ERNÄHRUNG
Fit statt fett. Regierung will die Menschen mit einem Aktionsplan in Bewegung bringen.
Jetzt geht's los. Die Deutschen sind nicht nur Exportweltmeister, sondern sie sind auch die Dicksten in Europa: Fast 37 Millionen Erwachsene und zwei Millionen Kinder sind nach jüngsten Untersuchungen zu fett. Gründe dafür sind vor allem falsche Ernährung und zu wenig Bewegung. Das moderne Arbeitsleben, die zum Teil unausgewogene Verpflegung in Kantinen und Gaststätten machen es den Menschen nicht leichter, sich gesund und ausgewogen zu ernähren. Um dies zu ändern, hat die Regierung jetzt ein Fitness-Programm "Gesunde Ernährung und Bewegung - Schlüssel für mehr Lebensqualität" beschlossen, dessen Eckpunkte Bundesernährungsminister Horst Seehofer (CSU) am 10. Mai im Bundestag in einer Regierungserklärung vorstellte.
Der Aktionsplan sieht vor, dass Kinder möglichst früh verstärkt über gesunde Ernährung und mehr Bewegung informiert werden. Die Initiativen zur besseren Aufklärung soll es in Kindergärten und Schulen geben, aber auch in Unternehmen und bei der Bundeswehr. Zudem will die Bundesregierung für mehr Bewegung sorgen. Dabei will sie mit Ländern, Kommunen und Sportverbänden Konzepte entwickeln, um die Bundesbürger zu mehr Sport und Bewegung im Alltag zu animieren. Schließlich soll das Kantinenessen in Schulen, Firmen, Krankenhäusern und Senioreneinrichtungen gesünder und ausgewogener werden. Qualitätsstandards sind dabei bei der Bundesregierung bereits in Planung.
In der Forschung soll der Einfluss von Ernährung und Bewegung auch bei den "großen Volkskrankheiten" wie Fettleibigkeit, Zuckerkrankheit, Herz-Kreislauferkrankungen und Rückenbeschwerden weiter untersucht werden. Auch soll die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen bei der Förderung des gesunden Lebensstils verbessert werden.
Mit dem Aktionsplan will die Bundesregierung bis 2020 das Ernährungs- und Bewegungsverhalten der Bevölkerung verbessern und die Zahl Übergewichtiger insgesamt verringern. Dies gilt vor allem für Kinder und Jugendliche. Laut Seehofer ist "Prävention noch immer die beste Medizin". Allerdings solle dies auf freiwilliger Basis erfolgen. Es gehe um Beratung statt um Bevormundung. "Wir wollen die Menschen in Deutschland in ihrem Bemühen um einen gesunden Lebensstil unterstützen. Denn das trägt zur Lebensfreunde, Leistungsfähigkeit und Gesundheit jedes Einzelnen und zur Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft bei", so der Minister. Die ernährungsbedingten Krankheitskosten bezifferte er auf rund 70 Milliarden Euro pro Jahr - rund 30 Prozent der Gesamtkosten.
Während die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD den Regierungsplan voll inhaltlich unterstützten und dazu einen entsprechenden Antrag (16/5258 ) vorlegten, hielt sich die Zustimmung der Opposition in Grenzen. So hat für Hans-Michael Goldmann (FDP) der ganze Aktionsplan "keine Substanz". Es fehle der rote Faden und die Regierungspolitik sei in sich widersprüchlich. Auf der einen Seite würde erklärt, die Schulspeisungen sollten von der Mehrwertsteuer befreit werden, auf der anderen Seite sage das Bundesfinanzministerium, davon könne keine Rede sein. "Es klaffen Welten zwischen dem, was sie sagen, und dem, was sie tun", so Goldmann.
Für die Linksfraktion geht es bei der Fettleibigkeit nicht in ers-ter Linie um das Verhalten der einzelnen Personen, sondern sie sieht darin ein strukturelles Problem aller Industriestaaten, so die Abgeordnete Karin Binder. Appelle würden hier nicht weiterhelfen. Sie setzte sich für die Kennzeichnung von Lebensmitteln ein und wies darauf hin, dass Hartz IV-Empfänger kein Geld hätten, um Bioprodukte zu kaufen. Auch für Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) reichen Appelle allein an die Vernunft der Menschen nicht aus. "Kleine Kinder sind keine mündigen Verbraucher, sondern brauchen unseren Schutz", sagte sie. Deshalb sei es notwendig, dass die Industrie nicht mehr im Kinderkanal werben dürfe. Auch sie machte sich für eine Kennzeichnung der Lebensmittel stark.
Dem widersprach die Unionsabgeordnete Julia Klöckner: Eine Kennzeichnung von Lebensmitteln könne noch lange nicht für ausgewogene Ernährung sorgen. Außerdem wies sie darauf hin, dass durch die Kampagne dicke Menschen nicht stigmatisiert werden sollten. Auch Magersüchtige hätten ein falsches Essverhalten.
Wie der Antrag der Koalitionsfraktionen wurde auch ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ( 16/5271 ) zur weiteren Beratung an den Ausschuss überwiesen. Die Grünen plädieren unter anderem dafür, dass "bekannte Dickmacher" wie Süßigkeiten und Snacks sowie süße Erfrischungsgetränke nicht mehr in Schulen und Jungendeinrichtungen angeboten werden.