Baden-Württemberg
Die Parlamentarier sollen demnächst Vollzeit arbeiten
Geredet wird darüber schon lange, inzwischen scheint die Parlamentsreform in Baden-Württemberg tatsächlich in die Zielgerade einzulaufen. Die Fraktionsvorsitzenden im Landtag einigten sich nun auf gemeinsame Eckpunkte.
Grundsätzlich sollen künftig Vollzeitparlamentarier im Plenum sitzen, Amt und Mandat werden strikt voneinander getrennt, die Diäten steigen und im Gegenzug wird die Altersversorgung geändert. Der stellvertretende Landtagspräsident Wolfgang Drexler (SPD) ist überzeugt: "Wenn diese Reform kommt , ist sie ein der Fortschrittlichsten in Deutschland. Da ist Berlin weit davon entfernt." Noch vor der Sommerpause soll die Reform beschlossen werden.
Einer der umstrittensten Streitpunkte war die Forderung der Opposition, endlich Amt und Mandat voneinander zu trennen. Baden-Württemberg ist das letzte Landesparlament, das diese Doppelfunktion noch zulässt.
Vor allem in der CDU-Fraktion üben eine Reihe von Oberbürgermeistern, Bürgermeistern, Beigeordneten, Mitarbeiter diverser Landesbehörden und Lehrer parallel ein Landtagsmandat aus. Dieses Teilzeitparlament ist kostengünstig und nutzt die Kompetenzen der Berufstätigen - so die bisherige Begründung.
Drexler hält das für Augenwischerei: "Das Teilzeitparlament war und ist eine Fiktion." Ein Landtagsmandat sei ein Vollzeitjob: "Mit 40 Stunden in der Woche kommt man da eigentlich nicht aus." Doppelfunktionen, die derzeit fast die Hälfte der 139 Abgeordneten ausüben, bergen auch inhaltliche Probleme. Drexler: "Wenn eine Schuldirektorin, die in Teilzeit noch in ihrem Beruf arbeitet, als Abgeordnete im Schulausschuss sitzt, ist das unter demokratischen Gesichtspunkten eigentlich nicht vertretbar. Wie soll denn da Kontrolle stattfinden?"
Er zielt damit auf seine Kollegin, die Vize-Landtagspräsidentin Christa Vossschulte (CDU). Sie allerdings meint, die Verankerung im Beruf habe Vorteile: "Da habe ich die direkte Erfahrung. Wenn ich ein paar Jahre aus dem Beruf raus bin, ist die weg, dann stammen die Informationen nur noch aus zweiter Hand." Für Bürgermeister kleiner Kommunen, einfache Beamte und Angestellte des Öffentlichen Dienstes hätte sie die Doppelfunktion bestehen lassen: "Aber nach langer interner Diskussion hat sich unsere Fraktion nun für die Trennung entschieden, das trage ich natürlich mit."
Wenn die Abgeordneten sich demnächst voll auf ihre Wählerauftrag konzentrieren sollen, müssen sie mehr Geld verdienen. Die derzeitige Grunddiät in Höhe von 4.800 Euro brutto soll "an die Diät in vergleichbaren Flächenländern, zum Beispiel Bayern" angepasst werden, heißt es im Eckpunktepapier der Fraktionsvorsitzenden. In Bayern bekommen Landtagsabgeordnete 6.166 Euro.
Zusätzlich gibt es Geld für eine private Altersvorsorge. "Wir versuchen uns so zu stellen, wie die Leute draußen", erklärt Drexler. "Das muss auch sein. Bislang haben Abgeordnete ja gar nichts für ihre Altersvorsorge getan." Die neue Regelung werde die teilweise üppige Altersversorgung deutlich reduzieren. Für Christa Vossschulte ist das ein Vorbild nicht nur Berlin: "Alle Parlamente sollten die Altersversorgung umstellen."
Mit der für Baden-Württemberg revolutionären Veränderung hin zum Vollzeitparlament erhofft der Vize-Landtagspräsident sich außerdem mehr Bürgernähe: "Wir werden viel häufiger Debatten haben und damit aktueller sein können." Der baden-württembergische Landtag trifft sich gerade mal zehn Mal im Jahr, andere Landesparlament kommen locker auf die doppelte Sitzungszahl.
Durch eine veränderte Geschäftsordnung sollen zudem die Debatten spannender werden. Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich nun mit den Forderungen der Oppositionsparteien: Redezeitbeschränkung für die Regierung, Initiativrecht für die Opposition, Möglichkeit einer Fragestunde mit Debatte. Und auch die Wahlkreise sollen neu zugeschnitten werden, um die Größen einander anzupassen. Zur Wahl 2016 sollen die neuen Wahlkreise gelten, die Detaildiskussion wird viel Zeit in Anspruch nehmen, schließlich geht es immer auch um Hochburgen einzelner Abgeordneter.