Terrorgefahr
Der Fahndungserfolg nährt den Streit um die Online-Durchsuchung
Der Fahndungserfolg der Behörden und die Festnahme dreier Terrorverdächtiger hat die Debatte zum Haushalt des Bundesinnenministeriums befeuert. Zum sechsten Jahrestag der Anschläge von New York und Washington sagte Minister Wolfgang Schäuble, die Bedrohung durch Terroristen dauere an und sei auch durch die Verhaftung dreier Verdächtiger am 4. September nicht abgeschlossen.
Die drei Männer - zwei zum Islam konvertierte Deutsche und ein Türke - hatten nach Erkenntnissen der Ermittler Bombenanschläge auf US-amerikanische Einrichtungen geplant und konnten nach monatelangen Ermittlungen festgenommen werden. Prompt wurde daraufhin eine neue Runde im Streit um die Online-Durchsuchung eingeläutet.
Die Erkennntisse der Sicherheitsbehörden wirken dabei durchaus polarisierend: Wie "Das Parlament" aus gewöhnlich gut informierten Kreisen erfuhr, nutzten die Terrorverdächtigen bei ihren Planungen über 100 verschiedene Callcenter oder Internetcafes und 17 unterschiedliche Laptops. Ob die Online-Durchsuchungen einzelner Festplatten bei der Aufdeckung ihrer Pläne hilfreich gewesen wäre, ist umstritten. Inzwischen hat sich die islamistische Dschihad-Union zu den geplanten Anschlägen bekannt, nach Aussagen von Generalbundesanwältin Monika Harms handelte es sich um die "bislang schwerwiegendsten Anschlagsplanungen in Deutschland".
Der Innenausschuss ließ sich am 13. September in geheimer Sitzung von den Geschehnissen unterrichten, während Schäuble seine Forderung bekräftigt, die Durchsuchung müsse kommen. Niemand plane, "die Freiheitsrechte abzuschaffen oder auch nur einzuschränken", sagte er am 11. September im Bundestag, aber es gehe darum, "in eng begrenzten Einzelfällen" als Ultima Ratio "in die Strukturen moderner und sich weiter entwicklender Kommunikation einzudringen".
In der vergangenen Woche erhielt Schäuble Rückendeckung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Generalbundesanwältin Harms. Merkel betonte am 12. September im Bundestag, sie sei optimistisch, dass man die Befugnisse des Bundeskriminalamtes in der Terrorbekämpfung in einem Gesetz zusammenfassen werde. "Ich verhehle nicht, dass für mich auch die Online-Durchsuchung dazu zählt." Auch Harms hatte sich bereits in den vergangenen Monaten für das Instrument stark gemacht und betonte in einem Interview erneut: "Wir müssen bei schwersten Straftaten eine solche Möglichkeit - selbstverständlich unter Richtervorbehalt - haben." Die SPD bremst die Vorhaben ihres Koalitionspartners bislang und will ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Frühjahr 2008 abwarten. Der Vorsitzende des Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), erklärte, die Zeit sei "noch nicht reif für Entscheidungen". Auch SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz stellte im Gespräch mit "Das Parlament" fest, die Methode sei "weder technisch noch rechtlich ausgereift". Er plädiere aber dafür, die Mittel "für die Entwicklung der Technologie freizusetzen".
Der Liberale Max Stadler indes rechnet mit einem baldigen Einknicken der Sozialdemokraten. "Ich habe die Befürchtung, dass die SPD bald nachgeben wird." Peter Struck habe in seiner Rede vor dem Plenum dafür "deutliche Signale" gegeben. Die FDP bleibe bei ihrer Haltung, dass die Risiken der Online-Durchsuchung zu groß seien, auch wenn das Bundesverfassungsgericht sie gestatten sollte. Die Grundrechtseingriffe und das Risiko, dass das Instrument bald ausgeweitet würde, seien nicht hinnehmbar. Auch die Linke befürchtet "immer mehr Computerschnüffeleien". Ulla Jelpke warf dem Minister vor, "mit Angstmache Alarm" zu schlagen, Geld einzufordern und dann "konzeptionslos" zu agieren.
Im Haushaltsentwurf sind für das Bundeskriminalamt 42 Millionen Euro für Informationstechnik und 14,3 Millionen Euro für Geschäftsbedarf, Datenübertragung sowie Geräte und Software eingeplant. Nach Aussagen des Innenministeriums sind dabei die Kosten der Online-Durchsuchung enthalten. Streit um die Mittel hatte es bereits im vergangenen Jahr gegeben, als Schäuble sich für das "Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit" vom Bundestag 132 Millionen Euro zusätzlich bewilligen ließ, nachdem der Haushalt des BMI eigentlich schon beraten worden war. In dem Programm waren 34,7 Millionen Euro für das BKA vorgesehen, mit denen unter anderem die "Internet Monitoring und Analysestelle" ausgebaut werden sollte.
Für die Grünen-Innenpolitikerin Silke Stokar reichen die Angaben im aktuellen Haushaltsentwurf nicht aus. Niemand wisse, wofür der Innenminister die zusätzlichen 132 Millionen Euro verwendet habe. "Ein Großteil des Geldes", so Stokar im Gespräch mit dieser Zeitung, "ist nicht eingesetzt worden. Geplante Ausgaben werden als deckungsgleich deklariert - das heißt, dass man sie auch einfach für etwas anderes verwenden kann. Dafür werden wir im Innenausschuss eine Erklärung verlangen."Auf diese Weise werde dem Parlament die Haushaltshoheit genommen. "Dann können wir dem Minister gleich ein Budget geben, das er verwenden kann, wie er will." Uneins ist sich Stokar mit dem Minister auch in der Bewertung der Online-Durchsuchung. Die Maßnahme sei verfassungswidrig, weil niemand sagen könne, "wie der Kernbereich des Privaten geschützt werden soll". Es sei "außerordentlich gefährlich", wenn der Staat "Schadstoffsoftware" entwickele, denn es gebe keine Garantie dafür, dass diese nicht auch von Kriminiellen eingesetzt würde.
Man müsse auch in Rechnung stellen, dass die deutschen Ermittler vor der erfolgreichen Festnahme der drei Verdächtigen keine Online-Durchsuchungen durchgeführt hätten, so Stokar. Für den CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach ist gerade das kein Argument - wie bei den missglückten Kofferbombenattentaten im vergangenen Jahr seien auch im aktuellen Fall die Täter aufgrund handwerklicher Fehler gefasst worden, weil es ihnen nicht gelungen sei, ihre Kommunikation komplett im Verborgenen zu führen. "Nach derzeitiger Rechtslage ist aber alles, was Verdächtige auf ihrer Festplatte speichern, tabu - seien es Anleitungen zum Bombenbau, Ergebnisse von Ausspähungen oder Testamente."