Rede von Dr. Jürgen Meyer im Europäischen Konvent am 08. November 2002
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vom
Präsidium vorgelegte Entwurf einer Verfassungsstruktur ist
eine wichtige wegweisende Grundlage für unsere weitere Arbeit.
Er hat all die Vorzüge, die mein Freund Klaus Hänsch in
der letzten Sitzungswoche aufgeführt hat. Ich persönlich
habe mich darüber gefreut, dass durchgehend von "Verfassung
für Europa" die Rede ist, denn in der Tat arbeiten wir an
einem Dokument, das die elementaren Regeln enthält, wofür
und wie Europa handelt. Wir sollten den komplizierteren Begriff
"Verfassungsvertrag" vermeiden, denn er löst sofort die Frage
aus, ob man einen weiteren Vertrag nach Maastricht, Amsterdam und
Nizza ausarbeitet und wofür man dann jetzt einen Konvent
benötigt. Wir sollten eine Sprache verwenden, die die Menschen
verstehen. Verfassung verstehen die Menschen, Verfassungsvertrag
ist ein Produkt der juristischen Fachsprache.
Eine Bemerkung zu Teil 2. Das Präsidium sollte bald die
Ausarbeitung von Teil 2 in Auftrag geben, damit sich der Konvent
mit diesem wichtigen Teil, der den Inhalt der Politiken regelt,
rechtzeitig und ohne Zeitdruck im nächsten Jahr befassen kann.
Zu den in der Struktur vorgesehenen Artikeln 15 a) und 17 a) merke
ich an, dass hier noch erheblicher Diskussionsbedarf besteht. Der
Deutsche Bundestag hat sich mehrfach - ebenso wie vorhin
Außenminister Fischer - für ein handlungsfähiges
Europa ausgesprochen, das mehr Demokratie wagt. Wir sind deshalb
für einen starken Kommissionspräsidenten und für
seine Wahl durch das Europäische Parlament. Wir sollten
widersprüchliche Regelungen vermeiden, indem wir einerseits
das Parlament und den Kommissionspräsidenten stärken und
dem andererseits gleich zwei Präsidenten nach den Artikeln 15
a) und 17 a) entgegenstellen. Ich persönlich hätte kein
Problem mit einem Präsidenten des Rates, der das
Gegenüber des Präsidenten des Europäischen
Parlaments wäre. Diskussionsbedarf melde ich auch für den
Kongress an. Wir sollten Leitlinie unserer Arbeit sein lassen,
einfache und klare Strukturen zu schaffen, die von den Menschen
verstanden werden.