136. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 17. Januar 2008
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle herzlich und wünsche uns einen guten Morgen und gute Beratungen.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gibt es eine Reihe von beachtlichen Ereignissen und Veränderungen zu vermelden. Seit unserer letzten Sitzung im Dezember haben die Kolleginnen und Kollegen Marlene Rupprecht, Antje Blumenthal, Klaus Hagemann, Bernd Scheelen und - gestern - Gregor Gysi ihren 60. Geburtstag gefeiert. Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich ihnen herzlich und wünsche alles Gute.
Der Kollege Carl-Eduard von Bismarck hat am 10. Dezember 2007 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet.
- Die folgende Mitteilung ist noch gesicherter als die gerade vorgetragene: Als Nachfolger begrüße ich sehr herzlich den uns aus früheren Wahlperioden bestens bekannten Kollegen Helmut Lamp.
Schließlich möchte ich auch den Kollegen Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn herzlich begrüßen, der am 4. Januar 2008 als Nachfolger für die Kollegin Margareta Wolf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben hat.
Um den neuen Kollegen gleich einen Eindruck von der Arbeit zu vermitteln, haben die Fraktionen vereinbart, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Haltung der Bundesregierung zur Bekämpfung der Jugendkriminalität hinsichtlich Prävention, Straffälligenhilfe und Ausstattung der Jugendgerichte
(siehe 135. Sitzung)
ZP 2 Beratung des Antrags, der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Dr. Gesine Lötzsch, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Unterlaufen von Klimaschutzzielen durch CDM-Projekte beenden
- Drucksache 16/7752 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
ZP 3 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
(Ergänzung zu TOP 29)
Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht zum Ausbau der Schienenwege 2007
- Drucksache 16/6385 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
ZP 4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD:
Gute konjunkturelle Entwicklung als Basis für nachhaltige Rentenfinanzen
ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gleichstellung von Frauen und Männern in den Gremien des Bundestages tatsächlich durchsetzen
- Drucksache 16/7739 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)
Rechtsausschuss
ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Kauch, Horst Meierhofer, Gudrun Kopp, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Potenziale der Abtrennung und Ablagerung von CO2 für den Klimaschutz nutzen
- Drucksache 16/5131 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
ZP 7 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Änderung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI zur Terrorismusbekämpfung (inkl. 14960/07 ADD 1 und 14960/07 ADD 2)
KOM (2007) 650 endg.; Ratsdok. 14960/07
- Drucksachen 16/7393 Nr. A.34, 16/7769 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Dr. Carl-Christian Dressel
Mechthild Dyckmans
Wolfgang Ne¨kovic
Jerzy Montag
ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Patrick Meinhardt, Uwe Barth, Cornelia Pieper, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Mehr Chancen durch bessere Bildung und Qualifizierung
- Drucksache 16/7733 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Jörg Rohde, Dr. Heinrich L. Kolb, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Altersvorsorge für Geringverdiener attraktiv gestalten
- Drucksache 16/7177 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss
ZP 10 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP:
Gesundheitsfonds stoppen - Beitragsautonomie der Krankenkassen bewahren
Die Tagesordnungspunkte 9 c, 18 und 23 sollen abgesetzt und der bisher zur Beratung vorgesehene Tagesordnungspunkt 20 ohne Debatte an die Ausschüsse überwiesen werden. Außerdem ist vorgesehen, die Tagesordnungspunkte 25, 27 und 28 von Freitag auf Donnerstag vorzuziehen. Hierdurch ergibt sich folgende neue Reihenfolge: Der Tagesordnungspunkt 25 wird nach dem Tagesordnungspunkt 9 aufgerufen, der Tagesordnungspunkt 27 nach dem Tagesordnungspunkt 11, und auf den Tagesordnungspunkt 14 folgen zunächst die Tagesordnungspunkte 10, 28, 12 und 16. Das hat sich jeder sicherlich sofort gut merken können. Für Rückfragen stehen das Präsidium und die Parlamentarischen Geschäftsführer sonst gern zur Verfügung.
Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Schließlich mache ich auf drei nachträgliche Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:
Der in der 85. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Rechtsausschuss (6. Ausschuss) sowie dem Ausschuss für Gesundheit (14. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
? Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP zur Änderung des Gentechnikgesetzes
- Drucksache 16/4143 -
überwiesen:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss
für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Der in der 123. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Rechtsausschuss (6. Ausschuss) sowie dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Erster Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes
- Drucksache 16/6557 -
überwiesen:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss
für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Der in der 123. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Rechtsausschuss (6. Ausschuss) sowie dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Vierter Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gentechnikgesetzes
- Drucksache 16/6814 -
überwiesen:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss
für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ist irgendjemand mit irgendeiner dieser Veränderungen nicht einverstanden? - Das ist nicht der Fall. Dann haben wir das einvernehmlich so beschlossen.
Wir kommen nun endlich zu den Tagesordnungspunkten 3 a und 3 b sowie zum Zusatzpunkt 2:
3. a) Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregierung
zu den Ergebnissen des Klimagipfels auf Bali
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Kauch, Angelika Brunkhorst, Horst Meierhofer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Vertrauen in Klimaschutzprojekte im Ausland erhöhen - Clean Development Mechanism durch Reformen stärken
- Drucksache 16/7006 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Dr. Gesine Lötzsch, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Unterlaufen von Klimaschutzzielen durch CDM-Projekte beenden
- Drucksache 16/7752 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Zur Regierungserklärung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre auch dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Sigmar Gabriel.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Guten Morgen, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die globale Temperatur steigt weiter; die Weltbevölkerung nimmt zu; die Weltwirtschaft und die Industrialisierung erfassen fast jeden Winkel dieser Erde. Damit steigen der weltweite Energiehunger und inzwischen auch auf breiter Front die Energiepreise.
Die gute Nachricht ist: Beiden Herausforderungen, dem wachsenden Energiehunger der Weltwirtschaft einerseits und dem Klimawandel andererseits, können wir mit einer mutigen gemeinsamen Strategie wirksam begegnen: mit einer deutlichen Steigerung der Energie- und Rohstoffeffizienz in der Produktion und im Konsum sowie mit dem Wechsel zu erneuerbaren Rohstoffen, die zu einem immer größeren Anteil aus nachhaltiger Erzeugung stammen.
Das ist die einzige friedliche Strategie, mit der die wachsende Weltwirtschaft ausreichend mit Rohstoffen versorgt werden kann.
Gewiss, die notwendige klimafreundliche Umstrukturierung der Industriegesellschaft steckt noch in den Kinderschuhen. Auf Bali, wo die Weltgemeinschaft den Startschuss auf dem Weg zu einem neuen Klimaschutz gegeben hat, konnten wir jedoch die ersten Fortschritte verzeichnen. Mehr noch: Die letzte Klimakonferenz hat für die 2008 beginnenden Verhandlungen eine klare Richtung vorgezeichnet. Im Kern ging es auf Bali um die Herstellung einer Balance zwischen den Minderungsverpflichtungen der Industrieländer einerseits und den Beiträgen der Entwicklungsländer zum Klimaschutz andererseits.
Angesichts der eindeutigen und klaren Warnsignale aus der Wissenschaft hätten wir Deutsche und Europäer uns vorgestellt, dass man sich noch stärker an den Erkenntnissen der Wissenschaft orientiert hätte, also beispielsweise, dass die Industrieländer einer Verminderung der Treibhausgase bis 2020 in der Größenordnung von 30 Prozent zugestimmt hätten. Auch wenn darüber und über die Festlegung eines langfristigen Ziels kein Konsens mit wichtigen Industrienationen auf Bali möglich war, war die Konferenz ein Erfolg.
Die Ergebnisse der Konferenz auf Bali bilden eine gute Basis für den Verhandlungsmarathon der nächsten zwei Jahre. Die Ergebnisse sind wichtige Leitplanken, um 2009 auf der Konferenz in Kopenhagen ein zukunftsweisendes, weltweites Klimaabkommen zu erreichen, das stärker und wirksamer als das Kioto-Protokoll ist. Alle Industrieländer, auch die USA, haben ihre Bereitschaft erklärt, ihre Treibhausgase drastisch zu reduzieren. Zum ersten Mal sind auch die Entwicklungsländer bereit, Begrenzungen ihrer Emissionen in einem Vertrag zu regeln.
Was sind nun aber die entscheidenden politischen Voraussetzungen dafür, dass es 2009 in Kopenhagen auch wirklich zur Unterzeichnung eines neuen und wirksameren Klimaschutzabkommens kommt? Worauf kommt es nach Bali in diesem Jahr, dem Jahr 2008, an? Ich bin sicher, am Ende wird die Beantwortung einer zentralen Frage über die Zukunft des Klimaschutzes entscheiden: Ist es möglich, einen wirksamen Klimaschutz mit einer erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung zu verknüpfen? Das ist die Kardinalfrage, meine Damen und Herren, um die es auf Bali ging. Darauf können wir in Europa und in Deutschland eine positive und erfolgreiche Antwort geben.
Zuallererst müssen wir die im letzten Jahr beschlossenen europäischen Klima- und Energiestrategien glaubwürdig in die Praxis umsetzen. Es waren ganz maßgeblich die Europäische Union und Deutschland, die auf Bali durch ihre glaubwürdige Führungsrolle beim Klimaschutz in der Lage waren, im Streit zu vermitteln. In der kommenden Woche, am 23. Januar, will nun die EU-Kommission vorstellen, wie sie die Ziele, die sie im Jahre 2007 beschlossen hat, in diesem Jahr umsetzen will. Die Kommission hat in allen Handlungsbereichen ganz konkret buchstabiert, was die Umsetzung der Ziele für die Mitgliedstaaten bedeutet. Auch wenn uns das heute absehbare Ergebnis noch nicht ausreicht und nicht in allen Bereichen gefällt, verdient zuallererst der Mut der Europäer, auch der Kommission und der Staats- und Regierungschefs, die das beschlossen haben, unseren Respekt. Ich glaube, wir sollten es auch öffentlich sagen: Das ist wirklich ein Erfolg der Zusammenarbeit in der Europäischen Union.
Die Bundesregierung unterstützt dabei die Zielrichtung der Kommission ausdrücklich in folgenden Punkten:
Erstens. Beim Emissionshandel wird mit der bisherigen Kleinstaaterei Schluss gemacht. In Zukunft sollen europaweit für alle Unternehmen die gleichen Spielregeln gelten. Damit schaffen wir gleiche Wettbewerbsbedingungen im europäischen Binnenmarkt. Dazu gehören auch der Verzicht auf 27 verschiedene Obergrenzen für die CO2-Emissionen aus der Stromproduktion in den Mitgliedstaaten und stattdessen die Einführung einer einheitlichen Obergrenze für die CO2-Emissionen aus der Stromproduktion für ganz Europa sowie das Ziel einer 100-prozentigen Auktionierung in der dritten Handelsperiode.
Wir haben in den letzten Monaten auch eine Debatte über die Kohle geführt. Dies, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ist die Antwort auf Ihre Kohlediskussion. Statt jedes Kohlekraftwerk in Deutschland und Europa zu verteufeln, selbst dann, wenn es ein hocheffizientes Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerk ist, muss man den Emissionshandel stärken.
Uns geht es doch nicht um Propaganda und Polemik gegen einzelne Kraftwerkstandorte, sondern um die Begrenzung der CO2-Emissionen, die mit dieser Regelung ermöglicht wird. Wir sorgen in Europa für eine einheitliche Obergrenze bei den CO2-Emissionen aus der Stromproduktion, für ein weiteres Absinken der CO2-Obergrenzen in Europa und vor allen Dingen für eine klare Einpreisung durch die Auktionierung. Das ist die Antwort auf Ihre Kohledebatte, und das ist besser, als durchs Land zu laufen und die Leute verrückt zu machen.
Sie sind doch Miterfinder des Emissionshandels gewesen. Warum bekennen Sie sich nicht zu ihm? Das ist meine Frage an Sie.
Hinsichtlich Ihrer Alternative, Gas für die Stromversorgung, muss man in Betracht ziehen, was uns der künftige russische Präsident bereits gesagt hat. Gegenüber dem Durchschnittspreis von 2007 soll das Gas für Deutschland im Jahr 2008 um 40 Prozent teurer werden. Abgesehen davon, dass damit weitere Gaskraftwerke in der Grundlast - und darüber reden wir - eher unwahrscheinlich sind, müssten Sie - mit Blick auf die Menschen, die weniger als ein deutscher Bundestagsabgeordneter verdienen - einmal erklären, wie Sie den dadurch entstehenden Strompreis im Griff behalten wollen.
Zweitens. Die Kommission sagt klar, welche Ziele die einzelnen Mitgliedstaaten bei den erneuerbaren Energien jeweils erfüllen müssen, damit das europäische Ausbauziel von 20 Prozent bis 2020 erreicht wird. Das bedeutet für uns in Deutschland etwa eine Verdoppelung. Mit den Beschlüssen der Großen Koalition und des Kabinetts in Meseberg werden wir diese Verdoppelung der erneuerbaren Energien in Deutschland schaffen. Das ist ein großer Erfolg der gemeinsamen Politik dieser Koalition.
Drittens. Positiv ist auch die Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel.
Viertens. Der für die Carbon Capture and Sequestration, also die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid, vorgeschlagene Rechtsrahmen ist eine gute Basis für die geplanten Pilotprojekte.
Gleichzeitig hat die Bundesregierung nach dem derzeitigen Stand aber auch Bedenken in folgenden Punkten:
Erstens. Damit die EU in den internationalen Verhandlungen glaubwürdig bleibt, ist es wichtig, dass ihre Maßnahmenprogramme nicht nur das einseitig von der EU erklärte Ziel einer 20-prozentigen Minderung der Treibhausgasemissionen bis 2020 gegenüber dem Jahr 1990 abbilden. Die EU muss, um für die internationalen Klimaschutzverhandlungen glaubwürdig zu bleiben, gleichzeitig die Maßnahmen abbilden, die es ihr erlauben, im Fall des Erfolgs der Verhandlungen auf das 30-prozentige Minderungsziel der Industriestaaten zu kommen.
Die Bundesregierung wird sich deshalb auch von diesem Ziel leiten lassen und hält darum in ihrer nationalen Klimaschutzpolitik am Ziel einer 40-prozentigen Senkung der Treibhausgase fest, um überhaupt ein 30-prozentiges EU-Ziel zu ermöglichen.
Zweitens. Bislang fehlen weitgehend Vorschläge, wie wir das Ziel einer 20-prozentigen Steigerung der Energieeffizienz erreichen wollen, zum Beispiel zu dynamischen Effizienzstandards wie dem Top-Runner-Modell; das ist bisher in der EU zu schwach ausgeprägt, um damit wirklich Erfolge erzielen zu können.
Drittens. Die erfolgreichen nationalen Fördersysteme bei den erneuerbaren Energien dürfen durch das, was die EU-Kommission vorschlägt, nicht gefährdet werden; denn da gibt es ein echtes deutsches Erfolgsmodell.
Viertens. In der Automobilindustrie muss das Ziel einer Verringerung auf 120 Gramm CO2 pro Kilometer im Durchschnitt aller europäischen Fahrzeuge ab dem Jahr 2012 erreicht werden. Dieses Ziel steht bereits in der Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU/CSU aus dem Jahre 2005. Klar ist aber auch, dass niemandem damit geholfen wäre, wenn sich Hersteller größerer Fahrzeuge auf den Weg machen würden, Hersteller kleinerer Fahrzeuge zu kaufen, um einen Durchschnittsausstoß ihrer Fahrzeuge von 120 Gramm zu erreichen, ohne selber den Ausstoß auch nur um ein einziges Gramm CO2 gesenkt zu haben. Das wäre aber die Konsequenz, wenn wir etwas umsetzen würden, was nicht auf Wettbewerbsneutralität beruht und somit keinen fairen Wettbewerb ermöglicht. Deswegen sind wir der festen Überzeugung, dass die Kommission ihre jetzigen Vorschläge zur Umsetzung des 120-Gramm-Ziels überarbeiten muss.
Fünftens. Die EU-Kommission darf beim Emissionshandel nicht die Frage offenlassen, wie Wettbewerbsverzerrungen der im internationalen Wettbewerb stehenden energieintensiven Unternehmen berücksichtigt werden. Die Industriebranchen, die nicht zum Stromsektor gehören, die im internationalen Wettbewerb stehen und die den Stand der Technik bei der CO2-Vermeidung durch Benchmarks erreicht haben, müssen - bis hin zu einer kostenlosen Zuteilung ihrer Emissionsberechtigungen - die Möglichkeit bekommen, in Europa zu bleiben, solange die internationalen Klimavereinbarungen keine gleichen Wettbewerbsbedingungen vorsehen. Das gilt zum Beispiel für die Stahlindustrie, für die Zementindustrie sowie für die Chemieindustrie und andere Bereiche der Kunststoffindustrie.
Wer bisher in Europa nur das Ziel einer Senkung von 8 Prozent CO2 verfolgt hatte, der kann solche Fragen möglicherweise eine Weile ignorieren. Bei 20, 30 oder, wie wir das wollen, 40 Prozent Minderung von CO2-Emissionen müssen wir die Frage nach dem internationalen Wettbewerb beantworten, solange wir keine gleichen Wettbewerbsbedingungen durch ein internationales Klimaschutzabkommen haben, das alle umfasst. In der Stahlindustrie, in der Zementindustrie und in vielen anderen Bereichen sind China und Indien Wettbewerber, nicht Entwicklungsländer. Wir müssen aufpassen, dass wir hier nicht unsere wirtschaftliche Kraft verlieren, die es uns erst erlaubt, eine engagierte Vorreiterrolle im Klimaschutz zu spielen.
Tatsächlich waren wir 2007 in Sachen Klimaschutz in Europa erfolgreich, weil die deutsche Ratspräsidentschaft und die Europäische Kommission an einem Strang gezogen haben. Das war die Erfolgsbedingung. Es ist nicht so, dass alle in Europa gleichermaßen von einem ambitionierten Klimaschutz getrieben sind. Ohne unser Land hätte die EU-15, die das Kioto-Protokoll unterschieben hatte, gegenüber dem Ausgangsjahr 1990 nicht eine Minderung von 2 Prozent ihrer Treibhausgase erreicht, sondern 4 Prozent mehr emittiert. Deutschland schafft allein 75 Prozent der insgesamt in der EU für die Erfüllung der Kiotoverpflichtungen erforderlichen Minderung der Treibhausgase. 75 Prozent gehen auf das Konto unseres Landes! Wir sagen nicht, dass wir besser als andere sind. Aber wir sollten schon darauf hinweisen, dass Deutschland seine Leistungsfähigkeit einsetzt, um einen Riesenbeitrag für die Erfüllung der EU-Ziele zu leisten.
Wir wollen diesen Schulterschluss beibehalten. Dazu muss die EU aber auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen in unserem Land beachten. Es bleibt dabei: Nur wenn es gelingt, erfolgreichen Klimaschutz in einer erfolgreichen Wirtschaft in Deutschland und in Europa durchzusetzen, werden andere Industrieländer einem weltweiten Klimaabkommen beitreten und damit weitere Minderungsverpflichtungen übernehmen. Nur dadurch wird ein gefährlicher Klimakollaps verhindert werden können. Auch die Schwellenländer werden keine substanziellen Beiträge leisten, wenn sie den Eindruck haben, dass der Klimaschutz die wirtschaftliche Entwicklung behindert.
Übrigens werden auch die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diesen Kurs nur dann engagiert unterstützen, wenn der Klimaschutz in eine wirtschaftliche Wachstums- und Modernisierungsstrategie integriert wird. Deshalb ist es kein Widerspruch, wenn wir einerseits für engagierten Klimaschutz eintreten, dafür Gesetze und Verordnungen in unserem Land verabschieden, mit denen eine CO2-Minderung von bis zu 40 Prozent möglich ist, aber andererseits darauf aufmerksam machen, dass es nicht vernünftig ist, unter dem Deckmantel von Klimaschutz in der Autoindustrie in Europa eine Wettbewerbsauseinandersetzung zu führen. Das ist kein Widerspruch. Es sind zwei Seiten einer Medaille.
Entgegen manchen Erwartungen hat die Bundesregierung im August 2007 mit ihren Beschlüssen in der Kabinettsklausur in Meseberg ein umfangreiches Klima- und Energiepaket geschnürt. Das wollen wir in die Tat umsetzen. Bereits am 5. Dezember haben wir die ersten 14 Gesetze und Verordnungen beschlossen. Sie liegen jetzt im Deutschen Bundestag zur Beratung. Das haben wir in nicht einmal dreieinhalb Monaten geschafft. Das zweite Paket soll am 21. Mai beschlossen werden.
Wir steigern den Anteil erneuerbarer Energien am Strommarkt auf 30 Prozent, bauen die Förderung nach dem EEG aus, verdoppeln die Energieproduktivität unserer Volkswirtschaft, zum Beispiel durch die Erhöhung des KWK-Anteils, schreiben beim Neubau die Nutzung erneuerbarer Wärmetechnologien vor und erhöhen die Mittel für die Finanzierung erneuerbarer Wärmetechnik bei der Altbausanierung von real 130 Millionen Euro im Jahr 2005 auf sage und schreibe 500 Millionen Euro jährlich, und zwar durchgeschrieben: dieses Jahr 350 Millionen, ab dem nächsten Jahr bis 2012 500 Millionen. Ich finde, das ist ein Riesenergebnis. Ich danke dafür herzlich allen Kolleginnen und Kollegen, insbesondere aber dem Finanzminister, der seinen Beitrag dazu geleistet hat.
Wir steigern die Bundesmittel für den Klimaschutz insgesamt von 870 Millionen Euro im Jahr 2005 auf rund 2,6 Milliarden Euro im Jahr 2008. Im Jahr 2009 werden es rund 2,8 Milliarden Euro sein. Das ist mehr als eine Verdreifachung, und darin sind die Mittel für die internationalen Klimaschutzprogramme des BMZ noch nicht einmal enthalten. Das ist das derzeit weltweit größte Klimaschutzprogramm. Es ist Unsinn, zu behaupten, das sei Rhetorik und in der Praxis nicht wirksam.
Unser Ziel ist es, die deutschen Treibhausgasemissionen im Rahmen eines anspruchsvollen internationalen Klimaschutzabkommens bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent unter das Niveau des Jahres 1990 zu bringen. Mit diesem Paket schaffen wir bereits 36 Prozent. Wenn die Kritiker dieses Paketes sagen, wir würden nur 30 Prozent schaffen, dann ist das fast schon ein Lob; denn es gibt auf der Welt bislang keinen Industriestaat, der eine Reduzierung um 30 Prozent dargestellt hat. Das ist ein wesentlicher Grund, warum wir aus Deutschland und Europa auf Bali so überzeugend auftreten konnten.
Das Energie- und Klimaprogramm der Bundesregierung ist angesichts der drastisch steigenden Öl- und Gaspreise zugleich ein starkes Konjunkturprogramm. Auch bei uns in Deutschland zeigen sich nämlich die Folgen der Abhängigkeit von den klimaschädlichen Energieträgern, deren Preise immer weiter ansteigen. So hat die deutsche Wirtschaft mit steigenden Rohstoff- und Energiepreisen zu kämpfen. Zwischen 2000 und 2005 haben sich die Kosten für Energie aus Öl verdreifacht und der Gaspreis hat sich verdoppelt. Vor diesem Hintergrund werden die Steigerung der Energieeffizienz in der gewerblichen Produktion, die energetische Sanierung von Gebäuden und der verringerte Kraftstoffverbrauch bei Kraftfahrzeugen für die Industriegesellschaft zum Motor für Innovationen, Wachstum und Beschäftigung.
Es entstehen völlig neue Industriezweige mit sicheren Arbeitsplätzen. Allein im Bereich der erneuerbaren Energien sind 235 000 neue Arbeitsplätze entstanden. Mit den Beschlüssen des Kabinetts und hoffentlich auch mit Unterstützung des Parlaments wollen wir diese Zahl bis 2020 auf mindestens 400 000 erhöhen und damit fast verdoppeln.
Die Schubkraft für dieses Konjunkturprogramm kommt aus einem breit angelegten Förderprogramm zur ökologischen Modernisierung der Industriegesellschaft. Allein mit dem Gebäudesanierungsprogramm und dem Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien im Wärmemarkt lösen wir in unserem Land Investitionen mit einem Volumen von weit mehr als 10 Milliarden Euro aus. Es gibt kaum ein Programm, bei dem Investitionen und Innovationen so gut miteinander verknüpft werden. Auch das ist ein Erfolg der Regierungspolitik dieser Koalition, auf den wir getrost stolz sein dürfen.
Die Folgen der Energie- und Rohstoffentwicklung und der Klimaveränderungen betreffen alle Menschen. Besonders negativ sind aber die Ärmeren und die Schwächeren vom Klimawandel betroffen. Das gilt vor allen Dingen für Afrika. In Wahrheit können sich höchstens die Reichen auf der Welt einen schwachen Klimaschutz leisten. Genau das dürfen wir aber nicht zulassen. Gerade die Armen und Schwachen in unserer Gesellschaft und weltweit sind auf einen starken Klimaschutz angewiesen. Sonst müssen sie allein die Lasten tragen, die ein ungebremster Energieverbrauch und ein ungebremster Klimawandel mit sich bringen.
Auch bei uns in Deutschland treffen steigende Kosten für Energie aus fossilen Klimakillern auf soziale Ungleichheit. Nicht jeder in Deutschland wird das Argument vieler Umweltpolitiker verstehen, dass steigende Energiepreise gut sind, weil sie zu einem sparsamen Umgang mit Rohstoffen anhalten. Wenn die Energiekosten eines Dreipersonenhaushaltes um sage und schreibe 70 Prozent steigen - das war zwischen 2000 und 2007 der Fall -, die Nominallöhne im gleichen Zeitraum aber um nur 18 Prozent erhöht werden, gerät die Klimapolitik schnell in die Defensive. Deshalb müssen wir uns in diesem Jahr mit diesem Problem befassen und Lösungsvorschläge erarbeiten.
Die wichtigste Antwort auf diese Herausforderung lautet: Klimaschutz zahlt sich aus. Wer in Effizienz und erneuerbare Energien investiert, gibt die richtige und offensive Antwort auf steigende Energiepreise. Jeder hat es in der Hand, durch die Sanierung seines Gebäudes die Heizkostenrechnung zu senken, durch den Kauf von Haushaltsgeräten mit niedrigem Stromverbrauch die Stromrechnung zu vermindern oder durch kraftstoffsparende Autos die Tankrechnung zu drücken. Dabei werden Privathaushalte und Wirtschaft von der Bundesregierung mit ihren Programmen massiv unterstützt. So sind zum 1. Januar dieses Jahres für das Marktanreizprogramm neue Förderrichtlinien in Kraft getreten. Die Mittel dafür haben wir bereits erhöht.
Ich will nur ein konkretes Beispiel nennen. Wenn der Eigentümer eines Einfamilienhauses einen neuen Pelletkessel mit Solaranlage einbaut, wird dies mit über 4 300 Euro gefördert; das sind 17 Prozent der Investitionen. Hinzu kommt die jährliche Ersparnis durch vermiedene Brennstoffkosten in Höhe von mindestens 1 000 Euro.
Die Entwicklung der Energiepreise und die Bedrohung der hart erarbeiteten Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehört im Jahr 2008 ins Zentrum der integrierten Klima- und Energiepolitik. In den Medien wurde zu Beginn der Woche berichtet, dass allein die Strompreise von 437 Anbietern in den ersten Wochen des Jahres um durchschnittlich gut 7 Prozent steigen werden. Der Strompreis für Privathaushalte ist seit dem Jahr 2000 um 46 Prozent, der Gaspreis sogar um 100 Prozent und der Preis für Heizöl um 70 Prozent gestiegen.
Das bedeutet im Ergebnis: Die jährliche Energierechnung eines dreiköpfigen Haushaltes ist seit dem Jahr 2000 von etwa 1 300 Euro auf 2 200 Euro gestiegen. Wohlgemerkt, das durchschnittliche Nettoeinkommen einer Krankenschwester liegt bei 1 440 Euro, und ein Arbeiter im Straßenbau verdient nur 1 200 Euro netto. Da ist es, weiß Gott, nicht egal, ob man im Monat 75 Euro mehr für Energie zahlen muss oder für die Kinder und die Rente sparen kann.
Ich halte den Preisanstieg angesichts dieser Zahlen für ein ernstes Problem, insbesondere für die unteren Einkommensgruppen.
Ein Niedrigverdiener kann sich nicht ohne Weiteres die staatlichen Fördermittel zur Altbausanierung holen, weil ihm die Eigenmittel fehlen. Ein Niedrigverdiener kann sich auch nicht schnell ein neues Auto kaufen. Deshalb wird es nicht ausreichen, nur auf mehr Wettbewerb zu setzen; denn Wettbewerb und stärkere Wettbewerbskontrolle brauchen Zeit.
Ich sehe drei Maßnahmen, mit denen wir in einem ersten Schritt Klimaschutz und eine Dämpfung der Energiepreise miteinander verbinden können.
Erstens. Wir brauchen Lösungen, damit Vermieter und Mieter von Investitionen in die Gebäudesanierung profitieren. Dafür bietet das sogenannte Energiecontracting vielversprechende Perspektiven. Mit dem zweiten Teil des Energie- und Klimapakets wird die Bundesregierung Regelungsvorschläge dazu prüfen und Lösungen finden.
Zweitens. Wenn Vermieter gesetzliche Mindeststandards für Gebäude unterschreiten und sich schlicht und ergreifend nicht darum kümmern, was im Gesetz steht, darf dies nicht dauerhaft zulasten der Mieter gehen. In ihrem Energie- und Klimapaket hat die Bundesregierung deshalb beschlossen, dass geprüft werden soll, ob der Mieter in diesem Fall berechtigt sein soll, die in Rechnung gestellten Heizkosten entsprechend zu kürzen. Ich halte das für eine gute Idee. Wir wollen die Vorschläge des Mieterbundes dazu prüfen und am 21. Mai dieses Jahres eine Entscheidung treffen.
Drittens. Ganz entscheidend sehe ich dabei die Energieversorgungsunternehmen in der Pflicht. Sie haben mit den gestiegenen Energiepreisen und vor allen Dingen mit der Einpreisung kostenlos zugeteilter Zertifikate im Emissionshandel Milliarden verdient. In unserer Verfassung heißt es nicht ?Eigentum verpflichtet zu möglichst hohen Börsenkursen?, sondern ?Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.?
Da haben die Unternehmen eine wirkliche Aufgabe.
Der neue Chef von RWE, Jürgen Großmann, hat einen Energiepakt für Deutschland vorgeschlagen und auch selbst erste Maßnahmen zur Stabilisierung der Energiepreise durchgesetzt. Das sind gute Ideen und Ansätze. In einem Energiepaket müssen auch die Energiepreise behandelt werden, vor allen Dingen im Hinblick auf die einkommensschwachen Haushalte. Die Regionalgesellschaften von Eon haben zum Beispiel einen ersten Schritt getan und bieten Sozialtarife an, aber leider zeitlich und vom Kontingent her sehr begrenzt. Wenn das mehr als PR sein soll, dann müssen weitere Schritte folgen. Alle Energieversorger sollten dauerhaft einen solchen Sozialtarif in der Grundversorgung anbieten, wie dies die Europäische Energiecharta vorsieht und die EU-Energiedienstleistungsrichtlinie ermöglicht.
In einem so reichen Land wie Deutschland darf es keine Energie- oder Brennstoffarmut geben. Das muss unser Ziel in der gemeinsamen Klima- und Energiepolitik sein.
Noch einmal: Beim Klimaschutz haben Europa und Deutschland eine Führungsrolle. Viele Menschen in Industrie- und Entwicklungsländern setzen darauf, dass wir im Hinblick auf den Verhandlungsmarathon bis Kopenhagen im Jahr 2009 Antreiber und Mittler sind. Wir sollten sie und uns nicht enttäuschen und unserer Verantwortung gerecht werden. Das bedeutet vor allem: Wir müssen zeigen, dass in der Realität Deutschlands und Europas erfolgreicher Klimaschutz, wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand zueinander gehören.
Dies wird uns umso besser gelingen, wenn Deutschland als große Industrienation als erste den Nachweis dafür erbringt, dass moderne Klimaschutzpolitik Innovationen fördert, neue Märkte öffnet, Unternehmen stärkt und den Menschen praktisch hilft, mit zukunftssicheren Arbeitsplätzen und der Förderung effizienter Nutzung der immer knapper werdenden Ressourcen.
Lassen Sie uns gemeinsam handeln. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass auch die soziale Ungerechtigkeit mit einer intelligenten und modernen Klimaschutzpolitik, die dafür sorgt, dass Klimaschutz, wirtschaftlicher Wohlstand und sozialer Ausgleich Wirklichkeit werden, weltweit bekämpft wird.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Michael Kauch für die FDP-Fraktion.
Michael Kauch (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutsche Delegation hat auf Bali Geschlossenheit gezeigt. Anders als in den Delegationen anderer Länder war klar, dass das Parlament, die Regierungs- und die Oppositionsfraktionen, die Verhandlungslinie der Regierung unterstützt.
Wir streiten im Deutschen Bundestag über die Instrumente. Über die Ziele sind wir uns aber einig, und das ist die Stärke der deutschen Klimapolitik.
Wir sollten aber aufhören, das Verhandlungsergebnis von Bali schönzureden. Es gibt keine Einigung darüber, wie viel CO2 denn überhaupt eingespart werden soll. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum der Bundesumweltminister hier eigentlich keine Regierungserklärung zu den Ergebnissen der Konferenz auf Bali abgegeben hat, sondern eine Regierungserklärung zur allgemeinen Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung.
Der Bundesumweltminister hat nach der Konferenz von Bali im Fernsehen gesagt: Wir haben im Text zwar keine Ziele beschlossen, aber es gibt da eine Fußnote. - Dazu kann ich nur sagen: Man kann Fußnoten nicht als Erfolg verkaufen. Was ist das für ein Verständnis von politischer Führung, wenn man Ziele in Fußnoten verstecken muss?
Selbst wenn man sich auf eine Fußnotenpolitik à la Gabriel einließe: Hier hat er die Öffentlichkeit hinters Licht geführt. Denn schaut man sich den Text an, stellt man fest: Die Fußnote steht an der falschen Stelle. Sie steht nicht dort, wo es um die Emissionsreduktionen geht, sondern dort, wo die Größe des Problems beschrieben wird. Hier hätte ich mir vom deutschen Umweltminister mehr Ehrlichkeit gewünscht.
Meine Damen und Herren, das Gezerre um die Klimaziele wird in den nächsten zwei Jahren weitergehen. Auf Bali haben wir das Ergebnis dessen gesehen, was die FDP bereits nach dem Gipfel in Heiligendamm kritisiert hat. Angela Merkel hat dort keine Einigung auf der Ebene der G 8 erreicht. Schöne Worte und schöne Strandkorbfotos dienten ihrem Image als ?Miss World?, aber sicherlich nicht einem guten Ergebnis auf Bali.
Jetzt kommt es darauf an, dass wir es nachholen, eine Einigung im Rahmen der G 8 und mit den großen Schwellenländern zu erzielen. Dabei müssen wir uns im Klaren sein, dass wir die Entwicklungs- und Schwellenländer nur dann ins Boot holen werden, wenn die Frage des Technologietransfers vernünftig gelöst wird. Denn sie sagen zu Recht: Ihr habt mehr wirtschaftliche und technologische Kapazitäten als wir. Daher brauchen wir eure Unterstützung. - Es ist klug, hier eine Brücke zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern zu schlagen. Denn das macht den Klimaschutz günstiger.
Die Regierung von Brasilien beispielsweise hat auf Bali dargestellt, dass die Ziele ihres Waldschutzprogramms, durch das viel CO2 eingespart wird, zu Kosten von umgerechnet 5 Euro pro Tonne erreicht werden, während wir im Rahmen der Biokraftstoffpolitik, die wir in Deutschland betreiben, je nach Kraftstoff teilweise Vermeidungskosten von 300 Euro pro Tonne CO2 haben.
- Wir kommen gleich dazu, Herr Kelber. - Für die FDP steht deshalb fest: Wir brauchen weltweit Klimaschutzprojekte, in Kooperation von Industrie- und Entwicklungsländern. Der Clean-Development-Mechanism ist der Schlüssel dazu.
Wenn die Linke jetzt fordert, das zu stoppen, dann versündigt sie sich an der Kooperation von Industrie- und Schwellenländern und gefährdet das nächste Abkommen. Richtig ist: Wir müssen die Probleme beim CDM lösen; aber wir dürfen nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.
Ein Durchbruch ist auf Bali tatsächlich erreicht worden, nämlich beim Waldschutz. Hier gibt es gigantische Potenziale: Die tropischen Regenwälder binden enorm viel CO2. Würden beispielsweise die Torfwälder auf Borneo in Indonesien verbrennen, dann entspräche das der Jahresemission von CO2 der ganzen Welt. Was passiert? Während die Konferenz auf Bali stattfand, brannten Wälder auf Borneo. Das zeigt, wie schlecht die Rechtsdurchsetzung in diesen Ländern ist. Deshalb bitte ich die Bundesregierung eindringlich: Wenn Sie jetzt diesen Ländern - zu Recht - Millionen dafür geben, dass sie ihre Wälder nicht abholzen, dass die Wälder als Kohlenstoffspeicher erhalten bleiben, dann überweisen Sie dieses Geld bitte nicht den Regierungen aufs Konto in der Hoffnung, dass die schon das Richtige damit machen. Fördern Sie stattdessen Projekte, die den Menschen vor Ort Einkommensperspektiven ermöglichen, und verringern Sie dadurch den Druck, die Wälder abzuholzen.
Insbesondere mit Blick auf die Entwicklungsministerin sage ich aber auch: Geben Sie nicht neue Geschäftsfelder an die staatlichen Entwicklungsorganisationen, sondern stärken Sie die privaten Initiativen, die es in den Ländern bereits gibt und die gezeigt haben, dass sie es können.
Wir sollten uns nicht darauf beschränken, mit dem Finger zum Beispiel auf die indonesische Regierung zu zeigen, dass sie ihre Wälder nicht schützen kann, wir sollten auch selbstkritisch fragen, was wir denn für die dortigen Wälder tun. Es gibt ja einen neuen Plan der Minister Gabriel und Seehofer, auf der Grundlage der Meseberg-Beschlüsse der Bundesregierung, die Beimischungsquote von Biokraftstoffen in Benzin und Diesel zu verdoppeln. Das kann man gut finden; aber man kann auch die Frage stellen, ob wir damit nicht sozusagen den Staubsauger anwerfen, mit dem Ressourcen aus der Dritten Welt nach Deutschland gesogen werden, und den Druck in diesen Ländern, die Wälder abzuholzen, den Anreiz, krumme Geschäfte zu machen, noch erhöhen.
Die Bundesregierung hat zunächst einmal - da komme ich zu Herrn Kelbers Lieblingsthema - den Wegfall der Steuerbefreiung für reine Biokraftstoffe beschlossen und damit den Konkurs von zahlreichen mittelständischen Kraftstoffunternehmen bewirkt. Sie haben durch die Beimischung die heimischen Strukturen in die Knie gezwungen und die großen Industriestrukturen befördert; denn es gibt eben nur wenige große Mineralölkonzerne, die hier als Nachfrager auftreten. Sie werfen also den Staubsauger an und ziehen so richtig Ressourcen aus den Wäldern ab. Das, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, ist eine Politik, mit der Sie sich an den tropischen Regenwäldern versündigen. Vernünftigen Klimaschutz betreiben Sie damit nicht.
Deshalb haben wir einen eigenen Vorschlag in den Deutschen Bundestag eingebracht, Herr Kelber, nämlich die Steuervergünstigung für reine Biokraftstoffe zunächst einmal wieder einzuführen, dann eine Proportionalsteuer einzuführen. Eine Erhöhung der Biokraftstoffbeimischungsquote kommt aus meiner Sicht, wenn überhaupt, erst dann infrage, wenn die Zertifizierungssysteme funktionieren. Davon, dass der Bundesumweltminister auf Papier eine Verordnung drucken lässt, ändert sich in Indonesien noch nichts. Wenn Sie die Quoten erhöhen und sich erst danach um die Zertifizierung kümmern, sind die Wälder längst abgeholzt.
Ich möchte noch einige Sätze zu der allgemeinen Erklärung des Ministers zum Emissionshandel sagen. Ich habe sehr genau hingehört. Es ist richtig, dass Sie sich für die Versteigerung ausgesprochen haben. Wir wünschen uns für die Stromwirtschaft, dass das möglichst komplett geschieht. Ich finde aber auch das wichtig, was Sie über unsere Industrie gesagt haben, dass sie nämlich im internationalen Wettbewerb steht. Deshalb wäre es in der Tat blauäugig, zu sagen: Wir versteigern, die Grenzen sind offen und sie werden mit dem, was mit ihnen im Wettbewerb geschieht, schon klarkommen.
Wir sollten uns aber auch nicht zu früh darauf festlegen, dass wir die Zertifikate der Industrie weiterhin kostenlos zuteilen, wie Sie das hier angedeutet haben; denn es gibt ja verschiedene Optionen. Es gäbe beispielsweise auch die Möglichkeit, sie an der Versteigerung zu beteiligen, um geeignete Rückerstattungsmöglichkeiten zu schaffen. Ich denke, darüber sollten wir im Parlament noch einmal sehr intensiv diskutieren. Wir haben eine Verantwortung für das Klima, aber auch für die Arbeitsplätze in diesem Land.
An dieser Stelle und in diesem Zusammenhang aber auch noch eine ganz klare Bitte an die Bundesregierung: Der Präsident Frankreichs hat in dieser Woche erneut vorgeschlagen, man solle doch für alle Länder, die das Kioto-Protokoll nicht unterschrieben haben, sozusagen border tax adjustment, also - auf Deutsch - Zölle, einführen. Das kann für ein Land, das auf den Freihandel angewiesen ist, nicht der richtige Weg sein. Deshalb bitte ich Sie dringend, diesen französischen Vorstoß in der Europäischen Union zurückzuweisen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Katherina Reiche von der CDU/CSU ist die nächste Rednerin.
Katherina Reiche (Potsdam) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Konferenz auf Bali war ein großer Erfolg; denn durch sie wird der Weg für die eigentlichen Verhandlungen über wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz und über die verbindlichen Ziele zur Verringerung der Treibhausgasemissionen frei gemacht.
Zum ersten Mal beginnen jetzt Verhandlungen mit dem Ziel, dass alle Industrieländer - eben auch die Vereinigten Staaten von Amerika - den Ausstoß von Treibhausgasen vermindern, und zum ersten Mal haben sich die Entwicklungsländer - eben auch Indien und China - verbindlich bereiterklärt, sich am Klimaschutz zu beteiligen. Somit hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, recht, wenn er sagt, dass nach zwei Wochen harten Ringens auf Bali das Ergebnis als entscheidender erster Schritt bezeichnet werden muss, mit dessen Hilfe wir den Klimawandel meistern können.
Noch vor etwas mehr als einem halben Jahr, also vor dem Treffen in Heiligendamm, sah es bezüglich der Einigungsmöglichkeiten alles andere als rosig aus. Die USA waren damals noch zusammen mit Australien das einzige Industrieland, das das Kioto-Protokoll nicht ratifiziert hatte. Wenn man das sehr vorsichtig ausdrücken möchte, war die US-Regierung wohl nicht ganz davon überzeugt, dass der VN-Rahmen der richtige ist, um dem Klimawandel entgegenzusteuern. Sie haben seit Jahren gezögert, sich an den Anstrengungen zur Verhinderung der drohenden Klimakatastrophe zu beteiligen. Die Entwicklungsländer - das gilt insbesondere für China und Indien - standen ebenfalls abseits und waren in das Kioto-Protokoll nicht eingebunden.
Das war die Ausgangslage. Ich glaube, man kann 2007 zu Recht als das wohl wichtigste Jahr für die internationale Klimapolitik bezeichnen. Im Wesentlichen ausgelöst durch den Stern-Report hat das Thema Klimaschutz nicht nur die Titelseiten aller internationalen Medien erreicht, sondern auch die Aufmerksamkeit weiter Bevölkerungskreise und damit die Aufmerksamkeit, die es verdient.
Manch einer mag es vergessen haben, aber die Union hat 1989 auf ihrem Parteitag nicht nur auf die Konsequenzen des Klimawandels hingewiesen - das haben andere auch -, sondern auch eine langfristige drastische Verminderung von CO2-Emissionen um 50 Prozent verlangt. Gleichzeitig forderten wir die Erarbeitung und den Abschluss internationaler Vereinbarungen zum Schutz der Erdatmosphäre sowie ergänzender Protokolle zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes, also nichts anderes als ein Kioto-Protokoll.
Die Konferenz von Bali ist Teil eines langen Prozesses.
Es gibt in diesem Prozess aber auch einige Konstanten, insbesondere politische Konstanten. Eine davon ist unbestreitbar unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel. 1995 hat sie als Bundesumweltministerin und als Präsidentin der ersten Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Berlin nächtelang verhandelt, um das Berliner Mandat auf den Weg zu bringen und damit einen ersten verbindlichen Schritt zur Reduzierung der Treibhausgase zu erreichen. Das Berliner Mandat machte dann den Weg für die Erarbeitung des Kioto-Protokolls frei.
Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und der G-8-Präsidentschaft wurden im Jahr 2007 klimapolitische Meilensteine gesetzt. Man kann sicherlich sagen, dass diese beiden Präsidentschaften durch das Topthema ?Klimaschutz? gekennzeichnet waren. So mancher hatte im Vorfeld der Sitzung des Europäischen Rates im März 2007 möglicherweise Zweifel, ob ein großer Wurf in Form ehrgeiziger europäischer Ziele gelingen könne. Aber bei der Sitzung in Brüssel ist es in schwierigen Verhandlungen gelungen, einen Durchbruch zu erzielen.
Die Europäische Union verpflichtet sich, die CO2-Ausstöße bis 2020 um 20 Prozent zu reduzieren - um 30 Prozent, falls Industriestaaten anderer Regionen mitziehen -, den Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch auf 20 Prozent zu erhöhen, die Energieeffizienz zu steigern und den Anteil von Biokraftstoffen auf 10 Prozent zu erhöhen.
Im Juni 2007 gelang in Heiligendamm der Durchbruch: Die führenden Industrienationen der Welt erkannten erstmals an, dass der VN-Klimaschutzprozess das richtige Forum ist, um dem Klimawandel entgegenzutreten. Die G 8 haben erstmals geschlossen erklärt, sich auf der Klimakonferenz auf Bali im Dezember 2007 aktiv und konstruktiv zu beteiligen. Ebenso entscheidend ist, dass die G 8 gemeinsam in Erwägung zogen, die globalen CO2-Emissionen bis 2050 um die Hälfte zu reduzieren. Damit war auch der Gipfel in Heiligendamm ein Schlüsselereignis und ein Signal für Bali.
Aber wir haben nicht nur außenpolitisch gehandelt, sondern auch innenpolitisch. 2006 wurde der Energiegipfelprozess, an dem Politik, Wirtschaft und Verbraucher gleichermaßen beteiligt waren, initiiert. Es gab eine gute und solide Bestandsaufnahme, welche die Grundlage für das integrierte Klima- und Energieprogramm der Bundesregierung war. Das erste Paket im Rahmen dieses Programms wurde im Dezember des vergangenen Jahres vom Bundeskabinett verabschiedet. Damit legen wir die Grundlagen zur Erreichung der Klimaschutzziele in Deutschland, und zwar durch das ambitionierteste klima- und energiepolitische Vorhaben, das in diesem Land jemals verabschiedet wurde und auch weltweit beispielgebend ist.
Das vom Bundeskabinett im Dezember verabschiedete Paket ist zudem ein Beweis für die Handlungsfähigkeit und Reformfähigkeit der Großen Koalition. Es ist uns gelungen, das Paket marktkonform zu gestalten. Wir setzen auf wirtschaftliche Anreize, auf die Förderung neuer Technologien, auf moderne Kraftwerkparks, auf Forschung, auf einen klugen Energiemix und auf Effizienz.
Herr Kauch, Ihre Sorge um die deutsche Biokraftstoffindustrie nehmen wir natürlich ernst. Deshalb hoffen wir, dass der Biokraftstoffquotenbericht bald vorliegt, an dem wir uns orientieren können, wenn wir gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen. Die angesprochene Situation lässt uns alles andere als kalt. Auch in meiner Region gibt es wirtschaftliche Schwierigkeiten in manchen Betrieben, teilweise sogar Entlassungen.
Im vergangenen Jahr ist also etwas gelungen, das in Deutschland über viele Jahre so nicht möglich war, nämlich unser Land in Sachen Klimaschutz, Energiesicherheit und Energieeffizienz ganz entscheidend voranzubringen. Insbesondere das BMU und das BMWi haben in einer gemeinsamen Kraftanstrengung in kürzester Zeit Entwürfe erarbeitet; der Bundesminister hat das angesprochen. Es gilt jetzt, die parlamentarischen Beratungen in Angriff zu nehmen. Es gibt selten etwas Gutes, das nicht noch besser werden kann. Deshalb werden wir intensiv miteinander beraten.
Für die Bürger muss immer auch der Sinn der verschiedenen Maßnahmen erkennbar sein. Gängeleien sind nicht gewollt. Manche nicht enden wollenden Debatten sind aber nichts anderes als Gängelung oder Symboldebatten; eine davon ist sicherlich die Debatte über das Tempolimit auf Autobahnen. Bislang wussten wir den Bundesminister an unserer Seite, der zu Recht festgestellt hat, dass ein Tempolimit keinen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann; es handele sich um eine Symboldebatte.
Ich gehe daher davon aus, dass auch im BMU trotz anderslautender Pressemeldungen wie in der Süddeutschen Zeitung und in der Berliner Zeitung weiterhin der Kernsatz gilt: Ein Tempolimit löst das Klimaproblem nicht im Ansatz. Ich füge hinzu: Die Union ist ein Garant gegen eine solche Zwangsmaßnahme.
Abschließend gilt mein Dank Bundesminister Gabriel für sein erfolgreiches Engagement bei der Konferenz auf Bali.
Wir haben beim Klimaschutz eine weite Strecke zurückgelegt, sind aber noch lange nicht am Ziel. Es gilt das, was der englische Sozialreformer Samuel Smiles einst gesagt hat: Keine große Leistung wurde je aus dem Stegreif erbracht. So müssen wir uns damit zufriedengeben, überall auf gleiche Weise vorwärtszukommen, nämlich Schritt für Schritt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun die Kollegin Eva Bulling-Schröter für die Fraktion Die Linke.
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! War Bali nur eine Fußnote? Ja und nein: Die Klimakonferenz auf Bali sollte die Weichen für den internationalen Klimaschutz nach 2012 stellen. Das ist ihr aber nur zum Teil gelungen.
Gemessen daran, was eigentlich notwendig wäre, um den Klimawandel wenigstens auf ein erträgliches Maß zu begrenzen, sind die Ergebnisse mehr als ernüchternd.
Zwar gibt es nun - das ist das wichtigste Ergebnis - einen Verhandlungsfahrplan für die nächsten zwei Jahre. Schließlich muss spätestens 2009 in Kopenhagen ein Post-Kioto-Abkommen stehen. Eine Vorgabe für verbindliche Ziele der Industriestaaten findet sich jedoch nur in einer Fußnote. Nun könnte man zwar darauf hinweisen, dass es sich um einen komplizierten Verhandlungsprozess mit widerstreitenden Interessen handelt, der auch wirtschaftlich schwierig ist - das alles stimmt auch -, aber man muss auch die Frage stellen, worum es eigentlich geht und in welcher Situation wir uns gegenwärtig befinden.
Im Jahr 2005 wurden weltweit 27 Prozent mehr vom wichtigsten Klimagas Kohlendioxid in die Luft geblasen als 1990. Seit der Jahrtausendwende stieg der Ausstoß mit 3,1 Prozent pro Jahr gar dreimal schneller als im Jahrzehnt davor. Wenn das so weitergeht, dann wird die globale Oberflächentemperatur am Ende des Jahrhunderts nicht nur 2 Grad höher sein als zu vorindustriellen Zeiten - das gilt gerade noch als tolerierbar -, sondern mehr als 6 Grad. Das wäre Wahnsinn; es wäre das Ende der Welt, wie wir sie kennen.
Durch Stürme, Überflutungen, Dürren würden ganze Anbauregionen für die Welternährung ausfallen. Was das für die menschliche Existenz und die biologische Vielfalt bedeuten würde, ist noch gar nicht auszumachen. Hinzu kommen Sicherheitsrisiken wie der Kampf um verbliebene Ressourcen, Kriege oder Umweltmigration.
Wir spielen also ein sehr gefährliches Spiel. Viele Menschen in diesem Land kennen Knut und jetzt auch Vera. Viele freuen sich daran. Wir wollen, dass wir Tiere wie diese Eisbären künftig nicht nur im Zoo sehen können. Wir wollen, dass diese Tiere nicht aussterben. Auch dafür müssen wir Sorge tragen. Insofern haben Vera und Knut eine besondere Funktion.
Wenn wir den Klima-GAU verhindern wollen, dann müssen wir nach Auskunft von Wissenschaftlern innerhalb der nächsten zehn Jahre die Trendwende schaffen. Mit einem schlaffen Post-Kioto-Abkommen würde aber die globale Turboheizung angeworfen. Wie es aussieht, gäbe es dann keinen Schalter mehr, um sie wieder abstellen zu können.
Vor diesem Hintergrund fällt es schwer, in Bali tatsächlich einen Erfolg zu sehen. Zwar haben die EU und auch Umweltminister Gabriel dafür gekämpft, wenigstens einen Zielkorridor für die wichtigsten Emittenten in den Fahrplan bis 2009 aufzunehmen. Es ist ebenso klar, wer solche Ziele verhindert hat: in erster Linie die USA und einige andere Länder. Ich frage mich: Warum haben wir die Verhandlungen über zukünftige Minderungsziele für Industrieländer nicht ohne die USA konsequent geführt und eine schnelle Einigung innerhalb der Industrieländer herbeigeführt? Das wäre wahrscheinlich erfolgreich gewesen und wäre schneller gegangen. Das sollte man nicht vergessen.
Als wirtschaftlichen Fortschritt von Bali sehen wir das Bekenntnis der Schwellen- und Entwicklungsländer, zukünftig Klimaschutzverpflichtungen zu übernehmen, die messbar, dokumentierbar und nachprüfbar sind. Die meisten weiteren Punkte, die auf Bali beschlossen wurden, sind demgegenüber mangelhaft. So ist die vereinbarte Ausstattung des Anpassungsfonds für Entwicklungsländer, die Ärmsten der Armen, absurd niedrig. Laut UN-Weltentwicklungsbericht sind bis 2015 rund 86 Milliarden Dollar Hilfe zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels notwendig. 86 Milliarden! Zurzeit stehen aber nur 500 Millionen Dollar zur Disposition. Das sind Peanuts. Zu diesem Schluss kommt man, wenn man daran denkt, für welche anderen Dinge Geld zum Fenster hinausgeschmissen wird. Wir brauchen hier mehr Geld.
Im Vergleich zu den 20 Milliarden Euro, die eine Aufstockung der Entwicklungshilfe auf die von den EU-Staaten vereinbarten 0,56 Prozent bringen würde, sind das Peanuts.
Während die Vertragsstaaten auf Bali keinen Beschluss zustande gebracht haben, um Gelder für die Verhinderung weiterer Entwaldungen bereitzustellen, hat die Weltbank Tatsachen geschaffen; denn mit ihrem beschlossenen Programm soll der Regenwaldschutz letztlich in die Kohlenstoffmärkte einbezogen werden. Um nicht falsch verstanden zu werden: Wir müssen alles tun, damit der Regenwald erhalten wird und dass die Rodungen so schnell wie möglich gestoppt werden, am besten sofort.
Wir meinen aber, dass der Weg der Weltbank ein gefährlicher Pfad ist. Offenbar haben die Vertragsstaaten noch immer nichts aus dem immer offener zutage tretenden Missbrauch des CDM-Mechanismus, des Anrechnens von Klimaschutzprojekten in anderen Ländern durch Zertifikate, gelernt. Im Übrigen wurde auch zu diesem Thema kein Beschluss gefasst, der künftige Manipulationen bei angeblichen Klimaschutzprojekten in den Entwicklungsländern verhindern könnte. So werden viele Unternehmen aus den Industriestaaten weiterhin an Emissionsgutschriften verdienen, welche ökologisch vollkommen wertlos sind.
Der Schutz des Regenwaldes darf nicht den Kohlenstoffmärkten überlassen werden. Dadurch würde der Tropenwaldschutz zu einem handelbaren Gut, von dem man sich auch freikaufen könnte. Dagegen wären ein Verbot des Imports von illegal geschlagenem Tropenholz und ein Verbot der Einfuhr von Agrartreibstoffen aus großflächigem Anbau wirksame Schritte.
Ich kann allerdings nicht erkennen, dass es dafür in Deutschland oder Europa eine politische Mehrheit gibt. So wird hierzulande seit Jahren ein wirksames Tropenwaldschutzgesetz torpediert, welches einen Importstopp von Tropenhölzern zum Ziel hat. Zwar wird sich neuerdings allerorten kritisch zu Palmöl- und Zuckerrohrplantagen für Agrarkraftstoffe geäußert, denen Regenwald und Kleinbauern zum Opfer fallen, zuletzt sogar in der EU-Kommission. Die Lösung soll nun ein Zertifizierungssystem sein. Ich sage Ihnen aber: Dieser Weg ist eine Sackgasse. Ich halte ihn für Augenwischerei.
Das Problem der indirekten Vertreibungen und Abholzungen, die aus der erhöhten Nachfrage der Industriestaaten nach Agrarkraftstoffen resultieren, bekommen Sie damit nicht in den Griff. Zudem sind die bekannt gewordenen Zertifizierungskriterien ein Witz. Der Umweltausschuss hat sich vor Ort erkundigt. Wir waren dort und haben uns das Ganze angesehen. Nicht umsonst wurden wir, der Umweltausschuss, ausgeladen.
Die Linke ist der Meinung, dass die internationale Staatengemeinschaft Kompensationsfonds einrichten muss, welche die Tropenländer bei Verzicht auf Rodungen und bei der Einrichtung von Schutzgebieten unterstützen.
Verschiedene Regierungen des Südens hatten im Vorfeld der Bali-Konferenz den Schutz ihrer Tropenwälder angeboten, wenn im Gegenzug Kompensationszahlungen fließen. Herr Gabriel, hier könnten Sie ein Exempel statuieren; das würde der Bundesregierung guttun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir in der Klimapolitik brauchen, ist Glaubwürdigkeit. Daran können wir noch arbeiten. Für Deutschland steht und fällt die Glaubhaftigkeit der Klimapolitik mit der Anzahl der Kohlekraftwerke, die hier in den nächsten Jahren gebaut werden oder eben nicht gebaut werden. Darum wird sich die Linke weiter gegen den Neubau solcher Meiler aussprechen.
Dabei geht es um Klimaschutz. Wir haben bereits des Öfteren dargestellt, wie es mit den CO2-Emissionen ausschauen wird, wenn diese Kohlekraftwerke gebaut werden.
Über CCS werden wir uns nachher unterhalten. Wir lehnen also den Neubau von Kohlekraftwerken ab.
Abschließend noch zu unserem Antrag. Ich habe schon mehrmals auf eine Anhörung unserer Fraktion hingewiesen, die ergab, dass 30 bis 50 Prozent der gegenwärtigen Projekte in Asien nicht zusätzlich sind. Das heißt, ein zusätzlicher Klimaschutz gegenüber dem Status quo ist nicht nachweisbar. Herr Kauch, Sie haben gesagt, ich versündigte mich. Wir sind nicht prinzipiell gegen CDM. Aber der CDM-Prozess - das müssten Sie eigentlich unterstützen - muss reformiert werden, um Manipulationsmöglichkeiten auszuräumen. Aus diesem Grund fordern wir ein Moratorium.
Zum Schluss: Klimaschutz hat sehr viel mit sozialer Gerechtigkeit zu tun.
Es kann uns nicht egal sein, was am anderen Ende der Welt passiert und wie mit den Menschen dort umgegangen wird. Aber dies hat auch mit der Situation in unserem Land zu tun.
Ich habe gehört, was Minister Gabriel über die hohen Strom- und Gaspreise gesagt hat. Er hat dies sehr deutlich thematisiert - ich glaube, zum ersten Mal; wir haben es bereits des Öfteren getan - und Art. 14 des Grundgesetzes zitiert. Herr Gabriel, ich habe aber die Erwähnung des Art. 15 vermisst, der besagt, wenn solche Unternehmen nicht primär dem Gemeinwohl dienten, gebe es auch die Möglichkeit der Enteignung. Darüber müssen wir reden; so etwas halten wir für sehr sinnvoll. Auch müssen wir darüber reden, dass die Gewinne abgeschöpft werden. Ein Hartz-IV-Empfänger kann diese Preise nicht mehr zahlen. Viele Menschen in diesem Land können die Energiepreise nicht mehr zahlen. Deswegen brauchen wir den Mindestlohn flächendeckend. Gleiches gilt für eine bezahlbare Mobilität; auch das ist in diesem Land dringend notwendig. Darüber sollten wir weiter sprechen. Noch einmal: Klimaschutz hat auch sehr viel mit sozialer Gerechtigkeit zu tun. Das sind die Themen der nächsten Zeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Frank Schwabe für die SPD-Fraktion.
Frank Schwabe (SPD):
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Herr Kauch, Sie waren rhetorisch gut, aber inhaltlich schlecht. Den Popanz von einem Fußnotenminister, den Sie hier aufzubauen versuchen, nimmt Ihnen hier niemand ab. Diejenigen, die auf Bali waren und die Konferenz erlebt haben - viele Kolleginnen und Kollegen waren dort, Sie selber auch -, wissen, wie die Situation auf Bali war und welche Rolle dieser Minister dort gespielt hat. Sigmar Gabriel war dort eigentlich so jemand wie der Mister Klimaschutz: allgemein anerkannt bei denen, die aus Deutschland dabei waren, aber auch international.
Er hat wie ein Löwe für die Positionierung einer Verpflichtung der Senkung der CO2-Emissionen um 25 bis 40 Prozent gekämpft. Es ist nun wirklich nicht dem Minister zuzuschreiben, dass irgendwelche Dinge nicht so klar vereinbart worden sind, wie wir es gern gehabt hätten.
Als Partei und Fraktion sollten Sie auch etwas vorsichtiger sein - ich habe es hier schon einmal gesagt -, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen angesichts dessen, dass Sie sich in Deutschland noch nicht einmal zum 40-Prozent-Ziel klar bekennen. Ich kenne jedenfalls keinen Beschluss der FDP dazu. Ich überlege mir aber, was ein FDP-Minister an dieser Stelle international zuwege gebracht hätte.
Als Parlament können wir selbstbewusst mit dem umgehen, was in den letzten Jahren erreicht wurde, und auch mit der Rolle, die Sigmar Gabriel auf solchen internationalen Konferenzen spielen kann, weil er jedes Mal den Rückenwind des Parlaments hat. Es gibt nämlich maßgebliche Beschlüsse. Auf der Klimakonferenz in Nairobi 2006 hat Deutschland eine gute Rolle spielen können, weil wir im Deutschen Bundestag vorher vereinbart hatten, dass wir eine Senkung der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis zum Jahr 2020 erreichen wollen. Wir konnten jetzt auf Bali eine gute Rolle spielen, weil es das Klima- und Energiekonzept der Bundesregierung gibt und wir etwas vorweisen konnten. Wir haben zugesagt, 120 Millionen Euro für internationale Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Das war eine Errungenschaft des Parlaments. Wir hier im Parlament haben die Versteigerung von CO2-Emissionszertifikaten durchgesetzt. Anderenfalls wäre es nicht möglich gewesen, mit dieser Zusage nach Bali zu fahren. Deswegen wäre es gut, wenn man die Rolle Deutschlands, des deutschen Parlaments, aber auch des deutschen Umweltministers nicht kleinreden würde.
Es gibt, was Bali angeht, sicherlich zwei Betrachtungsweisen; das ist schon deutlich geworden. Es ist zu wenig, was auf Bali erreicht wurde, wenn man zur Kenntnis nimmt, wie der wissenschaftliche Stand eigentlich ist. Es ist aber viel erreicht worden, wenn man die damaligen Einschätzungen in Nairobi bedenkt. Damals dachten wir, dass wir nicht so weit kommen würden. Insofern ist das Glas durchaus halb voll. Es ist jetzt zum Ersten klar, dass es ein Nachfolgeabkommen für das Kioto-Protokoll gibt. Es ist zum Zweiten klar, dass dieses Abkommen 2009 beschlossen werden soll. Es ist auch klar, um welche Inhalte es in den Verhandlungen gehen soll. Was das Ziel der Industrieländer angeht, die Emissionen um 25 bis 40 Prozent zu senken, gilt: Nach der Konferenz ist vor der Konferenz. Wir werden hart um dieses Ziel ringen müssen.
Was die Inhalte angeht, kann ich nur zu einigen wenigen Dingen ganz kurz Stellung nehmen. Ich will das unterstützen, was Kolleginnen und Kollegen hier schon zum Thema Waldschutz gesagt haben. Wir waren mit einer Delegation auf Borneo und haben uns die Situation anschauen können. Es ist wirklich erschreckend, wenn man sieht, mit welcher Schnelligkeit der Regenwald vernichtet wird. Deswegen ist es gut, dass es dazu Vereinbarungen auf Bali gegeben hat, wenn das auch nur ein erster Schritt ist. Es ist auch positiv, dass Deutschland in der Lage ist, für die Durchführung solcher internationalen Waldschutzprojekte 40 Millionen Euro zuzusagen.
Ich glaube, dass es gut ist, dass es Vereinbarungen - damit gehe ich kurz auf die beiden Anträge der FDP und der Linken ein - zum Thema CDM gibt, also zu der Frage, wie man in Entwicklungsländern Klimaschutzmaßnahmen unterstützen kann. Es geht um die Praktikabilität von CDM-Maßnahmen, es geht aber auch um die Integrität von CDM-Maßnahmen. Da die Bedeutung solcher CDM-Maßnahmen in den nächsten Jahren zunimmt, muss es gerade im Bereich der Integrität Verbesserungen geben. Sonst höhlt sich das System aus, und davon hat am Ende niemand etwas.
Wenn ich sagen müsste, was ich an dem, was auf Bali passiert ist, bemerkenswert fand, dann würde ich sagen: Bemerkenswert ist erstens - ich glaube, das muss man der deutschen Öffentlichkeit sagen - die unglaubliche Bewegung bei den Schwellenländern. China, Indien, aber auch andere Länder wie Brasilien haben sich bei ihrer Positionierung zum internationalen Klimaschutz in den letzten Jahren unglaublich entwickelt. Das kann man nur begrüßen. Zweitens finde ich bemerkenswert, dass die USA am Ende doch zugestimmt haben. Das spricht für die Annahme, dass solche Konferenzen gut sind. Es wird oft gefragt, ob diese Leute alle durch die Welt fahren müssen. Es ist auf Bali deutlich geworden, dass es eine Konferenzdynamik gibt. Die USA haben gemerkt, dass sie sich ein Stück weit isoliert haben. Deswegen gab es am Ende doch die Zustimmung zu dem Abkommen, das auf Bali beschlossen wurde. Drittens ist bemerkenswert, dass Deutschland und Europa eine Vorreiterrolle eingenommen haben. Eine solche Vorreiterrolle kommt nicht von selbst. Das Thema Vorreiterrolle ist gelegentlich bei dem einen oder anderen hier im deutschen Parlament durchaus noch umstritten. Wenn man eine internationale Führungsrolle einnehmen will, dann muss man Vorbild sein und vorangehen.
Dazu dient unter anderem das Klima- und Energiepaket, das national und international wirklich einzigartig ist. Es geht jetzt darum, zu beweisen, dass wir in der Lage sind, dieses Paket schnellstmöglich umzusetzen. Das heißt, im ersten Halbjahr haben das Parlament und die Regierung diese Aufgabe zu erfüllen. Wir werden dann vor allen Dingen zusehen müssen, dass es eine regelmäßige Überprüfung der Maßnahmen gibt. Dann ist die Aufgabe für uns, zu überlegen, wie wir das 5-Prozent-Delta, das noch übrig bleibt - denn wir schaffen mit dem Paket eine Senkung von etwa 35 Prozent -, in den nächsten Jahren schließen können. Im Gegensatz zu Frau Reiche glaube ich, dass das Tempolimit eine Maßnahme ist, deren Einführung in den nächsten Jahren anzustreben ist. Jedenfalls sieht es die SPD so.
Auf der Tagesordnung stehen in den nächsten Monaten für die SPD - der Minister hat es deutlich gemacht - die Themen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit. Klimaschutz kostet etwas - das ist wahr -; unterlassener Klimaschutz kostet aber noch mehr.
Wir müssen Fragen beantworten, zum Beispiel: Wie sieht es eigentlich mit der ?zweiten Miete? aus? Wie können wir ein gemeinsames Interesse von Mietern und Vermietern herstellen, diese ?zweite Miete? im Sinne von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit zu senken? Wie sieht es eigentlich - auch das muss auf die Tagesordnung der Koalition - mit spritfressenden Dienstwagen aus? Es kann nicht sein, dass sie staatlich noch gefördert werden. Das ist weder gut für den Klimaschutz noch sozial gerecht.
Die nationalen Aufgaben in den nächsten Monaten sind klar umrissen: die Umsetzung von Meseberg I und II, die Beantwortung der Frage, wie wir die 5-Prozent-Lücke schließen, und im Übrigen eine klare Ausrichtung auf die Zukunft über das Jahr 2020 hinaus. Ich glaube, auch dies sollte eine Perspektive sein. Frau Reiche hat heute ein bisschen für die Geschichtsbücher vorgetragen, als sie erzählt hat, was für Positionen die CDU schon 1989 hatte.
Es ist toll, dass es diese Positionen gab. Es wäre gut, wenn sich die Große Koalition in gemeinsamen Beschlüssen darauf verständigen könnte, dass wir das Ziel einer Senkung um 80 Prozent bis zum Jahr 2050 anstreben. Die SPD ist dazu bereit. Die Union muss klarstellen, ob sie ebenfalls dazu bereit ist.
Die nächsten internationalen Verhandlungen finden 2008 in Posen und 2009 in Kopenhagen statt. Schwarz-Rot wird sich den Herausforderungen - in Kontinuität der rot-grünen Bundesregierung - stellen. Jedenfalls für die SPD kann ich das zusagen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun die Kollegin Bärbel Höhn, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werten heute die Ergebnisse der Konferenz von Bali aus. Ich möchte mit der Bewertung durch die Bundesregierung beginnen. Bundeskanzlerin Merkel hat das Ergebnis der Konferenz von Bali als großen Erfolg gefeiert. Der Umweltminister hat daraus einen Riesenerfolg gemacht. Auch heute haben Sie, Herr Gabriel, noch von Erfolg gesprochen. Ich persönlich muss sagen: Angesichts des weltweiten Problems der Klimaerwärmung ist diese Bewertung eine Schönfärberei. Wir brauchen viel mehr als das, was auf Bali erreicht worden ist, um dem Klimawandel entgegenzuwirken.
Die CO2-Emissionen sinken nicht, sie stagnieren nicht, sondern sie steigen, und zwar so dramatisch wie noch nie in der Vergangenheit. Das sollten wir immer berücksichtigen, wenn wir über die Erfolge und Misserfolge der Konferenz von Bali reden.
Man muss deutlich und klar herausstellen: Dass auf Bali nicht mehr erreicht wurde, ist aber nicht die Schuld der Bundesregierung. Die deutschen Bundesregierungen haben auf internationalen Konferenzen wie dieser traditionell eine sehr starke Stellung. Sie haben sich dort nämlich immer sehr konstruktiv verhalten. Wir haben zum Beispiel das Erneuerbare-Energien-Gesetz zu einem Vorzeigeprojekt gemacht. Auch in diesem Sinne hat der Bundesumweltminister auf Bali agiert.
Ich muss allerdings auf Folgendes hinweisen: Kaum war er zurück, schon hat er all das vergessen, was er auf Bali gesagt hatte.
Die erste große konkrete Herausforderung war die Reaktion auf den Vorschlag der EU-Kommission, endlich einmal etwas gegen den CO2-Ausstoß der Autos zu tun. Wie hat Herr Gabriel darauf reagiert? Plötzlich war er ein Klimabremser; all das, was er auf Bali gesagt hatte, hat er vergessen. Er hat - ich zitiere Herrn Schwabe - ?gekämpft wie ein Löwe?, aber nicht für den Klimaschutz, sondern für die Automobilindustrie. Das war das Problem.
Wirtschaftsminister Glos hat von einem Vernichtungsfeldzug gegen die Automobilindustrie gesprochen. Gabriel hat gesagt, das sei ein Wettbewerbskrieg zwischen der deutschen, der französischen und der italienischen Automobilindustrie. Das ehemalige VW-Aufsichtsratsmitglied Gabriel hat sich gegen den Umweltminister Gabriel durchgesetzt, und das sollte in Zukunft nicht mehr der Fall sein.
Es geht hier um den Klimaschutz.
Deutschland hat sich also an die Spitze des Widerstands gegen einen Klimaschutzvorschlag der EU-Kommission gesetzt. Leider hat das Europäische Parlament mit den Stimmen von Sozialdemokraten und Konservativen beschlossen, die Grenzwerte aufzuweichen und ihre Einführung auf 2015 zu verschieben. Das ist ein Anschlag auf den Klimaschutz, und Sie, Herr Minister, haben die Steilvorlage dafür geliefert.
Ich sage Ihnen: Wenn Sie auf Bali den Retter des Klimaschutzes spielen und hier den Schutzpatron der Automobilindustrie, dann nehmen Sie eine Doppelrolle ein, die die Leute Ihnen nicht mehr abnehmen. Wir werden dafür sorgen, dass das publik wird.
Ich möchte auf den Punkt Kohlekraftwerke eingehen. Es ist spannend, dass der Bundesumweltminister selber auf die Kohlekraftwerke zu sprechen gekommen ist. Momentan sind 24 neue Kohlekraftwerke in Deutschland nicht nur geplant, sondern entweder schon genehmigt oder kurz vor der Genehmigung. Gerade in Niedersachsen ist der Wildwuchs dieser Klimakiller besonders schlimm. In Wilhelmshaven sollen zum Beispiel fünf bis sechs Blöcke gebaut werden: ein Riesenkohlekraftwerk, und das ohne Wärmeauskopplung. Sie als Umweltminister unterstützen das auch noch! Das ist ein Skandal.
Wenn sich in Krefeld die Genossen, die Sozialdemokraten, gegen ein Kohlekraftwerk aussprechen, dann werden Sie herbeizitiert, dann müssen Sie nach Krefeld reisen, um die Sozialdemokraten davon zu überzeugen, dass sie für ein Kohlekraftwerk stimmen. Das ist keine Klimapolitik, sondern eine Politik für Klimakiller, nicht mehr und nicht weniger.
Ich finde die Argumentation des Ministers Gabriel extrem spannend: Wir haben doch den Emissionshandel, durch den der CO2-Ausstoß gedeckelt wird; deshalb ist das mit den Kohlekraftwerken gar nicht so schlimm. - Kollege Kelber hat gerade in einem Phoenix-Interview gesagt, man habe sich in Bonn gegen das Kohlekraftwerk entschieden, weil die Emissionszertifikate immer teurer würden und sich das neue Kohlekraftwerk nicht rechne. Logisch weitergedacht, heißt das doch: Minister Gabriel weiß, dass der Emissionshandel den CO2-Ausstoß deckelt, er weiß, dass die Emissionszertifikate immer teurer werden; trotzdem geht er vor Ort und bringt die Menschen dazu, in die falschen Kraftwerke zu investieren, in Kraftwerke, die sich in Zukunft nicht mehr rechnen. Sie gehen vor Ort und argumentieren für Investitionen, die in den Sand gesetzt werden. Das ist ein absoluter Skandal.
- In Wilhelmshaven geht es nicht um ein Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerk. Erkundigen Sie sich einmal, wie in großen Kraftwerken Wärme ausgekoppelt werden soll.
Ich komme zu einem anderen Punkt. Heute Morgen hat ein Vertreter der Stahlindustrie gesagt: Wir kommen nicht damit klar, dass Emissionszertifikate versteigert werden sollen; dadurch werden 50 000 Arbeitsplätze gefährdet. Wenn die Industrie sagt, die Versteigerung von Emissionszertifikaten sei ein großes Problem, dann wird Minister Gabriel der Erste sein, der sich auf die Seite der Industrie schlägt und damit vordergründig etwas für die Industrie tut; langfristig gefährdet er damit aber Arbeitsplätze, weil notwendige Umstrukturierungen nicht vollzogen werden. Das ist das Problem des Umweltministers Gabriel.
Wir haben mehrfach gesagt: Für die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland auf internationalen Konferenzen ist es entscheidend, dass wir eine Vorreiterrolle einnehmen. Diese Rolle nehmen wir in Deutschland momentan nicht ein. Der durchschnittliche CO2-Ausstoß pro Person in Deutschland ist höher als der EU-Durchschnitt; auch das sollten wir uns klarmachen.
Das letzte Jahr, 2007, war das Jahr der klimapolitischen Ankündigungen der Bundesregierung. Wir, die Grünen, werden darauf drängen, dass 2008 das Jahr der Taten wird. Das heißt, man muss ein Tempolimit einführen, sich in der Kohlefrage anders verhalten und sich für strengere Emissionsgrenzwerte bei Pkw einsetzen. Klimaschutz wird am Ende an den konkreten Projekten beurteilt und nicht an irgendwelchen großen Reden, die man auf internationalen Konferenzen schwingt. Hier wird Klimapolitik für Deutschland gemacht. Wir erwarten, dass die Bundesregierung den großen Worten Taten folgen lässt, und zwar hier in Deutschland.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nun hat der Kollege Josef Göppel für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Josef Göppel (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Delegation des Umweltausschusses war schon vor der Konferenz von Bali in Indonesien, um den Anbau von Ölpalmen in der Praxis zu sehen; später nahm die Delegation an der Konferenz teil. Es ist schon einiges zu der Konferenz auf Bali gesagt worden. Mir ist aufgefallen, dass Deutschland besonders bei den Entwicklungs- und Schwellenländern eine hohe Glaubwürdigkeit hat. Das kommt daher, Frau Kollegin Höhn, dass 2007 eben nicht das Jahr der Ankündigungen war, sondern das Jahr, in dem ein deutsches Klimapaket ausgearbeitet und am 5. Dezember 2007 im Kabinett verabschiedet wurde. Das kommt auch daher, dass die deutsche Bundeskanzlerin in ihrer Rede beim Besuch in Japan gesagt hat: Jeder Mensch auf der Erde hat das gleiche Recht, die Atmosphäre zu beanspruchen; 2 Tonnen pro Kopf müssen das Ziel sein; auf diesen Wert müssen auch wir mit unserem Lebensstil herunterkommen. - Das hat viel Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die deutsche Delegation geschaffen. Auch ist das Vertrauen in die deutsche Technik, zum Beispiel bei den erneuerbaren Energien, am größten. Das ist eine Riesenchance für unsere Wirtschaft.
Ich möchte jetzt aber besonders auf die Problematik des Ölpalmenanbaus eingehen. Wir haben auf Borneo gesehen, dass praktisch für alle Ölpalmenplantagen Regenwälder gerodet werden, weil die internationalen Konzerne erst den Ertrag aus den wertvollen Tropenhölzern haben wollen. Auf den gerodeten, abgebrannten Flächen bauen sie dann die Palmbüsche an. Wenn die nach 10 bis 15 Jahren zusammenbrechen, überlässt man die Flächen sich selbst und geht in ein anderes Gebiet.
Wir müssen uns nun wirklich überlegen, ob wir unsere Beimischungsquoten nach oben schrauben, bevor wir ein wirksames Kontroll- und Zertifizierungssystem installiert haben.
In diesem Punkt, Herr Kollege Kauch, stimmen wir Ihnen zu.
Wir sind natürlich in einer Zwangslage; denn die Frage ist, wie wir den Anteil von Biotreibstoffen sonst erhöhen können. Unsere Position ist die, dass wir möglichst viel im eigenen Land erzeugen müssen, weil hier ökologisch besser kontrolliert wird. Wir haben in der Konferenz dargestellt, wie die europäische Agrarpolitik funktioniert, mit dem Kontrollsystem InVeKoS zum Beispiel. Schon ein falsch abgelagerter Misthaufen kann zur Kürzung der Prämie für einen europäischen Bauern führen.
Es ist auch ohne Weiteres technisch möglich, die Regenwaldrodung über Satelliten so zu kontrollieren, dass praktisch jeder Stamm verfolgt werden kann.
Wir sind ganz entschieden dafür, dass es einen finanziellen Ausgleich für den Schutz der Regenwälder gibt. Die 40 Millionen Euro im deutschen Klimapaket sind da ein sehr kraftvoller Beginn.
Andere Länder haben das nicht in dieser Größenordnung. Aber es muss Hand in Hand mit einem wirksamen Kontrollsystem gehen.
Wir dürfen die Biokraftstoffproduktion im eigenen Land aber nicht durch eine zu schnell ansteigende Besteuerung abwürgen.
Da mag es manche geben, die die ökologische Effizienz hinterfragen und sagen: 2015 haben wir BTL-Kraftstoffe. - Aber wir brauchen jetzt Lösungen. Alle diejenigen, die sagen: ?Es gibt etwas Besseres; das ist nicht ideal?, muss ich nach der Alternative fragen. Solange wir BTL nur in Apothekermengen zur Verfügung haben, Herr Bundesfinanzminister, darf man den mittelständischen Markt für Biotreibstoffe nicht mit einer zu schnell ansteigenden Besteuerung abwürgen.
Wir bitten darum, noch einmal über diese Dinge nachzudenken. Unser Energie- und Klimapaket sucht in der Welt seinesgleichen. Wir müssen uns immer wieder die Frage stellen: Wie machen wir es richtig, zum Beispiel in der Balance zwischen den Energiebauern und den Bauern, die Lebensmittelerzeugung betreiben? Darauf gibt es keine endgültige Antwort. Das ist auch eine schwere Frage. Deswegen ist hier immer wieder Korrektur, Schritt für Schritt, nötig. Ich denke, wir sind insgesamt auf einem guten Weg.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Der Kollege Horst Meierhofer ist der nächste Redner für die FDP-Fraktion.
Horst Meierhofer (FDP):
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Göppel, es war richtig angenehm und schön, Ihrer Rede zuzuhören. Im Gegensatz dazu waren die Geschichten, die Frau Höhn vorher in ihrer Rede erzählt hat, zum Teil haarsträubend.
Man muss sich vor dem Hintergrund unseres Zieles, den Klimaschutz insgesamt zu verbessern, einmal klarmachen, was Sie in Ihrer Rede gebracht haben: Sie beschweren sich darüber, dass in Wilhelmshaven das modernste Kohlekraftwerk der Welt gebaut wird, bei dem später auch die Möglichkeit bestehen wird, CO2 abzuscheiden.
Diese Möglichkeit besteht in Zukunft. Davor verschließen Sie aber ebenso die Augen wie vor der Tatsache,
dass in China riesige Mengen an Kohle herumliegen. Wie gehen Sie damit um? Glauben Sie tatsächlich, dass diese Kohlevorkommen nicht zur Energieerzeugung eingesetzt werden und die Chinesen ausschließlich auf erneuerbare Energien setzen werden?
Mit Sicherheit nicht! Deswegen müssen in Deutschland auch für den Kohlebereich Anlagen mit modernsten Techniken entwickelt werden, die dann zum Beispiel nach China exportiert werden könnten. Vor diesen Fakten darf man doch nicht die Augen verschließen und so tun, als ob wir in Deutschland das Klimaweltproblem lösen könnten.
Wenn dies die Haltung der Grünen ist, täte mir das wirklich sehr leid.
Ich kann allerdings auch die Große Koalition nicht völlig ungeschoren davonkommen lassen. Man konnte hier ja hören, wie schlimm und schwer zu verstehen es für alle Beteiligten ist, dass so viel Regenwald abgeholzt wird. Vielleicht sollte man sich vor diesem Hintergrund einmal Gedanken darüber machen, ob das EEG, so wie es momentan ausgestaltet ist, nicht dazu führt, dass zum Beispiel auch in deutschen Blockheizkraftwerken Palmöl verwendet wird, das aus Indonesien importiert wurde. Sie sollten sich Gedanken machen, ob man hier in Deutschland nicht vielleicht politisch tätig werden sollte, damit die Verwendung solchen Öls, beispielsweise aus Asien, nicht mehr interessant ist.
- Sie haben ja wohl die Fakten auf dem Tisch liegen. Auch ich war bei den Betroffenen.
Ich möchte jetzt an dieser Stelle noch ein paar Punkte zum Clean-Development-Mechanism, zum CDM, anführen.
Ich denke, dass hiermit eine echte Möglichkeit besteht, international etwas zu erreichen. Ich glaube, dass es nicht ausreicht, wenn wir ausschließlich in Deutschland versuchen, das Weltklima zu retten. Vielmehr müssen wir schauen, dass wir durch effektive und günstige Maßnahmen auch dort etwas tun, wo die finanziellen Möglichkeiten nicht vorhanden sind. Das ist in der Dritten Welt, in Entwicklungsländern, aber auch in Schwellenländern der Fall. Da hätten wir mit Techniken aus Deutschland die Möglichkeit, Antworten zu geben, indem deutsche Firmen auf diesem Wege Zertifikate erhalten, die es ihnen ermöglichen, die Klimaschutzziele zu erreichen. Damit könnte also tatsächlich ein Schritt nach vorne getan werden. Wenn wir die Möglichkeit schaffen, dass deutsche Unternehmen auch im Ausland Klimaschutzzertifikate ersteigern dürfen, würden wir damit zugleich etwas Positives für das Klima wie für die deutsche Wirtschaft tun. Das wäre doch ideal. Darum hat die FDP hier den Antrag zu CDM gestellt.
Sie, Frau Bulling-Schröter, haben für die Fraktion Die Linke gefordert, ein Moratorium zu beschließen. Ich denke da sofort an manch andere Moratorien, die in der Vergangenheit beschlossen wurden, die uns nicht nach vorne gebracht haben. Das gilt sicher auch für dieses Moratorium. Deshalb müssen wir handeln und die Probleme, die zum Beispiel auch der WWF angesprochen hat, jetzt lösen. Dafür sieht die FDP bei Umsetzung ihres Antrages sehr gute Möglichkeiten.
Deswegen, meine Damen und Herren, kann ich Ihnen nur raten, wenn Ihnen der Klimaschutz wirklich am Herzen liegt und Sie dafür wirklich etwas tun wollen, hier nicht nur schöne Reden zu halten, sondern auch dem Antrag der FDP zuzustimmen.
Danke.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun der Kollege Marco Bülow für die SPD-Fraktion.
Marco Bülow (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland hat auf Bali eine gute und wichtige Rolle gespielt. Das habe Tradition, hat Frau Höhn gesagt. Das stimmt, aber man muss auch jedes Mal wieder neu beweisen, dass man diese Rolle ausfüllen kann. Dazu war es wichtig, dass wir Folgendes im Gepäck hatten: Erstens zeigte das Maßnahmenpaket, das wir auf den Weg gebracht hatten, dass wir den Klimaschutz in Deutschland ernst nehmen. Zweitens hatten wir Gelder für internationale Klimaschutzmaßnahmen mitgebracht. Nur deswegen konnten wir diese Rolle auf Bali einnehmen.
Ich danke dem Minister, dass er versucht hat, die Europäer noch einmal anzutreiben, da mitzumachen und mitzuziehen. Es war nämlich nur deshalb möglich, das eine oder andere zu erreichen, weil alle Europäer an einem Strang gezogen haben. Das muss aber auch so bleiben und auf den nächsten Konferenzen wieder deutlich werden. Es braucht den Motor Europa, aber auch den Anlasser für diesen Motor; diese Aufgabe muss Deutschland wahrnehmen. Das sind wir, wie ich denke, den Menschen insgesamt auf der Welt, aber auch den Menschen im eigenen Lande schuldig.
Jetzt sind wir im Parlament am Zug, uns die Gesetze in dem Paket, das die Bundesregierung zum Klimawandel geschnürt hat, anzuschauen und zu prüfen, wie wir diese Maßnahmen beschließen und auf den Weg bringen können. Diese Aufgabe wird das nächste halbe Jahr prägen; wir sollten es gut nutzen.
Den Streit um die Fußnote kann ich langsam nicht mehr hören. Natürlich kann man sagen, dass sich etwas in einer Fußnote versteckt. Aber eines sollten wir klarstellen: Auf dieser Konferenz war das das Maximum, das herausgeholt werden konnte, egal unter welcher Regierung und unter welchem Verhandlungsführer. Ich möchte auf drei Aspekte eingehen, bei denen ich glaube, dass wir dort einen Schritt weitergekommen sind; das darf man nicht einfach außer Acht lassen.
Erster Punkt. Selbst die US-Regierung - nicht die Amerikaner; die sind ohnehin schon weiter - hat Folgendes eingesehen: Erstens. Es gibt den Klimawandel.
Zweitens. Der Mensch ist für den Klimawandel verantwortlich. Drittens. Wir müssen etwas unternehmen. Natürlich sollten wir das schon seit 30 oder 40 Jahren wissen. Aber die US-Amerikaner haben das lange nicht zugegeben, und auch die Diskussionen in Deutschland zeigen, dass wir noch nicht lange so weit sind, das zu akzeptieren. Hier ist also ein Fortschritt zu erkennen.
Zweiter Punkt. Der Schutz der Regenwälder - das wurde schon angesprochen - ist stärker in den Fokus der Klimadebatte gerückt. Einerseits ist es gut, dass wir das Maßnahmenpaket haben, dass wir die Forest Carbon Partnership Facility haben, und dass Deutschland sich daran mit einer bestimmten Summe beteiligt. Andererseits ist das eine überfällige Initiative; denn die Zerstörung des Regenwaldes hat schwerwiegende Konsequenzen. Mittlerweile verursacht sie 20 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes, der weltweit zu verzeichnen ist. Außerdem - in diesem Jahr findet in Deutschland die Weltkonferenz zur Biodiversität, zur Artenvielfalt, statt - führt sie dazu, dass viele Arten aussterben, weil vielen Pflanzen und Tieren der Lebensraum genommen wird. Deswegen ist diese Initiative überfällig und sehr wichtig.
Es besteht aber ein Unterschied - da muss man genau hinschauen; einige aus diesem Parlament haben das auf Borneo live erleben können - zwischen einem Urwald oder Regenwald und einem normalen Wald. Wer glaubt, nur mit Aufforstung bekomme man bestimmte Dinge in den Griff, täuscht sich. Die Artenvielfalt, aber auch die Biomasse und damit das gebundene CO2 sind in einem Regenwald um ein Vielfaches höher. Wir haben zum Beispiel auf Borneo in Indonesien mit den Torfböden ein weiteres Problem. Wenn diese Wälder zerstört werden, werden riesige Massen von CO2 freigesetzt, die bei anderen Waldböden nicht vorhanden sind. Um das einmal in Zahlen zu gießen: In 1 Hektar Torfboden befinden sich 4 000 Tonnen Kohlenstoff; in 1 Hektar deutschen Waldes sind das ungefähr 130 Tonnen. Über diese Dimensionen reden wir. Das ist vergleichbar mit den Permafrostböden, bei denen Methan entweicht, wenn sie auftauen. Das können wir uns nicht leisten.
Zur Palmöldiskussion hat Herr Göppel schon einiges gesagt. Wir müssen dieses Thema sehr differenziert sehen. Einerseits wird das ein immer größeres Problem. Andererseits haben wir lange die Augen davor verschlossen, dass Palmöl auch in vielen anderen Bereichen - Kosmetik, Nahrungsmittel - eingesetzt wird, was bereits zur Zerstörung von Regenwald geführt hat. Da waren die Stimmen, die heute sehr laut sind, relativ leise. Es gibt andere Möglichkeiten; auch das haben wir auf Borneo gesehen. Es gibt viele freie, waldlose Flächen, wo aber keine Palmölplantagen gebaut werden. Sie werden dort gebaut, wo noch Wald ist, damit zusätzlich das Holz verkauft werden kann. Deswegen brauchen wir hier Kontrollmechanismen. Aber wir müssen stärker darüber diskutieren und dürfen nicht auf der einen Seite etwas aufbauen, was wir auf der anderen Seite ?mit dem Fuß? kaputtmachen. Wir sind dazu verpflichtet, sehr sorgfältig mit diesem Thema umzugehen.
Ein dritter Punkt, bei dem ich glaube, dass die Konferenz uns weitergebracht hat. Zum ersten Mal habe ich den Eindruck, dass die Schwellenländer und die Industrieländer, die mit Blick auf das, was zu tun ist, immer noch skeptisch sind, näher zusammengebracht worden sind, dass die Weltgemeinschaft in dieser Hinsicht gewachsen ist und vor allen Dingen die Zahl der Nationen größer geworden ist, die etwas unternehmen wollen und bereit sind, konkrete Maßnahmen anzugehen. Das war vorher nicht sichtbar. Das bedeutet eine Chance, die wir in den zwei Jahren nutzen sollten.
Bei all dem, was uns weitergebracht hat - nicht nur die Konferenz, sondern vieles im letzten Jahr -, muss man aber die Verhältnisse sehen. Ich möchte das an dem Bild eines 400-Meter-Läufers deutlich machen. Wir haben in Kioto 1997 verhandelt; die Beschlüsse sind leider erst 2005 in Kraft getreten. Uns war damals klar: Die 400 Meter müssen in einer bestimmten Zeit gelaufen werden. Danach richtete sich das Kioto-Protokoll. Jetzt, ein paar Jahre später, besteht das Problem, dass die Zeit zum Handeln kürzer geworden ist. Der Läufer muss also in einer kürzeren Zeit mehr als 400 Meter laufen, weil wir weltweit leider keinen Rückgang von CO2-Emissionen zu verzeichnen haben. Im Gegenteil: Jedes Jahr wird mehr CO2 emittiert. Die Aufgabe wird damit schwieriger. Jetzt müssen 450 anstatt 400 Meter zurückgelegt werden.
Wir haben einen Mechanismus für den Anpassungsfonds geschaffen, der zwischen 2008 und 2012 400 Millionen Euro bereitstellt. Aber das ist viel zu wenig. Ich will diese Zahl einmal in das richtige Verhältnis setzen. Der Unterhalt eines Panzerkreuzers der US-Amerikaner kostet pro Jahr ungefähr die gleiche Summe. 400 Millionen Euro für einen Zeitraum von vier Jahren reichen auf Dauer nicht aus. Da muss deutlich draufgesattelt werden.
Im Augenblick müssen wir leider feststellen, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben. Die Zeit wird knapper. Das Sponsoring ist noch relativ mangelhaft, auch wenn sich Deutschland bemüht, dass sich das weltweit ändert. Dennoch haben wir eine Chance, diesen Lauf zu gewinnen. Denn es gibt erstens mehr Erkenntnisse, und zweitens sind die Technologien vorhanden, um es zu schaffen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Instrumente zur Effizienzsteigerung, die wir in Deutschland geschaffen haben, beweisen das. Weltweit ist das Geld vorhanden, diese Technologien einzusetzen.
Wir müssen es erreichen, dass alle Länder dieser Welt gemeinsam in die richtige Richtung laufen. Dann werden wir es schaffen, dass die nächsten Konferenzen erfolgreicher sind und dass wir alle in diesem Haus sagen können: Wir waren erfolgreich; das wollen wir feiern, und wir wollen diesen Weg gemeinsam weitergehen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nun erhält der Kollege Hans-Josef Fell das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Erde heizt sich immer schneller auf. Die Beschlüsse der Weltklimakonferenz auf Bali ändern daran genauso wenig, wie es alle anderen vorherigen Weltklimakonferenzen vermocht haben. In Bali wurde letztendlich das weitere Aufheizen der Erdatmosphäre beschlossen - nichts anderes. Daran ändert auch das Gesundbeten durch den Bundesumweltminister nichts.
Es ist notwendig, innezuhalten und zu fragen, ob denn die bisher vorgeschlagenen Strategien, die Ziele und die Maßnahmen für den Klimaschutz die richtigen sind oder ob es andere erfolgversprechendere Optionen wie etwa die solare Gesellschaft gibt.
Die Dramatik der Lage ist den meisten immer noch nicht in aller Konsequenz bewusst. Auch in dieser Debatte wird dies ganz klar deutlich. Mit 383 parts per million Kohlendioxid in der Atmosphäre ist die Konzentration von Klimagasen schon heute zu hoch und bewirkt schon jetzt eine zunehmende Anzahl von Umweltkatastrophen. Wenn man die Trägheit des Klimasystems, Selbstverstärkerprozesse wie Methangasemissionen durch das Auftauen des Permafrostbodens oder die schwindende CO2-Aufnahmefähigkeit der Meere mit bedenkt, dann wird klar, dass jegliche Neuemissionen das Klimaproblem verschärfen. Auch reduzierte Emissionen erhöhen die Klimagaskonzentrationen und heizen damit die Erde weiter auf.
Das Ziel darf nicht mehr einfach nur Halbierung der Emissionen bis 2050 sein, sondern das Ziel muss die weltweite solare Gesellschaft sein.
80 Prozent aller Klimagasemissionen sind mit der Nutzung der fossilen Rohstoffe Erdöl, Erdgas und Kohle verbunden. Wer wirksamen Klimaschutz will, muss neben anderen wichtigen Maßnahmen wie Waldschutz oder ökologische Landwirtschaft alles tun, um die verbliebenen fossilen Rohstoffe unter der Erde zu lassen und sie nicht weiter als Energie- und Chemierohstoffe zu nutzen.
Doch diese Klarheit der Gedanken und Strategien hat der Bundesumweltminister nicht. Er setzt sich lieber für neue zusätzliche Kohlekraftwerke ein. Jedes dieser Kraftwerke wird in gigantischem Ausmaß CO2 in die Atmosphäre schleudern. In Europa sorgt der Bundesumweltminister nicht einmal dafür, dass das CO2-Minderungsziel über 20 Prozent hinausgeht, obwohl er das eigentlich angekündigt hat. Dabei wäre eine emissionsfreie bzw. emissionsneutrale Versorgung der Welt mit erneuerbaren Energien möglich und technologisch in wenigen Jahrzehnten umsetzbar, wenn denn der Wille dafür vorhanden wäre.
Eine konsequente Energieeinsparung würde die Umstellung beschleunigen und erleichtern.
Einer solchen Klimaschutzstrategie stehen aber die Verkaufsinteressen der großen konventionellen Energiekonzerne entgegen. Faktisch alle Regierungen der Welt unterstützen wie die deutsche Regierung ihre Konzerne bei der Nutzung fossiler Rohstoffe, vor allem die OPEC-Staaten, Russland, die USA und Australien als größter Kohleexporteur der Welt. Auf allen Klimaschutzkonferenzen hat sich gezeigt, dass genau diese Staaten die Bremser sind. Aber auch große Verbraucherländer wie Japan oder Deutschland weigern sich, endlich eine vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien anzugehen.
Dabei böte uns eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien weitere Vorteile. Die Angst vor weiteren Preissteigerungen bei Erdöl, Erdgas, Kohle und Uran bringt immer mehr Investoren dazu, die kostenlosen Energien der Sonne, des Wassers, des Windes, der Erdwärme und der Meere zu nutzen. In vielen Bereichen sind erneuerbare Energien heute schon kostengünstiger als Investitionen in fossile Energieträger. Das zeigt den Weg, wie Klimaschutz in die Welt kommt: Je mehr industrielle Fertigungstiefe wir für erneuerbare Energien, Einspartechnologien und nachwachsende Chemierohstoffe haben, desto billiger werden sie und umso schneller haben fossile und atomare Energien keine ökonomische Chance mehr.
Konsequenter Klimaschutz mit erneuerbaren Energien ist keine Last, sondern erlöst uns von den Belastungen der Preissteigerungen immer knapper werdender fossiler und atomarer Ressourcen.
Diese Entwicklung politisch zu beschleunigen, das ist die entscheidende Klimaschutzstrategie. Es genügt, wenn einige Industrienationen als Koalition der Willigen Massenfertigungstiefe dafür schaffen und gleichzeitig die wahren Kosten für fossile und atomare Energien wirksam werden lassen. Eine erfolgreiche Klimaschutzstrategie sieht also folgendermaßen aus: vollständiger Abbau der Subventionen für fossile und atomare Rohstoffe,
Steuererleichterungen und Abbau von Genehmigungshürden für erneuerbare Energien und erneuerbare Rohstoffe,
Investitionsunterstützungen mit Einspeisevergütungen für Ökostrom und Biogas, aber auch Subventionen und Ordnungsrecht für Energiesparmaßnahmen und vor allem eine Bildungsoffensive. Doch diese Bundesregierung macht das glatte Gegenteil: Sie verlängert die Kohlesubventionen, sie besteuert reine Biokraftstoffe, was die Urwaldabholzung beschleunigt, und kämpft in Brüssel für spritfressende Autos.
Meine Damen und Herren von der Großen Koalition, große Worte für den Klimaschutz und ein schwaches Klimaschutzpaket reichen nicht aus. Die Taten dieser Bundesregierung entlarven Sie als Klimasünder und nicht als Klimaschützer. Sie sollten endlich konsequent eine solare Gesellschaft anstreben.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Ruck, CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Christian Ruck (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Rede des Kollegen Fell fühle ich mich bemüßigt, zurechtzurücken, was aus meiner Sicht in, vor und nach Bali geschehen ist. Natürlich ist uns allen klar, dass in Bali noch keine Lösung für die dramatischen Herausforderungen des Klimawandels gefunden wurde. Das war aber weder die Absicht noch das Ziel dieser Konferenz, Herr Fell, Frau Höhn. Nach einem leidenschaftlichen und dramatischen Ringen, bei dem Papua-Neuguinea eine große Rolle gespielt hat, ist es aber doch gelungen, den Startschuss für den erwähnten 400-Meter-Lauf - ich würde sogar sagen: für einen Marathonlauf -, der vor uns liegt, zu geben. Das ist ein Signal der Hoffnung und auch ein Grund zu Optimismus. Ich würde sogar sagen: In Bali ist das Optimum dessen erreicht worden, was unter realpolitischen Gesichtspunkten auf dieser Konferenz erreicht werden konnte.
Schließlich waren es 187 Verhandlungspartner, es gab Bremser, die schon genannt wurden, und es galt das Einstimmigkeitsprinzip.
Dafür verdienen die Delegation und ihre Vorarbeiter unseren Dank und unsere Anerkennung. Ich möchte auch an Frau Bundeskanzlerin Merkel und ihr Team Dank sagen und ihnen Anerkennung aussprechen. Das, was in Meseberg, in Heiligendamm und bei der EU-Ratspräsidentschaft geleistet wurde, hat die Bresche für Bali geschlagen. Frau Höhn, wenn das, was Deutschland im Jahr 2007 für das Weltklima erreicht hat, zu der Zeit, als Trittin noch Umweltminister war, erreicht worden wäre, dann hätten Sie sich alle zehn Finger abgeschleckt.
Für mich als Entwicklungspolitiker war natürlich besonders erfreulich und wichtig, dass es wie nie zuvor gelungen ist, die Entwicklungs- und Schwellenländer mit ins Boot zu bekommen. Denn sie sind in der Tat mit entscheidende Akteure. Einerseits sind sie Täter: China ist auf dem Sprung, die Nation mit den meisten CO2-Emissionen zu werden; Indonesien ist aufgrund der Waldzerstörung drittgrößter Emittent. Andererseits sind sie Opfer: Denn vor allem die Entwicklungs- und Schwellenländer werden vom Klimawandel mit besonderer Wucht getroffen. Dies führt zu dramatischen Konfliktsituationen, die irgendwann voll auf uns zurückschlagen und unsere Sicherheit, unsere Stabilität und unseren Wohlstand gefährden werden. Die Entwicklungsländer sitzen auf den grünen Lungen der Welt. Zu Recht wurde die Rolle des Tropenwaldes hier schon oft genannt. Die Entwicklungsländer haben die Chance, ihre wirtschaftliche Aufholjagd mit klimafreundlicheren Energieträgern zu bestreiten.
Deswegen liegt einer der beiden Schlüssel zur Lösung ganz klar bei den Entwicklungs- und Schwellenländern. Da hat Bali einen großen Fortschritt gebracht. Die Länder haben sich zu ihrer Verantwortung bekannt, auch die, die wir jetzt unbedingt beim Wort nehmen müssen, zum Beispiel China, Indien und Brasilien. Ein Einstieg zum Walderhalt wurde gefunden. Nicht nur der Anpassungsfonds wurde geschaffen, sondern auch andere Finanzmechanismen. Allein aus dem Haushalt des BMZ werden heuer 800 Millionen Euro in diesen Bereich fließen. Wir haben auch vereinbart, dass wir zum Jahr der Biodiversität noch mehr für den Walderhalt tun, und zwar mit Projekten, durch die wir versuchen, Armutsbekämpfung und Tropenwalderhalt zu kombinieren.
Natürlich ist klar: Wir müssen Verbesserungen beim CDM-Mechanismus schaffen. Da sind wir uns einig. Es ist auch klar, dass wir Hochtechnologietransfer brauchen, aber nicht nur diesen. Wir brauchen auch den Transfer von angepasster Technologie. Es macht keinen Sinn, den Afrikanern zum Beispiel unsere Dachpaneele und anderes vor die Füße zu kippen und zu sagen: Nun macht mal! - Das macht überhaupt keinen Sinn. Vielmehr müssen wir mit unseren Partnern einen Austausch von Kulturen, also auch einen Austausch von Energiekultur, betreiben.
Wie gesagt: Ich glaube, für die Länder, die der eine Schlüssel sind, ist ein guter Einstieg gefunden worden. Dies gilt aber auch für den anderen Schlüssel: Das sind wir. Natürlich sind wir Industrieländer mit unseren Emissionen in Höhe von 80 Prozent besonders gefragt. Aber dazu muss ich sagen: Wenn wir - das ist unser Ziel - eine Gesellschaft mit CO2-Emissionen in Höhe von 2 Tonnen pro Kopf sein wollen, dann wird das mit der bisher bekannten Technologie nicht möglich sein. Wir brauchen bei der Entwicklung der Technologie einen Quantensprung, nicht nur für unser Land, sondern auch für die internationale Staatengemeinschaft. Ich erinnere an das, was John F. Kennedy 1961 in einem anderen Zusammenhang gesagt hat. Er hat das Ziel der Mondlandung mit Technologien beschrieben, die es damals noch nicht gab. Acht Jahre später ist die Mondlandung gelungen.
Ein viel höheres Ziel ist es, Technologie für die Rettung des Weltklimas auf den Tisch zu legen. Wir müssen uns dieses ehrgeizige Ziel stecken und Technologien entwickeln, die es jetzt noch nicht gibt. Dann werden wir dieses ehrgeizige, aber völlig richtige Ziel - CO2-Emissionen in Höhe von 2 Tonnen pro Kopf - für die Bundesrepublik und für die internationale Staatengemeinschaft erreichen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Sehr guter Schluss, Herr Kollege Ruck.
Dr. Christian Ruck (CDU/CSU):
Mein letzter Satz. Ich stimme all denen zu, die sagen: Wir müssen unseren eigenen Emissionshandel, unsere eigenen Technologien und unsere eigenen Systeme so aufbauen, dass auch die Entwicklungs- und Schwellenländer sehen: Investitionen in den Klimaschutz sind etwas, was für Märkte, Produktion und Wettbewerbsfähigkeit von morgen sorgt. Dann werden sich alle Länder dem Kioto-Protokoll anschließen wollen und müssen nicht dazu gedrängt werden.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Kollegin Gabriele Groneberg ist die nächste Rednerin für die SPD-Fraktion.
Gabriele Groneberg (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Spannend war die Bali-Konferenz. Offensichtlich war sie auch ein Lehrstück für die Unwägbarkeiten der internationalen Politik und für Realpolitik; Kollege Ruck hat das gerade schon geschildert.
Eines muss man ganz deutlich sagen: Die Bundesregierung hat in enger Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine positive Führungsrolle ausgeübt; auch das ist heute Morgen schon des Öfteren betont worden. Ich möchte hinzufügen: Ministerin Wieczorek-Zeul und Minister Gabriel muss vor allen Dingen dafür ein herzlicher Dank gesagt werden, dass sie die entwicklungspolitischen Gesichtspunkte in einer Art und Weise in diese Debatte getragen haben, wie es zuvor noch nicht geschehen ist. Die Bali-Konferenz hat unter einem ganz anderen Stern gestanden. Dafür unser herzlicher Dank!
Der Erfolg dieser Konferenz - auch das hat Kollege Ruck gerade beschrieben - ist vor allen Dingen darin zu sehen, dass die Industrie- und Entwicklungsländer ihre Anstrengungen beim Klimaschutz in messbarer, dokumentierbarer und nachprüfbarer Weise verstärken wollen. Obwohl die Entwicklungsländer für den Treibhausgasausstoß nicht in dem Maße verantwortlich sind wie wir, werden sie hier zukünftig eine große Verantwortung tragen.
Die Entwicklung der Schwellenländer ist rasant; wir merken das an vielen Stellen. Uns ist wichtig, dass wir mit ihnen nicht oberlehrerhaft umgehen. Wir möchten sie allerdings herzlich bitten - dabei wollen wir sie auch unterstützen -, die Fehler, die wir, die Industrieländer, gemacht haben, zu vermeiden; das kann man doch tun. Wir unterstützen diese Länder in technologischer, vor allen Dingen aber auch in finanzieller Hinsicht und - auch das ist bereits angesprochen worden - beim Schutz tropischer Wälder; da der Regenwald heute Morgen schon mehrfach erwähnt worden ist, brauche ich an dieser Stelle nicht weiter darauf einzugehen. Es ist Fakt, dass mit der Forest-Carbon-Partnership-Facility endlich der Durchbruch auf diesem Gebiet gelungen ist. Das sollte man entsprechend würdigen.
Klimagerechtigkeit ist von der Armutsbekämpfung nicht zu trennen; sie ist eine unserer großen Zukunftsaufgaben. Hierbei geht es um Konflikt- und Krisenprävention wie auch um den Zugang zu sauberer Energie und die Versorgung mit Wasser. Für die Entwicklungsländer wird es dabei nur dann eine reelle Chance geben, wenn wir in all diesen Bereich erfolgreich sind.
Natürlich müssen wir die dafür notwendige Finanzierung zur Verfügung stellen.
- Frau Höhn lacht schon. - Dieser Punkt ist immens wichtig. Hier wird es einen enormen Finanzbedarf geben, gar keine Frage. Maßnahmen zur Abschwächung der Folgen des Klimawandels durchzuführen, ist eine teure Angelegenheit. Dafür müssen wir innovative Wege gehen und eine neue Finanzarchitektur schaffen.
Die Grundlagen dafür sind in Bali gelegt worden.
Ich wehre mich dagegen, den Emissionshandel, den wir als ein Instrument benutzen, von vornherein zu verteufeln. Natürlich werden wir auf die Maßnahmen des CDM setzen. Wir müssen sie auch für unsere afrikanischen Partner verstärkt verfügbar machen. Das Problem ist doch, dass zurzeit nur 3 bis 5 Prozent der Maßnahmen in Afrika durchgeführt werden können und der Rest in Asien und Lateinamerika durchgeführt wird. Hier müssen wir ansetzen. Das ist die Zukunft.
In diesem Zusammenhang ist für unsere Unternehmen wichtig, dass eine Vereinfachung der aufwendigen Verfahren und die Beseitigung der hohen Transaktionskosten in diesem Bereich angegangen werden. Hier müssen wir nacharbeiten, gar keine Frage.
Wichtig ist auch, dafür zu sorgen, dass Klimaprojekte gezielt in Angriff genommen werden können. Für den CDM können aber auch kleine Projekte gebraucht werden. Das ist zurzeit noch nicht in der Form möglich, wie es sinnvoll wäre. Ich warne aber davor, den CDM zu einem modernen Ablasshandel verkommen zu lassen. Diese Gefahr sehe ich nämlich. Natürlich wäre es einfacher, in Zukunft zu sagen: Wir kommen unserer Verpflichtung dadurch nach, dass unsere Unternehmen in Entwicklungsländern klimarelevante Maßnahmen durchführen. Dafür erfüllen wir aber unsere Verpflichtungen bei uns im Inland nicht. - Das geht nicht.
Insofern muss man da höllisch aufpassen; das gebe ich zu. Der CDM ist mit Sicherheit ein gutes Instrument; aber wir müssen auch im Inland unsere Verpflichtungen erfüllen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, sehe ich bei den in Ihrem Antrag vorgeschlagenen Maßnahmen leider nicht.
Von den Ergebnissen der Konferenz in Nairobi in Bezug auf die Entwicklung des Kioto-Anpassungsfonds waren alle fürchterlich enttäuscht. Das ist noch gar nicht lange her. In Bali ist auch da endlich ein Durchbruch erfolgt. Der Fonds, der jetzt gebildet wird, wird eines dieser neuen Finanzierungsmodelle sein. Jetzt kann man natürlich, wie die Kolleginnen und Kollegen von den Linken das tun, sagen: Das ist alles Käse, und das wird sowieso nicht funktionieren. - Man kann eine Sache gleich von Anfang an totreden. Wir wissen, dass dieser Fonds in den ersten Jahren noch nicht mit den Finanzmitteln ausgestattet ist, die eigentlich notwendig wären. Aber es ist doch ein Anfang für ein neues Finanzierungsinstrument. Warum soll man nicht auch solche Wege gehen? Wir können nicht mit den alten Instrumenten all die Aufgaben erledigen, die wir erledigen müssen.
- Eben. - Ich denke, man muss dem Fonds eine Chance geben. Man muss aufpassen, dass man den Fonds nicht zu einem Gebilde aufbläht, das selber Geld kostet. Der Fonds muss bei einer bestehenden Organisation angesiedelt werden; dann muss man sehen, wie man damit umgeht. Wichtig ist erst einmal, dass der Fonds auf der Grundlage eines Marktmechanismus funktioniert; es ist nicht so, dass nur die Geber permanent einzahlen. Vielmehr spielt der Markt eine Rolle.
Über den Finanzbedarf für die klimarelevanten Aufgaben hinaus dürfen die Mittel für die Armutsbekämpfung nicht zu kurz kommen; die Mittel dafür dürfen nicht zusammengestrichen werden. Wichtig ist ferner - das fordern wir ein, und ich bin sicher, dass wir da gute Ergebnisse erzielen werden - eine kohärente Zusammenarbeit von BMU und BMZ. Was nicht passieren darf, ist, dass unsere Bemühungen zersplittern und die deutsche Arbeit, wenn wir im Ausland auftreten, nicht mehr als kohärente Arbeit zu erkennen ist. Das ist ganz wichtig, und ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält der Kollege Andreas Jung, CDU/CSU-Fraktion.
Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute früh mehrfach bewertet worden, welches die Ergebnisse der Konferenz von Bali sind. Es ist teilweise beklagt worden, was nicht erreicht worden ist. Bevor ich zu einer eigenen Bewertung komme, will ich ein paar Eindrücke von dieser Konferenz wiedergeben, und zwar Eindrücke von 3 der 190 souveränen Staaten, die dort vertreten waren, Eindrücke, die zeigen, wie unglaublich schwierig es ist, die unterschiedlichsten Vorstellungen, Mentalitäten und Positionen unter einen Hut zu bekommen.
Erstes Beispiel: Indonesien. Auf dem Marktplatz eines kleinen Dorfes auf Borneo war ein abgehackter Baumstumpf ausgestellt, nicht etwa, wie man denken könnte, als Mahnmal der Abholzung des Regenwaldes, sondern im Gegenteil als Symbol für Entwicklung und Fortschritt, was damit sogar verherrlicht werden sollte - für die Augen europäischer Betrachter verwunderlich, fast undenkbar.
Zweites Beispiel: Saudi-Arabien. Die Vertreter Saudi-Arabiens haben auf der Konferenz die Position vertreten, mehr Klimaschutz sei ja möglicherweise richtig; klar sei aber, dass mehr Klimaschutz bedeuten würde: Förderung von neuen Technologien, mehr Technologietransfer und damit den Weg weg vom Öl. Der Weg weg vom Öl würde für Saudi-Arabien aber erhebliche Einbußen an Umsatz und Gewinn bedeuten; deshalb könne aus der Sicht Saudi-Arabiens mehr Klimaschutz nur beschlossen werden, wenn im Gegenzug Schadensersatz für die ölexportierenden Länder vereinbart werde.
Drittes Beispiel: Australien. Es gab einen australischen Wissenschaftler, der als eine Ursache des Klimawandels - nicht ganz zu Unrecht - die Bevölkerungsexplosion ausgemacht hat. Fakt ist: Steigende Bevölkerung führt zu mehr CO2-Ausstoß. Deshalb, so hat er argumentiert, sei es doch die logische Konsequenz, diejenigen Familien, die sich dafür entscheiden, mehr als zwei Kinder in die Welt zu setzen, mit einer CO2-Steuer zu belegen und umgekehrt den Paaren, die sich für Geburtenkontrolle und Verhütung entscheiden, eine CO2-Gutschrift zukommen zu lassen - also so etwas wie einen Babywindel-Emissionshandel.
Wir sind noch nicht dazu gekommen, der Familienministerin den Vorschlag zu unterbreiten. Ich finde, alle drei Vorschläge sind für uns undenkbar und unvorstellbar. Umgekehrt mag das, was uns objektiv richtig und möglicherweise offensichtlich erscheint, anderen seltsam und weit hergeholt erscheinen. Das zeigt, wie weit die Positionen auseinander sind und wie schwierig es ist, diese 190 souveränen Staaten, die man ja zu nichts zwingen kann und die man nur durch Einsicht zu Ergebnissen bringen kann, unter einen Hut zu bringen. Schauen Sie sich die Staaten an, von den USA bis hin zu Papua-Neuguinea, von den Industriestaaten, in denen die Menschen heute im Wohlstand leben, bis hin zu den Entwicklungsländern, in denen Menschen in bitterster Armut leben, deren größte Sorge es oftmals ist, wie sie den nächsten Tag überleben können, aber nicht, was in 10 oder 20 Jahren passiert! Ich finde, die Ergebnisse dieser Konferenz können sich sehen lassen.
Mehr als das, was in Bali erreicht wurde, war nicht herauszuholen. Frau Höhn, ich finde, das hat gar nichts mit Schönreden zu tun. Wir sollten uns vergegenwärtigen, dass jetzt der Startschuss für die Verhandlungen über das Post-Kioto-Protokoll gegeben wurde und dass das, was wir lange Zeit befürchtet haben, nämlich dass Verhandlungen abseits der Vereinten Nationen geführt werden, vom Tisch ist. Es ist jetzt klar: Wir wollen ein Klimaschutzabkommen mit allen Staaten der Welt unter dem Dach der Vereinten Nationen. Allein das ist schon ein wichtiger Punkt.
Es ist auch ein wichtiger Punkt, dass sich alle Industriestaaten - die USA eingeschlossen - dazu verpflichtet haben, selbst wirksame und messbare Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Es war nicht selbstverständlich, dass sich auch die Schwellen- und Entwicklungsländer dazu verpflichtet haben. Auf der Konferenz hat das Szenario einer Spirale nach unten gedroht. Die Schwellenländer haben gesagt, sie seien nicht bereit, messbare und ernsthafte Verpflichtungen zu übernehmen, wenn sich die Industriestaaten, insbesondere die USA und China, nicht bereit erklären, harte und ehrgeizige Verpflichtungen einzugehen. Man muss sich vor allem auch das anschauen, was nicht so sehr im Mittelpunkt der Berichterstattungen der Medien gestanden hat. Deshalb finde ich, dass die Konferenz ein Erfolg gewesen ist.
Ich will noch drei Punkte ansprechen: die Vereinbarung des Anpassungsfonds, den Technologietransfer und vor allem das, was jetzt von vielen Rednern in den Mittelpunkt gestellt worden ist, nämlich den Durchbruch beim Schutz der Regenwälder.
Zum ersten Mal soll der Waldschutz Teil eines Klimaabkommens werden. Wir konnten uns in Indonesien davon überzeugen, wie richtig das ist;
denn man muss sich vergegenwärtigen, dass 20 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aufgrund der Rodung von Regenwäldern entstehen und dass in Indonesien nicht an jedem Tag, nicht in jeder Stunde, sondern in jeder Minute Regenwald in der Größe eines Fußballplatzes einfach verschwindet. Ich finde deshalb, dass wir, die Staatengemeinschaft, aufgerufen sind, diesem Punkt eine ganz hohe Bedeutung einzuräumen.
Im Antrag der Koalitionsfraktionen zu Bali wurde die Bundesregierung aufgefordert, alle politischen und diplomatischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um den globalen Klimaschutz voranzubringen. Ich finde, wir können sagen: Auftrag ausgeführt! Herr Minister, ich will Ihnen für Ihre Verhandlungsführung in Bali danken. Sie haben mal mehr, mal weniger diplomatisch, aber immer zielorientiert und am Ende mit Erfolg verhandelt.
Ich bin überzeugt - auch das ist schon angesprochen worden -, dass Grundstein für diesen Erfolg in Bali die Präsidentschaften der Bundesrepublik Deutschland in der EU und in der G 8 waren. Daran, was durch die G 8 erreicht worden ist, hat zuvor niemand geglaubt. Ich glaube auch, dass zu diesem Erfolg der Konsens beigetragen hat, den es in der deutschen Delegation gab, nicht nur zwischen den Koalitionsfraktionen, sondern auch im gesamten Bundestag über alle Fraktionen hinweg und weit über den politischen Bereich hinaus. Ich war beeindruckt, zu erleben, dass sich hinter der Position der deutschen Bundesregierung in Bali alle deutschen Beteiligten - ich will fast sagen: von Greenpeace bis zum BDI - versammelt haben. Das hat unsere Position gestärkt.
Im Übrigen wurde unsere Position auch dadurch gestärkt, dass man uns international eine hohe Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz zuschreibt. Glaubwürdigkeit gewinnt man nicht durch Worte, sondern durch Taten. Es war interessant, zu sehen, wie sich in Bali herumgesprochen hat, dass wir Deutschen nicht nur hohe Verpflichtungen eingegangen sind und uns dazu bereit erklärt haben, weitergehende Verpflichtungen einzugehen, sondern dass wir auch ganz konkrete Maßnahmen zur Umsetzung dieser Verpflichtungen beschlossen haben.
?Meseberg? war in Bali ein Begriff. Das ist ein Erfolg dieser Bundesregierung.
Es ist klar, dass Wünsche offengeblieben sind und diese Ziele weiterverfolgt werden müssen. Sicher ist, dass die Bundesregierung dabei die Unterstützung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat. Wir wollen belastbare Vereinbarungen, in denen sich die Industriestaaten tatsächlich dazu verpflichten, ihre Treibhausgasemissionen um 25 bis 40 Prozent zu reduzieren. Wir wollen die Weiterentwicklung des Emissionszertifikatehandels zu einem globalen Kohlenstoffdioxidmarkt unter Einbeziehung des Flugverkehrs und des Schiffsverkehrs.
Wir halten zudem die von Angela Merkel formulierte Zielvorstellung für richtig: Grundlage für einen globalen, gerechten und effizienten Klimaschutz soll sein, dass langfristig jeder Mensch auf der Welt die gleiche Menge CO2 ausstoßen darf. Dafür kämpfen wir. In diesen Fragen unterstützen wir die Bundesregierung.
Ich hoffe, dass diejenigen Staaten, die den Klimaschutz in Bali zu einer Fußnote degradieren wollten, am Ende sagen: Hätten wir nur einmal das Kleingedruckte gelesen!
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Ulrich Kelber für die SPD-Fraktion.
Ulrich Kelber (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich zunächst einen Dank an die Oppositionsparteien aussprechen, dass die meisten der Rednerinnen und Redner in ihren Beiträgen differenziert haben. Zumindest wurde zwischen dem außenpolitischen und dem innenpolitischen Teil des Klimaschutzes differenziert. Bei Letzterem gehört es natürlich zum Pflichtprogramm, den kritischen Teil stärker zu betonen als die Punkte, in denen man übereinstimmt.
Ich möchte aber als letzter Redner in der Debatte und als Redner der Koalition auf ein paar der Argumente eingehen, die vonseiten der Opposition vorgetragen wurden.
Zunächst zum Beitrag des Kollegen Fell. Der Kollege Fell ist sicherlich einer der versiertesten Fachleute. Allerdings hat man ihm heute angemerkt, dass er sich mit dem, was er sich aufgeschrieben hat, einen Kampfauftrag gegeben hat, den er dann auch so ausgeführt hat, unabhängig von dem, was der Bundesumweltminister gesagt hat. Kollege Fell hat den Bundesumweltminister zu zwei Dingen aufgefordert: Erstens solle er sagen, dass wir auf erneuerbare Energien umsteigen wollen. Zweitens solle er sich für eine Reduktion der CO2-Emissionen in der EU um 30 Prozent einsetzen. Allerdings, Herr Kollege Fell, hat der Bundesumweltminister genau das in seiner Rede getan.
Das wussten Sie freilich nicht, als Sie Ihre Rede geschrieben haben. Aber Sie hätten hier zuhören und auf das eingehen müssen, was in der Regierungserklärung gesagt wurde.
Herr Kauch hat versucht, aus dem Problem, dass es zwischen den Landwirtschaftspolitikern und den Umweltpolitikern der FDP zwei völlig konträre Positionen im Hinblick auf die Biomasse gibt, einen Angriff auf die Große Koalition zu machen. Herr Kauch, ich gebe Ihnen recht, dass auch mit einer Quote die Gefahr eines Staubsaugereffekts besteht und wir dem nur dadurch begegnen können, dass der Anbau von Biomasse zur Gewinnung von Biokraftstoffen immer nachhaltiger erfolgt, dass wir beginnen müssen, daran zu arbeiten, und dass wir dabei immer punktgenauer werden müssen. Im Umkehrschluss müssen Sie mir doch aber recht geben, dass eine völlige Steuerbefreiung bei Biokraftstoffen, wie sie heute gefordert wurde, genau den gleichen Staubsaugereffekt hat.
Denn wenn Biokraftstoff in Ländern, in denen dazu der Regenwald gerodet wird, für 55 Cent pro Liter hergestellt und nach Deutschland gebracht werden kann, wo der Konkurrenzsprit 1,30 Euro kostet, dann glauben Sie doch nicht wirklich, dass darauf verzichtet wird, nur weil es auf einmal eine Steuerbefreiung statt einer Quote gibt. Man muss diesbezüglich ein stringentes System anbieten.
Der Kollege Meierhofer hat das Problem des Palmöleinsatzes in Kraftwerken dargestellt. Als Erstes muss man dazu festhalten, dass nur 10 Prozent der Palmölimporte in die Europäische Union energetisch genutzt werden. 90 Prozent werden in anderen Bereichen wie der Kosmetik- und Lebensmittelindustrie genutzt.
Erlauben Sie mir eine Belehrung, Herr Kollege Meierhofer. Man soll eigentlich auf Belehrungen verzichten, aber diese ist notwendig. Wenn wir heute über die Entwürfe des Klimaschutzprogrammes debattieren, dann müssen Sie die Entwürfe auch lesen. Im Gesetzentwurf zur Novellierung des EEG ist vorgesehen, dass die Palmölnutzung in Kraftwerken in Zukunft nicht mehr vergütet wird, bis es zu einer klaren Regelung kommt. Das hätten Sie lesen müssen, bevor Sie den Umweltminister angreifen.
Frau Kollegin Höhn, Sie haben zwei Beispiele - Bonn und Krefeld - genannt und sind auf das Thema Auto eingegangen. Zunächst zu Bonn; das ist wirklich eine spannende Debatte. Man muss zwar mit dem, was man aus Aufsichtsratssitzungen erzählt, vorsichtig sein - sie sind nämlich nicht öffentlich -, aber Folgendes darf ich sicherlich berichten: Der Aufsichtsrat in Bonn hat beschlossen, den Bau eines Steinkohlekondensationskraftwerks gemeinsam mit anderen in der Trianel-Gruppe zu prüfen. Dieser Beschluss ist einstimmig - inklusive des Vertreters der Partei Bündnis 90/Die Grünen in diesem Aufsichtsrat - gefasst worden. Diese Prüfung hat ergeben, dass ein Kondensationskraftwerk nicht nur nicht in unser ökologisches Portfolio passt - obwohl wir damit Braunkohlestrom von RWE ablösen wollen, den wir gegenwärtig ohne eigene Erzeugungskapazitäten beziehen müssen -, sondern unserer Ansicht nach auch nicht wirtschaftlich betreibbar ist, weil damit ein Effizienzgrad von höchstens 44 oder 45 Prozent erreicht wird.
In Krefeld soll ein Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerk mit einem Wirkungsgrad von über 90 Prozent gebaut werden, das zum Teil Ölfeuerungen in einer Chemieanlage durch Auskopplung von Wärme ablöst.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Kelber, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Höhn?
Ulrich Kelber (SPD):
Immer.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Bitte.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Kelber, ich war selber in Krefeld und kenne die Daten sehr gut. Können Sie bestätigen, dass Ihre Aussage, das in Krefeld geplante Kohlekraftwerk werde einen Wirkungsgrad von über 90 Prozent erreichen, falsch ist? Ich bitte Sie, zu begründen, wie Sie darauf kommen. Diese Aussage ist nach den Unterlagen, die allen vorliegen, eindeutig falsch.
Ulrich Kelber (SPD):
Sie müssen zwei Punkte unterscheiden. Das sind erstens die Versuche, die es gibt, und das, wofür sich die SPD eingesetzt hat.
Wir haben gesagt: Es soll gebaut werden, wenn ein hocheffizientes Kraft-Wärme-Kopplungs-Kraftwerk mit der Auskopplung von zum Beispiel 400 Megawatt für die Chemieanlage entsteht, die heute die Wärmeerzeugung mit einer Ölfeuerung erreicht, und wenn der Strom zur Eigenerzeugung im Bereich der Stadtwerke Krefeld ebenfalls den Grundlaststrom von RWE ersetzt, der aus den aus den 50er-Jahren stammenden Braunkohlekraftwerken aus Frimmersdorf stammt. Die CO2-Bilanz - wir können gerne Vergleiche anstellen, Frau Höhn - ist frappierend gut.
Zweitens. Sie haben festgestellt, die Sozialdemokraten im Europaparlament hätten sich dafür eingesetzt, dass der Zeitpunkt, zu dem die Hersteller von Automobilen den Grenzwert von 120 Gramm CO2 je Kilometer einhalten müssen, von 2012 auf 2015 verschoben wird. Ich gehe davon aus, dass man im deutschen Parlament nicht wissentlich die Unwahrheit sagt. Von daher haben Sie wahrscheinlich nicht alle Informationen bekommen. Bei den Einzelpunktabstimmungen hat die SPE gegen die Verschiebung gestimmt. Ich zitiere den Sprecher der SPE, den deutschen Abgeordneten Matthias Groote:
Das Startdatum zur Reduzierung der CO2-Emissionen muss 2012 sein, und nicht erst 2015. Die Automobilindustrie weiß schon seit 1995, dass sie ihre Kohlendioxidemissionen senken muss. 12 Jahre Vorlaufzeit sind mehr als genug.
Das Zitat stammt vom 11. Januar 2008. Ich lasse es Ihnen gerne gleich zukommen, damit Sie Ihre Aussage in diesem Punkt revidieren können.
Ich glaube, wir sind - auch mit dem Nationalen Klimaschutzprogramm - auf einem guten Weg. Wir werden nach dem im Mai vorgelegten zweiten Teil irgendwann noch einen dritten Teil vorlegen müssen; denn wir müssen zeigen, dass wir die 40-Prozent-Vorgabe erfüllen. Ich glaube, die Große Koalition wäre gut beraten, wenn sie die dafür notwendigen Positionen noch vor dem nächsten Wahltermin gemeinsam erstellt, statt bis nach 2009 zu warten.
Ich finde es absolut richtig, das Thema Umweltgerechtigkeit verstärkt in diese Debatte einzubringen, wie es vor allem die Rednerinnen und Redner aus dem Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, aber auch der Umweltminister getan haben, statt bis nach 2009 zu warten. Das gilt sowohl für die Frage der internationalen Gerechtigkeit als auch der sozialen Gerechtigkeit im eigenen Land; denn es sind nicht nur die Ärmsten der Armen in Afrika oder anderen Regionen der Welt betroffen. Im Übrigen haben diese Ärmsten nie etwas zum Klimawandel beigetragen. Deren Lebenswandel entsprechend hätten sich die CO2-Emissionen auf eine Größenordnung beschränkt, die noch Jahrmillionen hätte beibehalten werden können. Daraus entstammt die Pflicht, dass diejenigen, die den Klimawandel verursacht haben, denen, die darunter leiden, obwohl sie selbst keine Schuld haben - weder wissentlich noch unwissentlich -, ausreichend helfen, statt sie in ihrer Not - es geht um das Überleben dieser Menschen - sitzen zu lassen. Das ist eine Frage sozialer Gerechtigkeit.
Im eigenen Land müssen wir in der Tat überprüfen, wo Menschen von bestimmten Entwicklungen besonders betroffen sind und wo die vorhandenen Fördermechanismen und gesetzlichen Regelungen noch nicht in ausreichendem Maße greifen. Ein Beispiel ist, dass unsere Fördermechanismen in erster Linie den Eigenheimbesitzern helfen. Wir müssen aber dafür sorgen, dass der Wohnungsbau, insbesondere der soziale Wohnungsbau, in die Programme zur Modernisierung und Wärmedämmung einbezogen wird, damit auch diese Menschen die Möglichkeit haben, ihre Heizkosten zu reduzieren. Hier verhindern bestimmte zusätzliche Regelungen Investitionen eher. Wir müssen dafür sorgen, dass Regelungen bei denjenigen, die auf staatliche Sozialtransferleistungen angewiesen sind, dem Klimaschutz nicht entgegenstehen.
Ich freue mich sehr, dass Bundesminister Tiefensee heute Morgen angekündigt hat, gemeinsam mit den Bundesländern eine Initiative zur Anpassung des Wohngelds an die gestiegenen Heizkosten zu starten. Ich finde, es ist ein Unding, dass jemandem der Umzug in eine Wohnung verweigert wird, weil für diese eine höhere Kaltmiete zu zahlen ist als für die alte, obwohl die neue Wohnung wesentlich besser gedämmt ist und deswegen keine höhere Warmmiete zu zahlen ist. Hier stehen deutsche Gesetze dem Klimaschutz entgegen. Wir werden 2008 die Fördermechanismen und die Gesetze anpassen, um den sozialen Aspekt beim Klimaschutz stärker als in der Vergangenheit zu betonen. Ich glaube, das ist eine wichtige Weiterentwicklung unseres Klimaschutzprogramms.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/7763. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/7006 und 16/7752 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a und b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Christine Scheel, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Steuerabzug bei Managerabfindungen begrenzen
- Drucksache 16/7530 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE
Begrenzung der Managervergütung fördern
- Drucksache 16/7743 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Christine Scheel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen die Debatte über hohe Bezüge von Managern und Managerinnen - davon gibt es auch ein paar - heute nicht zum ersten Mal. Wir, die Grünen, wollen mit unserem Antrag dafür sorgen, dass den Worten auch Taten folgen.
Die Grünen waren die Ersten, die in dieser Debatte einen Antrag vorgelegt haben, der sowohl aus rechtlichen als auch aus verfassungsrechtlichen Gründen sinnvoll und haltbar ist. Wir greifen mit unserem Antrag die gesellschaftliche Debatte auf. Ich hoffe, dass unser Antrag bei der Großen Koalition Zustimmung findet.
Heute berichten Zeitungen und Rundfunk darüber, dass Minister Steinbrück es durchaus richtig findet, den staatlich subventionierten Selbstbedienungsladen für Managerabfindungen zu schließen. Genau dies haben die Grünen aufgegriffen. Diesen Ansatz sollten wir hier verfolgen und zu einer klaren Entscheidung bringen.
Es ist völlig richtig, dass der immer größere Abstand zwischen extrem hohen Bezügen einzelner Manager und dem normalen Einkommen von Bürgern und Bürgerinnen den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft bedroht. Allerdings stellt sich die Frage - wir werden uns in der heutigen Debatte auch mit dem Antrag der Linkspartei auseinandersetzen -, welche Antwort man darauf gibt. Die Antwort, die gegeben werden kann, muss natürlich auch umsetzbar sein. Das Parlament, die Politik, muss brauchbare Regelungen treffen und darf nicht eine Antwort geben, wie sie von der Linkspartei gegeben wird: den populistischen Vorschlag einer Steuerbelastung von 65 Prozent, von dem wir heute schon wissen, dass das Bundesverfassungsgericht ihn nicht akzeptiert, weil in Deutschland der Halbteilungsgrundsatz gilt. Das müssen Sie akzeptieren, und es hilft auch nichts, wenn Sie dies blöd finden. Man muss Vorschläge machen, die auch tauglich und umsetzbar sind.
Wir haben in unserem Antrag erstens den konkreten Vorschlag gemacht, eine Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs vorzunehmen, damit Abfindungen, wenn sie eine Höhe von über 1 Million Euro erreichen, nicht mehr von den Steuerzahlern subventioniert werden. Vielmehr sollen die Unternehmen diese Abfindungen nicht mehr so ansetzen können, dass ihre Gewinne reduziert werden.
Der zweite Vorschlag, zu dem sich Ministerin Zypries schon positiv geäußert hat, zielt auf mehr Aktionärsdemokratie in unserem Land ab.
Die Hauptversammlung soll den Gesamtrahmen der Vorstandsbezüge festlegen. Dort muss alles auf den Tisch: nicht nur das, was der Manager oder die Managerin im Jahr bekommt, sondern auch, welche Gewinnbeteiligungen Bestandteil des Gehalts sind, welche Aufwandsentschädigungen und Provisionen gezahlt werden und welche Konsequenzen Aktienoptionen haben. Herr Minister Glos hat dies ebenfalls aufgegriffen. Aber das Problem mit der Großen Koalition ist, dass immer erst laut getönt wird, man sich aber dann, wenn es konkret wird, vom Acker macht. Trotzdem hoffe ich sehr, dass wir hier eine Lösung des Problems erreichen und die Hauptversammlung in ihren Rechten gestärkt werden kann,
auch wenn - das sage ich bewusst an die Adresse der SPD - dies manchen Gewerkschaftsführern nicht gefällt, weil sie Angst um ihren Einfluss in den Aufsichtsräten haben. Aber wir wollen an dieser Stelle mehr Aktionärsdemokratie.
Gut wäre des Weiteren mehr Transparenz. Wenn die erforderlichen Informationen in den Hauptversammlungen gegeben werden, dann wird das Bewusstsein aller Anteilseigner geschärft werden; denn die Selbstbedienungsmentalität, die so ausgeufert ist, geht auch auf Kosten der Anteilseigner und -eignerinnen. Das ist vielen gar nicht bewusst. Mehr Transparenz führte hier zu einer anderen Situation; dann würden die Debatten bei den Versammlungen auch anders geführt werden.
Ich möchte nicht, dass sich die Große Koalition bei diesem Thema wegduckt.
Im Moment führen wir mit Blick auf die anstehenden Wahlkämpfe Debatten über andere Fragen. Wir möchten, dass sich niemand vor diesen Missständen wegduckt, und wollen der Bevölkerung klipp und klar sagen, was geht und was nicht geht. Diese Debatte muss sehr ehrlich geführt werden, wobei folgenlose Appelle wie der der Bundeskanzlerin an die Moral der Manager nicht ausreichen. Es ist Gift für das Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen, wenn Politiker mit populistischen Themen auf Stimmenfang gehen, dann aber wegtauchen, sodass letztlich nichts passiert. Aus diesem Grunde muss gehandelt werden. Dafür gibt es einen sehr guten grünen Vorschlag.
Danke schön.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Otto Bernhardt das Wort.
Otto Bernhardt (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wegen der Zahlung von sehr hohen Abfindungen in Einzelfällen hat es eine sehr kritische Diskussion in Deutschland gegeben, und diese Diskussion über Managergehälter generell dauert an. Ich sage deutlich: Die Union nimmt diese Diskussion sehr ernst; denn letztlich geht es um den sozialen Frieden in Deutschland.
Ich will zwei Bemerkungen machen, bevor ich mich mit den entscheidenden fünf Punkten der beiden vorliegenden Anträge auseinandersetze. Erste Bemerkung: Wenn wir uns die Managergehälter in der Welt anschauen, dann müssen wir heute feststellen, dass an der Spitze nicht mehr Deutschland liegt, auch nicht mehr die westlichen Industrieländer liegen; an der Spitze liegen heute zwei arabische Länder, dann kommen Schwellenländer wie China und Russland. In einer internationalen Statistik liegen wir auf Platz 19, wie immer man das berechnet.
Zweite Bemerkung: Ich glaube, es ist nicht gut, wenn wir die Diskussion über Spitzengehälter auf den Bereich der Wirtschaft konzentrieren. Das ist ein Bereich, mit dem wir uns intensiv beschäftigt haben. Hier muss man vielleicht noch einiges tun, aber ich sehe nicht ein, warum andere Bereiche, ob es der Sport oder die Kultur ist oder ob es die öffentlich-rechtlichen Medien sind, nicht in die Überlegungen einbezogen werden. Gehälter, die in der Wirtschaft gezahlt werden, betreffen die Bevölkerung insofern, als wegen der Geltendmachung als Betriebsausgabe 30 Prozent weniger Steuern gezahlt werden. Aber die Gehälter etwa im öffentlich-rechtlichen Fernsehen - manchmal liest man ein bisschen über die Beträge, die da gezahlt werden - zahlen wir alle zu 100 Prozent über unsere Gebühren. Deshalb sage ich: Wir müssen die Diskussion auf andere Bereiche erweitern.
Ich komme nun zu den fünf Punkten, die in den Anträgen stehen, die heute diskutiert werden. Zwei davon finden sich in dem Antrag der Grünen, vier im Antrag der Linken, in einem Punkt stimmen beide überein.
Der erste Punkt ist die Forderung nach Höchstgrenzen für Spitzengehälter. Diese Forderung finden wir im Antrag der Linken, und zwar bezogen auf Unternehmen, auf die die öffentliche Hand Einfluss hat. Ich sage sehr deutlich: So etwas wird es mit der Union nicht geben. So etwas gibt es in keinem Land der Welt. Dies ist ein sicher nicht geeigneter und wahrscheinlich auch nicht verfassungskonformer Weg.
Der zweite Punkt ist schon ernster zu nehmen. Da geht es um die Frage, ob man die betriebliche Absetzbarkeit von Abfindungen begrenzt. Der gemeinsame Vorschlag der Linken und der Grünen liegt bei 1 Million Euro. Das würde bedeuten, dass bei der zweiten Million, die ein Betrieb unter Umständen aufgrund vertraglicher Vereinbarung zahlen muss, der Betrieb dann 300 000 Euro Steuern zahlt und derjenige, der die zweite Million bekommt, auf diese auch noch einmal 500 000 Euro Steuern zahlt. Das heißt: Netto kommt eine Abfindung von 500 000 Euro an, und es werden Steuern in Höhe von 800 000 Euro gezahlt. Ich sage nicht, dass wir diesen Weg grundsätzlich ablehnen, aber man muss sich das wirklich genau überlegen. Rechtlich geht das, um das klar zu sagen; denn man kann zum Beispiel schon heute Aufsichtsratsvergütungen nur zur Hälfte absetzen. Das Argument zieht also nicht.
Bei dem dritten Punkt geht es um die Frage einer besonderen Steuer für Managergehälter, was letztlich logischerweise eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes für alle bedeutet, weil man das nicht nur bei Managergehältern machen kann. Die Linken schlagen vor, den Steuersatz für zu versteuernde Einkommen ab 2 Millionen Euro auf 65 Prozent festzusetzen; mit Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer liegt man dann bei 70 Prozent. Wir wären damit Spitzenreiter in der Welt. Ich will hier gar nicht rechtlich argumentieren, wie es die Kollegin Scheel getan hat. Wahrscheinlich ist das auch rechtlich sehr problematisch. Wir wollen das aus ganz anderen Gründen nicht: Die Reichen würden Deutschland verlassen, was katastrophale Folgen hätte. Schon heute haben viele ihren Wohnsitz in die Schweiz und nach Österreich verlegt. Wer also glaubt, er bekäme über diesen Weg mehr Steuern, der irrt. Dieser Weg wird weniger Steuereinnahmen bringen.
Der vierte Punkt betrifft die Transparenz. Wir haben schon manche Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz bei Aktiengesellschaften und in Analogie dazu auch bei großen Personengesellschaften ergriffen. Wir haben zum Beispiel der Hauptversammlung das Recht gegeben, auf bestimmte Dinge zu verzichten, wenn es dafür eine qualifizierte Mehrheit gibt.
Was die Transparenz angeht, kann man durchaus über einzelne Punkte sprechen. Ich sage auch hier sehr deutlich: Es muss dann auch einmal ein Blick auf andere Bereiche gestattet sein, und es darf keine isolierte Betrachtung vorgenommen werden.
Der fünfte Punkt - er ist für mich der interessanteste in der ganzen Debatte - ist der Vorschlag der Grünen, die rechtlichen Möglichkeiten der Aktionäre - sie bezahlen das letztlich; sie bezahlen 70 Prozent, 30 Prozent bezahlen wir alle über Steuern - zu verbessern. Ich bin für eine Erweiterung dieses Vorschlags: Wir sollten nicht nur die Interessen der Aktionäre, die das größtenteils bezahlen, stärker berücksichtigen, sondern auch einen Blick auf das Vereinsrecht im Sport werfen. Ich befürchte, man muss auch über mehr Transparenz dort nachdenken. Das, was von ganz tollen Vereinen gezahlt wird, muss auch einmal zumindest kritisch hinterfragt werden. Vielleicht müssen wir den Verwaltungsräten in den öffentlich-rechtlichen Bereichen mehr Kompetenzen in dieser Frage geben.
Ich sage zu den fünf Vorschlägen, die in der Diskussion sind: Eine Begrenzung des Einkommens per Gesetz wird es mit der Union nicht geben.
Eine Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit von Abfindungen kann man diskutieren. Ich habe dazu schon einige kritische Bemerkungen gemacht. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes über die heutigen 45 Prozent hinaus wird es mit der Union nicht geben. Bezüglich einer besseren Transparenz sind wir bereit, über Einzelheiten zu diskutieren. Ich mache den Hinweis auf eine mögliche Erweiterung. Das Gleiche gilt für den fünften Vorschlag: Stärkung der Aktionäre. Wir erweitern diesen Vorschlag: Stärkung auch in anderen Bereichen.
Für die Union möchte ich einen Gesichtspunkt ganz deutlich ansprechen: Angesichts der hitzigen Diskussion, die zurzeit läuft - ich habe Verständnis für diese Diskussion -, warnen wir vor übereilten gesetzlichen Schritten. Ich vermute, dass die jetzt stattfindende Diskussion schon manchen Gewerkschaftler im Aufsichtsrat eines DAX-Unternehmens veranlasst hat, intensiver über die Frage nachzudenken, zu welchen Punkten man in der Vergangenheit seine Zustimmung gegeben hat.
Das wird das Bewusstsein der Verantwortlichen in den Vorständen stärken. Ich habe nicht den Eindruck, dass es im Sport und beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen schon eine kritische Diskussion gibt. Dort fühlt man sich noch in keiner Weise angesprochen. Deshalb müssen wir die Diskussion hier erweitern.
Ich appelliere an all die Verantwortlichen, die solche Gehälter, Abfindungen und Nebenleistungen festlegen, sich einmal das anzuschauen, was eine Regierungskommission im Sommer letzten Jahres zu dieser Problematik unter dem Motto Selbstverpflichtung vorgelegt hat. Ich sage sehr deutlich: Natürlich hat für uns von der Union Selbstverpflichtung Vorrang vor gesetzlichen Maßnahmen.
Ich vermute allerdings, dass am Ende der Diskussion auch einige gesetzliche Änderungen stehen.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Hermann Otto Solms für die FDP-Fraktion.
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Scheel hat den Antrag der Grünen hier vorgestellt. Dieser Antrag beginnt mit einem wichtigen Satz:
Das immer weitere Auseinanderklaffen der Bezüge am oberen und unteren Ende der Einkommensskala ist zu einer ernsten Bedrohung der ethischen Grundlagen unserer Gesellschaft geworden.
Ich stimme dem zu. Aber ich will vorausschicken: Wer an andere hohe ethische Ansprüche stellt, muss bei sich selbst anfangen.
Ich bin aus dem Staunen nicht herausgekommen, als ich heute Morgen - zehn Tage vor den Landtagswahlen - Zeitungen aufschlug und eine Anzeige der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen sah, in der rein landtagswahlbezogene Themen behandelt werden, nämlich Jugend, Kriminalität und Bildung. Gefunden habe ich diese Anzeige in den Zeitungen Frankfurter Allgemeine, Frankfurter Rundschau, Hannoversche Allgemeine, Neue Presse aus Hannover und Süddeutsche Zeitung; in Bayern finden ja Anfang März Kommunalwahlen statt.
- Die Zeitungen in Hamburg habe ich nicht überprüft. Das überlasse ich Ihnen; überprüfen Sie bitte auch noch die Hamburger Zeitungen.
Ich möchte dazu nur sagen: Das ist unzulässig; zu diesem Ergebnis sind wir immer wieder gekommen, wenn wir uns mit solchen Fällen befasst haben.
Das erhebt den Verdacht der unzulässigen Parteienfinanzierung. Damit muss sich der Rechnungshof befassen. Sie können nicht mit den Steuergeldern der Bundestagsfraktion Wahlkampfmittel und Wahlkampfeinsätze finanzieren.
- Das mit Grün-Schwarz kommt noch hinzu.
Zurück zum Thema. Natürlich kann man sich ärgern, wenn Manager absurd hohe Gehälter und Abfindungen erhalten, insbesondere, wenn sie erfolglos gehandelt haben. Die Frage ist nur: Soll sich jetzt die Politik - bei den Mindestlöhnen wie bei den Managergehältern - in die Lohnfindung einmischen? Wir in Deutschland haben doch immer das in der Verfassung festgeschriebene Grundprinzip der Vertragsfreiheit gesichert und bewahrt. Werden nicht die Gewerkschaften entmachtet, wenn jetzt die Politik die Löhne festsetzt?
Ich möchte daran erinnern, in welch schwierige Situation die Gewerkschaften dadurch kommen.
Die Tarifautonomie wurde immer wieder von allen Parteien im Bundestag bestätigt. Jetzt wollen Sie sich in die Lohnfindung einmischen, und das in einem Parlament, das nicht einmal in der Lage ist, eine vernünftige Versorgungsregelung für die Abgeordneten selbst zu beschließen.
Jetzt wollen Sie für alle reden; dabei kann doch nichts Vernünftiges herauskommen.
Wenn Sie das machen, dann werden Sie bei jeder Wahl Oskar Lafontaine hinterherlaufen, weil er immer noch weiter als Sie geht und das Stöckchen immer höher hebt;
Sie kommen da nicht hinterher. Es wird genau so laufen wie jetzt bei den Steuervorschlägen: Sie haben den Spitzensteuersatz auf 45 Prozent angehoben; jetzt fordert Lafontaine 65 Prozent. Wenn Sie ihm ein Stück weit folgen, dann fordert er halt 75 oder 85 Prozent.
Sie können seine Forderungen nie erfüllen. Auf solche Dinge darf man sich nicht einlassen.
Sie müssen sich schon mit der Frage befassen: Wie sichern wir den Standort Deutschland international, in einer offenen Welt? Die Sauerei, die jetzt von Nokia veranlasst wird,
ist in genau diesem Zusammenhang zu sehen. Die ganze Subventionitis hat doch zu nichts geführt.
Jetzt sind die Bindefristen für die Subventionen ausgelaufen; die Subventionen sind kassiert. Jetzt wird die Ansiedlung von Nokia in Rumänien indirekt mit unseren Steuergeldern von europäischer Ebene mitfinanziert. Selbst wenn nicht direkt subventioniert wird, werden steuerliche Begünstigungen gewährt und Rahmenbedingungen geschaffen; wir finanzieren das mit. Das kann so nicht weitergehen.
Wenn wir in diesem Wettbewerb bestehen wollen, dürfen wir nicht auf die Handvoll Manager schauen, sondern auf die 40 Millionen Beschäftigten in Deutschland.
Was hat die Große Koalition mit den Beschäftigten gemacht? Sie hat ihre Steuern und Abgaben dramatisch erhöht, sodass eine durchschnittliche Familie im Jahr 1 600 Euro weniger in der Tasche hat.
Das Gegenteil wäre richtig: Abgaben senken, Steuern senken, die rigide Arbeitsmarktpolitik entflechten, flexibilisieren, damit die Rahmenbedingungen in Deutschland mindestens so gut wie in den Wettbewerbsländern sind, mit denen wir zu tun haben.
Dann brauchen wir uns nicht zu fürchten, dann wird es hier wieder zu Ansiedlungen kommen, dann werden Unternehmen sogar zurückkommen. Wenn Sie immer mehr regulieren und sich in unternehmerische Entscheidungen oder Entscheidungen der Arbeitnehmerseite einmischen, werden Sie dafür sorgen, dass die Unternehmen einen großen Bogen um Deutschland machen.
Es gilt unser Appell: Ethische Grundsätze müssen auch in der Wirtschaft gelten. Die Rechte der Arbeitnehmer - sie sind über den Aufsichtsrat immer an den Entscheidungen beteiligt -, der Arbeitgeber und insbesondere der Aktionäre müssen gestärkt werden. Ich halte es auch für richtig, mehr Transparenz zu schaffen. Herr Bernhardt, das muss natürlich für alle gelten: nicht nur für die Wirtschaft, sondern beispielsweise auch für den Sport, für die Kunst und für öffentlich-rechtliche Organisationen. Das muss überall gelten. Das kann gestärkt werden. Aber die Entscheidungen selbst müssen da getroffen werden, wo auch die Verantwortung dafür liegt.
Wir sind dafür nicht verantwortlich. Die Politik darf sich nicht selbst alles aufladen.
Das ist unser Appell: Lassen Sie die Entscheidungen dort, wo sie hingehören! Flexibilisieren Sie! Schaffen Sie Erleichterungen für die Menschen bei Steuern und Abgaben! Dann wird die Zukunft in Deutschland viel besser gesichert sein.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Ulrich Krüger für die SPD-Fraktion.
Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD):
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Juristen sagen: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.
Manchmal trägt ein solcher Blick ins Gesetz allerdings auch zur Moralfindung bei. So ist zum Beispiel ein Blick in § 87 des Aktiengesetzes recht aufschlussreich. Darin heißt es:
Der Aufsichtsrat hat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge ... dafür zu sorgen, daß die Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen.
Diese Angemessenheit der Bezahlung haben einige Vorstände leider aus den Augen verloren.
Managergehälter in Höhe von 60 Millionen Euro, Abfindungszahlungen für Versagen der Manager in einer Höhe, die ein durchschnittlich verdienender Arbeitnehmer in seinem gesamten Erwerbsleben nicht erwirtschaften wird,
die Arroganz derer, die diese Summen damit rechtfertigen, dass sie es aufgrund ihrer Verantwortung und ihrer Leistung - angeblich - verdient hätten, so viel Geld zu erhalten,
all das lässt einen Großteil der Bevölkerung nur noch verständnislos den Kopf schütteln.
Es verwundert daher nicht, dass immer mehr Menschen in unserem Land eine Gerechtigkeitslücke beklagen. Wenn nur noch 15 Prozent der Menschen in Deutschland der Ansicht sind, das Einkommen sei gerecht verteilt, so spricht das Bände. Es ärgert die Menschen, dass Topmanager zweistellige Millionenbeträge kassieren und gleichzeitig verkünden, dass sie einen Großteil der Belegschaft auf die Straße setzen. Es ärgert die Menschen, dass dagegen zu wenig getan wird. Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um das Führen einer Neiddebatte, sondern um die Pflichten, die aus dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes folgen.
Wir als SPD sind nicht bereit, die von den Menschen wahrgenommene Ungerechtigkeit weiter zu akzeptieren. Häufig hört man den Spruch, die Vorstände der Aktiengesellschaften seien nur ihren Aktionären verpflichtet, um in deren Sinn Gewinnmaximierung zu betreiben. Ich sage Ihnen dazu: Die Topmanager sind darüber hinaus auch ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verpflichtet, die - häufig unter Lohnverzicht - einen großen Beitrag zur Gewinnerzielung des Unternehmens geleistet haben.
Versagen nun hochbezahlte Vorstände auf ganzer Linie, was häufig dazu führt, dass Hunderte, ja Tausende von Arbeitsplätzen verloren gehen, kann zumindest ich nicht erklären, weswegen es im Sinne des § 87 Aktiengesetz angemessen sein soll, diesen Menschen Abfindungen für ihr Ausscheiden aus dem Unternehmen zu zahlen, und zwar Abfindungen in einer Höhe, die die meisten der arbeitslos gewordenen Arbeitnehmer in ihrem ganzen Erwerbsleben nicht erwirtschaften können.
Solche Zahlungen, seien es überzogene Gehaltszahlungen, seien es überzogene Abfindungszahlungen, werden auch sozialisiert - das klang schon an -, indem sie als Betriebsausgaben den Gewinn der Unternehmen mindern und damit zu geringeren Steuereinnahmen führen. Hier ist die Grenze des guten Geschmacks überschritten.
Exzessive Managergehälter sind selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn der Manager sein Unternehmen gut platziert hat. Eine solche Leistung ist sicherlich zu würdigen, nur sollte man in Bezug auf die Entlohnung auch eine gehörige Portion Vernunft und Einsicht erkennen lassen. Stellen wir uns einmal vor, die für den aktuellen Aufschwung in Deutschland nicht ganz unverantwortlichen fleißigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden ihren Anteil an der guten wirtschaftlichen Entwicklung in ähnlicher Weise einfordern wie manche Topmanager und nach Jahren des Lohnverzichts bzw. stagnierenden Reallohns nicht 5 bis 8 Prozent, sondern 50 oder 80 Prozent fordern! Den Aufstand in der Vorstandsetage möchte ich einmal sehen.
Sicherlich ist es schwierig, Begriffe wie Leistung und Verantwortung zu definieren. Ein Arzt auf der Intensivstation hat meines Erachtens ebenso viel Verantwortung für Menschen, gar für Menschenleben, wie ein Topmanager. Fakt ist aber, dass die Einkommen von Topmanagern und Assistenz-, ja sogar Chefärzten meilenweit zugunsten der Manager auseinanderklaffen.
Wir sehen also, das Thema bewegt das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen, die sich völlig zu Recht über Lohnstillstand und Lohnverzicht empören, wenn sie gleichzeitig erleben, wie eine ganz bestimmte Kaste ihre Gehälter und Abfindungen nach oben treibt.
Hier ist politisches Handeln notwendig und richtig. Aus diesem Grunde hat die SPD im Dezember letzten Jahres eine Arbeitsgruppe mit dem Titel ?Angemessenheit und Transparenz von Managervergütungen? eingerichtet. Es geht uns dabei nicht darum, um auch das klar zu sagen, einen staatlich verordneten Höchstlohn zu schaffen. Jeder Manager soll so viel verdienen können, wie er verdient hat, aber ohne dabei das Augenmaß zu verlieren; denn auch Manager haben Vorbildcharakter in unserer Gesellschaft und sollten sich dessen bewusst sein.
Daher ist selbstverständlich zu überlegen, wie Vorstandszahlungen transparenter gestaltet werden können. Ein Kollege von uns hat vor einigen Wochen zu einer ähnlichen Thematik gesagt, Sonnenschein sei ein gutes Reinigungsmittel. Ich kann dem nur beipflichten. Die Aktionäre zum Beispiel sind bei Gehaltsverhandlungen gar nicht dabei, sondern müssen darauf vertrauen, dass die zuständigen Gremien in ihrem Sinne handeln. Aber auch der Aufsichtsrat in Gänze ist häufig nicht vollständig einbezogen. In der Praxis führt vielmehr der Aufsichtsratsvorsitzende, häufig genug selbst Vorstandsmitglied oder Vorstandsvorsitzender eines anderen Unternehmens, gegebenenfalls unterstützt von einem diskreten Präsidialausschuss, im stillen Kämmerlein die Gehaltsverhandlungen.
Andere Aufsichtsratsmitglieder erfahren hiervon in der Regel nur auf Anfrage. Ändern können sie bei mitbestimmten Unternehmen angesichts des Zweitstimmrechtes des Aufsichtsratsvorsitzenden häufig nicht mehr allzu viel.
Getreu dem Motto ?Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus? besteht deshalb häufig gar kein Interesse, Managergehälter zu begrenzen. Hier kann man prüfen, ob es Möglichkeiten gibt, der Hauptversammlung Rahmenrechte zu geben. So könnte sie Vorschläge für eine ganz bestimmte Gehaltsskala machen; das wäre eine Art Richtlinie, an die sich der Aufsichtsratsvorsitzende dann auch zu halten hätte. Das könnte man gegebenenfalls mit einem Missbilligungsrecht der Aktionäre verbinden. Dies hätte den Effekt, dass die Hauptversammlung entscheiden könnte, was die Leitung ihres Unternehmens ihr letztendlich wert ist.
Ein weiterer wichtiger Punkt - auch das ist schon angeklungen -, wo man ansetzen könnte, ist die Möglichkeit des steuerlichen Abzugs von Managergehältern und Abfindungen. Selbst im Mutterland des Kapitalismus, den USA, können Firmen die Gehälter ihrer Topmanager nicht unbegrenzt von der Steuer absetzen: ohne gesonderte Begründung nur in Höhe von 1 Million Dollar. In Deutschland ist es so, dass exorbitante Managergehälter und Abfindungen komplett abgesetzt werden können. Das hat zur Folge, dass der Gewinn der Unternehmen minimiert wird. Dass hier ein Fehler im System steckt, leuchtet jedem ein. Das haben auch die Autoren des Deutschen Corporate Governance Kodex Mitte letzten Jahres ansatzweise erkannt und demgemäß eine neue Schwerpunktsetzung bei Abfindungsregelungen empfohlen. Diesen Gedanken muss man weiterentwickeln und die Gestaltungsmöglichkeiten unseres Steuerrechtes nutzen.
Von daher bin ich froh, dass zumindest heute Morgen in dieser Runde Klarheit darüber besteht, dass der Steuergesetzgeber hier in rechtlich einwandfreier Weise tätig werden kann. Wenn es nämlich in § 10 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes heißt, dass Aufsichtsratsvergütungen nur zur Hälfte absetzbar sind, und es in § 4 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes heißt, dass bestimmte Betriebsausgaben eben nicht steuermindernd geltend gemacht werden können, so folgt daraus: Verfassungsrechtliche Probleme bei einer entsprechenden Regelung bestehen nicht.
Um es zum Abschluss noch einmal ganz deutlich zu sagen: Jeder ordentliche Manager in Deutschland, der viel und Gutes für sein Unternehmen tut, der zum Bestand und zur Vermehrung von Arbeitsplätzen beiträgt, soll ordentlich verdienen können. Hierbei ist aber Augenmaß zu wahren. Ein Überschreiten dieser Grenzen ist unverhältnismäßig, unsozial und ungerecht, und es ist schlichtweg unverständlich, wenn Loser-Manager Millionenabfindungen kassieren.
Ziel unserer Arbeit wird es daher sein - ich spreche hier insbesondere für die SPD-Fraktion -, einen Beitrag zu etwas mehr sozialer Gerechtigkeit in diesem Lande zu leisten; denn - da können wir, wie ich denke, unserem Bundespräsidenten nur beipflichten - sozialer Friede ist ein Standortvorteil unserer Republik. Das sollten wir bei der künftigen Bearbeitung der vorliegenden Anträge nicht aus den Augen lassen.
Ich danke Ihnen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Oskar Lafontaine das Wort.
Oskar Lafontaine (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich zum Thema komme, gestatten Sie mir, Herr Kollege Solms, eine Bemerkung an Ihre Adresse. Ich habe natürlich aufmerksam zugehört, als Sie gesagt haben, dass die anderen Fraktionen der Fraktion Die Linke nachlaufen würden, etwa beim Steuersatz. Als ich dann aber gehört habe, dass Sie im Zusammenhang mit Nokia von einer ?Sauerei? gesprochen haben, habe ich überlegt, was wir dazu noch sagen könnten. Mir ist eingefallen: menschenverachtende Sauerei.
Aber allein aufgrund der Tatsache, dass Sie das Verhalten so gegeißelt haben, lohnt es sich schon, heute im Plenum anwesend zu sein.
Nun zur Sache. Wir reden nicht über das Thema Managergehälter, weil das irgendjemand auf die Tagesordnung gesetzt hat, sondern wir reden darüber, weil die große Mehrheit der Bevölkerung über dieses Thema spricht. Es ist richtig, dass, wie hier einige Vorredner festgestellt haben, die Entwicklung den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft gefährdet. Wenn das aber richtig ist, dann ist dieses Parlament verpflichtet, darüber nachzudenken, was es tun kann, um den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu wahren. Da gibt es natürlich unterschiedliche Antworten. Wir haben mehrere Antworten gegeben. Wir haben gesagt, man könnte zum Beispiel ins Auge fassen, das 20-Fache der untersten Lohngruppe zur Richtlinie zu machen. Ich weise darauf hin, dass das keine feste Höchstgrenze ist - man kann das ablehnen; ich begründe das gleich noch -, sondern eine dynamische Höchstgrenze; denn wir haben uns etwas dabei gedacht. So wie wir unsere Managerinnen und Manager einschätzen, bedeutet die Festlegung ihrer Gehälter auf das 20-Fache der untersten Lohngruppe für sie einen Ansporn, darüber nachzudenken, wie man die unterste Lohngruppe ausstatten kann. Das steckt dahinter.
Ich würde hier fast eine Wette anbieten, dass es auch so kommen würde. Wenn es eine solche Regelung gäbe, bräuchten wir wahrscheinlich in vielen Bereichen über einen Mindestlohn nicht mehr nachzudenken.
Das Zweite ist, dass man - da scheint sich so etwas wie eine Gemeinsamkeit anzudeuten - den Betriebsausgabenabzug bei Abfindungen begrenzt. Darauf will ich nicht näher eingehen.
Unser dritter Vorschlag ist, die Reichensteuer stufenweise auszugestalten und der Entwicklung der Managergehälter anzupassen. Wir haben vorgeschlagen: 65 Prozent ab 2 Millionen Euro. Ich glaube, wenn wir darüber eine Volksabstimmung durchführen würden, wäre es keine Frage, wie diese Abstimmung ausgehen würde. Aber Sie denken ja, dass das Volk völlig falsch und unvernünftig entscheidet und dass die Entscheidung der Mehrheit in diesem Hause maßvoll und richtig ist.
Hier schauen uns auch Leute zu, die von Hartz IV leben. Ich habe soeben erfahren, dass ein Kollege eine Familie eingeladen hat, die sieben Kinder hat und von Hartz IV leben muss. Das ist also der Personenkreis, der hier zuhört, wenn das Plenum über die Entwicklung der Managergehälter berät. Dabei hören die Zuschauer, dass Herr Wiedeking bei Porsche ein Jahresgehalt von 60 bis 70 Millionen Euro bekommen hat, Herr Ackermann bei der Deutschen Bank 13,21 Millionen Euro, Herr Kagermann bei SAP 9 Millionen Euro und Herr Reitzle bei Linde über 7 Millionen Euro. Man könnte das weiter ausführen. Die Zuschauer machen sich darüber ihre Gedanken.
Sie machen sich ebenso ihre Gedanken, wenn sie gehört haben - da werde ich jetzt konkret -, dass auch die Bundeskanzlerin irgendwann, wie es Herr Solms formuliert hat, der Linken nachgerannt ist und Maßlosigkeit bei Managergehältern beklagt hat. Ich lese hier:
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in der Debatte über die Höhe von Managergehältern vor Fantasieabfindungen und Maßlosigkeit gewarnt.
Toll!
Allerdings sieht die CDU-Vorsitzende in dieser Frage die Gesellschaft und nicht den Staat am Zug.
Auch toll.
Nun stelle ich mir die Frage: Wer ist für Frau Merkel die Gesellschaft?
Wer das einmal näher betrachtet, stößt sehr schnell auf die Vokabel ?Gesellschaften?, und in den Gesellschaften werden Managergehälter gezahlt. Dann merkt er auf einmal, dass auch Frau Merkel ?Gesellschaft? ist. Sie ist nämlich, wenn man so will, die oberste Chefin großer Unternehmen. Nun kann jemand, der aufmerksam die Debatte verfolgt, feststellen, dass diese oberste Chefin vieler Unternehmen dort, wo sie Verantwortung trägt, sich völlig anders verhält, als sie öffentlich reklamiert.
Das möchte ich jetzt am Beispiel der Bahn erläutern, wo der Bund - solange die Bevölkerung Sie davon abhalten kann, die Bahn zu verkloppen - noch 100-prozentiger Gesellschafter ist.
Wir können lesen: Im letzten Jahr hat sich der Vorstand der Bahn die Bezüge um 70 Prozent erhöht. Wir können ferner lesen - auch das ist von Bedeutung -, dass sich im letzten Jahr der Aufsichtsrat die Bezüge um 256 Prozent erhöht hat. Nun stellen wir uns die Frage, was die Chefin der Bundesregierung - sie ist, wenn man so will, die Chefin dieser öffentlichen Unternehmen - eigentlich getan hat. Ihre ganzen Worte sind in den Wind gesprochen. Sie ist völlig unglaubwürdig. Solange solche Zustände in öffentlichen Unternehmen herrschen, sollte sie nicht mehr über Managergehälter reden.
Das ist einfach eine Irreführung der Öffentlichkeit und zeigt einen großen Mangel an Glaubwürdigkeit. Ich habe für ein solches Verhalten überhaupt kein Verständnis.
Wenn die Bundeskanzlerin gleichzeitig sagt, Toyota zahle gemäß einer Unternehmensregel den Managern nur das 20-Fache des Gehaltes eines Arbeitnehmers, dann muss ich fragen, warum sie ein paar Wochen vorher in namentlicher Abstimmung gegen eine entsprechende Regelung war. Das ist ein völlig unglaubwürdiges Verhalten, an das ich an dieser Stelle erinnern will.
Wenn man der Theorie vieler in diesem Hause folgt, dann müsste eine Massenauswanderung von Spitzenmanagern aus Japan stattfinden. Bei solch miserablen Einkommen müssten sie alle in den Vereinigten Staaten, in Dubai oder sonst wo tätig sein. Offensichtlich gibt es aber noch Gesellschaften, auf die Ihre Prognosen überhaupt nicht zutreffen. Augrund ihrer Moral sagen die Japaner - vielleicht hat es auch mit der Kultur oder der Religion zu tun -: Wir sind für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft verantwortlich und überziehen nicht maßlos. Deshalb ist das, was in Japan geschieht, tatsächlich vorbildlich.
Das größte Problem ist, wie sich die Chefs der bundeseigenen Unternehmen, begünstigt vom Verhalten der Kanzlerin und allen, die in den Aufsichtsräten und in den Gesellschafterversammlungen sitzen, aufführen. Das ist doch unglaublich. Der Vorstand der Bahn hat sich selbst das Gehalt um 70 Prozent und der Aufsichtsrat seine Bezüge um 256 Prozent erhöht. Bei Lokführern gibt es nun eine 11-prozentige Lohnsteigerung. Das macht zusätzlich nur 20 Millionen Euro aus. Obwohl die Lohnkosten bei der Bahn 9 Milliarden Euro betragen, spricht man davon, Personal abzubauen und die Preise anzuheben. Das ist eine bodenlose Unverschämtheit.
Das zeigt, welche Moral mittlerweile in die Unternehmen eingekehrt ist. Das zeigt aber auch, dass Sie in der Verantwortung stehen, ob es Ihnen passt oder nicht. Wenn Ihnen nicht bekannt ist, wie man sich als Hauptgesellschafter in staatlichen Unternehmen verhält, sind wir gerne bereit, Ihnen Auskünfte zu geben.
Es ist unglaublich, was sich die Bundesregierung hier erlaubt. Sie haben sich völlig unglaubwürdig gemacht, da können Sie hier noch so laut tönen.
Im Übrigen haben Sie sich hier lächerlich gemacht, indem Sie sagen, dass wir mehr Transparenz brauchen. Was soll denn dieses Geschwätz? Sie können doch alles nachlesen, was in den Unternehmen, in denen Sie die Verantwortung und das Sagen haben, passiert. Wenn Sie da nach Transparenz rufen, ist das kläglich und schlicht lächerlich. Transparenz zu schaffen, ist überhaupt keine sinnvolle Forderung in diesem Zusammenhang.
Es geht hier um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Ich zitiere hier einmal ganz bewusst den amerikanischen Gerechtigkeitsphilosophen John Rawls. Er hat gesagt: Wenn die Gesellschaft, bevor die Lebensentwürfe verteilt werden, zu entscheiden hätte, wie die Güter verteilt werden sollten, dann gäbe es zwei Prinzipien: Zum einen würden sich alle dafür aussprechen, dass die gleichen Grundrechte verteilt würden. Zum anderen würden sich alle dafür aussprechen, dass Einkommensunterschiede nur dann zu akzeptieren sind, wenn diese Unterschiede der Gesamtgesellschaft zugute kommen.
Übertragen Sie dies einmal auf die Bahn. Die Entwicklung bei der Bahn ist der klassische Beweis dafür, dass diese Gerechtigkeitsvorstellung in ihr Gegenteil verkehrt wurde. In dem Maße, in dem die Einkünfte der Manager wachsen, werden nämlich die Einkünfte der Belegschaft gedrückt. Das ist gemäß John Rawls, den ich hier bewusst zitiert habe, ein Schlag ins Gesicht der Menschen, was die Gerechtigkeit angeht.
Natürlich sind Aktienoptionen überhaupt nicht mit einer solchen Idee zu vereinbaren. Es nützt da gar nichts, nach Transparenz zu rufen oder an die Moral zu appellieren. Aktienoptionen sind für Manager ein Anreiz, das eigene Gehalt zu steigern. Sie werden also - so ist das nun einmal - alles tun, um den Aktienkurs nach oben zu bringen. Wenn sie vor die Presse treten und einen Personalabbau um 1 000, 2 000 oder 5 000 Stellen ankündigen - wir haben das ja hundertfach erlebt -, dann wissen sie, dass der Kurs nach oben gehen wird. Sie bereichern sich also selbst. Das ist im Sinne von Rawls zutiefst unmoralisch.
Unsere Vorschläge, dies zu unterbinden, werden hier immer wieder abgelehnt. Wir haben die Manager in Deutschland lange Zeit ohne Aktienoptionen besoldet. Ich kann nicht erkennen, dass die Erfindungsleistung, die Produktivität und was weiß ich sonst noch in diesen Jahren anders ausgesehen hätte.
Ein letzter Punkt: Es geht um soziale Verantwortung. Der Begriff der Verantwortung ist in den letzten Jahren völlig auf den Kopf gestellt worden. Jahrzehntelang war er in der Bundesrepublik auf den anderen bezogen. Derjenige, der Verantwortung wahrgenommen hat, hat immer für den anderen, der schwächer war, der ihm anvertraut war, mitgedacht, hat sich um sein Leben und sein Schicksal gesorgt, und zwar auch auf Unternehmensebene. Dieser Begriff ist mittlerweile umgedreht worden: Verantwortung ist in Eigenverantwortung umdefiniert worden, was man sehr leicht missverstehen kann. Wenn der Bezug auf den anderen abgelegt wurde, heißt es: Ich habe Eigenverantwortung. Jeder ist für sein eigenes Schicksal verantwortlich, auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dann verliert man die Machtfrage in der Gesellschaft schnell aus dem Blick, und dann handelt man genau so, wie wir es bei den Managern sehen: Man hat Eigenverantwortung, bedient sich maßlos, und die anderen können sehen, wo sie bleiben. Das ist die Entwicklung, die wir in letzter Zeit zu beklagen haben.
Da hilft auch kein Verweis auf Gewerkschaftsmitglieder oder Aufsichtsräte; das wird der eine oder andere ansprechen wollen. Ich will hier in aller Klarheit sagen, dass einzelne Entscheidungen, die auf diesen Ebenen getroffen wurden, nicht akzeptabel sind. Ich sage das als Gewerkschafter in aller Klarheit.
Auch diesbezüglich besteht Erneuerungs- und Reformbedarf. Wenn sich Betriebsratsvorsitzende großer Unternehmen Sorgen über Managergehälter machen, muss ich sagen: In dem Moment, in dem Betriebsratsvorsitzende wie Manager entlohnt werden, stimmt im Unternehmen etwas nicht mehr. Auch das will ich als Gewerkschafter einmal in aller Klarheit sagen.
Zusammenfassung: Die soziale Verantwortung, die hier reklamiert wird, verträgt sich überhaupt nicht mit Selbstbedienung. Es ist ja schön, wenn wir untereinander Glaubwürdigkeitslücken aufzeigen. Entscheidend wäre aber, dass die Bundeskanzlerin, der Sie sicherlich eine hohe Glaubwürdigkeit bescheinigen, in ihrem eigenen Unternehmen mit dem anfängt, was sie jeden Tag erzählt. Was sie in der letzten Zeit geboten hat, ist völlig inakzeptabel.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Dr. Hans Michelbach das Wort.
Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kollege Lafontaine, Ihr Auftritt hat dem Anliegen, der Sache,
die hier begründet diskutiert wird,
sehr geschadet;
denn ein Vergleich zwischen Hartz-IV-Empfängern und Managern wie Herrn Ackermann und Herrn Wiedeking ist Populismus. Das kann man letzten Endes nur in das Volk hineintragen, wenn man die Leute verdummen und verketzern will. Das kann es doch nicht sein. Sie reißen hier sozialistische Sprüche und leben selbst wie Gott in Frankreich. Das kann doch nicht sein.
Geben Sie von Ihren drei Pensionen doch einmal etwas ab; dann können Sie vielleicht Glaubwürdigkeit erreichen.
Ich kann nur sagen: Sie haben als Bundesfinanzminister überhaupt nichts bewirkt.
Im Gegenteil: Sie haben die Veräußerungsgewinne der Deutschland AG steuerfrei gestellt.
Das ist die Wahrheit, die Sie ertragen müssen. Sie haben versagt. Und jetzt glaubt man Ihnen diese sozialistischen Sprüche nicht mehr.
Das können Sie nicht für sich in Anspruch nehmen.
Die aktuelle Debatte über Managergehälter und Abfindungen müssen wir sehr ernst nehmen, weil es leider Beispiele gibt, die der Glaubwürdigkeit der sozialen Marktwirtschaft erheblichen Schaden zufügen. Das Problem darf nicht verharmlost werden, wollen wir die Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft in der Bevölkerung erhalten. Man muss das aber differenziert sehen. Es besteht kein Zweifel daran, dass es weltweit kein besseres Wirtschaftssystem als die soziale Marktwirtschaft nach deutschem Vorbild gibt, die wir seit Ludwig Erhard zum Erfolg geführt haben.
Unser Wirtschaftsstandort lebt von der Kultur seiner Unternehmen. Insgesamt gesehen besteht die große Mehrheit aus leistungsfähigen und verantwortungsbewussten Firmeninhabern und Managern. Die Wirtschaft selbst hat größtes Interesse am sozialen Frieden. Deswegen muss der Auswuchs geächtet werden. Die Ächtung von Auswüchsen ist das Grundthema, das wir hier anstoßen müssen.
Als mittelständischer Unternehmer stehe ich oft im Wettbewerb mit von Managern geführten Konzernunternehmen. Es liegt in der Natur des Wettbewerbs, dass er nicht immer zu Gleichheit führen kann. Jedoch darf das Handeln von Managern nicht dazu führen, dass die Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft in der Öffentlichkeit als freiheitliches System weiter beschädigt wird. Nehmen Sie - darüber müssen wir reden - den Südenfall des Jahres 2007 von Postchef Zumwinkel; nach meiner Ansicht ist es einer. Als personifiziertes Wettbewerbshindernis hat er es fertiggebracht, in erstaunlichem Zusammenspiel mit einer Gewerkschaft die Politik geradezu über den Tisch zu ziehen.
Durch die Auswirkungen seines Gebarens auf den Aktienkurs hat er dann auch noch kräftig Kasse gemacht. Das ist der Vorstand eines Staatsunternehmens. Wo ist unser Aufschrei, dass wir so etwas nicht akzeptieren können? Nehmen wir den aktuellen Subventionsmissbrauch von Managern bei Nokia in Bochum oder die dreisten Lügen von Bankmanagern gegenüber ihren Anlegern im Zuge der Subprime-Krise. Vertrauensbruch und Raffgier sind nicht akzeptabel. Sie schaden vielen Marktteilnehmern. Solche Beispiele sind sicher ein Anschlag auf unsere soziale Marktwirtschaft.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Michelbach, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?
Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU):
Bei Herrn Koppelin sage ich nie Nein.
Jürgen Koppelin (FDP):
Herzlichen Dank, Herr Kollege. - Sie sprachen davon, dass der Postchef die Politik über den Tisch gezogen hat. Könnte es aber auch sein, dass die Union beim Mindestlohn in die Falle getappt ist und dass Herr Zumwinkel die Politik nicht über den Tisch gezogen hat?
Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU):
Herr Kollege Koppelin, die Fallen sind manchmal größer und manchmal kleiner. Sie sind sicher auch schon in die eine oder andere Falle getappt. Ich möchte nicht sagen, dass es eine Falle war.
Vielmehr hat er die Arbeitgeberverbände in einer Weise ausgenutzt, dass nur noch das Entsendegesetz übrig blieb. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich grundsätzlich der Auffassung bin, dass man - davon habe ich gesprochen - diese Entwicklung und dieses Vorgehen öffentlich ächten muss, das darin besteht, dass man versucht, Wettbewerber auszugrenzen, letzten Endes auch zulasten der Arbeitnehmer, die in diesen Wettbewerbsunternehmen arbeiten.
Wir müssen - dafür möchte ich werben - Leistung und Erfolg in unserer Wirtschaftsordnung immer wieder Anerkennung verschaffen. Deshalb ist eine Bewertung von unternehmerischen Leistungen nie eine staatliche Aufgabe. Staatliche Eingriffe in privatwirtschaftliche Eigentumsrechte sind in einer freiheitlichen Demokratie nicht statthaft. Was soll der Staat regulieren? Wie soll das gehen? Es ist Sache der Wirtschaft selbst, diese Auswüchse zu stoppen.
Wir haben keine Planwirtschaft, sondern ein freiheitliches System. Hier sind Eigenverantwortung und Augenmaß von der Wirtschaft selbst gefragt. Wir müssen Transparenz schaffen. Wir müssen deutlich machen, dass es Dunkelkammern gibt, wo Licht nicht benötigt oder gesucht wird. Hier müssen wir - so wie es Kollege Bernhardt gesagt hat - die Hauptversammlungen stärken, die Aktionärs- und Anlegerinteressen stärken und Transparenz - auch im Interesse der Verbraucher - schaffen. Ich denke auch an den Medienbereich, den Sportbereich und viele andere Bereiche.
Ich glaube, der richtige Weg ist, auf die Selbstheilung der Wirtschaft zu setzen und nicht den Staat als Allheilmittel zu nutzen. Er kann dies nicht leisten. Ich bin gegen politische Placebos. Denn dann werden wir nicht ernst genommen, und wir können über populistische Reden, wie wir sie hier gehört haben, nicht hinauskommen. Deswegen darf eine Schieflage in Einzelfällen nicht zu ordnungspolitischen Fehlentwicklungen führen. Ohne Eigenverantwortung ist das freiheitliche System der sozialen Marktwirtschaft nicht vorstellbar und nicht handhabbar. Deshalb müssen wir gerade diese Themen sehr ernst nehmen.
Wenn wir das Steuerrecht weiterhin für eine relativ geringe Anzahl von Personen in höchst zweifelhafter Weise verwüsten, dann frage ich mich schon: Ist das das richtige Rezept? Ich verwahre mich dagegen, dass das Nettoprinzip unseres Steuerrechts weiter zerstört wird.
Es gibt nun einmal keine guten und schlechten Einnahmen, es gibt keine guten und schlechten Kosten, und es gibt keine guten und schlechten Abfindungen. Deswegen müssen wir an den Rahmenbedingungen der sozialen Marktwirtschaft und an den Grundpfeilern unseres Steuerrechts festhalten. Das Nettoprinzip ist auch in Zukunft einzuhalten. Hier dürfen wir das deutsche Steuerrecht nicht weiter verwüsten. Vielmehr sind Eigenverantwortung und Transparenz für alle anzumahnen.
Es ist natürlich problematisch, wenn ein Konzernvorstand mit goldenem Handschlag verabschiedet wird, obwohl er offenkundig schlecht gearbeitet hat. Ich finde, das ist eine Frage von Anstand und Moral, der sich die Vorstände und Aufsichtsgremien selbst annehmen sollten. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Anstand und Moral sind zuallererst eine Sache des Charakters und nicht staatlicher Regulierungen.
Wir müssen aufpassen, dass wir in dieser Diskussion nicht alle über einen Kamm scheren. Denn in unserem Land gibt es durchaus verantwortungsbewusste Unternehmensführungen, die Erfolge für Wachstum und Beschäftigung erzielen und den Grundsätzen guter Unternehmensführung gerecht werden. Deshalb konnten wir in den letzten Jahren Erfolge verbuchen.
Diejenigen, die in Führungspositionen sind, haben die Pflicht, gutes Beispiel und Vorbild zu sein und schlechte Beispiele zu ächten. Wer glaubt, das per Steuergesetz regeln zu können, ist nach meiner Meinung auf dem Holzweg.
Vielmehr sollten wir dieses Thema ganzheitlich betrachten und mehr Ethik und Moral im wirtschaftlichen Handeln einfordern.
Diese Debatte sollte nicht nur im Deutschen Bundestag, sondern auch in der Wirtschaft geführt werden. Corporate Governance ist ein Anfang, aber nur ein Anfang. Wir müssen Ethik und Moral zur Erhaltung unserer sozialen Marktwirtschaft weiterhin anmahnen, fördern und auf einen erfolgreichen Weg bringen.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Dr. Gerhard Schick für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, es ist gut, an dieser Stelle zu fragen: Vor welchem Hintergrund führen wir diese Debatte, und warum ist sie eigentlich so gekommen, wie sie gekommen ist? Die entsprechenden Entwicklungen bei den Managergehältern sind ja nicht so neu, wie man jetzt aufgrund mancher Äußerungen meinen könnte.
Es ist wichtig, sich eine Zahl, die Kollege Krüger genannt hat, anzuschauen: Nur 15 Prozent der Menschen sind der Meinung, die Einkommensverteilung in Deutschland sei nicht gerecht,
und das in einem Jahr, in dem die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt sehr positiv war und in dem eigentlich - man erinnere sich an die entsprechenden Äußerungen aus der Großen Koalition - große Begeisterung herrschen müsste, wie toll es den Menschen geht. Das ist der Hintergrund dieser Debatte über die Auseinanderentwicklung der Einkommensverteilung.
Der Aufschwung, für den Sie sich in diesem Hause unwahrscheinlich häufig selbst gelobt haben, ist bei vielen Menschen in unserem Lande nicht angekommen. Die Kaufkraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist erstmals in der Geschichte unseres Landes mitten in einem Aufschwung zurückgegangen und hat nicht zugenommen. Ich finde es wichtig, diesen Hintergrund aufzuzeigen; denn für diese Entwicklung, die erstmalig so stattgefunden hat, tragen Sie in der Tat die Verantwortung.
Sie ist nämlich auf drei Faktoren zurückzuführen:
Der erste Faktor ist, dass Sie - auch das ist historisch einmalig - mit einer 3-prozentigen Mehrwertsteuererhöhung die breite Masse der Menschen in unserem Land belastet haben. Dass die Menschen am Aufschwung nicht partizipieren konnten, ist ein Stück die Ernte, die wir jetzt einfahren. Dafür tragen Sie die Verantwortung.
Der zweite Faktor, der die Entwicklung treibt, dass die Menschen weniger Geld in der Tasche haben, obwohl die Wirtschaft gut läuft, sind die Energiepreise. Hier haben Sie sich dafür entschieden, sich für den Schutz der Oligopolisten starkzumachen, anstatt dafür zu sorgen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher möglichst günstige Preise bekommen. Auch dieser Faktor geht auf Ihr Konto.
Der dritte Faktor ist die Lohnentwicklung. Wenn die Menschen an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung nicht teilhaben, beschweren sie sich natürlich darüber, dass einige Leute gigantische Lohnzuwächse haben. Auch da hat sich die Große Koalition in diesem Haus im vergangenen Jahr medienwirksam, wahlkampfwirksam um jeden kleinen Schritt gestritten, anstatt etwas dafür zu tun, dass die Menschen über eine gute Lohnentwicklung am Aufschwung teilhaben. Das ist der Grund für diese Debatte, meines Erachtens viel wichtiger als manch einzelne Fehlentwicklung. Für diese drei Punkte tragen Sie als Große Koalition die Verantwortung. Da müssen Sie etwas tun.
Vor diesem Hintergrund findet diese Debatte statt, die Sie teilweise instrumentalisiert haben.
Wir Grüne sind der Meinung, dass auf die Fehlentwicklungen in den oberen Gehaltsetagen Antworten gefunden werden müssen. Ich greife gern die Bemerkungen von Herrn Bernhardt auf, dass man dieses Thema breiter diskutieren sollte. Wir schlagen entlang unserer grünen Linie, des Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetzes, das wir in der rot-grünen Regierungszeit entwickelt haben, Folgendes vor:
Erstens, die Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit. Herr Michelbach, Sie haben gesagt, man dürfe bei der Steuer nicht zwischen ?guten? und ?schlechten? Ausgaben der Unternehmen unterscheiden. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass es auch an anderer Stelle Einschränkungen gibt, was absetzbar ist und was nicht, etwa bei Geschenken.
Das heißt, das Steuerrecht hat die Aufgabe, an den Stellen, an denen es Fehlentwicklungen gibt, festzulegen, was angemessen ist und was nicht. Ich finde, man kann sich da nicht mit dem Verweis auf ein allgemeines Prinzip herausreden. Bei Fehlentwicklungen muss das Steuerrecht eine entsprechende Antwort liefern. Das ist der erste Punkt, den wir vorschlagen.
Der zweite Punkt, den wir vorschlagen, ist Transparenz. Transparenz ist kein Larifari, Herr Lafontaine, sie würde uns an vielen Stellen guttun. Wir können heute nur deswegen substanziell über Managergehälter reden, weil wir in der rot-grünen Regierungszeit die Offenlegung der Vorstandsvergütungen verfügt haben.
Wir glauben, es ist deutlich geworden, dass wir an ein paar Stellen nachsteuern müssen, weil in Form von Bonus, Prämie etc. in den Unternehmen Ausweichregelungen gefunden worden sind. Da wollen wir Licht hineinbringen.
Der dritte, entscheidende Punkt: Natürlich geht das, was die Manager bekommen, auch zulasten der Eigentümer der Unternehmen. Deswegen freue ich mich sehr, dass hier unser Vorschlag aufgegriffen worden ist, die Hauptversammlung als Entscheidungsgremium zu stärken, um eine bessere Kontrolle herzustellen. Damit bin ich bei der Ursachenbekämpfung, die Sie einfordern, Herr Dautzenberg.
Ich finde, die heutige Debatte hat gut gezeigt - das sage ich noch einmal an die Adresse der Linkspartei -:
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Schick, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wenn man wie die Grünen einen Vorschlag macht, der umsetzbar ist und der eine Chance auf Verwirklichung hat, dann kann man in dieser Gesellschaft etwas vorantreiben. Noch vor kurzem hat die Kanzlerin erklärt, gesetzliche Regelungen seien nicht nötig. Heute haben wir gesehen: Gute Vorschläge, wie wir sie vorlegen, bieten die Chance, in unserer Gesellschaft wirklich etwas zu verändern.
Danke schön.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Klaus Uwe Benneter für die SPD-Fraktion.
Klaus Uwe Benneter (SPD):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte ist ja nicht neu; denn das, worüber wir uns hier heute wieder unterhalten müssen, ist seit Jahren ein Ärgernis.
Richtig ist: Hier geht es um den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Hier geht es wirklich um das Auseinanderklaffen von Arm und Reich. Das ist etwas, was uns auch ganz aktuell beschäftigt. Diese Debatte ist Teil der Debatte über die Angemessenheit und Gerechtigkeit der Verteilung von Einkommen und Vermögen in unserer Gesellschaft. Dafür ist der Bundestag zuständig, Herr Solms.
Hier gibt es offensichtlich eine Schieflage. Zu Beginn dieses Jahres waren 600 000 Menschen in Deutschland trotz ihrer vollen Erwerbstätigkeit, obwohl sie also voll gearbeitet haben, auf ergänzendes ALG II angewiesen. Auf der anderen Seite werden die Vorstandsbezüge völlig von der allgemeinen Entwicklung abgekoppelt, und sie steigen massiv an. Das Verhältnis der Vorstandsgehälter zu den durchschnittlichen Belegschaftsgehältern ist in den letzten 20 Jahren von 14 : 1 auf inzwischen 44 : 1 angewachsen.
Um dieses Missverhältnis geht es hier. Der soziale Zusammenhalt, der in der Gesellschaft notwendig ist, ist in Gefahr. Das ist auch das, was wir hier verfassungsrechtlich zu sehen haben. Verfassungsrechtlich ist es geboten, diese Schere nicht weiter auseinandergehen zu lassen. Wir dürfen das Band nicht weiter überstrapazieren.
Herr Kollege Michelbach, Sie haben von Ethik und Moral gesprochen. Das ist sicher richtig. Es ist aber natürlich nicht mit Ethik und Moral vereinbar, wenn jemand, der im gleichen Betrieb bzw. Unternehmen tätig ist, tausendmal mehr verdient als ein einfacher Arbeiter. Ist denn die Qualität seiner Arbeit so viel besser und sein Engagement so viel höher? Hat er eine so viel bessere und längere Ausbildung? Hat er so viele besondere Fähigkeiten? Hat er alles tausendmal mehr? Ist er so unersetzlich? Ist das noch leistungsorientiert, Herr Solms? Ich denke, das sind die gleichen Leute, die einerseits Lohndrückerei nach unten zu verantworten haben und andererseits ihre eigenen Gehälter nach oben schrauben. Das dürfen wir so nicht mitmachen.
Wir dürfen nicht länger zusehen, wenn Misserfolge mit Gagen in Millionenhöhe vergoldet werden. Warum soll derjenige, der aus eigenem Antrieb aus einem Unternehmen ausscheidet, hinterher überhaupt noch eine Abfindung bekommen?
Meine Damen und Herren, es ist natürlich schlecht möglich, diesen Herren - insbesondere sind es ja Männer; in der Regel sind es keine Frauen - per Gesetz Ethik und Moral zu verordnen oder Moral beizubringen. Wir können durch ein Gesetz aber Transparenz und Durchschaubarkeit schaffen, um darüber zu neuen Anstandsregeln zu kommen.
Die SPD hat sofort gehandelt und eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die noch im Frühjahr seriöse, konkrete und konstruktive Empfehlungen zur Angemessenheit und zur Transparenz von Managergehältern geben wird.
Da wird es keine Placebos geben.
Es wird sicher nicht darum gehen, die Vorstandsgehälter einfach nur zu deckeln. Das würde mit dem Eigentumsrecht sicher nicht vereinbar und mit unserer Verfassung auch sicher nicht einfach in Einklang zu bringen sein. Herr Solms, richtig ist, dass die Vertragsfreiheit verfassungskonform ausgestaltet werden muss, so wie es auch im Mietrecht und bei allen Verbraucherschutzrechten gilt. Wir sorgen dafür, dass die Vertragsfreiheit im Sinne unserer Verfassung und im Sinne des sozialen Zusammenhalts dieser Gesellschaft ausgestaltet wird.
Insofern brauchen wir hier nicht einen abstrusen Vorschlag der PDS nach dem anderen auf dem Tisch, Herr Lafontaine, sondern für uns reicht es, dass der Bundesfinanzminister Steinbrück inzwischen auch darangegangen ist, einen Kodex für all die Unternehmen zu schaffen, an denen der Bund beteiligt ist. Sie haben recht: Bundesunternehmen müssen in dieser Frage für uns Vorbild sein.
Der Antrag der Grünen ist ein gut gemeinter Vorschlag, aber auf den sind wir inzwischen selbst gekommen.
Wir haben bei dieser Frage auch in der Vergangenheit schon gut zusammengearbeitet. Das Steuerrecht ist für seine Elastizität bekannt, und es lässt Spielräume. Das Argument, es handele sich um einen Verstoß gegen das Nettoprinzip, ist nicht überzeugend. Der Gesetzgeber ist diesbezüglich schon einmal tätig geworden. Kollege Dr. Krüger hat dargelegt, dass es für Aufsichtsratsvergütungen im Körperschaftsteuergesetz eine Regelung gibt, wonach sie nur zur Hälfte steuerlich abzugsfähig sind.
Grundsätzlich gilt, dass freiwillige Vereinbarungen vorgehen; das haben wir mit den Grünen damals auch so vereinbart. Die Verantwortung für die Gestaltung von Vorstandsbezügen liegt ganz klar bei denjenigen, die in den jeweiligen Unternehmen die Verantwortung tragen. Vor der Verabschiedung des Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetzes, das wir zusammen mit den Grünen gemacht haben, haben wir mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex auf Freiwilligkeit gesetzt. Wir mussten aber feststellen, dass dies nicht ausreicht, um zu den gewünschten Ergebnissen zu kommen.
Deshalb brauchen wir neue Vorschläge für präzise und standardisierte Regelungen. In deren Rahmen müssen auch Pensionszahlungen, die bisher sehr undurchsichtig sind, berücksichtigt werden. Durch das Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz haben wir erreicht, dass inzwischen immerhin 29 der 30 DAX-Unternehmen die Vorstandsvergütungen individualisiert offengelegt haben. Von der Opting-out-Regelung hat bisher nur ein DAX-Unternehmen - die neu in den DAX aufgenommene Merck KGaA - Gebrauch gemacht. Vielleicht sollte man sich überlegen, dieses Unternehmen aus dem DAX herauszunehmen, wenn es auf diese Art und Weise den Durchschnitt nach unten treibt.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz erstellt inzwischen jährliche Studien, die uns einen guten Überblick verschaffen und damit Vergleichbarkeit gewährleisten. Aber sie stellt immer wieder fest, die Offenlegungen müssten standardisiert werden, damit eine noch bessere Vergleichbarkeit möglich wird. Zudem muss alles offengelegt werden, also Grundvergütung, Fixgehälter, Boni, Sonderboni, Pensionen, Übergangsregelungen, Sachbezüge und natürlich alle aktienbasierten Vergütungen. All das muss offengelegt werden.
Ich gehe davon aus, dass die von uns eingesetzte Arbeitsgruppe, die im Frühjahr ihre Empfehlungen abgeben wird, einen ganz konkreten Vorschlag machen wird. Wir brauchen kein Placebo. Individualisiert, standardisiert und vergleichbar werden die Veröffentlichungen gemäß den neuen Regelungen sein. Wenn Frau Merkel der Mut bis dahin nicht verlassen hat, dann werden wir gemeinsam schnell zur Verabschiedung entsprechender Gesetze kommen.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Carl-Ludwig Thiele für die FDP-Fraktion.
Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In der heutigen Debatte werden mit den beiden Anträge der Grünen und der Linksfraktion zu Managerabfindungen und Managervergütungen - was zweierlei ist - Themen angesprochen, die allgemein diskutiert, aber aus meiner Sicht mit den vorliegenden Anträgen nicht gelöst werden.
Auch mich und die FDP ärgert es, und ich finde, es ist nicht in Ordnung, wenn zeitgleich mit der Entlassung von Tausenden Menschen eine Erhöhung der Vorstandsbezüge erfolgt. Aber auf der anderen Seite muss man sehen, dass das ein negativer Auswuchs ist; es gibt auch andere Beispiele. Ich halte es für ein außergewöhnliches Verhalten, dass der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Klaus-Peter Müller, in den Aufsichtsrat wechselt und gleichzeitig freiwillig auf einen vertraglichen Anspruch in Höhe von mehreren Millionen Euro verzichtet.
Diese beiden Beispiele zeigen, dass es zwar in der Wirtschaft wie überall schwarze, aber auch weiße Schafe - das sind die positiven Ausnahmen - gibt.
Es gibt sogar Betriebsräte wie den der Firma Porsche - der Name Wiedeking ist nicht erst von mir in die Diskussion eingeführt worden -, die öffentlich erklären, die Vergütung ihres Vorstandsvorsitzenden sei absolut in Ordnung und die Mitarbeiter des Unternehmens stünden voll dahinter. Der Betriebsratsvorsitzende der Firma Porsche erinnert in diesem Zusammenhang an die Misere seiner Firma in den 90er-Jahren - ich zitiere, Herr Lafontaine -:
Wir hatten schon einmal sehr günstige Vorstände. Die waren so günstig, dass wir fast pleite gegangen sind.
Deshalb bin ich der Auffassung, dass die gesamte Diskussion, in der so viel durcheinandergeworfen wird, etwas differenzierter geführt werden sollte. Dazu möchte ich auf drei Punkte eingehen.
Erstens. Die Diskussion nimmt ihren Ursprung in dem Verhalten einzelner Manager börsennotierter Unternehmen. Diese Unternehmen stellen aber nur einen verschwindend geringen Anteil aller Unternehmen in Deutschland dar. Die meisten Unternehmen sind inhabergeführte Familienunternehmen. Für sie zählen nicht die Kurzfristigkeit, der Quartalsbericht oder die Börsenperformance, sondern die langfristige Unternehmensausrichtung im Interesse des Betriebes über Generationen hinweg und im Interesse der Arbeitnehmer. Denn nirgendwo sonst stehen Unternehmer und Arbeitnehmer so eng zusammen wie in diesen familiengeführten Betrieben.
Insofern kann ich nur feststellen, dass die kritisierten Verhaltensweisen in diesen Familienbetrieben nicht zu finden sind. Mir jedenfalls ist kein kritischer Punkt bekannt. Deshalb warne ich vor einer allgemeinen Unternehmerschelte. Denn der Aufschwung der letzten Jahre, das Steigen der Zahl der Arbeitsplätze und das Sinken der Arbeitslosigkeit konnten nur deshalb erfolgen, weil die Arbeitnehmer Lohnzurückhaltung geübt haben und die Gewerkschaften maßvoll waren, aber auch, weil die Unternehmer in ihren Betrieben die notwendigen Umstrukturierungen durchgeführt haben, die dazu beigetragen haben, dass mehr Menschen eingestellt werden können. Insofern bitte ich, von dem Schwarz-Weiß-Denken Abstand zu nehmen.
Zweitens. Wer ist für die Lohnfindung zuständig? Die Lohnfindung ist nach unserer Auffassung und auch aus Sicht des Grundgesetzes nicht Aufgabe des Staates, sondern der Tarifvertragsparteien, der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. In Aktiengesellschaften ist die Lohnfindung für die Vorstände - über dieses Thema diskutieren wir heute - Sache der Eigentümer. Bei Aktiengesellschaften werden die Eigentümer durch den Aufsichtsrat vertreten. Bei ihm liegt die Entscheidung, aber auch die Verantwortung.
Bei dieser Lohnfindung in den Aktiengesellschaften, in denen schließlich auch die betriebliche Mitbestimmung gilt, haben die Vertreter der Arbeitnehmer diesen Vergütungen fast immer zugestimmt. Das gilt im Übrigen auch für Abfindungen. Insofern sollte man an dieser Stelle fragen, ob man diese Regelungen ändern will. Wir als FDP halten sie für richtig. Die Zuständigkeit liegt bei der richtigen Stelle. Der Staat hat sich herauszuhalten. Die Arbeitnehmer sind entsprechend vertreten. Über die sie vertretenden Personen werden sie tätig. Sie sind viel besser in der Lage, die Situation eines Unternehmens und die Leistungen der einzelnen Vorstandsmitglieder zu beurteilen, als der Staat.
Drittens. Der Staat hat eine Verantwortung, und zwar vor allem in der Frage der Besteuerung. Je mehr jemand verdient, desto mehr Steuern muss er zahlen. Ich halte es für gerecht, dass in einem progressiven Tarif, den auch die FDP in ihrem Steuermodell vorsieht, die Leistungsfähigen stärker zur Finanzierung des Gemeinwohls herangezogen werden als die weniger Leistungsfähigen.
Die Hälfte aller Lohn- und Einkommensteuerzahler zahlen etwa 95 Prozent der gesamten Einkommensteuer. Die obersten 5 Prozent der Lohn- und Einkommensteuerzahler zahlen fast die Hälfte des gesamten Steueraufkommens in unserem Land. Bei Managervergütungen und -abfindungen wird also etwa die Hälfte des Betrags als Steuer erhoben, Herr Lafontaine, um damit öffentliche Aufgaben zugunsten der Allgemeinheit zu finanzieren.
Daran will keiner rütteln, aber es muss in dieser Diskussion auch angesprochen werden.
Zu dem angesprochenen Punkt, warum die Kaufkraft der Bürger nicht entsprechend gestiegen ist, muss ich feststellen: Es ist erstaunlich, wie sehr sich der Finanzminister für stärkere Lohnerhöhungen einsetzt. Ich bin auf die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst gespannt; denn der Finanzminister agiert gleichzeitig treuhänderisch für die Steuerzahler und möchte die zusätzlichen Belastungen durch Lohnsteigerungen nicht in seinem Etat zu verantworten haben.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Thiele, Sie haben jetzt den Kredit, den Ihnen Herr Solms gewährt hat, aufgebraucht. Kommen Sie bitte zum Schluss.
Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Herzlichen Dank. Ich komme zum Schluss.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang nicht die Bruttofrage, sondern die Nettofrage, das heißt, was den Bürgern netto von dem bleibt, was sie erarbeitet haben. Wir sind der Auffassung, dass die Steuererhöhungspolitik der Großen Koalition beendet werden muss. Die Bürger müssen entlastet werden, damit sie endlich wieder mehr von dem behalten, was sie selbst erarbeitet haben.
Herzlichen Dank.
Petra Pau (DIE LINKE):
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Dr. Michael Fuchs das Wort.
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lafontaine, mir kommen immer die Tränen, wenn ausgerechnet Sie über Moral sprechen.
Das kommt mir so vor, als ob ein Mafiaboss über eine Antidrogenkampagne spräche. Das hat auf mich ungefähr die gleiche Wirkung.
Herr Lafontaine, Sie waren Finanzminister in dieser Republik und sind davongelaufen. Nichts von dem, was Sie heute postulieren, haben Sie damals auch nur annähernd umzusetzen versucht. Ich weiß gar nicht, was Sie wollen. Sie haben Ihre Partei verlassen und sind einfach - amoralisch - weggelaufen.
Sonst haben Sie gar nichts gemacht. Dafür sollten Sie sich schämen. Ich kann absolut nicht mehr akzeptieren, von Ihnen Moralpredigten in diesem Hohen Hause zu hören.
Wir reden über Managerabfindungen so, als wäre es ein Verbrechen, wenn Firmen solche zahlen. Wer entscheidet das denn? Ausschließlich die Aufsichtsräte in den mitbestimmten großen Unternehmen.
Wir wollen klar und deutlich festhalten, dass nie eine Abfindung gezahlt wird, ohne dass die Arbeitnehmerbank mitspielt.
Der Kollege Ernst von der Linken beispielsweise ist heute wahrscheinlich aus lauter Scham gar nicht anwesend; denn er sitzt bei SKF sowie bei Fichtel & Sachs im Aufsichtsrat. Beide Konzerne sind mitbestimmte große Unternehmen. In beiden Unternehmen entscheidet der Kollege über Managervergütungen und Managerabfindungen mit, sofern solche zu zahlen sind. Es gibt sicherlich noch mehr Abgeordnete, die in Aufsichtsräten sitzen.
Wir wollen festhalten: Die Verantwortung ist durch den Gesetzgeber klar und deutlich geregelt. Es handelt sich um Entscheidungen, die in mitbestimmten Unternehmen vom Aufsichtsrat gefällt werden. Dorthin gehört es auch. Die Eigentümer, die den Aufsichtsrat wählen - das sind die Aktionäre -, bestimmen, wer im Aufsichtsrat sitzt. Die Arbeitnehmerbank wird nicht auf diese Art bestimmt, wie wir wissen. Aber die Gewerkschafter sind dort vertreten, zum Beispiel Herr Zwickel bei Mannesmann oder Herr Peters bei VW, der im Aufsichtsrat bereits über Abfindungen mitbestimmt hat. Spielen Sie sich also nicht so auf, und tun Sie bitte nicht so, als wäre das Ganze amoralisch und als gingen die Eigentümer mit dem Geld anderer Leute um, als wäre es ihr eigenes.
Wir haben hier nichts anderes zu tun, als eine saubere und ordnungsgemäße Regelung zu treffen. Wir sollten die Kontrollgremien stärken. Ich bin auf jeden Fall dafür, hier Transparenz walten zu lassen; darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Aber es gelten schon Gesetze, die für Transparenz sorgen.
Lieber Herr Benneter, das gilt auch in den Bereichen, in denen Sie Verantwortung tragen. Wenn ich richtig informiert bin, waren Sie eine Zeit lang im ZDF-Fernsehrat vertreten. Haben Sie dort für Transparenz bei den Gehältern von Herrn Gottschalk und ähnlichen Größen, die deutlich höhere Gehälter haben als die meisten Manager in dieser Republik, gesorgt? Auch hier müssen wir die gleichen Forderungen aufstellen. Ich bin der Meinung: Wenn Transparenz in den Unternehmen geschaffen wird, dann gilt das auch für den öffentlich-rechtlichen Bereich. Die Herren und Damen, die im ZDF-Fernsehrat und in ähnlichen Gremien vertreten sind, müssen für die gleiche Transparenz sorgen, die wir von Unternehmen verlangen.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollege Fuchs, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Benneter?
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
Aber selbstverständlich. Ich habe ihn ja als lieben Kollegen bezeichnet.
Klaus Uwe Benneter (SPD):
Herr Kollege Fuchs, stimmen Sie mir zu, dass zwei Fünftel der Mitglieder in dem ZDF-Fernsehrat, in dem ich vergleichsweise kurze Zeit vertreten war, CDU-Mitglieder sind bzw. dem von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung geleiteten Freundeskreis angehören?
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
Ich kenne nicht den gesamten ZDF-Fernsehrat, verehrter Herr Kollege; ich weiß nur, dass Sie in diesem Gremium waren. CDU-Mitglieder sind genauso über die üblichen Gremien gewählt worden. Ich bin dafür, dass sie da drin sind; ich bin auch dafür, dass Sie da drin waren. Es tut mir leid, dass Sie damals eine so kurze Karriere als Generalsekretär Ihrer Partei gemacht und deswegen relativ schnell den Fernsehrat verlassen haben.
Meine Forderung bezog sich auf die Transparenz im öffentlich-rechtlichen Fernsehbereich; um nichts anderes geht es mir. Wenn wir Transparenz in den Unternehmen fordern, dann müssen wir als Erstes Transparenz in den Bereichen durchsetzen, die für uns originär sind, weil wir dort Miteigentümer sind und etwas zu sagen haben. Das sollten wir dann auch gemeinsam tun.
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ich möchte noch den Unsinn korrigieren, den die Linke verbreitet, dass nämlich der Staat diese Abfindungen subventioniere.
Nehmen wir einmal folgendes Rechenbeispiel an: Jemand bekommt 10 Millionen Euro Abfindung. Dann spart das Unternehmen Steuern in Höhe von 3 Millionen Euro. Der Abgefundene zahlt darauf aber 45 Prozent plus Soli plus Kirchensteuer, insgesamt also annähernd 50 Prozent Steuern. Das bedeutet, dass der Staat in diesem Fall eine Mehreinnahme von 2 Millionen Euro hat. Bei einer Abfindung hat der Staat höhere Einnahmen, wenn der Abgefundene anstelle des Unternehmens die Steuern zahlt. Das ist simples Steuerrecht, liebe Kollegin Scheel; das wissen Sie auch. Deswegen wollen wir nicht so tun, als subventionierte der Staat die Abfindungen.
Ich habe ein Problem damit, dass wir hier die ganze Zeit über eine Neiddebatte führen. Wer sind denn die Leistungsträger dieser Nation? Herr Kollege Thiele hat eben schon Zahlen dazu genannt. Ich habe mir auch einige Zahlen herausgesucht. Heute gilt als arm, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verfügt. Vor 15 Jahren lag die offizielle Armutsgrenze bei 50 Prozent des Durchschnittseinkommens. Automatisch sind 10 Prozent ärmer geworden, als wir die Grenze angehoben haben. 1989 galt in Westdeutschland jemand als arm, der weniger als 340 Euro im Monat hat. 2003 lag dieser Wert bereits bei 974 Euro. Sie sehen also, wie sich durch diese Statistiken einiges ganz gewaltig verschoben hat.
10 Prozent der Haushalte mit den höchsten Einkommen verfügen heute über ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen - dabei ist eingerechnet, dass beide arbeiten - von 10 100 Euro, also nicht etwa 50 000 oder 100 000 Euro oder viel mehr. Diese 10 Prozent zahlen monatlich 4 500 Euro Steuern. Ist das gerecht?
Ist es nicht ziemlich fragwürdig, dass wir sie in diesem Maße beanspruchen? Das ist nämlich leistungsmindernd, und das ist auch einer der Gründe, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, warum viele überlegen, ob der Standort Deutschland für sie der richtige ist. Es muss doch in diesem Hohen Hause erlaubt sein, dass wir auch darüber nachdenken, warum 150 000 gut ausgebildete junge Menschen Jahr für Jahr unser Land verlassen. Wir müssen diesen Braindrain, diesen Verlust an Humankapital, so schnell wie möglich wieder stoppen und etwas tun, damit diese Menschen bei uns bleiben.
Warum gehen denn diese Leistungsträger weg? Es kann doch nicht wahr sein, dass uns so viele verlassen.
Ich halte es auch für richtig, dass wir das angesprochene Problem in die Eigenverantwortung der Wirtschaft legen. Die Cromme-Kommission wurde im Jahre 2002 gegründet. Sie hat einen Corporate Governance Kodex vorgelegt, der gut funktioniert. Dieser Kodex ist mit uns abgestimmt worden, und wir wissen, was in ihm steht. Im Jahr 2007 hat Herr Cromme einen Kodex-Report vorgelegt. Dabei ist festgestellt worden, dass 97,3 Prozent der Empfehlungen dieses Corporate Governance Kodex in den großen deutschen Unternehmen umgesetzt sind. Das heißt, wir sollten uns in diesem Hohen Hause vor diesen Pauschalverunglimpfungen der deutschen Wirtschaft und des deutschen Managements hüten.
Das ist nicht in Ordnung; denn wir sehen gerade an dieser Zahl: Wenn 97,3 Prozent umgesetzt werden, dann ergibt ein solcher Kodex einen Sinn und zeugt von der Eigenverantwortung der Unternehmen.
Lassen Sie mich zum Abschluss Dieter Hundt, den Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, zitieren, der auf dem letzten Arbeitgebertag folgende Sätze gesagt hat:
Ohne Legitimation nach innen bleibt die Marktwirtschaft gefährdet, auch wenn sie keinen äußeren Feind mehr hat. Marktwirtschaft braucht nicht nur Wettbewerbsregeln, sondern auch eine Ethik der Verantwortung als Sperre gegen Kontrollverlust und Maßlosigkeit.
Wenn das der Präsident der deutschen Arbeitgeber sagt, dann zeigt das, dass zumindest die Arbeitgeber sehr genau wissen, worauf es ankommt. Wir sollten uns aus dem Geschäft dieser Unternehmen heraushalten. Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir sollten dafür sorgen, dass Transparenz da ist - das können wir gerne tun -, aber mehr auch nicht.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Dr. Ditmar Staffelt für die SPD-Fraktion.
Dr. Ditmar Staffelt (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte ist nun schon sehr lange geführt worden. Gleichwohl möchte ich dem Kollegen Fuchs mit auf den Weg geben: Glauben Sie mir, die Gewerkschaften sind wichtig, aber in aller Regel sind sie nicht das entscheidende Element bei der Findung von Vorstandsgehältern. Das sollte man vielleicht wieder ins Koordinatenkreuz rücken.
Zum anderen möchte ich darauf verweisen, dass wir zu rot-grünen Zeiten zu Recht gemeinsam mit der Wirtschaft vereinbart haben, einen Corporate Governance Kodex zu entwerfen. Ich finde - ich gehöre zu denen, die immer noch zuerst an die bestehenden Instrumente denken -, wir sollten uns diesen Kodex noch einmal anschauen. Diese Verhaltensregeln sind in der Politik breit akzeptiert, von den betroffenen Unternehmen allerdings, Kollege Fuchs, nicht an der entscheidenden Stelle von allen umgesetzt worden. Jedenfalls sind die 3 Prozent, die fehlen, wahrscheinlich die, über die wir heute miteinander diskutieren.
Wenn ich mir das anschaue, dann muss ich sagen: Ich habe an bestimmten Stellen wenig Verständnis für Vorstände, für Vorstandsvorsitzende und für die Repräsentanten des BDI, des DIHK und des BDA, wenn sie in einer globalisierten Welt bewusst hinter das zurückfallen, was in angloamerikanischen Ländern seit Jahr und Tag üblich ist, nämlich die detaillierte Auflistung der Gehälter, auch der Pensionszusagen und der entsprechenden Aktienbestände, die einzelne Vorstandsmitglieder vorzuweisen haben. Hier wird immer über Neid geredet. Wissen Sie, das Hauptproblem von Neid ist, dass Einzelne immer versuchen, aus einer Sache ein Geheimnis zu machen. Erst dann wird das Fragezeichen gesetzt und gefragt: Was ist da eigentlich los, warum sagen die uns nicht, wie viel sie am Ende verdienen?
Ich will an der Stelle Punkt 4 des Corporate Governance Kodex zitieren. Dort heißt es ganz klar, dass das Aufsichtsratsplenum auf Vorschlag des Gremiums, das die Vorstandsverträge behandelt, die Vergütung aushandeln soll. Weiter:
Die Vergütung der Vorstandsmitglieder wird vom Aufsichtsrat unter Einbeziehung von etwaigen Konzernbezügen in angemessener Höhe auf der Grundlage einer Leistungsbeurteilung festgelegt.
Im Übrigen sollen ?der Erfolg und die Zukunftsaussichten des Unternehmens? und auch ein ?Vergleichsumfeld? berücksichtigt werden. Wenn hier Kriterien transparent nach außen vermittelt werden, lässt sich vieles nachvollziehen. Es lässt sich aber nicht nachvollziehen, wenn 2002, 2003 in einer konjunkturell schwierigen Phase, in einer Phase der Umstrukturierung und der Entlassung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Vorstandsgehälter offensichtlich nicht orientiert an den entsprechenden Leistungskriterien angehoben werden. Das kann nicht sein.
Wenn dies zudem in Unternehmen passiert, die erhebliche Abschreibungen vornehmen, weil sie offensichtlich betriebswirtschaftliche Probleme gehabt haben, dann muss hier ein großes Fragezeichen gesetzt werden.
Außerdem sollten wir uns einmal mit der Frage der Abfindungen, die hier immer wieder eine große Rolle gespielt haben, auseinandersetzen. In den Verhaltensregeln, die unter der Leitung von Herrn Cromme in den Jahren 2000 bis 2002, also in unserer Zeit, das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben,
heißt es ebenfalls:
Bei Abschluss von Vorstandsverträgen sollte darauf geachtet werden, dass Zahlungen an ein Vorstandsmitglied bei vorzeitiger Beendigung der Vorstandstätigkeit ohne wichtigen Grund einschließlich Nebenleistungen den Wert von zwei Jahresvergütungen nicht überschreiten ...
Wenn dies der Maßstab gewesen wäre, hätte es nie einen Mannesmann-Skandal gegeben. Wir glauben, dass das, was hier steht, richtig ist. Warum wird das eigentlich nicht von allen in entsprechender Weise beachtet, frage ich mich.
Hinzu kommt - ich habe eben vergessen, das zu zitieren; es ist eines der Probleme -: ?... und nicht mehr als die Restlaufzeit des Anstellungsvertrages vergüten?. Das bezieht sich auf diejenigen, die sich die Nase vergolden lassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo immer Sie hier sitzen: In Wahrheit ärgert uns, was bei diesen Personen geschieht.
Ich will ausdrücklich noch etwas Positives sagen. Wenn Sie sich einmal Vorstandsgehälter anschauen, dann erkennen Sie: Es gibt eine deutliche Zäsur zwischen den Vorstandsgehältern in DAX-Unternehmen und denen in MDAX-, TecDAX- und SDAX-Unternehmen. Da reden wir schon von einer ganz anderen Gehaltsliga.
Aber auch unter den DAX-Unternehmen gibt es große Unterschiede; das muss man ehrlicherweise sagen. Auf einige dieser Unternehmen wird immer wieder sehr kritisch losgegangen. Ich will hinzufügen: Es gibt ein paar DAX-Unternehmen, die die Höhe der Vorstandsgehälter veröffentlicht haben, etwa Bayer, Deutsche Bank, SAP und Thyssen-Krupp. Ich kann nur sagen: Weiter so, Beispiel geben! Das müssen die Vertreter der Verbände gegenüber ihren Unternehmen endlich durchsetzen, damit die deutsche Wirtschaft in der gesellschaftlichen Debatte glaubwürdig werden kann.
- Und Herr Hundt sowieso. Herr Hundt ist ja immer dabei.
Ich finde, dass wir in jedem Fall alle diese Möglichkeiten ausschöpfen sollten. In der Vergangenheit, insbesondere seit der ersten Transparenzdiskussion, hat man leider Gottes die Erfahrung gemacht, dass es eines Gesetzes bedurfte, weil man sich an nichts anderes halten wollte. Gerade seitens der Wirtschaft wird immer wieder gefordert: Bitte entbürokratisieren und nicht noch mehr Gesetze. Wenn man das verlangt, dann muss man sich auch auf bestimmte Verhaltensregeln einlassen, die nicht nur irgendwelche PDS-Funktionäre fordern, sondern sogar dem Willen derer entsprochen haben, die sie aufgestellt haben. Verdammt noch mal, das muss doch umsetzbar sein! Da ist in allererster Linie die Wirtschaft gefragt.
Ich will noch einmal darauf verweisen, dass wir allesamt uns mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie wir es ansonsten eigentlich halten. Ich glaube, es ist ein Problem, dass wir in Deutschland das Instrument der Aktienoptionen eingeführt haben, und zwar in einer Größenordnung, die nicht unproblematisch ist. Wir sollten auch das reflektieren. Ja, es geht um Shareholder-Value. Aber es geht auch um Unternehmensbestand, um Volkswirtschaft, um Arbeitsplätze und um langfristige Dimensionen unternehmerischen Handelns. Auch deshalb muss man so etwas in einem offenen Dialog mit der Unternehmerschaft in diesem Lande reflektieren.
Auch wenn der Erfolgsbestandteil eines Gehalts möglichst hoch sein soll, müssen nicht zwangsläufig die Grundgehälter erhöht werden; es gibt auch andere Möglichkeiten der Erfolgsvergütung. Ich füge hinzu: Die armen Vorstände haben es bisweilen mit dem Problem zu tun, ihre Aktien zu einem falschen Zeitpunkt zu verkaufen, wodurch sie womöglich in den Verdacht geraten, Insiderhandel betrieben zu haben. Auch das ist nicht sehr bequem. Das ist ein Aspekt, den wir berücksichtigen sollten. Wir sollten weiter miteinander darüber diskutieren.
Ich habe jetzt meine neun Minuten fast geschafft, obwohl mir das keiner zugetraut hätte.
Ich meine, die Politik sollte nicht nur Vorschläge machen - es gab Vorschläge von unserer Fraktion und vonseiten der Grünen, was die steuerliche Betrachtung höherer Managergehälter betrifft -, sondern auch dazu einladen, den Dialog auf der Grundlage der Verhaltensregeln fortzusetzen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Verhaltensregeln in diesem Lande nicht durchsetzbar sind, obwohl es doch in der Welt viele Beispiele dafür gibt, dass solche Regeln im Grunde zum Einmaleins unternehmerischen Handelns und unternehmerischen Verhaltens gehören.
Schönen Dank.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/7530 und 16/7743 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 136. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 18. Januar 2008,
an dieser Stelle veröffentlicht.]