Mitten in der laufenden Legislatur-periode setzt Kambodschas starker Mann, Ministerpräsident Hun Sen, alles daran, um seine Macht frühzeitig abzusichern. Kommunalwahlen sollen bereits im kommenden Jahr abgehalten werden, Parlamentswahlen in 2008.
Der freie und demokratische Verlauf dieser Wahlen aber ist in Kambodscha gefährdet. Mitten in den Vorbereitungen für ein internationales Tribunal, das die Verbrechen der Roten Khmer ahnden soll, schaltet Hun Sen seine politischen Gegner vorübergehend aus oder schüchtert sie massiv ein. Insbesondere Sam Rainsy, Vorsitzender der gleichnamigen Partei, bekam den Machtwillen des Regierungschefs zu spüren. Nachdem Rainsy wegen Verleumdung zu 18 Monaten Haft verurteilt worden war und seit über einem Jahr in Paris im Exil lebte, wurde der als liberal geltende Politiker jetzt von König Norodom Sihamoni, dem Sohn von Ex-König Sihanouk, begnadigt. Rainsy kehrte inzwischen unter dem Jubel seiner Anhänger nach Kambodscha zurück.
Sam Rainsy, der in seinen bisherigen Wahlkämpfen besonders von den USA und Australien stark unterstützt worden war, hatte Hun Sen vorgeworfen, hinter dem blutigen Anschlag auf die Opposition im März 1997 gestanden zu haben, bei dem während einer Kundgebung 16 Menschen ums Leben kamen. Als Rainsy und zwei Parteifreunden daraufhin die parlamentarische Immunität entzogen wurde, floh er im Februar 2005 ins Ausland. Wäre die Verurteilung rechtskräftig geblieben, hätte Sam Rainsy bei den nächsten Wahlen nicht antreten können. Mit dem Oppositionspolitiker wurde auch der Abgeordnete Cheam Channy begnadigt, der Rainsys Partei angehört. Cheam war unter dem Vorwurf, eine bewaffnete Einheit gebildet zu haben, zu sieben Jahren Haft verurteilt worden.
Der Begnadigung Sam Rainsys war eine Aussprache mit Regierungschef Hun Sen vorausgegangen. "Er kam einen Schritt auf mich zu, und ich bedauerte gewisse Dinge in der Vergangenheit", sagte Rainsy gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Beide erklärten sich bereit, ihre politische und persönliche Fehde zu beenden. Hun Sen habe erkannt, so Rainsy, dass er den demokratischen Weg einschlagen müsse, denn Kambodscha könne sich nicht ohne Demokratie entwickeln. Er selbst erwarte nun, dass er die parlamentarische Immunität zurückerhalte.
Den überraschenden weichen Kurs werten Beobachter in Phnom Penh jedoch nicht als Kurswechsel Hun Sens, sondern als Schachzug vor der für seine Regieung wichtigen internationalen Geber-Konferenz im März. In jüngster Zeit hatte die Kritik an den Übergriffen auf Oppositionelle und Verhaftungen von Menschenrechtsaktivisten zugenommen. Hun Sen aber kann es sich nicht leisten, dass die internationale Gemeinschaft den Geldhahn zudreht. Jährlich fließen rund 500 Millionen Dollar Entwicklungshilfe nach Kambodscha, mehr als die Hälfte des Staatshaushaltes. Einen erheblichen Teil der finanziellen Hilfe gewähren die europäischen Staaten und die EU-Kommission.
Internationale Beobachter sehen noch einen anderen Zusammenhang. Das in Regierungskreisen ungeliebte und seit Jahren verhinderte internationale Tribunal könnte zum Scheitern verurteilt sein, bevor es überhaupt begonnen hat. Hun Sen, der als ehemaliger Angehöriger der Roten Khmer keinerlei Interesse daran hat, die Gräueltaten des Pol-Pot-Regimes aufarbeiten zu lassen, scheint jedes Mittel recht zu sein, um das auf Druck der Vereinten Nationen vorbereitete Tribunal endgültig zu verhindern. Dabei lässt der Ministerpräsident zunehmend demokratische Spielregeln außer Acht.
Die Geberländer, die 1997 schon einmal ihre Mittel eingefroren und Projektmitarbeiter aus Kambodscha abgezogen hatten, muss es alarmieren, dass Hun Sen vor kurzem Waffenlieferungen an Rebellen- und Terrorgruppen in Asien zugegeben hat. Die angeblich inzwischen gestoppten Lieferungen seien an die "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (LTTE) in Sri Lanka, die militante Muslimgruppe Abu Sayyafs auf den Philippinen und Rebellen der Karen-Volksgruppe in Myanmar (Burma) gegangen. Da klingt es wie Hohn, dass erst kürzlich der Asien-Sonderbeauftragte Christopher Hill Kambodscha einen wichtigen Verbündeten im Kampf gegen den Terror genannt hat.
Die Geberländer haben ihre Hilfe unter anderem an die Einhaltung der Menschenrechte und an Fortschritte im Umweltschutz und im Kampf gegen Korruption geknüpft.