Innenausschuss/
Berlin: (hib/SUK) In Deutschland liegen derzeit keine Erkenntnisse
über konkrete Anschlagsplanungen durch Terroristen vor. Dies
betonten am Mittwochvormittag Bundesinnenminister Wolfgang
Schäuble (CDU), der Chef des Bundesnachrichtendienstes Ernst
Uhrlau und der Vizepräsident des Bundeskriminalamts
Jürgen Stock in einer Sitzung des Innenausschusses.
Schäuble betonte zudem, derzeit seien terroristische Gruppen
weder logistisch noch personell oder technisch in der Lage,
selbstständig atomare Waffen zu entwickeln. Allerdings gebe es
weltweit eine "Verfügbarkeit radioaktiver Quellen", so dass
Angriffe mit so genannten schmutzigen Bomben eine "Anschlagsoption"
seien. Allein 2006 habe es in Deutschland "neun verloren gegangene
radioaktive Quellen gegeben". Uhrlau fügte hinzu, nach dem 11.
September habe man lernen müssen, "das Undenkbare zu denken".
Es habe eine "Reihe von Signalen" aus dem Umfeld Osama bin Ladens
und des al-Qaida-Netzwerks gegeben, dass über die Freisetzung
von Radioaktivität oder Strahlung nachgedacht worden sei. Der
Einsatz schmutziger Bomben sei in "einschlägigen Foren
thematisiert" worden. Dabei gehe es nicht nur um die anzurichtenden
Schäden, sondern um den psychologischen Aspekt, "Angst und
Schrecken" zu verbreiten. BKA-Vizepräsident Stock wies in
seinem Statement darauf hin, dass man eine Reihe von
Präventionsmaßnahmen eingeleitet habe, um Derartiges zu
verhindern. Er informierte die Abgeordneten darüber, dass es
im Zusammenhang mit der Festnahme dreier mutmaßlicher
Terroristen Anfang September insgesamt 35 Durchsuchungen gegeben
habe. Dabei seien 26 Sprengsätze sichergestellt worden, die
zum Großteil aus Tschechien, aber auch aus Bulgarien und
Serbien stammten. Derzeit würden Festplatten, CDs, Handys und
weitere Speichermedien von Experten ausgewertet, um herauszufinden,
ob es weitere Anschlagsplanungen gab. "Es ist unsere Sorge, dass
wir verborgene Informationspuzzleteile vielleicht nicht rechtzeitig
finden, um weitere Taten zu verhindern." Die auszuwertende
Datenmenge sei enorm. Man gehe aktuell davon aus, dass
Vergeltungsmaßnahmen auf längere Sicht
auszuschließen seien und die Szene "verunsichert" sei,
könne aber nicht ausschließen, dass andere Mitglieder
der Islamischen Dschihad-Union weitere Anschläge planten.
Entgegen anders lautender Berichte halte man diese im März
2002 in Usbekistan gegründete Organisation nicht für eine
Erfindung. Während die Koalitionsfraktionen sich zufrieden mit
den Berichten der Experten zeigten, kritisierte die Opposition
erneut die Art, in der Innenminister Schäuble sich in den
vergangenen Wochen über die Sicherheitslage
geäußert habe. Es sei, so die Linksfraktion, "ein
außergewöhnlicher Zustand", dass "eher mit den Medien
gesprochen wird als mit den Abgeordneten". Der Verdacht liege nahe,
dass immer wieder Schreckensszenarien entworfen würden, um im
Streit innerhalb der Großen Koalition Druck auszuüben.
Auch die Grünen monierten, Schäuble habe noch immer nicht
verstanden, warum es Aufregung um seine Äußerungen
gegeben habe. "Die Regierung soll handeln und keine apokalyptischen
Szenarien an die Wand malen." Auf die Feststellung der Grünen,
es sei "angenehm" gewesen, am vergangenen Wochenende kein
Schäuble-Interview lesen zu müssen, entgegnete der
Innenminister, er entscheide selbst, wann er Interviews gebe.