Mit großem Selbstverständnis nehmen Computer und Medien einen immer breiteren Raum in der Gesellschaft ein. An keinem Arbeitsplatz darf ein Computer fehlen, unser Bild der Welt ist mehr von Medien geprägt als von eigener Wahrnehmung und umgekehrt dienen uns Medientechnologien dazu, persönliche Interessen auszuleben oder private Momente festzuhalten. Technologie und Medien haben zweifellos die Gesellschaft verändert, aber auch die Kunst. Dies zeigte auch das Berliner Medienkunstfestival Transmediale, das in der vergangenen Woche unter dem Motto "Reality Addicts" das Zusammenspiel von Medien, Technologie und Wirklichkeit thematisierte.
Falls sich jemand unter Medienkunst etwas vorstellen kann, dann vielleicht die vielen Videomonitore eines Nam June Paik, des gerade verstorbenen Vaters der Videokunst. Oder man denkt an meterhohe Computertürme, armdicke Kabelagen, Kameras und Projektionswände, die einen Schaltkreis bilden, damit der Besucher mit der Computertechnologie interagieren kann. Meistens will solche Kunst auf die Dominanz von Technik, Medien und Bildwelten in unserer Gesellschaft aufmerksam machen. Stets wird viel Technik aufgefahren, um unsere Abhängigkeit von derselben zu demonstrieren.
Doch diese Zeiten sind vorbei. Die Ausstellung "Smile Machines", die zusammen mit der Transmediale in der Akademie der Künste stattfindet, zeigt ein ganz anderes Bild von Medienkunst. Statt technologischem Hochrüsten setzt die Ausstellung einen Akzent auf "Low Tec" - auf minimalistische und häufig veraltete Computertechnologie. Beispielsweise zieht ein fahrbarer Roboter in einer kleinen Arena seine Kreise und wartet auf Besucher, die mit ihm interagieren. Bevor ihm aber jemand zu nahe kommen kann, sucht er lieber das Weite. Ein anderer ebenso nutzloser elektronischer Geselle fordert den Besucher auf, ihn herumzuwirbeln. Seine Befehle werden immer dreister und direkter, je mehr darauf eingegangen wird. Unversehens macht der Besucher sich zum Sklaven der Technologie.
Die hierin angelegte Selbstironie unterstreicht die Ausstellungsidee - es geht um Technologie und Humor. Seit den 60er-Jahren und der Fluxus-Bewegung, zu der auch Nam June Paik zählte, haben Künstler sich auf humorvolle Weise mit Technologie auseinandergesetzt. "Die Werke sind allerdings nicht nur sarkastisch, humorvoll oder witzig", erläutert die französische Kuratorin Anne-Marie Duguet, "sondern sie stellen auch Fragen an die Gesellschaft. Manche Arbeiten leisten einen sehr direkten kritischen Kommentar oder eine Attacke auf politische oder soziale Dinge. Andere üben eine leichtere Kritik, benutzen subtilen Humor."
So handelt etwa die Video-Installation "Cheese" von Christan Möller, bei der sechs Damen um die Wette grinsen, vom gesellschaftlichen Zwang zu Lachen und Heiterkeit, wie er auf Personen des öffentlichen und medialen Lebens lastet. Und die Spiralmundschrauben von George Maciunas, ein Fluxus-Werk von 1971, demonstrieren, wie sich ein solches Dauerlächeln am Besten bewerkstelligen lässt. Eine vornehmlich politisch motivierte Medienkunst tritt hier auf und mischt sich unmittelbar in soziale und politische Dinge ein.
Gegenstand ihrer Kritik ist häufig die globale Konsumwelt, die den Käufer mit vorgefertigten Standardprodukten überschüttet. Das große Interesse einer jungen Generation an Festivals wie der Transmediale lässt indes erkennen, dass hier ein Übermaß erreicht worden ist. Die Leute wollen sich nichts mehr vorsetzen lassen, sondern Medien aktiv und kreativ den eigenen Bedürfnissen anpassen. "Reality Addicts" gestalten ihre Wirklichkeit durch gezielte Mediennutzung selbst.