Der kurze Frühling verflüchtigt sich rasch, der schwarz-grüne Sprössling erblickt gar nicht erst das Sonnenlicht. Nach all der Aufregung um ein Experiment zwischen Union und Öko-Partei atmet FDP-Justizminister Ulrich Goll erleichtert auf: "Die Welt ist wieder in Ordnung." Im Südwesten nichts Neues: Wie schon geräuschlos seit 1996 wird Baden-Württemberg auch künftig unter CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger von einem schwarz-gelben Bündnis regiert, bei den Koalitionsverhandlungen sind von der Etatsanierung über die Verkehrs- und Energiepolitik bis hin zur restriktiven Innenpolitik keine größeren Konflikte zu erwarten.
War was? Vom Ergebnis her eigentlich nichts. Indes rammt Oettingers Flirt mit der Truppe um den grünen Vormann Winfried Kretschmann Pflöcke ein, um die landes- und bundespolitisch niemand mehr herumkommt. Zum einen zeigt die CDU den Liberalen, was eine Harke ist: Man schwingt den grünen Knüppel, um der FDP irgendwelche politischen und personellen Ansprüche von vornherein auszutreiben. Und zum andern sendet Oettinger mit seinem schwarz-grünen Techtelmechtel ein republikweites Signal aus: Selbst wenn es jetzt am Neckar noch nicht klappt, ist dieses Modell für die Union fürderhin eine ernsthafte Alternative. Man könne nun nicht mehr behaupten, so Kretschmann zufrieden, Schwarz und Grün seien "prinzipiell unvereinbar".
Gegenüber der FDP, die ihren Ärger über Oettingers Sondierungsgespräche mit den Grünen nur mühsam im Zaum halten konnte, scheint die Drohung mit dem Wechsel zur Öko-Partei zu funktionieren. Goll meint erstaunt, dass die Annäherung zwischen Union und Grünen "mehr war als nur ein taktisches Spiel". CDU-Staatsminister Willi Stächele reibt der FDP unter die Nase, "dass sie in keinem Punkt die Schmerzgrenze überschreiten darf".
Die FDP signalisiert bereits, man strebe trotz des Stimmenzuwachses auf 10,7 Prozent keinen dritten Ministerposten an. Nichts werden dürfte auch aus der alten FDP-Forderung nach einer Änderung des Wahlrechts, das die stärkste Partei bei der Mandatsvergabe im Landtag erheblich bevorzugt. Selbst bei der Bundesratsklausel, die bei Differenzen der Koalitionspartner zur Stimmenthaltung in der Länderkammer führt, macht die CDU Druck: Das dürfe nicht die Regel sein, verlangt Oettinger. Goll konzediert schon mal, man wolle den Ministerpräsidenten im Bundesrat nicht zur "Enthaltsamkeit" zwingen. Immerhin beharrt FDP-Wirtschaftsminister Ernst Pfister darauf, dass Stuttgart der Mehrwertsteuererhöhung nicht zustimmen dürfe.
Es käme schon einem Wunder gleich, hätte es in Baden-Württemberg schon dieses Mal mit Schwarz-Grün funktioniert. Zu groß sind in der Union die Widerstände gegen die Öko-Partei. "Die Traditionsbataillone wollten nicht springen", schimpft Kretschmann, der sich seinerseits hingebungsvoll als "Wertkonservativer" präsentiert. Über das Ja zur FDP gab es bei den CDU-Parlamentariern nicht einmal eine Diskussion. Deren Chef Stefan Mappus verkündete per Interview ("Die FDP hat Priorität") die Fortsetzung von Schwarz-Gelb gar schon vor Oettingers Auftritt in der Fraktion. Auch politisch überwiegen zwischen Union und Grünen nach wie vor die Differenzen. Nur in Finanzfragen und bei einer ökologisch orientierten Arbeitsmarktpolitik näherten sich beide Seiten ernsthaft an. In der Verkehrs- und Atompolitik etwa bleiben die Gegensätze aber unüberbrückbar.
Gleichwohl umweht Oettinger fortan die Aura des Pioniers, der das Eis zwischen Schwarz und Grün gebrochen hat. Die Grünen hätten "an Gewicht gewonnen", souffliert der Regierungschef. Minister Stächele findet es "richtig, mit den Grünen Gespräche geführt zu haben". Offen plädiert der Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß für eine Koalition mit der Öko-Partei. Im Angesicht der Macht werden im Übrigen die Grünen offenbar recht flexibel. So ist aus deren Reihen plötzlich hie und da zu vernehmen, der Atomausstieg sei doch Bundessache und damit gar kein Landesthema. Selbst bei der Integrationspolitik ortet Kretschmann neuerdings Kompromissmöglichkeiten.
Vor allem Mappus machen die Grünen für das Scheitern des erhofften Bündnisses verantwortlich. Der CDU-Politiker habe "weder den Bildungsgrad noch die charakterlichen Voraussetzungen für einen Koalitionspartner", giftet der Grüne Boris Palmer. Die Oppositionszeit beginnt also zügig. Kretschmann wird beim Durstlöschen noch eine Weile an den zerplatzten Traum erinnert: Die grüne Fraktion schenkte ihrem Vorsitzenden zwei Kästen Oettinger-Bier.