Welche Farbe hat eine Tomate in grünem Licht? Das ist keine Frage, die man mit Politikberichterstattung in Verbindung bringt. Beim "Tölzer Kurier" allerdings schon. Zur Bundestagswahl 2005 haben sich die Kurier-Redakteure nämlich etwas ganz Besonderes ausgedacht und den Stimmkreis-Kandidaten ihren eigenen Pisa-Test vorgelegt. Ganz nach dem Motto: "Drum prüfe, wer sich an einen Kandidaten bindet..." So kam die Tomaten-Frage ins Spiel, bei der es im Übrigen nicht um eine rot-grüne Politik-Liaison ging, sondern schlicht um die Frage: Wie schlau sind unsere Kandidaten?
Mit seinen Ideen hatte der "Tölzer Kurier" Erfolg: Die Zeitung zählt zu den Preisträgern des W(ahl)-Awards 05 und belegte in der Kategorie Print den zweiten Platz. Mit dem Journalisten-Preis, verliehen im Rahmen des Forums Lokaljournalismus 2006 am 26. Januar auf Schloss Neuenbürg bei Pforzheim, zeichnet die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) Beiträge aus, die bis zum Schließen der Wahllokale in einer Zeitung erschienen oder über den Äther gelaufen sind. Oberstes Prinzip: Originell und wahlmotivierend sollten sie sein. Wie zum Beispiel das "Kandidaten-ärgere-Dich-nicht-Spiel" der Redaktion Kitzingen der "Main-Post". Der Jury gefiel das clevere Würfelspiel auf Zeitungspapier, das mit allerlei Informationen rund um die Kandidaten gespickt war: Platz eins für Kitzingen.
Bei der "Rhein-Zeitung" (RZ) hatten sich die Volontäre ins Zeug gelegt und ein Konzept entwickelt, das vor allem junge Menschen ansprechen sollte. Ganz besonders erfolgreich: die SMS-Aktion. Hier konnten die RZ-Leser den Direktkandidaten ihre Fragen aufs Handy schicken und bekamen die Antworten auf gleichem Wege zurück. Und zwar auf den Punkt gebracht, wie es das Handy eben erfordert. Für ihre innovativen Einfälle bekam der RZ-Nachwuchs den dritten Preis. Dicht folgte auf Platz vier die Redaktion Heimatzeitungen der Verlagsgesellschaft Madsack mit ihren Regionalausgaben der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" und der "Neuen Presse". Der Multiple-Choice-Persönlichkeitstest brachte manch kleines Geheimnis ans Licht.
Politik lässt sich aber nicht nur in der Zeitung spannend verpacken. Sie hört sich auch im Radio gut an. Das bewiesen die Einsendungen zum W(ahl)-Award in der Kategorie Hörfunk. Henning Bornemann und Tobias Nowak vom Jugendsender "Eins Live" des WDR begeisterten 55 Sendeminuten lang mit ihrem Feature "Einwahlhilfe elect.05" (Platz Eins).
Auf den zweiten Platz schaffte es die Redaktion "mephisto 97,6", ein Lokalradio an der Universität Leipzig, mit ihrem Berichterstattungsmarathon. Mehr als 40 Beiträge sendeten sie im Vorfeld der Wahl und stellten sich dabei auch manch ungewöhnliche Frage: Macht der Papst sein Kreuz nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Wahlkabine? Und wie wählen eigentlich Blinde? Deutschlandfunk-Redakteur Ulrich Gineiger beschäftigte hingegen "Die Kunst, Klinken zu putzen". So nannte er sein Feature über Wahlhelfer auf Stimmenfang (3. Platz). Und bei "Radiomultikulti" (RBB) interessierte ein Thema, das sonst seltener Beachtung findet: Migranten und die Wahl (4. Platz).
"Wichtig ist, dass wir Journalisten ein breites Spektrum ansprechen - egal, wo wir die Leser, Zuhörer und Zuschauer erwischen: Auf dem Sofa in Solingen oder im Ministersessel in Berlin", sagte Polit-Talker Frank Plasberg ("hartaberfair", WDR), der Festredner der Preisverleihung. Mit dem W(ahl)-Award gebe die Bundeszentrale für politische Bildung "einen Ansporn, Politik ins Programm zu hieven", so Plasberg weiter. Schließlich - das zeigen die W(ahl)-Award-Sieger - kann Politikberichterstattung durchaus unterhaltsam sein. Und übrigens: Eine Tomate in grünem Licht erscheint schwarz. Hatte der "Tölzer Kurier" etwa eine politische Vorahnung?