Es begann im Dezember 2004 als Independent-Projekt von jungen Hamburger Politik- und Internet-Freaks. Sie wollten das Geschehen im Rathaus der Elbmetropole für die Wähler transparenter machen - und entwickelten die Homepage www.abgeordnetenwatch.de.
Ihre Idee war, ein Forum zu schaffen, über das Bürger gezielt Fragen an ihre Abgeordneten stellen können. Ihr Angebot funktionierte von Anfang an. Denn so leicht war es noch nie, mit den Hamburger Politikern in Kontakt zu kommen: Nur ein, zwei Links - und schon landen die Nutzer beim Politiker ihrer Wahl.
Heute, mehr als ein Jahr später, ist "Abgeordnetenwatch" ein fester Bestandteil der politischen Kommunikation in der Hansestadt. Den Initiatoren Gregor Hackmack (28) und Boris Hekele (27) vom Verein "Mehr Demokratie" gelang es, mit ihrem Internet-Angebot eine Form des Austauschs zwischen Abgeordneten und Wählern zu etablieren, wie sie in dieser Unmittelbarkeit sonst nur bei den Bürgersprechstunden der Parteivertreter erwartet werden kann. Das hängt auch mit dem öffentlichen Druck zusammen, mit der von den Politikern befürchteten negativen Wirkung, wenn sie eine Anfrage nicht beantworten.
Der Erfolg von Abgeordnetenwatch ermunterte das junge Team, auch bundesweit in Aktion zu treten: Pünktlich zur Bundestagswahl 2005 gingen Hackmack und Hekele mit dem Schwesterprojekt www.kandidatenwatch.de an den Start. Das Prinzip des Angebots war im Kern das gleiche wie in Hamburg, aber diesmal auf alle Wahlkreise in ganz Deutschland bezogen. Wieder wurde die Möglichkeit geschaffen, an jeden Bundestagsdirektkandidaten Fragen zu stellen - und mit etwas Glück via Internet eine Antwort darauf zu bekommen. Die persönlichen Referenten bekannter Bundespolitiker müssen dabei ganz schön ins Schwitzen geraten sein. Antworten innerhalb weniger Stunden wie in Hamburg waren und sind bei der Fülle und Kompliziertheit an Fragen nicht immer möglich.
Die positive Welle der medialen Aufmerksamkeit für das Schwesterprojekt bekam nur ein einziges Mal, im August 2005, einen kleinen Dämpfer. Damals stellte der Berliner CDU-Bundestagskandidat Tim Peters die Neutralität der Macher öffentlich in Frage. Er kritisierte, dass in der als Zusatzangebot präsentierten Zusammenfassung wichtiger Positionen aus den Wahlprogrammen der für den Bundestag kandidierenden Parteien bei der Union etliche Punkte fehlten, während etwa die Grünen zum Teil sehr ausführlich zu Wort kamen. Diese nicht ganz von der Hand zu weisende Kritik bedrohte das Grundprinzip des Erfolgs von Kandidatenwatch - und das lautete eigentlich: Strikte Überparteilichkeit.
Doch Hackmack und Hekele ließen sich nicht entmutigen. Sie verpassten www.kandidatenwatch.de in den Wintermonaten ein neues Aussehen - und offerierten pünktlich zu den Landtagswahlen auch den Bürgern von Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg eine Möglichkeit, online mit ihren Kandidaten in Kontakt zu kommen. Von der Zusammenfassung der Parteiprogramme wollten sie dennoch nicht lassen: Auch jetzt werden wieder zentrale Inhalte referiert. Doch den Pressestellen, betonte Hackmack, wurden diese vorher zur Korrektur vorgelegt. Und auch die Grünen kommen nun nicht mehr ausführlicher zu Wort als ihre politischen Kontrahenten. Als Kooperationspartner konnten nun auch der Mitteldeutschen Rundfunk und die Landeszentrale für politische Bildung in Baden-Württemberg gewonnen werden. Und in Hamburg? Hier sind nun auch alle Bezirkspolitiker erfasst - und dürfen mit Fragen gelöchert werden.
Der Autor ist Redakteur beim "Hamburger Abendblatt".
www.abgeordnetenwatch.de