ENTWICKLUNGSPOLITIK UND AGRARPOLITIK BESSER ABSTIMMEN
Bonn: (hib) en- Kritisch beleuchtet haben am Mittwoch vormittag Einzelsachverständige und Experten von internationalen Organisationen die Kohärenz der Entwicklungs- und Agrarpolitik im Kontext der Europäischen Union und der Welthandelsorganisation (WTO). In einer öffentlichen Anhörung des Fachausschusses waren sich die Experten einig, daß Entwicklungs- und Agrarpolitik besser aufeinander abgestimmt werden müßten. So betonte Michael Windfuhr vom FIAN-International (Food First Information and Action Network) in seiner Stellungnahme, Kohärenzprobleme ergäben sich im Hinblick auf einzelne Produkkte, bei denen das agrar- und entwicklungspolitische Instrumentarium gegenläufig seien und vor allem in dem Zielkonflikt zwischen den Leitlinien der Entwicklungspolitik und der europäischen Agrarpolitik. So sei Entwicklungspolitik sehr viel stärker makropolitisch ausgerichtet. Der Sachverständige des South Centre, Rashid S. Kaukab, verwies unter anderem auf die divergierenden Interessen von Nahrungsmittelnettoexporteuren und -importeuren. Während das Hauptinteresse der Exporteure einem besseren Marktzugang gelte, seien die Importeure eher an der Stabilität und Erschwinglichkeit der Nahrungsmittel auf den Weltmärkten interessiert. Dies sei allerdings kein unüberwindlicher Interessenkonflikt. Er könne gelöst werden durch die Abschaffung der Marktverzerrungen, die durch die Politiken der Industrieländer verursacht werden und durch mittel- bis langfristige Bereitstellung der notwendigen Hilfen für Nahrungsmittelnettoimporteure. Nach Auffassung Kaukabs hat das Agrarabkommen im Rahmen der Urugay-Runde des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) den Entwicklungsländern kaum neue Chancen eröffnet. Sie sähen sich im Gegenteil vielen Schwierigkeiten gegenüber. Grundsätzlich habe das Agrarabkommen denjenigen, die den Agrarsektor am stärksten subventionieren, ermöglicht, ihre Politiken fortzusetzen, während es anderen, darunter den Entwicklungsländern, untersagt sei, dasselbe zu tun. Schwierig sei es auch für die Entwicklungsländer, Anti-Dumpingmaßnahmen gegen die subventionierten Agrarexporte zu ergreifen, da sie nicht in der Lage seien, sich sachdienliche Informationen zu beschaffen und Vertragsverletzungen in Folge subventionierter Exporte nachzuweisen. Ähnlich argumentierte Professor Winfried Urff von der Technischen Universität München. Er erklärte, die Gegenmaßnahmen, die nach den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) gegen Dumping zulässig sind, würden von den Entwicklungsländern als unzureichend empfunden, da sie an die Voraussetzungen gebunden seien, daß zunächst eine Schädigung der eigenen Wirtschaft nachgewiesen werden müsse und vielen Entwicklungsländern für einen solchen Nachweis die Voraussetzungen fehlten. Für die von Getreideeinfuhren abhängigen Entwicklungsländer, so Urff, sei im übrigen ein reichliches Angebot auf den Weltmärkten in Verbindung mit den niedrigen Preisen ein Vorteil. Die in der EU-Agenda 2000 vorgeschlagene Senkung des Interventionspreises liege somit im Interesse dieser Länder. Komme es im Zuge des WTO-Prozesses zu weiteren Liberalisierungsschritten im Agrarhandel, so bedeute dies, daß sich die Produktion weltweit stärker an den jeweiligen Standortvorteilen ausrichten könne. Dies habe Effizienzgewinne zur Folge, die letztlich den Verbrauchern zugute kämen und sich letztlich positiv auf alle Länder auswirke. Im Interesse einer stärkeren Kohärenz zwischen Entwicklungs- und Agrarpolitik sollten die Entwicklungsländer stärker als bisher in weitere Reformbestrebungen einbezogen werden. Die Ernährungssicherheit sah der Wissenschaftler primär als eine Aufgabe der Entwicklungsländer selbst. Die EU könne durch Entwicklungszusammenarbeit dazu aber einen wichtigen Beitrag leisten, in dem sie den Entwicklungsländern helfe, die eigene Agrarproduktion zu entwickeln.
Ramesh Sharma von der Organisation der Vereinten Nationen für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) hob die Bedeutung der EU-Agrarmärkte für die Entwicklungsländer hervor. Deshalb sei es problematisch, daß Importe wichtiger Agrarerzeugnisse, die für die Entwicklungsländer von Interesse sind, weiterhin mittels komplizierter Importmaßnahmen reguliert würden. Die Entwicklungsländer würdigten zwar den Wert harmonisierter Normen für den Handel, aber die Schwierigkeit für sie liege häufig in den Kosten, die für die Einhaltung der Normen entstehen und ihre Mittel oft übersteigen.