Das Parlament: Herr Mißfelder, wenn Sie in 15 Jahren Vorsitzender CDU sein werden - was für eine Partei wird das dann sein?
Mißfelder: Ich bin in 15 Jahren nicht Vorsitzender der CDU...
Das Parlament: ... oh, schon in zwölf Jahren?
Mißfelder: Nein, das ist eine hypothetische Frage. Für die Politik gilt, was auch im Fußball gilt: Talente, die hochgeschrieben werden, werden später meistens keine guten Profis.
Das Parlament: Versuchen wir es anders: Wie soll die Zukunft der CDU als Volkspartei aussehen?
Mißfelder: Sie wird, wie bisher, auch künftig starke Flügel mit unterschiedlichen Interessen haben. Darin werden sich die CDU-Mitglieder gut repräsentiert fühlen.
Das Parlament: Bei der Bundestagswahl 2005 und nach aktuellen Umfragen erreicht die CDU derzeit nur noch rund 20 Prozent der Wahlberechtigten. Kann man da ernsthaft noch von Volkspartei reden?
Mißfelder: Die Zahl der absoluten Stimmen im Vergleich zu den Wahlberechtigten zeigt sowohl bei der CDU als auch bei der SPD, dass sich der Charakter der Volksparteien offensichtlich verändert hat. Ich bin dafür, dass wir - wie das auch Jürgen Rüttgers gefordert hat - versuchen, andere Wählergruppen anzusprechen, mehr in die Breite zu gehen. Entscheidend ist dabei die Verknüpfung der Glaubwürdigkeit der eigenen Person mit dem Programm. Das macht im Übrigen gerade den Erfolg der Jungen Union aus.
Das Parlament: Sie verstehen sich als Interessenwahrer der jungen Generation. Der Vorschlag von Rüttgers, Älteren länger Arbeitslosengeld zu zahlen, soll mit der Kürzung der Leistungen für Jüngere verknüpft werden. Trägt das die JU mit?
Mißfelder: Es ist nicht klar, dass das zu Lasten der Jungen geht. In den vergangenen Jahren sind in der Arbeitslosenversicherung Milliardenbeträge umgeschichtet worden. Wenn die Rechnung von 700 Millionen Euro stimmt, dürfte die Gegenfinanzierung des Rüttgers-Vorschlags auch innerhalb des Systems zu regeln sein, ohne dass das Jüngeren zur Last fällt. Die entscheidende Frage bei der Jugendarbeitslosigkeit ist auch nicht, wie lange die Bezugsdauer von Transferleistungen ist, sondern wie schnell junge Menschen wieder einen Job finden.
Das Parlament: Noch einmal: Ist der Rüttgers-Vorschlag aus Ihrer Sicht kein Schlag gegen die Generationengerechtkigkeit?
Mißfelder: Im Vergleich zur Pflege- oder Gesundheitsreform ist das nicht die entscheidende Frage. Die Chance, für Generationengerechtigkeit zu sorgen, ist bei der Gesundheitsreform verpasst worden.
Das Parlament: Woran machen Sie das fest?
Mißfelder: Ich hätte mir eine Altersrückstellung in der gesetzlichen Krankenversicherung gewünscht. Es ist ja der große Vorteil der privaten Krankenversicherung, dass sie eine Demographiereserve hat. Ein solches Element brauchen wir auch in der gesetzlichen Versicherung. Möglich wäre das auch über eine Teilprivatisierung der Zahnbehandlung.
Das Parlament: Kommen wir noch einmal zurück zum Thema Volksparteien. Eine Aufgabe der CDU als Volkspartei bestand immer darin, den rechten Rand einzufangen. Das scheint Ihrer Partei gerade bei den jungen Menschen nicht mehr so richtig zu gelingen.
Mißfelder: Die Konkurrenz um Jungwähler ist sehr groß. Attraktivste Partei bei den Jungen ist die Partei der Nichtwähler. Darüber hinaus gibt es die Tendenz, gerade in Ostdeutschland und gerade bei jungen Arbeitslosen, extreme Parteien zu wählen. Die Junge Union hat daher schon im Jahr 2005 die Kampagne "dabei" gegen Extremismus gestartet.
Das Parlament: Bei der Bundestagswahl fehlten der CDU vor allem die Stimmen gut ausgebildeter junger Frauen zu einem besseren Ergebnis. Wie wollen Sie bei kommenden Wahlen bei dieser Klientel punkten?
Mißfelder: Mit dem Elterngeld haben wir einen ersten Pflock eingeschlagen. Insgesamt tut sich - nicht zuletzt dank Familienministerin Ursula von der Leyen - etwas beim Frauen- und Familienbild der Union, auch wenn noch nicht bei jedem die Überzeugung gereift ist, dass sich für Frauen Kinder und Beruf nicht ausschließen.
Das Parlament: Herr Mißfelder, in den vergangenen Tagen haben Sie als Alternative zur Großen Koalition wieder das Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen ins Spiel gebracht. Ist das für die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl im Jahr 2009 eine realistische Option?
Mißfelder: Inzwischen sind die Grünen keine Schreckgespenster mehr. Ich schätze beispielsweise die Vizepräsidentin des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt, sehr. Selbst Fraktionschefin Renate Künast bringt inzwischen einige diskutierbare Ideen. Ein wichtiger Grund, dass es vor einem Jahr nicht mit einer Jamaika-Koalition geklappt hat, war, dass wir bei den Grünen überhaupt keinen Gesprächspartner hatten. Das ist jetzt anders.
Das Parlament: Mit wem führt die CDU denn Gespräche?
Mißfelder: Das läuft nicht auf einer formalen Ebene ab. Informell gibt es auf Seiten der CDU aber gute Kontakte. Ich bin beispielsweise mit Matthias Berninger von den Grünen und mit Daniel Bahr von der FDP befreundet. In der CDU-Spitze gibt es im Übrigen sehr viel Offenheit und eine gewisse Sympathie für die Gespräche, die wir führen.
Das Interview führte Monika Pilath.