Experten begrüßen Änderung bei der Führungsaufsicht
Berlin: (hib/BOB) Alle Experten begrüßen grundsätzlich den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Reform der so genannten Führungsaufsicht ( 16/1993). Dies machten sie in ihren Stellungnahmen für eine Anhörung des Rechtsausschusses deutlich, die heute um 12 Uhr begonnen hat. Die Aufsicht gibt Straftätern mit ungünstiger Sozialprognose und Schwerkriminellen nach der Verbüßung ihrer Haft oder dem Ende ihrer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus eine Lebenshilfe für den Übergang in die Freiheit. Der Strafrechtsprofessor Franz Streng von der Universität Erlangen-Nürnberg nannte in diesem Zusammenhang vor allem die Instrumente der therapeutischen Nachsorge in einer forensischen Ambulanz und die vorübergehende erneute Unterbringung zum Zwecke der Krisenintervention. Eine erforderliche nachfolgende therapeutische Betreuung sei allerdings oft wenig vorbereitet und bleibe ohne Rückbindung zum Vollstreckungssystem. Markante Rückfälle von entlassenen Sexualstraftätern, die zu lange ohne nachsorgende Therapie blieben, hätten diese Lücken mehr als deutlich gemacht. Nachsorge und Krisenintervention seien zudem unverzichtbar für eine Bewährung in der Freiheit. Streng monierte, dass viele Straftäter wieder rückfällig würden. Ohne eine erhebliche Aufstockung bei den Bewährungshelfern und insbesondere im therapeutischen Bereich könne man nicht zu Erfolgen gelangen.
Auch der Göttinger Richter am Landgericht, Matthias Koller, machte in seiner Stellungnahme deutlich, der vorliegende Entwurf sei "unbedingt zu begrüßen", weil er wichtige Verbesserungen brächte. So sei beispielsweise die Neuerung wichtig, dass die Führungsaufsicht auf Fälle erweitert werde, wo das Ende der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erreicht sei. Er könne aus seiner Erfahrung bestätigen, dass gerade diese Menschen vielfach in besonderem Maße auf eine kontrollierende Begleitung und Unterstützung angewiesen seien. Insgesamt werde das Gesetz wesentlich dazu beitragen, die Maßregel der Führungsaufsicht deutlicher als ein Instrument der Kontrolle für solche Täter hervorzuheben, deren Resozialisierung in besonderem Maße gefährdet erscheint. Auch der Sachverständige Rüdiger Müller-Isberner nannte den Entwurf "sinnvoll und wünschenswert", weil er eine Ausweitung der Möglichkeiten der Führungsaufsicht und deren Anpassung an heutige Kenntnisse und Erfahrungen darstelle. Geradezu unverzichtbar sei die Möglichkeit der unbefristeten Führungsaufsicht, so der Sachverständige in seiner Stellungnahme.
Der Berliner Professor Norbert Konrad vom Charité-Universitätsinstitut für Forensische Psychiatrie nannte den Entwurf ebenfalls sinnvoll. Dies gelte vor allem für die Möglichkeit einer vorübergehenden stationären Unterbringung zur Krisenintervention und die Möglichkeit Vorführungsbefehle für solche Personen zu erlassen, die keinen ausreichenden Kontakt zu ihrem Bewährungshelfer halten oder der Weisung, sich bei einem Arzt oder Psychotherapeuten vorzustellen, nicht nachkommen. Er schloss sich Strengs Meinung an: Wenn vermehrt aus der Haft entlassene Straftäter zur Nachsorge geschickt würden, stehe dem ein deutlich unzureichendes Angebot gegenüber. Privatdozent Axel Dessecker erklärte, das Ziel, die Führungsaufsicht effektiver zu gestalten und zu vereinfachen, sei nachdrücklich zu begrüßen. Allerdings sollte der Anwendungsbereich der Führungsaufsicht enger begrenzt werden als der Entwurf dies vorschlage. Der Sachverständige Peter Reckling betrachtet den Entwurf ebenfalls als wünschenswert. Er stellte aber in Frage, ob die Ausweitung der Möglichkeit, eine unbefristete Führungsaufsicht anzuordnen, wirklich gut sei. Dies lasse sich ohne Erprobung schwer vorhersagen.