischen der spanischen Krone und Privatpersonen, verschleppten sie zwischen 1520 und 1820 circa vier Millionen Menschen aus dem subsaharischen Afrika in die Karibik. Wie viele dabei in Afrika oder auf der Überfahrt starben, ist nicht bekannt. Ein gängiger Verkaufsslogan auf Kuba warb für frischangelandete Sklaven mit dem Motto "Seele im Munde, ein Sack Knochen, zum Marktpreis" - das heißt, die Menschen kamen halbtot und halbverhungert in der Karibik an.
In zwei welthistorischen Etappen entstanden in der Karibik wahre Boomwirtschaften urbaner Hafenökonomien und ruraler Massensklaverei. Vor allem die Zuckerwirtschaft basierte auf der Verbindung von hochorganisierter Handarbeit und Technologie. 1650 bis 1820 entwickelten sich Barbados, Jamaika und Saint-Domingue mit Hilfe der Sklavenarbeit zu atlantischen Topwirtschaften; von 1790 bis 1886 zogen Kuba, Puerto Rico, Guadeloupe, Martinique (bis 1848) und die niederländischen Guayanas (bis 1863) nach.
Seit dem Wiener Kongress (1815) war der Sklavenhandel zwar im Westen geächtet und verboten, aber gerade der Schmuggel für die Boomwirtschaften des Zuckers ermöglichte die Gewinnspannen. Junge "hungrige" Unternehmer wie Ferrer gab es zuhauf, die zur Not ihren Kopf riskierten, um ein Geschäft zu machen. So wurden Sklaven noch um 1860 im spanischen Imperium als das produktivste Kapital angesehen.
Das Erbe von Sklavenhandel und Sklaverei sind allerdings nicht nur Architektur und eine fortschrittliche Technologie, sondern vor allem die Menschen und ihre Kultur. Schon Humboldt stellte 1826 in einem Essay über die Insel Kuba fest, dass in der Karibik 83 Prozent afrikanische Sklaven und ihre Nachkommen lebten. Da sie keinesfalls nur passive Opfer waren und im Kopf ihre unterschiedlichen Kulturen mitbrachten, prägten sie von unten die Religionen und die Kultur, das heißt die Musik, das Essen, die Mode, Farben, Hygiene, die mündliche Überlieferung und das Weltbild in Jamaika, Haiti, Kuba, Puerto Rico und vielen anderen Inseln der kleinen Antillen und der Bahamas. Auf Kuba etwa existieren bis heute mindestens fünf afroamerikanische Religionen, dazu kommen die Traditionen der Cabildos und Cofradías (Kultzentren und Bruderschaften). Nicht umsonst hat der kubanische Anthropologe Fernando Ortiz am kubanischen Beispiel das heute so weit verbreitete Konzept der Transkulturation entwickelt.
Die Sklavenhalter und Sklavenhändler - obwohl diese bei Ausübung ihres Geschäftes immer als etwas anrüchig galten - entwickelten sich vor allem im 19. Jahrhundert zu kosmopolitischen Eliten des Atlantiks. Sie investierten kräftig in die ökonomische und technische Modernisierung, aber machten auch durch Steuern und Spenden Städte der Plantagenzone wie Havanna, Rio de Janeiro, Cartagena oder New Orleans zu Zentren modernster Architektur, Wissenschaft und Kunst. Wie sehr die Sklaverei zum Aufbau der Moderne beigetragen hat, ist noch heute in Brasilien und den USA sichtbar. In der Karibik sind ihr Einfluss und ihre Bedeutung zwar viel größer, aber als sich England, Spanien, Frankreich und Niederlande zurückzogen, verfielen die Inseln zu Armenhäusern des Westens. Nur das Latifundienwesen der hispano-kubanischen Plantagen überstand alle Stürme der Zeit und existierte noch als "großes Kuba" in der zentralisierten Landwirtschaft Castro-Kubas.
Die schlimmste Erbschaft des Sklavenhandels und der Sklaverei aber ist die Exklusionsideologie des Westens: der Rassismus. Gegen diesen entwickelte sich zwischen 1790 und heute ein Freiheitskonzept, das die Gleichheit an die erste Stelle setzt und den Westen zutiefst beeinflusst hat - nicht zuletzt über Reiseberichte, Malerei, Musik, Literatur und Tourismus.
Ohne Sklavenhandel und Sklaverei gäbe es offenbar im Westen keine Moderne, und ohne den Kampf gegen Sklaverei und Rassismus keine Freiheit.