Die EU schränkte bereits 1999 das Monopol auf Briefsendungen unter 350 Gramm ein, später auf 100 Gramm und seit Anfang des Jahres müssen die Mitgliedstaaten für alle Sendungen über 50 Gramm den Wettbewerbern eine Chance geben. In Deutschland bedeutet das: Nahezu zwei Drittel der Briefe darf nur die Deutsche Post befördern. Der deutsche Gesetzgeber hat allerdings schon beschlossen, das Briefmonopol ab 2008 abzuschaffen. Soweit ist man in Brüssel nur auf dem Papier. Die geltende Postrichtlinie läuft Ende 2008 aus. Ohne Anschlussregelung würden danach auf dem Briefmarkt die normalen Wettbewerbsregeln gelten. Den unkontrollierten Wettbewerb will jedoch niemand in Europa.
Die EU-Kommission hat deswegen eine Richtlinie vorgeschlagen, die den Wettbewerb in geordnete, also regulierte Bahnen lenken soll. Kern ihres Vorschlages ist die Abschaffung aller nationalen Postmonopole ab 1. Januar 2009. Mit der Liberalisierung habe man überwiegend gute Erfahrungen gemacht, sagt Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy: "Die Qualität der Dienstleistungen, die Leistungsfähigkeit der Branche und die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen haben sich wesentlich verbessert. Wir müssen diesen Weg deswegen weitergehen."
Die Grundversorgung soll weiter garantiert werden. Danach muss die Post flächendeckend an mindestens fünf Tagen in der Woche eingesammelt und ausgetragen werden. Die Mitgliedstaaten können dafür einheitliche Tarife vorschreiben und erhalten freie Hand, wie sie diese Grundversorgung finanzieren. Die einfachste Lösung besteht darin, den bisherigen Monopolisten damit zu beauftragen. Sie können aber auch andere Unternehmen dafür bezahlen, Dienstleistungen zu erbringen, die nicht lukrativ sind. Bewerben könnten sich nicht nur private Wettbewerber, sondern auch die großen Konkurrenten aus den anderen EU-Staaten. Mit anderen Worten: Die Deutsche Post könnte den Universaldienst in Frankreich übernehmen und umgekehrt. Ob die private Konkurrenz das bestehende Netz an Postfilialen und Briefkästen nutzen darf, bleibt ebenfalls den Mitgliedstaaten überlassen. In Zukunft könne es neben gelben dann auch grüne oder blaue Briefkästen in einem Land geben.
Manche sehen darin eine Chance, andere eine Bedrohung. Kleinere Newcomer im Postgeschäft werde es nur geben, wenn sie die Infrastruktur der heutigen Monopolisten zu Beginn des Wettbewerbs mitnutzen könnten, sagen die Experten. Die Richtlinie der Kommission ist dafür keine Garantie. Sie überlässt die Regulierung der nationalen Postmärkte den Mitgliedstaaten. Sie können den heutigen Monopolisten auch in Zukunft erlauben, ihre Marktmacht gegen die Konkurrenz einzusetzen. Gegen Unternehmen vergleichbarer Größe wären die Regulierer allerdings machtlos. Ein Teil der europäischen Postgesellschaften setzt schon heute auf den Wettbewerb, allen voran die Deutsche Post. Gemeinsam mit seinen Kollegen aus Finnland, Schweden, Großbritannien und den Niederlanden stellte sich Post-Chef Klaus Zumwinkel vergangene Woche hinter den Vorschlag der Kommission. "Die Post steht im Wettbewerb mit der elektronischen Kommunikation. Sie muss sich an den Bedürfnissen ihrer Kunden orientieren. Und das wird uns nur in offenen Märkten gelingen." Die Postmanager in den genannten Ländern betreiben ihr Geschäft schon jetzt ganz oder teilweise im Wettbewerb. Sie nehmen damit die für 2009 geplante Öffnung der Postmärkte bereits vorweg. Man habe auch nichts gegen neue Wettbewerber, sagt Zumwinkel: "Es ist aber fair und vernünftig, dass der Wettbewerb in Europa auf Gegenseitigkeit beruht." Mit anderen Worten: Deutsche, Holländer und Skandinavier wollen ihre guten Postdienste auch in den südlichen Gefilden Europas anbieten dürfen.
Damit ist der Streit im Europäischen Parlament und im Ministerrat programmiert. Denn im Süden der EU betrachtet man die Beförderung von Briefen nicht als Geschäft, sondern als "kulturelle Errungenschaft". Der Wettbewerb, fürchten vor allem die 300.000 französischen Postler, von denen zwei Drittel Beamte sind, werde einer flächendeckenden Versorgung die finanzielle Grundlage entziehen. Die Bundesregierung hat die europaweite Abschaffung des Postmonopols jedenfalls schon jetzt ganz oben auf die Tagesordnung ihrer Präsidentschaft gesetzt.