Perspektiven für die Zeit nach dem Umzug
Bonn hat keine Zukunftsängste
|
Das hängt auch damit zusammen, daß der Arbeitsplatzverlust sich in engen Grenzen hält. So bleiben insgesamt sechs Mini sterien ganz, drei überwiegend in der Bundesstadt am Rhein. Außerdem ziehen 21 neue Bundesinstitutionen mit rund 6.500 Arbeitsplätzen in die ehemalige Hauptstadt. Bonn ist seit 1996 UN-Stadt. Angesiedelt worden sind bereits das Freiwilligenkorps der UN (UNV) und die beiden Sekretariate der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) und der Klimarahmenkonvention. Im Bereich der Entwick lungspolitik ist die Region mit rund 150 nationalen und supranationalen Organi sationen bereits das deutsche Zentrum für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Erst einmal allerdings muß - trotz Ansiedlung zahlreicher nationaler und internationaler Institutionen und dem Verbleib von zwei Dritteln der ministeriellen Arbeitsplätze - ein Arbeitsplatzabbau von 11.000 Stellen allein im Bereich von Parlament und Regierung verkraftet werden. Der Regierung folgt aber noch ein Riesentroß von Botschaften, Verbänden, Journalisten und Lobbybüros. Die bisherige Abhängigkeit Bonns vom Regierungs- und Parlamentsbetrieb ist enorm: Staat und Verbände stellen 46,5 Prozent der Arbeitsplätze. Private Dienstleister sorgen für 21,5 Prozent der Arbeitsplätze, je zehn Prozent entfallen auf Handel und Industrie.
Aber schon jetzt ist erkennbar, daß vor allem Wirtschaft und Wissenschaft die Bundesstadt zu einem bevorzugten Standort machen werden. Derzeit werden Investitionen von rund drei Milliarden Mark realisiert oder sind in der konkreten Planung. Bonn entwickelt sich zu einer der deutschen "Dienstleistungs-Hauptstädte". Dabei geht der Trend eindeutig weg von den öffentlichen und hin zu den privaten Dienstlei stungen. Schwerpunkte sind Informationstechniken und Telekommunikation, Post und Forschung. Neben der Deutschen Telekom und ihren Konzerntöchtern DeTeCom und DeTeMobil gibt es rund 400 Unternehmen aus den Bereichen Software, Multimedia und Elektronik. Außerdem ist Bonn Standort für mehrere Banken, Versicherungen und Datenbanken. Alle diese Branchen haben nach ernst zu nehmenden Prognosen hervorragende Wachstumschancen. Bonn liegt also im richtigen Trend.
Die Bundesstadt nimmt als Sitz von Konzernzentralen inzwischen Rang sieben unter den deutschen Städten ein und übertrifft damit sogar Berlin, Bremen und Hannover. Eine Bewertung der Fachzeitschrift "Cash" setzt den Noch-Regierungssitz auf den zweiten Platz hinter Düsseldorf. Das "Münchener Institut" schätzt, daß trotz des Hauptstadtumzugs jährlich mindestens 30.000 qm Büroflächen zusätzlich benötigt werden. Dazu trägt auch die gute Verkehrsanbindung an Straße und Schiene bei. Und der Köln-Bonner Flughafen wird in Kürze durch den Neubau einer S-Bahnstrecke besser mit Bonn verbunden. Schließlich gehört die Bundesstadt zu den wenigen Städten, deren Einwohnerzahl weiter wächst. Wirtschaftsunternehmen, die sich neu ansiedeln oder expandieren, finden also einen attraktiven Arbeitsmarkt vor. Das gilt vor allem für hochqualifizierte Fachleute.
Schon jetzt verfügt Bonn mit der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, dem Wissenschafts zentrum und zahlreichen Bildungseinrichtungen über überdurchschnittlich gute Ausbildungs- und Forschungsstätten. Von den Ausgleichszahlungen des Bundes fließen fast 1,6 Milliarden Mark zusätzlich in diesen Bereich. Damit soll die Stadt zu einem in Deutschland wohl einmaligen Wissenschaftsstandort ausgebaut werden. Das bedeutendste neue Vorhaben (750 Mio. DM) ist CAESAR (Center for Advanced European Studies and Research) - eine Stiftung, die interdisziplinäre Grundlagenforschung an den Schnittstellen von Lebenswissenschaften, Physik und Informatik betreiben soll. Angestrebt sind eine enge Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und Kooperationen mit ausländischen Forschungsinstituten. CAESAR wird zudem postgraduale Ausbildungsmöglichkeiten anbieten. Der Bonner Universität werden zwei Institute angegliedert, die sich mit der europäischen Integrationsforschung und der Entwicklungsforschung beschäftigen sollen. Das schon lange gut funktionierende Wissenschaftszentrum wird ausgebaut. Als Ergebnis dieser Bemühungen kann man davon ausgehen, daß die Bundesstadt am Rhein zu einer Drehscheibe des internationalen wissenschaftlichen Dialogs wird. Das dürfte ein zusätzlicher Anreiz für High-Tech-Unternehmen sein, sich - oder zumindest ihre Forschungsabteilungen - künftig in Bonn anzusiedeln.
|
Die Zukunftschancen für die Bundesstadt sind also keineswegs düster. Man darf allerdings nicht vergessen, daß der Wettbewerb um die Ansiedlung neuer Unternehmen im Zuge der europäischen Einigung immer härter wird. Noch ist also nicht ausgemacht, daß Bonn den Strukturwandel erfolgreich zu Ende bringt. Die einstige Hauptstadt scheint darauf zu setzen, daß der Bund sie auch künftig nicht im Regen stehen läßt. Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann wenigstens fordert eine Nachfolgevereinbarung für den 1999 auslaufenden Bonn-Vertrag - zumindest für die Aufrechterhaltung des kulturellen Angebotes der Stadt. Sie verweist dafür auf folgende Passage des Bonn-Gesetzes: "Der Bund unterstützt die Bundesstadt Bonn bei den ihr vom Bund zur Wahrnehmung der gesamtstaatlichen Repräsentation vereinbarungs gemäß übertragenen besonderen Aufgaben."
|