Untersuchungsausschuss
Für BfV-Präsident Fromm galt Kurnaz als Sicherheitsrisiko
Das Thema kannte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutzes (BfV), Heinz Fromm, schon: Bereits zum zweiten Mal stand er dem Untersuchungsausschuss am 25. Oktober wegen eines Verhörs auf Kuba vom Herbst 2002 Rede und Antwort. Damals befragten zwei BND-Mitarbeiter und "Dr. K." vom BfV Murat Kurnaz in Guantanamo. "Nichts Neues" habe sich ergeben, resümierten SPD-Obmann Thomas Oppermann und die CDU-Abgeordnete Kristina Köhler nach der Sitzung.
Im Ausschuss hakten FDP, Die Linke und Grüne unverdrossen nach. Schließlich hatten die BND-Leute nach jener Vernehmung bilanziert, von dem unter Terrorverdacht geratenen Bremer Türken gehe "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" kein Sicherheitsrisiko aus. Gleichwohl stuften die Geheimdienstspitzen Kurnaz als "potenziellen Gefährder" ein. Und deshalb verhängte im Oktober 2002 eine Runde unter dem damaligen Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier (SPD) eine Einreisesperre für den Fall einer Freilassung.
Vor den Parlamentariern hatte Innenstaatssekreträr August Hanning, 2002 Präsident in Pullach, erklärt, das Urteil seiner BND-Vernehmer sei "grob fehlerhaft". Nun sagte Fromm, das Verhör habe seine Einordnung von Kurnaz als eines Gefährders "nicht revidiert". Diese Einstufung sei aufgrund diverser Erkenntnisse getroffen worden. So sei der Türke in Bremen in eine "islamistische Struktur" eingebunden gewesen. Oppermann betonte, "Dr. K." habe Vorbehalte gegen die Einschätzung der BND-Kollegen geltend gemacht. Der FDP-Politiker Hellmut Königshaus konterte, "Dr. K." habe lediglich angemerkt, es seien nur noch "Details" zu klären, um "letzte Zweifel" an der Ungefährlichkeit von Kurnaz auszuräumen.
Den Zeugen Fromm konfrontierte die Opposition mit einem Treffen im Bremer Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Mitte Oktober 2002, bei dem "Dr. K." über die Vernehmung auf Kuba berichtete. Königshaus, Wolfgang Neskovic (Die Linke) und Hans-Christian Ströbele (Grüne) verwiesen auf Aussagen von LfV-Bediensteten vor dem Ausschuss, wonach sie aus den Erläuterungen des "Dr. K." den Schluss gezogen hätten, gegen Kurnaz liege nichts vor. Fromms Kommentar: Er habe von dem Bremer Treffen keine Kenntnis.
Aus Sicht Neskovics musste Kurnaz bis August
2006 in Guantanamo verharren, weil ihn aufgrund einer
fragwürdigen Beurteilung weder Deutschland noch die
Türkei haben wollten. Einen bösen Verdacht
äußerte Ströbele: Auch 2002 hätten die
Geheimdienstspitzen in Kurnaz kein Sicherheitsrisiko gesehen, mit
dieser "Konstruktion" solle vielmehr heute die frühere
Fehlentscheidung gerechtfertigt werden. Da-
mals habe man die Rückkehr Kurnaz' aus Furcht vor einem
"Medienhype" verhindern wollen. Union und SPD indes halten die
Einstufung von Kurnaz als Gefährder zu jener Zeit für
richtig. Schon jetzt zeichnen sich Gegensätze im
Abschlussbericht zum Fall Kurnaz ab.