Rede von Peter Altmaier im Europäischen Konvent am 23. Mai 2002
Herr Präsident! Eine Reihe von Rednern hat gesagt: Die Legitimität wird gestärkt, wenn wir nationale Parlamentarier stärker in den Prozess einbeziehen. Ich möchte dem ausdrücklich widersprechen, weil ich den Eindruck habe, dass die Bürger eher verwirrt werden, wenn wir leichtfertig neue Institutionen und neue Gremien schaffen. Legitimität - da möchte ich mich dem anschließen, was Peter Hain gesagt hat - besteht doch darin, dass die Bürger wissen, wer welche Entscheidung trifft, auf welcher Ebene und dass sie die Politiker dafür zur Verantwortung ziehen können. Das bedeutet, dass die europäischen Bürger die Möglichkeit brauchen, die Politik zu bewerten, die hier in Brüssel fünf Jahre lang gemacht wird, um anschließend zu entscheiden, ob sie mit dieser Politik einverstanden sind oder nicht. Diese Wahl haben sie nicht. Erst, wenn sie die Möglichkeit haben, über die Wahl zum Europäischen Parlament auch die Wahl des Präsidenten der Kommission mitzuentscheiden, werden sie die Politik, die in Europa gemacht wird, sanktionieren können. Sie werden dann indirekt auch den Präsidenten der Kommission wählen oder abwählen können.
Zweitens, die Bedeutung der Kompetenzabgrenzung besteht doch darin, dass wir den Bürgern sagen: Für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist in erster Linie die nationale Ebene verantwortlich, für den Binnenmarkt die europäische Ebene. Nur dann, wenn die Bürger wissen, wer in jedem Politikbereich Verantwortung trägt, können sie sagen: Ihr habt eure Arbeit gut oder schlecht gemacht. Ihr werdet wiedergewählt oder ihr werdet abgewählt.
Letzter Punkt: Es wurde über die Effizienz gesprochen und über die demokratische Legitimation. Mit beiden Prinzipien verträgt sich der Grundsatz der Einstimmigkeit im Ministerrat nur sehr schlecht. Mit dem Prinzip der Effizienz nicht, weil Entscheidungen verzögert werden, und mit dem Prinzip der demokratischen Legitimation nicht, weil nicht einzusehen ist, dass ein einzelner Mitgliedstaat, ob groß oder klein, im Stande ist zu verhindern, dass alle anderen Mitgliedstaaten sich über eine bestimmte Maßnahme einigen.