Glaube spielt in der Politik eine entscheidende Rolle - in den verschiedensten Facetten. Dabei gibt es nicht allein den Glauben an die Politik, sondern auch den Glauben in der Politik. Am sichtbarsten für die Öffentlichkeit wird dies beispielsweise bei der Vereidigung einer neuen Bundesregierung. Gespannt wird registriert, wer den Eid mit dem Bezug auf Gott abschließt: "Das schwöre ich, so wahr mir Gott helfe." Bis auf Justizministerin Brigitte Zypris haben in dieser Wahlperiode alle Minister ihren Eid mit diesem Zusatz versehen. Doch das Bekenntnis zu Gott, zum Glauben und zu christlichen Werten ist auch für auch für viele andere Abgeordnete ein wichtiger Teil ihres Lebens und ihrer politischen Arbeit.
Das beweist die Neuauflage der Politikerbibel "Suchet der Stadt Bestes", in der 56 Abgeordnete ihre Lieblingsbibelstelle aufgeschrieben haben. Für Otto Fricke (FDP), den Vorsitzenden des Haushaltsauschusses des Bundestages, beginnt jeder Tag biblisch. Wenn er morgens den Computer startet, erscheint nicht zuerst bild.de, spiegel-online oder bundestag.de. Als Startseite hat der Liberale die "Herrnhuter Losungen" eingestellt - ein täglich wechselndes Bibelzitat (www.losungen.de). Er vermisse "nicht nur manchmal" das Christliche in der Politik, so der Liberale bei der Präsentation der Neuauflage. Man dürfe als Politiker niemals so tun, als hätte man die Antwort auf alle Fragen, sagte Fricke. Sich klar zu Gott und dem Glauben zu bekennen, sei heute bei den Liberalen nichts Ungewöhnliches mehr. Denn: "Gott ist auch ein Liberaler", zitierte Fricke seinen Schwiegervater und fragte: "Vielleicht brauchen wir mehr Glauben, mehr Gottvertrauen . . ."
Auch für SPD-Generalsekretär Hubertus Heil ist der christliche Glaube ein "festes Wertefundament". Das christliche Menschenbild sei nicht nur für die politische Arbeit entscheidend, es werde auch prägenden Einfluss auf das neue SPD-Grundsatzprogramm haben.
"Wenn aber jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt dann die Liebe Gottes in ihm? Meine Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und der Wahrheit." (1. Johannesbrief 3, 17-18). Dieses von Heil für die Politikerbibel ausgewählte Zitat habe sowohl politisch wie privat große Bedeutung - es ist sein Trauspruch. Ronald Pofallas Partei trägt das Christliche bereits im Namen. Für ihn haben Politiker in einer Demokratie natürlich Verantwortung vor dem Wähler, er "versuche aber immer auch die Verantwortung vor Gott zu sehen", sagte der Generalsektretär. Auch bei der CDU werde das christliche Menschenbild Grundlage des neuen Parteiprogramms sein. Dabei gelte es, so Pofalla, den Spannungsbogen zwischen den zehn Geboten und dem Grundgesetz herzustellen. Einen besonderen Bezug zur Bibel hat der Christdemokrat seit Kindertagen: Mit seiner Zwillingsschwester maß er sich damals im Bibelauslegen. Diese Tradition lassen die Pofalla-Zwillinge heute an ihrem Geburstag jährlich aufleben. "Wir versuchen uns dann über eine im Voraus bestimmte Bibelstelle mit immer neuen Interpretationen zu überbieten", erzählt er. Für die Politikerbibel hat Pofalla aus dem Thessalonicherbrief die Stelle ausgewählt: "Prüft alles, und das Gute behaltet." Eine für die Politik wünschenswerte Maxime. Die Politikerbibel (die erste Auflage ist 2004 erschienen) ist nebenbei auch grafologisch hoch interessant und überparteilich: Der biblische Reigen reicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel über Minister (Frank-Walter Steinmeier, Wolfgang Tiefensee, Annette Schavan) und -präsidenten (Kurt Beck, Edmund Stoiber) bis zu Oppositionspolitikern (Renate Künast, Guido Westerwelle).