Louis Michel ist ein Optimist. Der EU-Entwick-lungskommissar hat sich vorgenommen, die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Kuba Fidel Castros zu verbessern. Michel will die Kubaner nicht mehr als die Schmuddelkinder der Karibik behandeln. Denn die Inselregion ist ohnehin kaum groß genug, um dem Ansturm der Globalisierung standzuhalten. Aussichten auf wirtschaftliche Entwicklung und mehr Prosperität hätten die Klein- und Zwergstaaten vor der Küste Amerikas nur, wenn sie ökonomisch zusammenwachsen, heißt es in Brüssel. Kuba hat in diesem Zusammenhang einen hohen Stellenwert: Mit mehr als elf Millionen Einwohnern hat die Insel das mit Abstand größte wirtschaftliche Potenzial der Region. Auf dieses Potenzial muss die Entwicklungsstrategie der EU allerdings vorerst verzichten. Der Versuch des EU-Kommissars, Castro zu einem zivilisierteren Umgang mit seinen Dissidenten zu veranlassen, ist bisher erfolglos geblieben. Kuba ist damit das einzige Land in der Karibik, mit dem Brüssel kein Kooperationsabkommen abgeschlossen hat.
Neben den Kooperationsabkommen, in denen die Verwendung der Entwicklungshilfe aus Europa geregelt wird, hat die EU mit den meisten Ländern der Region einen Partnerschaftsvertrag (WPA) abgeschlossen. Ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen will die Kommission auch mit dem Regionalverbund Caricom (Caribbean Community and Common Market) abschließen, dem außer Kuba und der Dominikanischen Republik fast alle Staaten der Region angehören. Die Verhandlungen darüber befinden sich in der Endphase und sollen 2006 abgeschlossen werden.
Das WPA stellt eine wichtige Grundlage für eine stärkere wirtschaftliche Verflechtung innerhalb der Region und mit der EU dar. Dafür müssen sich die karibischen Staaten untereinander Vorzugskonditionen im Handel einräumen. Auch für ihre Exporte nach Europa zahlen die Staaten der Karibik in den meisten Fällen keinen oder einen geringen Zoll. Die dafür notwendige Genehmigung der Welthandelsorganisation, WTO, die 2008 ausläuft, soll mit dem WPA erneuert werden.
Die meisten Staaten der Karibik können den EU-Markt schon heute zu sehr günstigen Konditionen beliefern. Umgekehrt werden Einfuhrabgaben zwischen zehn und 30 Prozent fällig, die allerdings nicht nur auf die Importe aus der EU oder den USA erhoben werden, sondern auch auf das, was zwischen den Karibikstaaten gehandelt wird. Insofern ist es kein Wunder, dass die Karibikstaaten nur zehn Prozent ihres Außenhandels untereinander abwickeln, aber 30 Prozent mit den USA und gut 20 Prozent mit der EU. Die Exporte der Region in die Europäische Union sind in den letzten beiden Jahren um 15 Prozent gestiegen, umgekehrt gingen die Exporte der EU in die Karibik aber um acht Prozent zurück.
Das Ziel der EU ist es, die Karibik zu einem harmonisierten Wirtschaftsraum zu entwickeln, der für die europäischen Exporteure ein attraktiver Markt wäre, möglichst unter weitgehender Einbeziehung der angrenzenden mittelamerikanischen Länder. Dafür müssen vor allem die Einfuhrbeschränkungen zwischen den Karibikstaaten beseitigt werden. Brüssel fördert die regionale Zusammenarbeit deswegen nicht nur mit entsprechenden Vereinbarungen, sondern auch mit 57 Millionen Euro aus dem Europäischen Entwicklungsfonds (EEF). Sie stehen zusätzlich zur bilateralen Hilfe für die einzelnen Karibikstaaten zur Verfügung (517 Millionen Euro von 2002 bis 2007).
Schwerpunkte der europäischen Entwicklungshilfe sind die Landwirtschaft, der Tourismus und der Kampf gegen den Drogenhandel. Die dafür zur Verfügung gestellten Mittel fließen allerdings nur schleppend. Ein Grund dafür ist, dass sich die Interessenkonflikte zwischen den Karibikstaaten oft nur schwer überbrücken lassen. Barbados und Trinidad und Tobago etwa streiten seit Jahren darüber, wer wann welchen Fisch fangen darf. Ein gemeinsames Konzept für die Nutzung der vielleicht wichtigsten Ressource der Region kann man da schlecht machen.
Die Handelspolitik der EU trägt allerdings nicht immer dazu bei, solche Konflikte auszuräumen. Der wichtigste Zankapfel der Region ist die Banane. Nachdem die mittelamerikanischen Bananenerzeuger die Einfuhrquoten der EU vor der Welthandelsorganisation WTO zu Fall gebracht haben, errichten die Europäer jetzt neue Hürden gegen die so genannten Dollarbananen.
Mit den Klägern hatte man sich darauf verständigt, die Einfuhrquoten abzuschaffen und nur noch Zölle zu erheben. Ab dem 1. Januar will die Europäische Union 176 Euro Zoll für jede Tonne importierter Bananen erheben. Die AKP-Staaten - ehemalige Kolonien in Afrika, der Karibik und am Pazifik -, die mit der EU über das Abkommen von Cotonou verbunden sind und zu denen auch die meisten Staaten der Karibik gehören, dürfen jedoch weiter jedes Jahr 775.000 Tonnen Bananen zollfrei in die EU einführen. Die angrenzenden mittelamerikanischen Länder finden das unfair. Denn gegen die zollfreien AKP-Bananen haben sie keine Chance. Sie halten den Zoll weiter für zu hoch, einige wollen erneut vor dem Schiedsgericht der WTO klagen. Der Bananenkonflikt ist ein wichtiges Hindernis auf dem Weg zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum in Mittelamerika. Dort haben nicht nur die Lateinamerikaner und die Karibikstaaten eigene Interessen sondern auch die EU selbst. Gebiete wie Martinique und Guadaloupe, die zur Union gehören, können eben auch nicht in den karibischen Wirtschaftsraum integriert werden. Das gilt auch für die Cayman- oder die Britischen Jungfraueninseln, die zwar nicht direkt zur EU gehören, aber in einem Abhängigkeitsverhältnis zu einzelnen EU-Staaten stehen.
Die so genannten Überseeterritorien der EU, Martinique und Guadaloupe, profitieren am meisten vom Bananenzoll der EU. 40 Prozent der "europäischen" Bananen wachsen in diesen französischen Gebieten, im vergangenen Jahr waren es 305.000 Tonnen. In den mittelamerikanischen Erzeugerländern fürchtet man, dass die Europäer hinter ihrer Zollmauer die Produktion ausweiten und die Dollarbananen, die derzeit über 60 Prozent des EU-Verbrauchs decken, weiter zurückdrängen wollen. In den Caricom-Staaten fördert Brüssel den Ausstieg aus dem Bananenanbau mit 33 Millionen Euro. Auch andere Zuschusskulturen wie Zucker oder Reis sollen die AKP-Länder zurückfahren.
Die Zukunft ihrer Partner in der Karibik sieht die EU vor allem im Dienstleistungssektor, in dem schon heute der größte Teil der Einkommen erwirtschaftet wird, drei Viertel des Sozialproduktes sind es in Antigua und Barbados, immerhin noch 45 Prozent in Haiti. In Brüssel denkt man dabei vor allem an den Tourismus, aber auch an den Bankensektor.
Die Kreditwirtschaft der Region genießt den Ruf, eine Art "Waschsalon" für Geld aus Drogengeschäften oder der Steuerhinterziehung zu sein. Damit haben vor allem die von den Briten und Holländern abhängigen Karibikinseln in der Vergangenheit gut verdient. Die EU könnte das Bankwesen natürlich nur fördern, wenn es sich um seriöse Finanzgeschäfte kümmert. Sie hat deswegen zunächst in den abhängigen Gebieten durchgesetzt, dass Guthaben von EU-Bürgern versteuert werden müssen. Aber das soll erst der Anfang vom Ende der Karibik als sicherem Hafen für Schwarzgeld aus Europa sein. Brüssel will den Einfluss der Europäer in der Region nutzen, um den Kampf gegen den Terrorismus, die Steuerhinterziehung und die organisierte Kriminalität zu intensivieren.
Der Autor arbeitet als freier Journalist in Brüssel.