Junge weiße Engländerin heiratet mächtigen schwarzen Buschmann. Ein Krieg bricht aus, der nach ihr benannt wird, sie selbst stirbt bei einem scheinbar mysteriösen Autounfall. Herzlich willkommen im Stoff für ein Hollywood-Drama.
Tatsächlich wurde Deborah Scroggins' "Die weiße Kriegerin - Ein Schicksal in Afrika" verfilmt, mit Nicole Kidmann in der Hauptrolle. Doch handelt es sich bei dem Sachbuch nicht um eine romantische Geschichte, in der eine edle Europäerin schwarzen Wilden die Zivilisation beibringt, sondern um eine fundierte und ausführliche Analyse der jüngeren Geschichte des Sudan sowie eine kritische Darstellung westlicher Entwicklungshilfe und des weit verbreiteten Katastrophenjournalismus.
Im Mittelpunkt steht Emma McCune, die Ende der 80er-Jahre für ein von UNICEF unterstütztes Projekt in den Sudan ging. Während des Studiums in Oxford kam sie mit sudanesischen Studenten in Kontakt, begann sich für das Land zu interessieren. Schon an dieser Stelle betont Scroggins die romantische Ader McCunes, die sich weniger für die Politik als für die Atmosphäre interessiert habe. 1987 reiste Emma zum ersten Mal in den Sudan, versuchte erfolglos eine Stelle als Entwicklungshelferin zu bekommen, arbeitete kurz als Lehrerin und reiste nach drei Monaten wieder ab. Ebenso erfolglos versuchte sie, Gelder für ein Zeitungsprojekt in einem Flüchtlingscamp zu organisieren. Ihre Ansprechpartner hielten sie für zu unerfahren und naiv.
Als ein Jahr später eine Hungersnot ausbrach, reiste McCune erneut den Sudan. Diesmal erhielt sie den Auftrag, Grundschulen im Süden des Landes einzurichten. Von Dorf zu Dorf sei sie mit Papier und Stiften gegangen, 111 Schulen habe sie auf diese Weise ins Leben gerufen. Bei dieser Arbeit lernte sie Riek Machar Teny-Dhurghon kennen, einen Kommandanten der "Sudan People's Liberation Army" (SPLA), die für die Rechte der Christen im Südsudan kämpfte. 1991 heirateten sie. Die Hochzeit wurde zum Skandal auf beiden Seiten. Die westlichen Helfer zweifelten an McCunes Neutralität und misstrauten ihr. Machars Gegenspieler, John Garang, Gründer der SPLA, warf ihr Spionage vor. Es kam zu dem, was im Sudan heute als "Emmas Krieg" bekannt ist, einem Bürgerkrieg zwischen christlichen südsudanesischen Stämmen. Emma McCune starb mit 29 Jahren, im fünften Monat schwanger, bei einem Autounfall.
Der Reiz des Buches besteht vor allem in der ausführlichen und kenntnisreichen, auf zahlreichen Quellen und eigenen Erlebnissen basierenden Analyse der politischen Situation des Sudan. Deborah Scroggins, eine ehemalige Korrespondentin der Zeitung "Atlanta Journal and Constitution", gewann sechs amerikanische Preise für ihre Reportagen aus dem Sudan und dem Mittleren Osten. Für "Die weiße Kriegerin" erhielt sie zwei weitere Preise. Sie beschreibt, wie sie das erste Mal in das Land kam, auf welche Schwierigkeiten sie bei ihren Recherchen stieß, um schließlich eine Hungersnot riesigen Ausmaßes bekannt zu machen, von der in Amerika keiner etwas wusste. Sie stellt dar, wie aussichtslos der Kampf gegen den Hunger ist, wie wenig westliche Helfer tun können, da viele unterschiedliche Interessensgruppen sich gegenseitig blockieren und es meist nur um Machterhalt und nicht um die Zivilbevölkerung geht. Scroggins erzählt auch von den extravaganten Parties der Entwicklungshelfer, die auch Emma besuchte, mit Swimmingpool und hinter Stacheldrahtzaun, um sich vor den Einheimischen zu schützen. Und immer wieder taucht ein Name auf, der wenige Jahre nach McCunes Tod für Aufregung sorgen sollte: Osama Bin Laden war im Sudan aktiv und ein gern gesehener Gast. Die Entwicklung der Al-Quaida spielt für die Geschichte des Landes ebenso eine Rolle wie die Versuche ausländischer Firmen, dort Ölraffinerien aufzubauen.
"Die weiße Kriegerin" ist ein spannendes und verwirrendes Buch, das einmal mehr deutlich macht, wie schwierig es ist, als Außenseiter in einen anderen Kulturkreis positiv eingreifen zu können.
Deborah Scroggins, Die weiße Kriegerin - Ein Schicksal in Afrika. Aus dem Englischen von Katja Klier. Aufbau-Verlag, Berlin 2006; 439 S., 19,90 Euro.