Lehren der Geschichte beherzigt
Die Väter und Mütter des Grundgesetzes wollten diese Lehren der Geschichte beherzigen und zogen entsprechende Konsequenzen.
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Sie stärkten Parlament und Regierung und schwächten die Stellung des Präsidenten.
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Sie bestimmten, dass der Bundespräsident nicht mehr direkt vom Volk gewählt wird, sondern indirekt durch »Wahlmänner«, die die Bundesversammlung bilden. Infolgedessen fehlt dem Bundespräsidenten die Machtstellung, die aus einer direkten Wahl durch das Volk erwächst. Andererseits kann es seiner Autorität und dem Ansehen seines Amtes sehr dienen, dass um seine Person keine Wahlkampfauseinandersetzungen stattfinden.
Der Parlamentarische Rat, der das Grundgesetz schuf, war sich von Anfang an darin einig, dass der Bundespräsident keine plebiszitäre, also auf Volksabstimmung beruhende Basis haben sollte. Wer aber sollte dann bestimmen, wem dieses Amt anvertraut werden soll? Unter anderem wurde vorgeschlagen, Bundestag und Bundesrat in getrennten Wahlgängen oder zu einer Versammlung vereinigt über das Staatsoberhaupt entscheiden zu lassen. Es fand sich jedoch keine Mehrheit für ein Mitbestimmungsrecht der Landesregierungen, aus deren Mitgliedern der Bundesrat gebildet wird.
Die Zusammensetzung des Wahlgremiums – als »Bundesversammlung« seinen eigenen Worten zufolge von Theodor Heuss, dem späteren ersten Bundespräsidenten erdacht – blieb lange umstritten. Schließlich einigte sich der Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates auf die dann in Artikel 54, Absatz 3 des Grundgesetzes verankerte Lösung:
- (3) Die Bundesversammlung besteht aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden. (Voller Wortlaut des Artikels 54 GG)
Auf diese Weise vereint die Bundesversammlung das unitarische und das föderalistische Prinzip. Anders ausgedrückt: Die Interessen des Bundes werden ebenso berücksichtigt wie die der Länder, weil Bundestag und Landtage gleich stark vertreten sind. Und dadurch, dass für die Wahl des Bundespräsidenten ein besonderes, von Bund und Ländern beschicktes Wahlorgan geschaffen wurde, hat das Staatsoberhaupt ein solides, repräsentatives Fundament. 1976 sind die Entscheidungen des Parlamentarischen Rates über das Präsidentenamt von der Enquete-Kommission "Verfassungsreform" des Bundestages überprüft und bekräftigt worden.
Die nach der Vereinigung Deutschlands von Bundestag und Bundesrat eingesetzte Gemeinsame Verfassungskommission hat in ihrem Abschlussbericht vom 28. Oktober 1993 (BT-Drs. 12/ 6000) nicht erneut zur Frage der Wahl des Bundespräsidenten Stellung genommen. Sie hat lediglich den wiederholt in der Öffentlichkeit aufgeworfenen Gedanken einer Verlängerung der Amtszeit des Bundespräsidenten auf sieben Jahre (ohne die Möglichkeit einer Wiederwahl) kursorisch am Rande erörtert, ohne eine Änderung der bisherigen Regelung vorzuschlagen.