PARLAMENTSREFORM
Mit Ministerbefragungen und kürzeren Redezeiten gegen die Routine
Der Bayerische Landtag will nicht tatenlos zusehen, wie Politik immer mehr in Talkshows und Interviews abwandert und wie dann hinterher in der Volksvertretung oft nur nachtarockt und formal beschlossen wird. Fraktionsübergreifend haben die Abgeordneten deshalb ein Projekt "lebendigeres Parlament" ausgearbeitet, das - zunächst ein halbes Jahr lang probeweise - seit Januar für frischen Wind im Hohen Haus sorgt. Spannendste Neuerung ist eine regelmäßige Ministerbefragung nach englischem Vorbild. Die bayerische Volksvertretung führt sie als erster deutscher Landtag ein, und gerade (am 15. Februar) hat sie unter intensiver Medienbeobachtung ihre Feuertaufe bestanden. Ferner gibt es häufiger Plenartage, einen strafferen Sitzungsablauf mit verkürzten Redezeiten und eine konzentrierte Etatberatung.
Auf Ini-tiative von Landtagspräsident Alois Glück (CSU) hatte sich eine interfraktionelle Arbeitsgruppe des Parlaments eingehend mit den Möglichkeiten einer Erneuerung des eingefahrenen und teils zu langweiliger Routine erstarrten Betriebs befasst. Besonders attraktiv verspricht dabei die so genannte Regierungsbefragung zu werden: Wie bei der Aktuellen Stunde können die Fraktionen abwechselnd ein bestimmtes Thema wählen, zu dem der zuständige Ressortminister eine halbe Stunde lang aus dem Stand heraus Rede und Antwort stehen muss. Bei der Premiere gelang es der Opposition allerdings nicht, den gut präparierten Kultusminister Siegfried Schneider mit Fragen nach häufig beklagten Unterrichtsausfällen in Verlegenheit zu bringen. Prägend wird außerdem ein neues Sitzungsmodell mit wöchentlich einem Plenarsitzungstag sein. Die bisher auf Wochen verteilten abschließenden Etatberatungen im Plenum werden auf eine "Haushaltsberatungswoche" konzentriert und am Ende beim Haushalts- und Finanzausgleichsgesetz ihren finanzpolitischen Schwerpunkt haben. Abgeschafft wurde die Fragestunde in ihrer bisherigen - einschläfernden - Art, wonach ein Kabinettsmitglied eine vorher schriftlich eingereichte, im Plenum dann noch einmal vorgelesene Abgeordnetenfrage (meist zu einem lokalen oder regionalen Problem) mit einem vom Papier abgelesenen Text beantwortet.
Landtagspräsident Glück, der von einem guten Start des Vorhabens sprach, wertet die neuen Regeln als "wichtigen Schritt" hin zu einer noch lebendigeren Parlamentsarbeit. Vor allem sieht er eine große Chance für aktuelle Debatten: der Landtag könne damit wichtige gesellschaftliche und politische Fragestellungen rascher aufnehmen und diskutieren. Für die SPD-Fraktion bedauerte Johanna Werner-Muggendorfer, dass bei der neuen Regierungsbefragung der Minis-terpräsident als einziges Kabinettsmitglied ausgenommen werde. Für den Grünen-Fraktionsvorsitzenden Sepp Dürr geht es auf dem Weg zum lebendigeren Parlament noch zu langsam voran.