Rede von Dr. Jürgen Meyer im Europäischen
Konvent
am 07. Februar 2003
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die große Bedeutung der Regionen und der Kommunen wurde von vielen Vorrednern überzeugend gewürdigt. Ich beschränke mich deshalb auf drei Anmerkungen: Erstens, die klassische Formulierung der Rolle der Regionen und Kommunen findet sich im dritten Absatz der Präambel der Grundrechtecharta. Dort ist bekanntlich festgestellt, dass die Union zur Erhaltung und Entwicklung ihrer gemeinsamen Werte beiträgt unter Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten und der Organisation ihrer staatlichen Gewalt auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene. Das bedeutet verfassungsrechtlich, dass die Organisation eines jeden Mitgliedstaates zu achten ist, wenn sich der nationale Verfassungsgeber für die Aufteilung der staatlichen Gewalt auf nationale, regionale und lokale Ebene entschieden hat; das bedeutet kommunale Selbstverwaltung. Umgekehrt gibt es aber keinerlei Möglichkeit der Europäischen Union, eine solche Struktur zu erzwingen. Das muss geachtet werden. Das ist eine Sache der nationalen Tradition der einzelnen Mitgliedstaaten.
Zweitens, die Arbeitsgruppe Subsidiarität hat sich für ein Klagerecht des Ausschusses der Regionen und der nationalen Parlamente entschieden. Das ist aus der Sicht der deutschen Länder ein Minimum, denn es wird ohne weiteres einsehbar sein, dass Länder oder Regionen mit Gesetzgebungskompetenz und mit mehr als 10 oder 15 Millionen Einwohnern einen schweren Weg gehen müssen, wenn sie sich über den Ausschuss der Regionen oder über eine zweite Kammer mit ihren Einwendungen oder bei Nichtberücksichtigung ihres Klagerechts betätigen müssen. Deshalb ist das, was die Arbeitsgruppe von Iñigo Méndez de Vigo vorgeschlagen hat, aus Sicht der deutschen Länder mit ihren Regionen mit Gesetzgebungsbefugnissen ein Minimum, das auf keinen Fall unterschritten werden darf.
Drittens, hier wurde verschiedentlich auf die Reformbedürftigkeit des Ausschusses der Regionen hingewiesen. Ich will das etwas präzisieren, denn es reicht ja nicht, dem Ausschuss einen neuen Namen zu geben, sondern es geht auch darum, dass die Mitglieder dieses Ausschusses gewählt und nicht ernannt werden. Es geht auch um eine demokratische Repräsentanz, wenn man berücksichtigt, dass der Ausschuss der Regionen ziemlich genau halb so viele Mitglieder hat wie das Europäische Parlament. In der Fassung des Vertrages von Nizza bietet sich ein ganz einfaches Verfahren an. Es sollten künftig von den Mitgliedstaaten ihre Vertreter für den Ausschuss der Regionen in exakt der halben Zahl benannt werden, wie es Abgeordnete im Europäischen Parlament hat. Dann haben wir eine demokratischere Struktur, und dann fällt es auch denen, die noch zögern, viel leichter als bisher, sich für das Klagerecht des Ausschusses der Regionen einzusetzen. Ich tue das aus Überzeugung!