Bildung und Forschung/Wirtschaft und Technologie. Die Bundesregierung hält Befürchtungen, dass das deutsche Bildungssystem durch die EU-Dienstleistungsrichtlinie Schaden nehmen könnte, für unberechtigt. Das erklärte sie am 25. Januar im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung. Die Regierung benannte drei Punkte, die problematisch gewesen, aber inzwischen geklärt seien: Zum Ersten fielen Niederlassungen ausländischer Bildungsanbieter nicht unter das Herkunftslandprinzip. Zum Zweiten würden auch Bildungs- und Forschungsanbieter nicht unter die Dienstleistungsrichtlinie fallen, die Entgelte von ihren Studierenden erheben. Entscheidend sei hier, dass diese Anbieter sich mehrheitlich aus öffentlichen Mitteln finanzierten. Zum Dritten sei es ein Anliegen der Bundesregierung, die deutschen Qualitätsstandards zu erhalten.
Während bereits eine Ausnahmeregelung für den Bereich des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (Bafög) erreicht worden sei, gebe es noch Detailprobleme etwa in der Frage des Meister-Bafögs und bei Qualifizierungsmaßnahmen, die von der Bundesagentur für Arbeit finanziert werden. Die SPD begrüßte es, dass die Regierung "substanzielle Vorbehalte gegen das Herkunftslandprinzip formuliert" habe, hielt aber noch nicht alle Probleme für gelöst. So werde die Qualitätssicherung nicht nur von den nationalen Zertifizierungsagenturen vorgenommen, sondern auch von anderen Institutionen. Zudem müsse die Unterscheidung zwischen niedergelassenen und nicht niedergelassenen Einrichtungen präzisiert werden.
Die FDP fragte, wie die Regierung zur Überzeugung gelangt sei, dass die Anwendung des Herkunftslandprinzips zu Aufweichungen der Qualitätsstandards führen werde. Es wäre eine Chance für Deutschland, wenn auch international renommierte ausländische Bildungsträger hier lehren dürften, hieß es. Zudem sei es problematisch, wenn die Anwendung der Dienst-leistungsrichtlinie bei der Finanzierung ansetze: Nur wenige der privaten Hochschulen würden mehrheitlich aus öffentlichen Geldern finanziert - die anderen gerieten so in eine Problemsituation. Diese Position teilten die Bündnisgrünen. Die bisherigen Abgrenzungskriterien zwischen öffentlichem und kommerziellem Bereich seien noch nicht hinreichend geklärt. Die Linke bekräftigte ihre Forderung, der gesamte Bereich der Bildung müsse aus dem Geltungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie ausgeklammert werden.
Der Bundestag hat am 26. Januar zwei Anträge der Grünen ( 16/373) und der Linksfraktion ( 16/394) zur Beratung an den Wirtschaftsausschuss überwiesen. Die Grünen treten dafür ein, die EU-Kommission solle einen neuen Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie vorlegen. Die Linke geht noch weiter und verlangt, dass Brüssel diese Richtlinie zurückzieht.
Den Grünen zufolge müssen die Beschäftigungschancen des einheitlichen EU-Binnenmarktes für Dienstleistungen genutzt werden, ohne damit nationale Standards zu gefährden. Das Herkunftslandprinzip, wonach es auf das Recht des Herkunftslandes des Diensteanbieters ankommt, dürfe nur beim Marktzugang angewendet werden, so die Fraktion. Bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen müsse zwischen dem Zugang zu den Märkten der EU-Staaten und einer konkreten Dienstleistung unterschieden werden. Für den Zugang müssten die Regeln des Herkunftslandes, für die Ausübung die des Ziellandes gelten.
Wie es in dem Antrag weiter heißt, sei der Anwendungsbereich der Richtlinie auf kommerzielle Dienstleistungen zu begrenzen. Die Staaten müssten die Möglichkeit behalten, Leistungen der Daseinsvorsorge in eigener Verantwortung zu regeln. Darüber hinaus sind nach Ansicht der Fraktion Bildungsdienstleistungen in öffentlich finanzierten Schulen und Hochschulen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herauszunehmen. Sowohl bei der Niederlassung von Bildungsanbietern als auch beim grenzüberschreitenden Angebot von Bildungsdienstleistungen müssten nationale Qualitätsstandards eingehalten werden.
Nach Ansicht der Linksfraktion kann Brüssel einen neuen Vorschlag erst nach "fundierten Folgeabschätzungen" unterbreiten. Sollte dies nicht möglich sein, müsse die Richtlinie geändert werden. So dürfe ein EU-Binnenmarkt für Dienstleistungen auf keinen Fall zu Sozialdumping führen. Darüber hinaus müssten die Arbeitnehmerrechte eines Landes für alle gelten, die in diesem Land arbeiten, unabhängig vom Sitz ihres Arbeitgebers. Die in einem EU-Staat angebotenen Dienstleistungen sollten nicht nach den Vorschriften des Herkunftslandes, sondern nach den Vorschriften des Ziellandes geregelt werden.