Es lässt sich nicht sagen, dass die "Parlamentariergruppe für die Beziehungen zu arabischsprachigen Ländern des Nahen Ostens" im Bundestag und in der Öffentlichkeit bislang auf große Resonanz stößt. Die Erfahrungen in diesem Kreis kommen deren Vorsitzenden Joachim Hörster jetzt jedoch zugute, und zwar im Europarat: "Der Staatenbund muss sich künftig stärker für die Heranführung moslemisch geprägter Länder an demokratisch-rechtsstaatliche Standards engagieren", betont der CDU-Politiker.
Die teils gewalttätigen Aufwallungen wegen des Karikaturenstreits haben Differenzen zwischen Teilen der islamischen Welt und Europa krass beleuchtet. Hörster plädiert deshalb für einen Ausbau der Kontakte Straßburgs zum Nahen Osten - der entsprechende Unterausschuss in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats führte bisher eher ein Schattendasein.
Vor allem aber mahnt der Rheinland-Pfälzer beim Europarat mehr Einsatz in Mitgliednationen mit hohem Moslemanteil an der Bevölkerung wie etwa in der Türkei oder in Aserbaidschan an: "Dort geht es nicht nur um die Beachtung politischer Normen, sondern auch um eine Anhebung des Bildungsniveaus in breiten Schichten."
Der 60-Jährige, frisch zum Leiter der neuen 18-köpfigen Bundestagsdelegation in der paneuropäischen Volksvertretung gekürt, kann diesen Einfluss nun nutzen, um im Palais de l'Europe solche Weichen zu stellen. Traditionell steht dieses Amt der größten Fraktion zu: Die Union schickt sieben Abgeordnete nach Straßburg, die SPD entsendet deren sechs, FDP und Linkspartei jeweils zwei Parlamentarier, die Grünen haben einen Vertreter. Eines unterstreicht Hörster: "Unsere Delegation darf nicht zum Forum für die Austragung innenpolitischer Konflikte werden, das macht beim Europarat keinen Sinn."
So notwendig für den Rechtsanwalt, der für den Wahlkreis Montabaur seit 1987 im Bundestag sitzt und seit 2000 in der Straßburger Deputiertenkammer mitmischt, ein größeres Augenmerk für die moslemische Welt auch ist: Für den Christdemokraten liegt die Hauptaufgabe des Staatenbunds noch für lange Zeit in Osteuropa, um in Russland und anderen nicht der EU angehörenden Ländern den keineswegs abgeschlossenen Transformationsprozess voranzutreiben. Hörster: "Nach Jahrzehnten der Diktatur können diese Länder nicht in wenigen Jahren zu lupenreinen Demokratien werden."
Ob unabhängige Justiz, faire Wahlen, Pressefreiheit, pluralistische Parteiensysteme, Bürgerpartizipation oder soziale Sicherung: "Man darf diese Staaten nicht nur unter - natürlich notwendigen - Druck setzen, um die Straßburger Normen einzufordern, man muss diese Nationen auf ihrem schwierigen Weg auch unterstützen." Vieles sei in jenen Gefilden noch unvollkommen, doch man müsse die dortigen demokratischen Kräfte "ermutigen" und Fortschritte anerkennen.
Als "Anhänger der reinen Lehre" versteht sich Hörster jedenfalls nicht - womit er auf Distanz zu jenen im Palais de l'Europe geht, die vor allem Klartext reden wollen und bei Verstößen gegen die Straßburger Vorgaben auch schon mal mit Sanktionen liebäugeln.
Der Delegationsleiter spricht dem Europarat eine Brückenfunktion zwischen der EU und Russland sowie anderen Ländern in Osteuropa zu: "Da darf keine Kluft entstehen." Wegen des nur von Straßburg zu bewältigenden Auftrags, Osteuropa an demokratisch-rechtsstaatliche Standards heranzuführen, ist Hörster auch vor der viel diskutierten Konkurrenz durch Brüssel nicht bang. Immerhin umfasst die EU schon 25 Nationen, demnächst kommen noch Bulgarien und Rumänien hinzu. Der CDU-Politiker: "Die EU ist auch nicht annähernd in der Lage, das zu leisten, was der Europarat gegenüber seinen Mitgliedsländern vollbringt." Auch die von Brüssel geplante Menschenrechts-Agentur wird aus Hörsters Sicht Straßburg nicht am Zeug flicken können.
Nicht zufrieden ist der Christdemokrat indes mit dem Stellenwert, den der Staatenbund im Bundestag genießt: "Die Arbeit unserer Abgeordneten in Straßburg müsste mehr Beachtung finden." Das gelte beispielsweise für den Einsatz des Europarats für die Demokratie im autokratisch regierten Weißrussland. Zuweilen werde man in Berlin erst wach, wenn - wie etwa beim Streit um die Sterbehilfe im Straßburger Parlament - eine brisante Abstimmung kurz bevorsteht. Der Staatenbund leide natürlich darunter, dass sein Engagement für Demokratie und Rechtsstaat "selten spektakulär und schlagzeilenträchtig ist", bilanziert Hörster, diese Arbeit trage eben oft erst auf längere Sicht Früchte. Eine Ursache für die mangelnde Resonanz sieht der Delegationsleiter aber auch in der nicht sonderlich griffigen und effizienten Arbeitsweise der Parlamentarischen Versammlung im Palais de l'Europe: "Das muss entschlackt und gestrafft werden." Langatmige Debatten und Abstimmungen über Änderungsanträge zu Details von Resolutionen solle man künftig in den Ausschüssen erledigen, fordert Hörster, "um dann im Plenum Zeit für spannende politische Grundsatzdebatten zu haben."