Und ihre ostdeutschen Freunde und Partner? Auch die jungen Männer suchen einen Job - ob als Automechaniker, Gärtner oder kaufmännischer Angestellter. Doch weggehen aus ihrer vertrauten Umgebung würden sie dafür nicht.
"Starke Typen, aber keine Bräute", überschrieb das Magazin "Geo" einen Bericht, der ehemalige Braunkohlearbeiter mit verrußten Gesichtern in der Ruine ihrer ehemaligen Fabrik abbildete und eine Studie über die demografische Entwicklung in Deutschland vorstellte: Danach kommen im sächsischen Hoyerswerda auf 100 Männer im Alter von 18 bis 29 Jahren nur noch 83 Frauen, im Landkreis Uecker-Randow sind es gar nur 76. In Mecklenburg-Vorpommern liegen halb verlassene Dörfer, in denen fast nur noch Alte und männliche Alkoholiker leben. Eine Ursache ist die weibliche Abwanderung nach Westen: Frauen kehren deutlich häufiger als Männer den strukturschwachen Regionen im Osten den Rücken und bauen sich im Westen eine neue Existenz auf. Zurück bleiben, wie es der "Spiegel" despektierlich nannte, die "arbeitslosen Stadtdeppen ohne Chance auf Paarbeziehung".
Die geringere Mobilität der Männer hat Folgen: Die Krise am Arbeitsmarkt entwickelt sich langfristig zu einem überwiegend männlichen Problem. Die Quote der Frauenerwerbslosigkeit hat sich in Deutschland seit Beginn der 90er-Jahre kaum verändert, sie liegt relativ konstant bei gut zehn Prozent. Die männliche ist im gleichen Zeitraum von sieben auf über elf Prozent gestiegen. Selbst in den neuen Bundesländern, wo kurz nach der Wende noch doppelt so viele Frauen erwerbslos gemeldet waren, sind inzwischen mehr Männer ohne Stelle. Auch im Westen verlieren einst gut bezahlte und dauerhaft beschäftigte Industriearbeiter ihren Job. Ob bei Opel oder Grundig, ob im Bergbau oder in der Baubranche, das Muster ist stets ähnlich: Übergangsregelungen und Abfindungen federn soziale Härten zwar ab, die Stellen aber werden abgewickelt.
Mit ihrer Arbeit verschwindet auch ein privates Versprechen an die Männer: die Garantie, einen "Familienlohn" nach Hause zu bringen und sich den Luxus einer Hausfrauenehe erlauben zu können. In den 50er- und 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hieß es stolz: "Die Frau des Stahlarbeiters braucht nicht zu arbeiten." Jetzt gefährdet Arbeitslosigkeit die männliche Ernährerrolle. Gelingt es Arbeitslosen nicht, den weiblichen Wünschen nach einem ausreichenden Einkommen zu entsprechen, sinken ihre Chancen, überhaupt eine feste Beziehung einzugehen. Sie erhalten gar nicht die Chance, eine Familie zu gründen und werden so zu doppelten Verlierern.
Der Blick in die Führungsetagen belegt, dass nach wie vor Männer die Spitzenpositionen in Wissenschaft, Technik und Industrie einnehmen. Doch parallel zum Aufstieg des "globalisierten Erfolgsmannes", wie ihn die Männerforscher nennen, droht vor allem jungen Berufseinsteigern und gering Qualifizierten die lebenslange Probezeit. An die Stelle des klassischen männlichen Musters "Vollzeit ohne Unterbrechung bis zur Rente" tritt eine von beruflichen Brüchen und Phasen der Erwerbslosigkeit geprägte Biografie.
Einst haben Fabrikjobs schlecht ausgebildeten Männern ermöglicht, vom aufmüpfigen Jugendlichen zum ehrbaren Familienvater aufzusteigen. Die Arbeitsmarktkrise führt zur "Krise der Kerle": Die Basis, auf der Männer ihr Selbstbild aufgebaut haben, bröckelt; sozialer Abstieg und persönliche Verunsicherung sind die Folgen. Sozialarbeiter in den Brennpunkten des sozialen Wohnungsbaus berichten, dass es gerade arbeitslose Männer sind, die Anlass zur Sorge geben. Sie ziehen sich vor den Bildschirm zurück und entwickeln sich zu "Virtuosen der Fernbedienung" - während sich die Frauen trotz ebenfalls fehlender Jobs immerhin weiter in gesellschaftliche Netzwerke einbinden lassen.
Schon während der Ausbildung sieht es für das männliche Geschlecht nicht günstig aus. In deutschen Haupt- und Sonderschulen sitzen doppelt so viele Jungen wie Mädchen. 60 Prozent der Gymnasiasten sind weiblich, unter den Studienanfängern überwiegen inzwischen ebenfalls die Frauen. Mädchen sind die "moderneren" Kinder, formulieren Jugendforscher. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag sorgt sich um die Leistungen männlicher Schüler. Ihre Vernachlässigung habe "negative Konsequenzen für deren berufliche Perspektiven" und verursache "hohe gesellschaftliche Kosten". Jungen müssten mit gezielter Förderung aus dem Abseits geholt werden, sonst drohe ein "männliches Proletariat".
Die nachwachsende Generation ist auf die umstrukturierte Berufswelt wenig vorbereitet. In einem Modellprojekt der Kölner Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kam heraus, dass die meisten männlichen Jugendlichen ohne große Selbstzweifel davon ausgehen, den Löwenanteil eines künftigen Familieneinkommens nach Hause zu bringen. Es liegt jenseits ihrer Vorstellungskraft, dass sie künftig weniger verdienen könnten als eine besser qualifizierte Partnerin.
Noch seltener setzen sie sich mit den möglichen privaten Folgen auseinander: Eine "Ernährerin" im Rück-en, sollen sie sich um Kochen und Kinder kümmern. Die "Berufsvorbereitung" in den Schulen müsste junge Männer so besehen nicht nur auf eine unregelmäßige Erwerbsbiografie, sondern auch auf die "Arbeit des Alltags" im Haushalt und bei der Erziehung des Nachwuchses vorbereiten.