Zum Antritt gleich ein schwerer Brocken
PORTRAIT DES NEUBEGRÜNDETEN AUSSCHUSSES FÜR KULTUR UND MEDIEN
Unter den 23 Ausschüssen des Bundestages ist er mit seinen 15 Mitgliedern einer der kleinsten: der neue Ausschuß für Kultur und Medien. Und weil er auch der jüngste ist, rangiert er in den offiziellen Präsentationen des Parlaments hinter dem Ausschuß für Tourismus auf Platz 23.
Bei seinen "Antrittsvorstellungen" auf der parlamentarischen Bühne machte er sich indes nicht klein. Er zeigte, daß er es wissen will – und das gleich am Exempel eines fürwahr schweren Brockens: In zwei öffentlichen ExpertenAnhörungen zum HolocaustMahnmal, am 3. März im Bonner Wasserwerk und am 20. April im Berliner Reichstagsgebäude, schlugen sich die Abgeordneten mit Energie durch das Meinungsgestrüpp einer zehnjährigen Debatte und versuchten, zumindest politisch wieder Bewegung hineinzubringen in das festgefahrene Procedere um zwei heißumstrittene künstlerische Wettbewerbe.
Problembewußt ging es unter dem Vorsitz der SPDAbergeordneten Elke Leonhard zur Sache. Argumente und Positionen, die divergierenden Vorstellungen über Funktion, Struktur und Gestalt der HolocaustGedenkstätte wurden erörtert, gewogen und sortiert. Denn jeder Abgeordnete soll genau informiert und präzise ins Bild gesetzt sein, bevor der Deutsche Bundestag im Sommer über dieses wichtige und schwierige Projekt zu entscheiden hat.
Die Szene dieser beiden Anhörungen war bestimmt von dem Willen, komplizierte Sachverhalte umfassend und vorurteilsfrei zu analysieren und transparent zu machen, um dann Lösungsansätze zu erarbeiten. Das sind Tugenden, die der Ausschuß auch auf anderen brisanten Aufgabenfeldern wird aufbringen müssen: Elke Leonhard schrieb das Festhalten an der Buchpreisbindung, die Neuordnung des Stiftungsrechts oder der Künstlersozialversicherung, das Urheberrecht, das Abwägen der Chancen und Risiken der modernen Kommunikationsgesellschaft nach ganz oben in die Agenda des Ausschusses. Das Parlament soll wieder zu hören sein, wenn es um kulturpolitische Belange von nationaler Repräsentanz und Verantwortung geht.
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Der neugegründete Ausschuß für Kultur und Medien ist nicht etwa ein Novum in der Geschichte der föderalen Bundesrepublik Deutschland. Bereits die ersten fünf Deutschen Bundestage hatten einen Kulturausschuß. Erst 1969 mußte er länderhoheitlichem Druck weichen. Seit 1976 wirkten dann diverse Arbeitsgruppen und Unterausschüsse für kulturpolitische Anliegen im Innen sowie im Auswärtigen Ausschuß. Daß sich in diesen Strukturen eine politische Anwaltschaft für national bedeutsame Kulturbelange nur halbherzig, weil verzettelt ereignen konnte, wurde in den zurückliegenden Jahren zunehmend beklagt. Mit Blick auf die Exekutive erscholl der Ruf nach einem "Bundeskulturminister". Und nachdem sich Bundeskanzler Gerhard Schröder mit Michael Naumann einen Staatsminister für Kultur in sein Amt gerufen hatte, war auf seiten der Legislative die Neuauflage eines Kulturausschusses die Konsequenz; alle fünf Bundestagsparteien sprachen sich im vergangenen Herbst in einem gemeinsamen Antrag dafür aus.
Das Gremium solle, so Elke Leonhard bei der Übernahme des Vorsitzes, die Arbeit des Staatsministers "im kritischen und konstruktiven Dialog begleiten". Die beiden Anhörungen zum HolocaustMahnmal machten Ernst damit: Michael Naumanns Konzept eines Mahnmals mit zugeordnetem Museum war, wie alle anderen Projekte, schonungslos dem Pro und Kontra der Experten und Abgeordneten ausgesetzt. Letztere, 15 Ausschußmitglieder und ebenso viele Stellvertreter, sind eine parteipolitisch buntgewürfelte, spannende Mischung aus altvorderer Erfahrung und jungparlamentarischem Sturm und Drang: Es agieren der sozialdemokratische "Newcomer" Michael Roth gegenüber dem christdemokratischen ExBundeskanzler Helmut Kohl oder dem freidemokratischen Justizminister a. D. Edzard SchmidtJortzig, die bündnisgrüne Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer gegenüber der Studentin Angela Marquardt von der PDS.
Auch wenn Ausschüsse, nach der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestag "vorbereitende Beschlußorgane", nur selten im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, gedenkt Elke Leonhard deutlich werden zu lassen, daß der Hauptanteil der parlamentarischen Arbeit in den Ausschüssen geleiset wird. Auch das "Selbstbefassungsrecht" will sie für den Kultur und Medienausschuß nutzen, wo immer das sinnvoll und erforderlich ist. Mit anderen Worten: der Ausschuß wird auch solche Themen beraten, die ihm nicht vom Plenum überwiesen wurden. Von Forderungen aus dem Deutschen Kulturrat, nun auch noch eine "Kulturenquete" im Bundestag zu installieren, hält sie deshalb überhaupt nichts: "Wir sind der Kulturausschuß und damit zuständig!"