Eines stand für die Abgeordneten aller Bundestagsfraktionen in der von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde am 10. Februar nicht zur Debatte: Die Presse- und Meinungsfreiheit, so wie sie in demokratischen Gesellschaften praktiziert wird. Auf der Tagesordnung stand der Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen, deren Veröffentlichung seit Ende Januar zu einer Eskalation der Gewalt in zahlreichen islamischen Ländern geführt hat. Allein in Afghanistan starben mehr als zehn Menschen bei Ausschreitungen gehen westliche Einrichtungen. Botschaften und Konsulate europäischer Länder brannten auch in der iranischen Hauptstadt Teheran und in Beirut.
Aber, so stellte Fritz Kuhn (Bündnis 90/Die Grünen) gleich zu Beginn fest: "Freiheit impliziert auch Verantwortung." Die Zeichnungen, die bereits im September 2005 in einer dänischen Tageszeitung veröffentlicht worden waren, und die den Propheten Mohammed unter anderem mit einer Bombe in der Hand zeigen, sind "rassistisch und gefährlich", so Kuhn weiter. Sie stünden für den Missbrauch von Verantwortung, weil sie sich auch gegen die friedlichen Muslime in Europa richten würden. "Wir müssen einen Beitrag zur Deeskalation leisten", forderte er. Botschaften zu schließen oder Waren bestimmter Länder zu boykottieren, dies könne nicht der richtige Weg sein. Vielmehr sei nun ein "echter Dialog" nötig.
Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) schloss sich der Forderung nach einem Dialog an: Dieser sollte aber "nicht mit dem Maßstab wiederholter Rechtfertigung für das, was uns ausmacht, geführt werden, sondern mit dem Maßstab des Selbstbewusstseins, das uns ausmacht." Entschieden lehnte es der Unionspolitiker ab, von einem Kampf der Kulturen zu sprechen: "Es gibt keine Trennlinie zwischen westlicher und islamischer Welt, sondern zwischen denen, die Terrorismus und Hass das Wort reden, egal welcher Religionszugehörigkeit, und jenen, die sich für Menschenrechte und Toleranz einsetzen."
Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Wolfgang Gerhardt, zeigte Verständnis für die Verletzungen, die die Karikaturen bei vielen Muslimen ausgelöst haben. Diese dürften aber nicht dazu führen, Gewalt als Mittel der Politik einzusetzen.
Für die Fraktion der Linkspartei verwies Norman Paech darauf, dass die Diskussion um die Pressefreiheit nicht der Kernpunkt sei. Man müsse vielmehr nach den Provokationen und Demütigungen fragen, die die islamische Welt durch den Westen seit Jahren erfahre. "Guantanamo ist auch eine Methapher für eine solche kulturelle Demütigung", so Paech. Nur eine konsequente Friedenspolitik könne zur Deeskalation beitragen.
In eine ähnliche Richtung argumentierte die Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter, Mitglied am Runden Tisch der Religionen, in einem Gespräch mit "Das Parlament": Die Aggressivität, mit der viele Muslime auf die Karikaturen reagierten, zeige: "Die Dominanz des Westens über andere Kulturen muss ein Thema sein." Der Konflikt sei auch ein Ausdruck dafür, dass der Islam sich gegen westliche Werte wehre. Gleichzeitig gebe es jedoch einen europäischen Islam, den es zu fördern gelte: "Die europäischen Muslime suchen ihre eigene Stimme und sie sind die besseren Gesprächspartner für radikale Muslime." Zahlreiche muslimische Verbände in Europa riefen in der vergangenen Woche zu einem Ende der Gewalt auf. Maria Böhmer, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, sagte dazu: "Ich habe mit Dankbarkeit registriert, wie verantwortlich die Äußerungen muslimischer Vertreter in Deutschland zum Streit um die Karikaturen waren." Auch sie forderte einen Dialog der Kulturen: "Wir brauchen ein Gespräch miteinander und nicht übereinander", sagte sie. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Ayyub Axel Köhler, stellte fest: "Wir leben in einer aufgeklärten Zeit, und da sagt auch die islamische Lehre nichts dagegen. Aber wir müssen mit der Freiheit auch verantwortungsvoll umgehen können."