Was schreiben ungarische Zeitungen über die Pariser Studentenproteste, wie sehen estnische und tschechische Medien die Wahl in Weißrussland und wie beurteilt die britische Presse die Zukunft der EU-Verfassung? Was in anderen europäischen Ländern öffentlich diskutiert wird, ist trotz eines zusammenwachsenden Europas meist unbekannt. Eine europäische Presseschau im Internet will jetzt dazu beitragen, via Zeitung die vielbeschworene europäische Öffentlichkeit zu schaffen - oder zumindest eine europäische Leseöffentlichkeit. Welche politischen, gesellschaftlichen oder kulturellen Themen unsere Nachbarn beschäftigen, können europäische Zeitungsleser seit Ende 2005 in der Presseschau "Eurotopics" verfolgen. Europäische Themen sind heute zwar öfter in den Medien präsent als noch vor einigen Jahren, doch europäische Themen werden noch immer nur durch die nationale Brille betrachtet.
Diese Lücke möchte die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) zumindest ein Stück weit schließen. Im vergangenen Dezember gab sie den Startschuss für ein ambitioniertes Projekt: Die europäische Presseschau "Eurotopics" erscheint seitdem werktäglich als kostenloser Newsletter, Anfang März ging jetzt auch die Website www.eurotopics.net mit Archiv und Suchfunktion online. Das Ziel der Presseschau: innereuropäische Themen und Diskussionen transparenter zu machen. "Die Komplexität der vornehmlich national geprägten Meinungsbildung in Europa wird so für eine breitere Öffentlichkeit nachvollziehbar", erklärt Thomas Krüger, Präsident der bpb, "Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind genauer zu fassen". Und Thorsten Schilling, der als Leiter des Fachbereichs Multimedia die Chefredaktion von "Eurotopics" übernommen hat, fügt hinzu: "Die Presseschau bildet deutlich ab, über welche Themen in Europa debattiert wird - und zeigt auch, welche Akteure mit welchen Argumenten diskutieren." Der Newsletter ist in deutscher, englischer und französischer Sprache abonnierbar. Auch in der Konzeption ist die Presseschau "Eurotopics" ein europäisches Projekt: Die Ausschreibung für die Redaktion lief europaweit, den Zuschlag bekamen schließlich zwei Redaktionen: die deutsche Perlentaucher Medien GmbH mit Sitz in Berlin und die französische Zeitung "Courrier International" in Paris.
In Zusammenarbeit mit einem Netzwerk von europäischen Korrespondenten wertet das achtköpfige Redaktionsteam täglich rund 150 Printmedien aus 25 EU-Ländern und der Schweiz aus. Darunter sind Zeitungen wie die "Neue Zürcher Zeitung" oder "Le Monde" ebenso wie hierzulande wohl eher unbekannten Printmedien wie etwa "Helsingin sanomat" aus Helsinki, der "Correio da Manhã" aus Lissabon oder die lettische Zeitung "Diena". Ob Themen aus Politik, Medien, Gesellschaft, Kultur oder Zeitgeschichte - für die Presseschau wählen die Korrespondenten und Redakteure gemeinsam die wichtigsten "Eurotopics" des Tages aus. "Natürlich können wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, aber wir versuchen, das Interessanteste herauszufiltern und so ein wenig Orientierung im alltäglichen medialen Rauschen zu geben", sagt Tatjana Brode, die das Projekt "Eurotopics" für die bpb koordiniert.
Der Newsletter umfasst rund 15 Links zu Meinungsartikeln, Essays und Kommentaren - unterteilt in verschiedene Rubriken. Im "Dossier" etwa wird stets ein politisches Thema besonders ausführlich beleuchtet, in "Lokale Farben" geht es dagegen eher um bunte, bisweilen kuriose Themen. Ein nützlicher Service für die Nutzer ist das Archiv der Website, in dem alle Beiträge gespeichert werden und per Schlagwortsuche jederzeit wieder auffindbar sind. Für die Macher von "Eurotopics" spielt die Archivierung eine zentrale Rolle: "So lassen sich die Debatten in den einzelnen Ländern auch zeitlich verfolgen", so Brode.
Mit der Presseschau ist das Internetportal allerdings längst noch nicht an seine Grenzen gestoßen. Im Gegenteil: "Das ist nur der erste Schritt", sagt Thorsten Schilling, "langfristig soll Eurotopics die zentrale Internetplattform der bpb für europäische Themen werden." Geplant sind Schwerpunkte zu europäischen Themen wie etwa "Geschichte Europas", "europäische Öffentlichkeit" oder aber zu kontrovers diskutierten Fragen wie beispielsweise der EU-Beitritt der Türkei.
Beiträge europäischer Denker - von Journalisten, Wissenschaftlern oder Politikern - sollen in Zukunft auf der Website zu lesen sein - natürlich in drei Sprachen übersetzt, und im Gegensatz zu den Artikeln in der Presseschau in voller Länge. Zudem ist geplant, sukzessive das Online-Angebot um eine Datenbank mit Akteuren der politischen Bildung in Europa zu erweitern. So möchte die Bundeszentrale für politische Bildung nicht nur Netzwerke des medialen, kulturellen und politischen Austauschs fördern, sondern auch ein Netzwerk der politischen Bildung in Europa aufbauen.
Info unter: www.eurotopics.net