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Europa:
Europa ist überall ? Europäische Gesetze regeln den
Alltag, Euro-Münzen klimpern im Portemonnai. Aber was bedeutet
es eigentlich, zu Europa zu gehören? Hat Europa eigentlich
Grenzen und wie sieht die Zukunft der Europäischen Union aus?
GLASKLAR hat sich in Europa umgesehen. In der aktuellen Ausgabe
lest ihr unter anderem, was EU-Richtlinien mit Glück in der
Liebe zu tun haben, wie junge Leute heute grenzenlos arbeiten,
lernen oder ihrem eigenen Film drehen und was Menschen von anderen
Kontinenten so alles über Europa denken.
www.glasklar-bundestag.de
Politik aktiv gestalten:
Mitmischen.de ist das Jugendforum des Deutschen Bundestages im
Internet. Die Plattform bietet Chats mit Abgeordneten des
Bundestages, Diskussionsforen, Abstimmungen, Nachrichten und
Hintergrundberichte zu aktuellen politischen Themen.
www.mitmischen.de
Wir wissen jetzt also, dass Abgeordnete nicht nur arbeiten, wenn wir sie im Plenarsaal sehen, ja dass sich die meiste Arbeit außerhalb abspielt. Was passiert dann aber in der Zeit, in der die Abgeordneten nicht einmal in Berlin sind? Wahlkreiswochen sind schließlich häufiger als Sitzungswochen. Bei jedem Abgeordneten ist das anders. Aber auch da hört der Stress nicht auf, wie einige Beispiele zeigen.
Wenn Christine Scheel, Finanzexpertin von
Bündnis 90/Die Grünen, in Sitzungswochen von Termin zu
Termin hetzt, dann hofft sie mitunter darauf, am Ende der Woche,
wenn sie in ihren bayerischen Wahlkreis Aschaffenburg heimkehrt,
mal durchatmen, ausspannen zu können. Und, klappt das auch?
Scheel lacht. Der Unterschied zwischen der Woche in Berlin und der
Woche im Wahlkreis liegt zwar auf der Hand. Aber was den
Arbeitsaufwand betrifft, ist er weder weniger noch mehr, sondern
„einfach nur anders”.
Und seit Bündnis 90/Die Grünen in der Regierung waren,
ist das Interesse an den einzelnen Abgeordneten größer
geworden. Scheel schätzt, dass sich die Zahl der Anfragen
verdreifacht hat. Alle wahrzunehmen — ein Ding der
Unmöglichkeit. Zusammen mit ihren Mitarbeitern muss sie auch
die Wahlkreiswochen durchstrukturieren, um wenigstens den
wichtigsten Anliegen entsprechen zu können. Scheel ist durch
Bürgerinitiativen in die Politik gekommen, hat einige selbst
mit gegründet — und wirkt auch heute noch darin mit. Als
Grüne, die per Landesliste in den Bundestag eingezogen ist,
kommen auf sie aber auch jede Menge weiterer Termine
außerhalb des eigenen Wahlkreises hinzu, denn die Basis im
ganzen Land erwartet, ihre Abgeordnete von Zeit zu Zeit zu sehen
und unmittelbar politische Projekte durchzusprechen. Die weiten
Strecken legt Scheel alle mit dem Zug zurück. Das ist für
sie nicht nur die ökologischste Lösung, sondern auch die
zeitlich ökonomischste: Da sitzt sie dann mit dem Laptop auf
dem Schoß und bereitet die nächsten Vorträge und
Termine vor.
Bio-Tour im Wahlkreis
Matthias Miersch, im Wahlkreis Hannover-Land
II direkt gewählter SPD-Abgeordneter, erreichen wir in seiner
Kanzlei. Der Rechtsanwalt gehört zu den Abgeordneten, die mit
Blick auf die Zeit nach dem Mandat nicht riskieren wollen, den
Kontakt zur freiberuflichen Tätigkeit zu verlieren. So ist er
in Wahlkreiswochen an manchen Tagen als Anwalt tätig.
„Durchschnittlich vier Stunden täglich”,
schätzt er, manchmal sieht man ihn auch gar nicht in der
Kanzlei. Da ist er beispielsweise auf „Bio-Tour”, wie
er jene Aktion mit Besuchen bei Firmen und Projekten nennt, die in
seinem Wahlkreisetwas mit Energie zu tun haben.
Verblüfft hat er schon viele Bürger mit seinem Konzept,
auf sie zuzugehen. Statt regelmäßiger
Bürgersprechstunden zieht er von Marktplatz zu Marktplatz,
baut da einen Stand auf und steht für die Bürger zur
Verfügung. „Wie, sind schon wieder Wahlen?”,
lautete eine spontane Frage. Nach seinem Eindruck kommt man auf
diese Weise deutlich leichter ins Gespräch. Mit den
Bürgermeistern aller Städte und Gemeinden im Wahlkreis
hat er einen „ständigen Ausschuss” gebildet, bei
dem sie alle Themen ansprechen, die für die Kommunen
interessant sind. Wie ist das mit der Gewerbesteuer? Und mit der
Gebäudesanierung? Hier bringt Miersch die Hintergründe
der Bundespläne mit und bekommt vermittelt, wie es vor Ort
wirkt. Aktuell zum Beispiel die Warnung, der Bund möge in
Sachen Ausbau der Kinderbetreuung nicht zu viele Details
vorschreiben. Der Bedarf in den einzelnen Städten sei nun
einmal höchst unterschiedlich.
Miersch überlegt mit seinen Mitarbeitern immer wieder, wie sie
Themen auf die kommunale Ebene und auf die einzelnen Menschen
„runterzoomen” können. Das neueste Ergebnis: ein
Stromsparwettbewerb unter allen zwölf Kommunen seines
Wahlkreises. Da wird repräsentativ der Stromverbrauch
gemessen, eine Woche intensive Aufklärung betrieben, wo der
einzelne Haushalt sparen kann, und dann erneut gemessen: Ein
Spektakel nach dem Vorbild von „Spiel ohne Grenzen”,
das jeden Einzelnen in die Klimaschutzpolitik mit einbeziehen
soll.
Mobiles Abgeordnetenbüro
Auch Katja Kipping sitzt gerade in einer
Besprechung mit ihrem Team. Aufgabe: Ideen entwickeln, wie man in
ihrem Wahlkreis in Dresden das Projekt „Sozial-Ticket”
voranbringen könnte. Eine Idee, die soeben entstanden ist:
prominente Dresdner zu öffentlichen Statements gewinnen, um
den Gedanken voranzubringen, dass ALG-II-Bezieher, die sich normale
Fahrpreise nicht leisten können, künftig mit einem
Sozialticket wieder mobil sein können. Für die Fraktion
Die Linke. ist Kipping über die sächsische Landesliste in
den Bundestag eingezogen. Am Morgen hat sie bereits den Verein
„Arbeit und Lernen” besucht und sich über die
Realität von Beschäftigungsmaßnahmen informiert.
Eine Erkenntnis, in der Kipping bestärkt wurde, dass nicht nur
die schlechte Bezahlung und der Zwang ein Problem bei Ein-Euro-Jobs
sind: Auch die zeitliche Befristung derartiger Beschäftigungen
stößt in der Praxis auf starke Bedenken: „Kaum
haben sich die Menschen richtig eingearbeitet, da müssen sie
auch schon wieder gehen.”
In ihrem Wahlkreisbüro, das in eine große
„WIR-AG” integriert ist, steht sie in Wahlkreiswochen
allen Bürgern zu einer Sprechstunde zur Verfügung.
Jüngst nahm sie Beschwerden einer
Akademiker-Arbeitslosen-Initiative über Gängeleien in der
Arbeitsagentur entgegen. Das will sie gleich mal mit dem
Agenturchef besprechen. Sagt's und schwingt sich aufs Fahrrad. Auch
das ist ein Projekt. Die Aufschrift „mobiles
Abgeordnetenbüro Katja Kipping” verleitet
tatsächlich häufiger dazu, dass Bürger sie
ansprechen.
Ratinger „Spiesratze”
Die jederzeitige Ansprechbarkeit steht auch
bei Detlef Parr im Vordergrund. Auf dem Briefkopf des
FDP-Abgeordneten aus dem Kreis Mettmann, der über die
NRW-Landesliste in den Bundestag einzog, steht sogar seine
Privatadresse. Das führt dazu, dass er morgens nach dem Besuch
des Briefträgers einen zehn bis 15 Zentimeter hohen Poststapel
auf dem Schreibtisch hat. Ungefiltert durch irgendwelche
Büros, halt „der direktere Abgeordnete”. Den
Arbeitsrhythmus in Wahlkreiswochen geben die zehn Ortsverbände
vor, deren Kreisvorsitzender er zugleich ist. Und dann ist
„Berlin” auch nie ganz aus dem Blick. Täglich
kommen auch Rückmeldungen aus dem Bundestagsbüro, ist
Parr über Fax, E-Mail und Telefon mit dem Fortgang der
Bundespolitik verbunden.
Wahlkreis ist für Parr „pulsierender Alltag”.
Dabei sieht er keinen Unterschied zwischen einem direkt oder per
Liste gewählten Abgeordneten. „Die Leute haben doch auch
mich gewählt, also bin ich auch für sie da.”
Gesicht zeigen bei vielen Veranstaltungen ist für ihn ein
absolutes Muss, und besonders viel Spaß macht ihm das bei der
Heimat- und Brauchtumspflege. Als karnevalsbegeisterter Politiker
tanzte er selbst schon im Männerballett mit und zählt zu
den aktiven Mitgliedern der Ratinger „Spiesratze”. Kein
Wunder, dass Parr auch schon sein Ebenbild aus Pappmaché in
Karnevalsumzügen gesehen hat. Eine ganze besondere Art
für Abgeordnete, während der Wahlkreiswochen „auf
der Straße” Präsenz zu zeigen.
Wahlkreise
Die 299 Wahlkreise bei der
Bundestagswahl. Die Färbung zeigt, welche Partei bei der Wahl
2005 das Direktmandat gewonnen hat. © DBT/Karl-Heinz Döring.
Bürgermeistergespräche
Georg Fahrenschon war auf der
CSU-Landesliste nicht abgesichert; er ist im Wahlkreis
München-Land direkt gewählt worden. Und in den
Wahlkreiswochen sucht der Experte für Wirtschaft und Finanzen
immer wieder den direkten Kontakt mit den Bürgern: Mindestens
dreimal im Jahr ist er in allen 30 Gemeinden seines Wahlkreises.
Die erste „Phase” beginnt mit den
Neujahrsempfängen. Wo er diese wegen
Terminüberschneidungen nicht wahrnehmen kann, ist er
spätestens bei den Hauptversammlungen der
CSU-Ortsverbände präsent. Politische Wochen, Sommerfeste
und schließlich Weihnachtsfeiern bieten über das Jahr
weitere Anlässe für viele Gespräche.
Hinzu kommen spezielle Veranstaltungen mit besonderen Gruppen.
Gerade hat Fahrenschon die Bürgermeister seiner Region
eingeladen, um anhand guter Beispiele mehr Interesse für den
Einsatz von Ein-Euro-Jobs in den Gemeindeverwaltungen zu wecken.
Wenn auf diese Weise in „seinem Wahlkreis” in den
letzten Monaten von 170 Ein-Euro-Jobbern 54 in eine feste
Anstellung wechseln konnten, dann freut das auch den
Bundestagsabgeordneten.
„Bürgermeistergespräche” sind insofern neben
den wöchentlichen Telefonsprechstunden wichtige Instrumente
für ihn. In ähnlichen Fachgesprächen, etwa mit der
regionalen Wirtschaft, sowie im direkten Kontakt mit den
Bürgern testet Fahrenschon immer wieder aus, wie die im
Bundestag geplanten und beschlossenen Initiativen „vor
Ort” ankommen und wo die Sorgen und Nöte der Bürger
liegen.
Wahlkreiswochen bieten dem Familienvater aber auch die
Möglichkeit, seine „alleinerziehende Ehefrau” ein
wenig zu entlasten. Da achtet er darauf, morgens Termine erst ab
zehn Uhr anzunehmen, damit er sich vorher auch seinen beiden
kleinen Töchtern widmen kann.
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Text: Gregor Mayntz
Erschienen am 18. Juni 2007