Städte dringen auf Fortsetzung der Heroinbehandlung Schwerstabhängiger
Heroingestützten Behandlung: Modellprojekte in Bonn, Frankfurt/M., Hannover, Karlsruhe, Köln und München
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In einem Appell an den Gesetzgeber setzen sich mehrere deutsche Großstädte für die Fortsetzung der kontrollierten Behandlung Schwerstabhängiger mit Heroin ein. In einer gemeinsamen Stellungnahme, mit der sich der Gesundheitsausschuss am Mittwoch, dem 19. September 2007, in einer Anhörung beschäftigte, fordern die an einem Modellprogramm zur Heroinbehandlung beteiligten Städte Bonn, Frankfurt am Main, Hannover, Karlsruhe und München den Bundestag auf, einer entsprechenden Bundesratsinitiative von Hamburg und Hessen zuzustimmen.
"Wir sind sehr, sehr daran interessiert, das fortzuführen", sagte Monika Holthausen-Lommerzheim von der Stadt Bonn auf eine Frage der SPD-Fraktion. Unterstützt wurden die Städte in ihrem Anliegen von der Bundesärztekammer, dem Deutschen Caritasverband, dem Diakonischen Werk, dem Deutschen Städtetag, der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und verschiedenen Suchtexperten. Dagegen lehnten die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen eine Aufnahme der Therapieform in ihr Regelangebot ab. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) äußerte Bedenken.
Grundlage der Anhörung war ein gemeinsamer Gesetzentwurf der Oppositionsfraktionen ( 16/4696), die die Fortsetzung der heroingestützten Behandlung anstreben. Dazu, so die Abgeordneten, sei es erforderlich, dass synthetisch hergestelltes Heroin, so genanntes Diamorphin, als verschreibungspflichtiges Betäubungsmittel eingestuft wird. "Damit bleibt die Verschreibungsfähigkeit für andere Behandlungszwecke - etwa die Schmerztherapie - ausgeschlossen", heißt es in dem Entwurf. Der Zugang zu Diamorphin soll auf Schwerstabhängige, die nach den herkömmlichen Methoden, etwa mit einer Methadon-Substitution, nicht therapierbar sind, beschränkt werden. Als Kriterien werden ein Mindestalter von 23 Jahren und eine Mindestabhängigkeitsdauer von fünf Jahren genannt. Zudem müssten zwei erfolglose Therapien absolviert worden sein, so die Abgeordneten. Die Behandlung dürfte nach dem Gesetzentwurf nur in bestimmten Einrichtungen vorgenommen werden.
Bereits im vergangenen Jahr hatten Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und die FDP Anträge ( 16/2075, 16/2503, 16/3840) mit demselben Ziel eingebracht. Sie waren ebenfalls Gegenstand der Anhörung. Die Koalitionsfraktionen konnten sich bislang nicht auf ein einheitliches Vorgehen in dieser Frage verständigen. Der Bundesrat wird sich am Freitag mit der Gesetzesinitiative von Hessen und Hamburg beschäftigen, der sich Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen angeschlossen haben.
Die Spitzenverbände betonen in ihrer Stellungnahme, eine "verlässliche Aussage über die Langzeitprognose zur Heroinbehandlung opiatabhängiger Patienten könne bislang nicht getroffen werden. Der Leiter des Stabsbereichs Medizin des AOK-Bundesverbandes, Bernhard Egger, betonte auf Nachfrage der Unions-Fraktion, es bestehe die Gefahr von Fehlanreizen. Heroin auf Krankenschein sei für viele Abhängige eine "attraktive Möglichkeit", hinter der bisherige Behandlungsansätze wie die Methadonsubstitution oder die abstinenzorientierte Therapie ins Hintertreffen geraten könnten. Er führte zudem die im Vergleich zur Methadonbehandlung deutlich höheren Kosten der diamorphingestützten Therapie an, die 15.000 Euro pro Jahr und Behandelten koste. Bei 10.000 Patienten fielen Ausgaben in Höhe von rund 150 Millionen Euro an, während die Methadonbehandlung für einen gleich großen Personenkreis nur etwa ein Drittel davon koste.
Der KBV-Dezernent Paul Rheinberger betonte, sobald die Heroinbehandlung gesetzlich verankert sei, müsse sie flächendeckend angeboten werden. Dies aber sei nicht sicherzustellen. Der Einzelsachverständige Christoph Tolzin äußerte die Befürchtung, dass die Aufnahmekriterien "zu grob gefasst" seien. Dies könne auf eine Zahl von 60.000 bis 70.000 Abhängigen hinauslaufen, die zu versorgen seien.
Diese Vermutung wiesen die an dem Modellprojekt beteiligten Städte strikt zurück. Die Therapie sei für viele Abhängige "überhaupt nicht attraktiv", da sie mit starken Restriktionen verbunden sei, sagte etwa die Kölner Sozialdezernentin Marlis Bredehorst. Der Leiter des Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung in Hamburg und Leiter der Studie zu den Modellversuchen, Prof. Christian Haasen, unterstrich: "Es wird keinen Ansturm geben." Dies zeigten auch Erfahrungen aus der Schweiz. Kriminaloberrat Helmut Süßen von der GdP sagte, die im Heroinprojekt behandelten Menschen seien "deutlich weniger auffällig" als andere Abhängige. Rebecca Löbmann vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen ergänzte, der Rückgang bei der Kriminalität beziehe sich nicht nur auf Beschaffungs- sondern auch auf Gewaltdelikte.
Bundestagsdrucksachen zum Thema
- Gesetzentwurf der Oppositionsfraktionen: Änderung des Betäubungsmittelgesetzes und anderer Vorschriften (Drucksache 16/4696)
- Antrag der FDP-Fraktion: Kontrollierte Heroinabgabe in die Regelversorgung aufnehmen (Drucksache 16/3840)
- Antrag der Fraktion DIE LINKE.: Heroinmodell in die Regelversorgung überführen und Therapiefreiheit der Ärztinnen und Ärzte schützen (Drucksache 16/2503)
- Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gesetzliche Voraussetzungen für heroingestützte Behandlung Schwerstabhängiger schaffen (Drucksache 16/2075)