143. Sitzung
Berlin, Freitag, den 15. Februar 2008
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich.
Ganz besonders herzlich begrüße ich, falls er hier sein sollte, den Kollegen Laurenz Meyer, der heute seinen 60. Geburtstag feiert und dem ich dazu herzlich gratuliere.
- Herr Kollege Meyer, es wird nicht allzu häufig vorkommen, dass Sie unter solch einem allgemeinen Jubel in den Plenarsaal einziehen.
Auch deshalb werden Sie den heutigen Tag sicherlich besonders gut in Erinnerung halten.
Wir kommen nun zu unserer Tagesordnung.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 sowie 24 a und 24 b auf:
22. Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Finanzen
Lage der Finanzmärkte
24. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Christine Scheel, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Finanzmärkte stabilisieren
- Drucksache 16/7531 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Aktionsplan ?Finanzmärkte demokratisch kontrollieren, Konjunktur und Beschäftigung stärken? - Aus den internationalen Finanzturbulenzen Konsequenzen ziehen
- Drucksache 16/7191 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann können wir das so vereinbaren.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat der Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! ?Panik auf dem Börsenparkett?, ?neue Weltwirtschaftskrise?, ?Börsencrash vernichtet deutsche Arbeitsplätze?, ?Börsencrash signalisiert Ende des Finanzmarktkapitalismus?, mit diesen oder ähnlichen Begriffen werden die Turbulenzen und die Verwerfungen aufbereitet, mit denen wir es in den letzten Monaten auf den internationalen Finanzmärkten zu tun hatten.
- Über die Mikrofonanlage oder über meine Stimme?
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Bisher haben Sie jedenfalls nichts Falsches gesagt, Herr Minister.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Herr Präsident, können Sie die Uhr anhalten?
- Gut. Dann ist meine Rede beendet, meine Damen und Herren.
Um ernsthaft auf dieses wirklich schwergewichtige Thema zurückzukommen: Es ist richtig, dass wir es in weiten Teilen der Welt und zulasten weiter Teile der Welt mit einer ernsthaften, ausgemachten Finanzmarktkrise zu tun haben. Nicht alle Teile der Welt sind von ihr betroffen, Ostasien zum Beispiel nicht bzw. kaum, insbesondere aber Nordamerika und weite Teile Europas. Sie wird uns das ganze Jahr 2008 beschäftigen. Sie ist kein deutsches Spezifikum. Sie birgt weitere, noch nicht behobene Risiken. Infektionsgefahren für die weltweite Konjunktur und die weltweite Wachstumsentwicklung sind nicht zu übersehen.
Aber, meine Damen und Herren, so wenig Grund es zur Verharmlosung gibt, so unangebracht wäre auch jede Hysterie. Nötig ist ein professionelles Krisenmanagement aller infrage kommenden Partner, das sich auf die Stabilisierung der Finanzmärkte konzentriert und sich nicht durch Empörungen und Reflexe ablenken lässt.
Es ist ferner notwendig, die Ursachen dieser Krise herauszuarbeiten, sie klar beim Namen zu nennen und die sich daraus abzuleitenden Konsequenzen insbesondere im internationalen Kontext zu ziehen. Denn nur so werden wir verlorengegangenes Vertrauen auf den Finanzmärkten und bei vielen Bürgerinnen und Bürgern zurückgewinnen.
Ich warne ausdrücklich davor, in jedem Durchsacken des DAX im Verlauf eines einzigen Handelstages das untrügliche Vorzeichen des Beginns einer ausgeprägten Rezession in Deutschland zu sehen;
denn dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Im Gegenteil, wir sollten versuchen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Es gibt keinen Grund für politische Schnellschüsse, mit denen man sich lediglich den Beifall einer zugegebenermaßen verunsicherten Öffentlichkeit sichern würde.
Um die Situation richtig zu erfassen, ist es wichtig, zu wissen, wo die Ursachen der Finanzmarktkrise liegen. Knapp gefasst: im US-amerikanischen Markt für zweitklassige Hypothekenkredite, den die Experten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, lange Zeit offenbar nicht auf ihrem Radar hatten, zumindest nicht, was sein Potenzial anbelangt, zu einer echten Belastungsprobe für das globale Finanzsystem zu werden.
Salopp gesprochen haben US-Banken auf der Jagd nach der schnellen Rendite ihre Anforderungen an die Qualität von Krediten deutlich verringert und kräftig risikoreiche, weil schlecht gesicherte Hypothekenkredite vergeben, meist an Eigenheimkäufer mit geringer Bonität. Die damit verbundenen hohen Kreditrisiken wurden von den Banken auch deshalb in Kauf genommen, weil man die Möglichkeit hatte, diese Risiken über sogenannte Verbriefungstransaktionen und strukturierte Produkte lieber jetzt als gleich aus den eigenen Büchern, aus den eigenen Bilanzen zu bekommen, indem man sie auf dem Markt verkauft. Ich will sagen: Eine ursprünglich defensive Strategie, Risiken zu verteilen, wurde zu einer spekulativen Blase, zu einer spekulativen Welle.
Die Käufer dieser hochkomplexen Produkte - ein Teil von ihnen hat Namen, die ich gar nicht kannte - haben diesen verpackten Sprengstoff vornehmlich außerhalb ihrer Bilanzen geführt und damit auch außerhalb des Einblickes von Wirtschaftsprüfern, von Aufsichtsbehörden, von Verwaltungsräten und von Aufsichtsräten.
Dass diese Papiere mit gebündelten Kreditrisiken bei renditehungrigen Investoren weltweit auf große Nachfrage stießen, auch und gerade in Deutschland, ist nicht zuletzt den Ratingagenturen zu verdanken. Sie waren es, die in einer fragwürdigen Doppelrolle an beiden Enden beteiligt gewesen sind. Auf der einen Seite haben sie diese Papiere häufig mit der höchsten Bonität bewertet, auf der anderen Seite haben sie die Banken bei der Verbriefung und Vermarktung der Kreditrisiken beraten. Das ist so ähnlich, als ob die Stiftung Warentest ein Produkt testen würde, an dessen Umsatz sie anschließend beteiligt ist.
Auch hier müsste man damit rechnen, dass der Informationsgehalt des Testergebnisses, gelinde gesagt, eingeschränkt ist.
Das Ganze ging so lange gut, wie der Markt in den USA expandierte. Aber irgendwann ist jeder Boom zu Ende. Steigende Zinsen und fallende Immobilienpreise in den USA haben seit dem letzten Jahr immer mehr dieser Hypothekenkredite in Not gebracht. Bei den Banken, die weltweit, auch in Deutschland, die Risiken aus diesen Krediten gekauft hatten, wurden Abschreibungen in Milliardenhöhe notwendig.
Da diese Risiken nicht oder erst sehr spät auf dem Radarschirm der verantwortlichen Bankmanager und Bankaufseher aufgetaucht sind, stellt sich als Erstes die Frage nach der Qualität des jeweiligen bankeninternen Risikomanagements. Damit müsste die Suche nach Verantwortlichen eigentlich anfangen - wenn denn diese Suche nicht nur dem üblichen und durchsichtigen Ruf ?Haltet den Dieb!? folgen sollte. Darin, meine Damen und Herren, liegt auch meine sehr kritische Einlassung über ein verbreitetes Bankmanagerversagen begründet, an der ich festhalte.
Fern einer Kollektivschelte darf ausgesprochen werden, dass es einzelne Bankmanager gibt, die in dem Rennen nach höherer Marge, höherem Profit auf der Grundlage unzureichender Geschäftsmodelle, ohne ausreichende Expertise, in einem Missverhältnis zum Eigenkapital ihrer Institute und unter Vernachlässigung des bankeninternen Risikomanagements ein Milliardenrad gedreht haben.
Diese Entwicklung liegt auch an der Unzulänglichkeit der aktuellen Bilanzierungsregelungen; das gilt nicht nur in Deutschland, das ist weit verbreitet. Sie ermöglichen es den Banken, eigene Risiken eigenkapitalschonend außerhalb ihrer Bilanzen zu führen, sie auf spezielle Zweckgesellschaften zu übertragen oder, besser ausgedrückt, sie zu verstecken vor denjenigen, die Kontrollfunktionen wahrzunehmen haben.
Wie Sie wissen, haben die Probleme an den internationalen Finanzmärkten auch deutsche Kreditinstitute in Mitleidenschaft gezogen. Hier in Deutschland gehören die Landesbanken Sachsen LB und West-LB sowie die Privatbank IKB mit den von ihnen finanzierten Zweckgesellschaften zu den ersten und zu den spektakulärsten Opfern der sogenannten Subprime-Krise. Weitere Institute - über die gesamte Bandbreite des deutschen Bankensektors - sind auch betroffen, aber weniger existenziell.
Vor allem die IKB hat uns in den letzten Tagen in Atem gehalten - nicht das erste Mal -, weil neuer Abschreibungsbedarf bzw. Eigenmittelbedarf in Milliardenhöhe erforderlich wurde. Wir haben sehr intensive Debatten geführt, wie es mit der IKB weitergehen soll. Wichtig war meinem Kollegen Glos und mir, dass es über den konkreten Fall der IKB zu keiner Verschärfung der Bankenkrise in Deutschland kommt.
Darüber waren und sind wir uns in der Bundesregierung einig. Wir haben die Verantwortung, Schaden vom Finanzplatz Deutschland abzuwenden.
Wir haben uns diese Entscheidung gewiss nicht einfach gemacht. Sie war auch nicht einfach, weil wir nicht einfach Vorteile gegen Nachteile, sondern nur jeweilige Nachteile gegeneinander abwägen konnten. Der Nachteil einer drohenden Insolvenz verbunden mit einer drohenden Erschütterungsdynamik für den gesamten Finanzplatz Deutschland war gegen den Nachteil abzuwägen, auch mit Steuergeldern ein Institut zu stützen, das sich am Markt verzockt hat und eigentlich vom Markt bestraft werden müsste.
Im Rahmen dieser schwierigen Abwägung zwischen der Situation bei der IKB und den Risiken für den deutschen Bankenmarkt haben wir uns im Verwaltungsrat der KfW am Mittwoch entschieden, dass die KfW der IKB mit einer Zuweisung nach dem KfW-Gesetz ein weiteres Mal unterstützend behilflich ist, und zwar mit 1,5 Milliarden Euro.
Der Bund wird davon mindestens 1 Milliarde Euro tragen, die aus Dividendenerträgen stammen. Dadurch wird die bisherige Finanzplanung nicht belastet. Die Ehrlichkeit gebietet es aber, zu sagen, dass diese 1 Milliarde Euro eines Tages als nicht eingegangene Einnahmen zu Buche schlagen werden. Der Bundesverband deutscher Banken hat unter der Bedingung einer letztmaligen Inanspruchnahme zugesagt, mit 300 Millionen Euro einen weiteren wesentlichen Teil der Stützung zu übernehmen. Für die restlichen 200 Millionen Euro wird es eine Lösung geben. Im Zweifelsfall müssen sie im laufenden Haushalt eingesammelt werden.
Sie können sich vorstellen, dass ich über diese Belastung des Bundeshaushaltes alles andere als begeistert bin. Auch wenn Sie mich deshalb hier mit zusammengebissenen Zähnen stehen sehen - jedenfalls dann, wenn ich nicht rede -,
ist die Entscheidung richtig, die IKB nochmals zu stützen.
Erstens ist uns wichtig, dass die IKB verkaufsfähig gemacht wird und dass der bereits angelaufene Verkaufsprozess der Bank - das betone ich - weitergehen kann und so schnell wie möglich abgeschlossen wird. Damit das gut funktioniert, werden das Management der IKB und auch der KfW personell verstärkt.
Zweitens ist uns wichtig, dass wir im Ergebnis vermeiden können, dass die Mittelstandsförderung und der Substanzerhalt des ERP-Sondervermögens - mit Blick auf diejenigen, die im Hohen Hause in dieser Frage sehr engagiert sind, ist mir an dieser Aussage sehr gelegen - durch neue Sanierungsbeiträge beeinträchtigt werden. Ich wiederhole: weder die Mittelstandsförderung noch der Substanzerhalt des ERP-Sondervermögens. Um diesbezügliche Fragen an dieser Stelle abschließend zu beantworten: Das ist sichergestellt.
Drittens ist unsere Entscheidung für die IKB ein klares Signal an den Markt. Wir verhindern damit, dass andere Banken durch die Krise bei der IKB in Mitleidenschaft gezogen werden, und zwar, indem wir verhindern, dass Einlagen der IKB in zweistelliger Milliardenhöhe - um Ihnen eine Zahl zu nennen: knapp oberhalb von 24 Milliarden Euro - verlorengehen. Diese Einlagen stammen nicht nur von anderen Bankinstituten aus dem öffentlich-rechtlichen, dem genossenschaftlichen und dem privaten Bereich, sondern es handelt sich auch um Einlagen von Nichtbanken bis hin zu Versicherungen. Wir verhindern damit, dass diese Einlagen möglicherweise bzw. wahrscheinlich verlorengehen und dass damit auch der freiwillige Einlagensicherungsfonds der privaten Geschäftsbanken in Anspruch genommen wird, den sie dringend brauchen, um Vorsorge für ihren eigenen Bereich zu schaffen.
Viertens gilt es zu verhindern, dass auf dem Markt für Hybridkapital die Preise für lang laufende Anleihen deutlich steigen, was andere Banken, die sich mit solchen Anleihen refinanzieren, ausgesprochen negativ treffen würde.
Fünftens wäre die IKB - an dieser Aussage ist mir sehr gelegen - die erste europäische Bank, die in der direkten Folge der US-Subprime-Krise pleite ginge. Das sollten wir uns nicht als Symbol des deutschen Bankenmarktes leisten - auch nicht im Verhältnis zu anderen europäischen Ländern.
Sechstens hat ein Finanzminister sehr genau über die steuerlichen Folgen eines solchen Risikoszenarios bzw. unterschiedlicher Risikoszenarien nachzudenken. In welchem Verhältnis stehen zu erwartende Einnahmeverluste gegenüber dem Einsatz von Haushaltsmitteln zur Rettung einer Bank? Dass es auch in diesem Hause einzelne Personen gibt, die mit ihren technischen Mitteln schon eine sehr genaue Summe hinsichtlich der steuerlichen Folgen der Finanzmarktkrise errechnen und der Presse mitteilen konnten, findet meine Bewunderung. Der deutschen Steuerverwaltung ist dies mit ihrer Datenverarbeitung bisher nicht gelungen.
Ich erwähne diese Gründe so ausführlich, meine Damen und Herren, damit Sie und die deutsche Öffentlichkeit einen Einblick in die Abwägung der Bundesregierung bekommen und Sie sich damit vielleicht auch etwa stärker gegen eilfertige, undifferenzierte Urteile und Bewertungen immunisieren können. Uns allen sollte klar sein: Die Bankenkrise ist noch lange nicht zu Ende. Wir haben es hier nicht nur mit einer Bank zu tun, die sich in unverantwortlicher Weise verzockt hat. Alle Kreditinstitute, die mit Subprime-Marktpapieren gehandelt haben, sind von dieser Krise betroffen. Schlecht ist, dass nach wie vor niemand ganz genau weiß, welches Institut in welchem Ausmaß betroffen ist.
Fest steht: Die teils deutlichen Abschläge bei den Aktienkursen der Kreditinstitute zeigen, dass der Markt von einem höheren Wertberichtigungsbedarf ausgeht, als bisher transparent ist. Weltweit, so habe ich in Tokio während des Treffens der G-7-Finanzminister erfahren, schätzt der IMF den Wertberichtigungsbedarf auf 400 Milliarden US-Dollar, wobei die Experten sagen, das bisher ungefähr ein Drittel davon tatsächlich wertberichtigt worden ist.
Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, kann das Gebot der Stunde nur lauten, dass die Banken in ihren Bilanzen klar Schiff machen müssen, und zwar ohne langen Aufschub. Wer glaubt, mögliche Wertberichtigungen oder Verluste nur in Häppchen nach der Salamitaktik offenbaren zu müssen, der provoziert nicht nur eine eigene Abstrafung durch den Markt, sondern der handelt zum Schaden des gesamten Finanzsektors in der Bundesrepublik Deutschland. Um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, dürfen wir es uns nicht leicht machen und nur die akute Krisenbewältigung sehen, die auch dank des entschlossenen Handelns großer Zentralbanken bisher insgesamt gut gelungen ist. Ich möchte der Europäischen Zentralbank ein ausdrückliches Kompliment machen, die eine dieser Zentralbanken gewesen ist, die den Markt in einer sehr angespannten Lage mit Liquidität versorgt haben, anders als zum Beispiel eine andere europäische Zentralbank.
Ebenso bedanke ich mich insbesondere beim Präsidenten der Deutschen Bundesbank und beim Präsidenten der BaFin, die in diesem Krisenmanagement eine wichtige, eine verlässliche und eine unterstützende Rolle gespielt haben.
Wir müssen uns auch mit der Frage beschäftigen, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Natürlich spielt das Eigeninteresse der Finanzmarktteilnehmer, Finanzkrisen zu vermeiden, hierbei eine zentrale Rolle. Der Markt sorgt derzeit, wenn auch schmerzlich, für eine Anpassung: Risiken werden jetzt wieder anders eingepreist als vor dieser Blase. Aber dieses Marktinteresse allein wird nicht ausreichen, um Inkompetenzen, Fehlverhalten und Übertreibungen dieses Marktes, Exzesse durch diesen Markt wirklich zu verhindern. Es hat ja auch nicht gereicht, um die bisherige Krise abzuwenden.
Ich bin deshalb überzeugt, dass die Krise eine politische Reaktion erfordert und wir zu besseren, international abgestimmten Spielregeln kommen müssen. Beim Treffen der G-7-Finanzminister in Tokio vom vergangenen Wochenende wurden deshalb auch auf deutsche Initiative hin Vorschläge diskutiert und in dem Kommunique festgehalten, mit dem wir in drei zentralen Bereichen das Vertrauen an den Märkten nachhaltig stärken wollen: die Eigenkapitalunterlegung der Banken, ein besseres Liquiditätsmanagement und eine höhere Transparenz. Es versteht sich von selbst, dass für alle Maßnahmen eine Umsetzung auf internationaler Ebene der Königsweg ist, allein schon deshalb, um darüber einseitige Wettbewerbsnachteile für einen einzelnen Finanzplatz wie beispielsweise Deutschland zu vermeiden. Das heißt aber umgekehrt nicht, dass wir nicht auch auf europäischer und ebenso auf deutscher Ebene aktiv werden müssen, zum Beispiel auch dann, wenn bei einer internationalen Umsetzung Schwierigkeiten auftauchten.
Aus Zeitgründen möchte ich hier nur die wichtigsten Maßnahmen anreißen; ich bin sicher, dass sich nächste Woche sowohl im Finanzausschuss wie im Haushaltsausschuss die Gelegenheit für eine intensivere Erörterung ergeben wird.
Erstens geht es um eine verbesserte Eigenkapitalunterlegung. Die Finanzmarktturbulenzen haben gezeigt, dass wir mehr Risikovorsorge für Stressphasen am Markt brauchen, allerdings erst nach Überwindung dieser Krise, um die Kreditinstitute aktuell nicht noch mehr zu überfordern, als sie es ohnehin schon sind. Eine Möglichkeit hierzu ist, im Zuge einer Nachjustierung von Basel II von den Banken einen zusätzlichen Eigenkapitalpuffer zu verlangen, und zwar zusätzlich zu dem, was nach den jetzt seit wenigen Wochen geltenden Basel-II-Regeln für den gewöhnlichen Fall reibungslos funktionierender Märkte ermittelt wird. Aber die Märkte funktionieren eben nicht immer reibungslos und so wie gewöhnlich.
Hinsichtlich der Verbriefungen, einem der Dreh- und Angelpunkte der derzeitigen Krise, empfiehlt sich darüber hinaus eine Erhöhung der Risikogewichte dieser Verbriefungen zur Bestimmung der nötigen Eigenkapitalunterlegung nach Basel II. Dies könnte zum einen durch eine andere Ausübung bereits bestehender Wahlrechte oder zum anderen durch eine Neuberechnung der Risikogewichte erfolgen, die bisher immer nur in Schönwetterzeiten erarbeitet worden sind. Je nach einer daraus resultierenden neuen Risikogewichtung müsste dann mehr Eigenkapital von den Instituten bereitgehalten werden, was wiederum bei Investmentmanagern den Anreiz verstärken würde, in den Bewertungen stärker auf die wirtschaftlichen als auf die spekulativen Rahmenbedingungen ihres Engagements zu achten.
Zweitens wollen wir das Liquiditätsmanagement verbessern. Die Finanzmarktturbulenzen machen deutlich, dass die globalen bankaufsichtsrechtlichen Liquiditätsvorschriften dringend ausgebaut werden müssen. Handlungsbedarf sehe ich hierbei vor allem in zweierlei Hinsicht: Erstens sprechen gute Gründe für eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Vorschriften über die einzelne Bank hinaus auf einen Bankkonzern. Zweitens sind Belastungstests - oder auf neudeutsch Stresstests - unter der Annahme einer nur eingeschränkten Marktliquidität geboten. Die bislang übliche Annahme liquider Märkte ist ungenügend und wird von den von uns gemachten Erfahrungen falsifiziert.
Drittens wollen wir mehr Transparenz auf den Märkten schaffen. Dies ist eine zentrale Aufgabe für die internationale Politik. Alle Marktteilnehmer - auch Anleger und Aufsichtsgremien - müssen die Chance haben, bestehende Risiken angemessen bewerten zu können. Dies ist derzeit nicht gewährleistet. Die Marktteilnehmer können keine eigenen Risikoprofile erstellen.
Ich möchte heute nicht näher auf das Thema Hedgefonds eingehen, zumal diese definitiv nicht die derzeitigen Finanzmarktturbulenzen verursacht haben. Aber ich möchte daran erinnern, dass es von manchen im Inland wie auch im Ausland - insbesondere im angloamerikanischen Bereich - belächelt worden ist, dass wir unter der deutschen EU-Rats- und G-7-Präsidentschaft vor ungefähr einem Jahr das Thema Transparenz auf die Tagesordnung gesetzt haben.
Ich hätte mir damals in ihrem eigenen Interesse etwas mehr Unterstützung aus der Branche selber gewünscht. Inzwischen ist, wie Sie wissen, einiges in Gang gekommen, und zwar in Großbritannien durch die Kommission, die Andrew Large, der frühere Vizepräsident der Bank of England, in Gang gesetzt hat, wie auch in der sogenannten President?s Working Group on Financial Markets in den USA. Das alles sind wichtige Initiativen im Ergebnis dessen, was wir vor einem Jahr initiiert haben. Diese Initiativen werden uns im Financial Stability Forum und schon während des G-7-Treffens im April stark beschäftigen.
Es wäre zu wünschen, will ich hinzufügen, dass wir dieses Mal insbesondere von der Ratingbranche Unterstützung bekommen, von der wir die Schaffung eines ?set of best practices? für strukturierte Produkte erwarten. Mir ist wichtig, dass wir in Zukunft verhindern, dass die Agenturen, wie gesagt, erst beratend an der Strukturierung beteiligt sind und anschließend an der Bewertung.
Unter dem Stichwort der Transparenz werden wir auch eine eventuelle Ergänzung des Bilanzrechtes diskutieren müssen, um bislang außerbilanziell durchgeführte Transaktionen zukünftig besser sichtbar zu machen. Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass der von der Kollegin Zypries bereits vorgelegte Referentenentwurf des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes vorsieht, die Kriterien enger zu fassen, nach denen Zweckgesellschaften bilanziert werden müssen.
Wenn es um nachhaltige und wirkungsvolle Konsequenzen aus den Finanzmarktturbulenzen geht, dann sprechen wir automatisch auch über die Arbeit der Aufsichtsbehörden bei uns. Das ist sowohl national als auch in der grenzüberschreitenden Kooperation ein wichtiges Thema in der Eurogruppe und im Ecofin-Rat.
Vor diesem Hintergrund begrüße ich ausdrücklich die zwischen der BaFin und der Bundesbank gefundene Verständigung auf eine transparentere und reibungslosere Aufgabenverteilung bei der Bankenaufsicht. Sie ist ein wichtiger Beitrag zu einer handlungsfähigen stabilen deutschen Bankenaufsicht. Nähere Auskünfte darüber werden mit Gewissheit auch in den beiden Ausschüssen gegeben.
Ich bin überzeugt, dass die von mir beschriebenen Maßnahmen - vor allem, wenn sie auch im internationalen Kontext umgesetzt werden - eine gute Basis für eine nachhaltige Beruhigung und Stabilisierung der Finanzmärkte darstellen. Genauso überzeugt bin ich allerdings davon, dass kurzfristige Konjunkturprogramme, wie sie derzeit auch unter Verweis auf die Situation in den USA gelegentlich reflexartig wie lautstark in Europa und in Deutschland propagiert werden, definitiv nicht die richtige und angemessene Antwort auf die jetzige Situation sind.
Das gilt - um es gleichermaßen vorweg zu sagen - für etwaige zusätzliche und nach Lage der Dinge wohl auch kreditfinanzierte Ausgabenprogramme wie auch für die von mancher Seite vorgetragene Forderung nach Steuersenkungen auf Pump. Es gibt eine Reihe von Gründen, die gegen beides sprechen. Erstens haben wir es im Unterschied zu den Amerikanern in Europa und speziell in Deutschland immer noch mit einer starken konjunkturellen Grunddynamik zu tun. Die Finanzmarktturbulenzen treffen auf eine wesentlich robustere deutsche Wirtschaft als noch vor zwei oder drei Jahren. Auch die stabilen Fundamentaldaten deuten nicht auf eine stärkere konjunkturelle Abkühlung und erst recht nicht auf eine rezessive Entwicklung in Deutschland hin. So haben wir es beispielsweise aktuell mit einer aufwärts gerichteten Tendenz bei den Auftragseingängen und mit einem entsprechend positiven Ausblick für die Entwicklung der Industrieproduktion in den nächsten Monaten zu tun. Einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zufolge blickten die deutschen Industrieunternehmen im vermeintlich schwierigen Monat Januar optimistischer in die Zukunft als vor einem halben Jahr. Das ist ein Ausschnitt aus der aktuellen Lage. Ich könnte das fortsetzen. Aus Zeitgründen will ich das nicht tun.
Auf der Basis der jetzt vorliegenden Erkenntnisse rechnet die Bundesregierung, unterstützt von fast allen, die man dazu befragen kann, mit einem gesamtwirtschaftlichen Wachstum in Höhe von 1,7 Prozent in diesem Jahr. Damit können wir trotz unbestreitbarer Risiken - diese negiere ich gar nicht - zufrieden sein, wenn es denn so kommt. Wir sollten die Kirche allerdings im Dorf lassen. 1,7 Prozent Wachstum bedeuten nicht mehr und nicht weniger, als dass wir damit ungefähr unser derzeit geschätztes Wachstumspotenzial in Deutschland ausschöpfen können. Sie alle wissen, dass das 2003 und 2004 nicht so war. Damals hätten wir bei 1,7 Prozent Wachstum die Sektkorken knallen lassen.
Zweitens haben wir keinerlei Veranlassung, unseren bisher so erfolgreichen wirtschafts- und finanzpolitischen Kurs, eben die Kombination aus dauerhafter Wirtschaftsförderung und Wachstumsförderung sowie einer soliden Haushaltspolitik, zu verlassen. Die gegenwärtig wirksamen Strukturreformen helfen uns auch im aktuell schwieriger werdenden konjunkturellen Fahrwasser; denn sie wirken konjunkturunterstützend. So wird sich im laufenden Jahr allein der Gesamteffekt durch die Förderung von Wachstum, Beschäftigung und Familien - Sie können sich sicherlich erinnern, dass es sich um ein 25-Milliarden-Euro-Programm handelt, 12,5 Milliarden Euro ergänzt durch die Bundesländer; hinzu kamen im letzten Jahr 10 Milliarden Euro zusätzlich -, die Senkung des Beitragssatzes in der Arbeitslosenversicherung und die Entlastung der Wirtschaft durch die seit dem 1. Januar dieses Jahres gültige Unternehmensteuerreform auf rund 18 Milliarden Euro belaufen. Um Ihnen eine Relation zu geben: Diese 18 Milliarden Euro entsprechen spitz gerechnet 0,75 Prozent des deutschen Bruttosozialproduktes. Das, was der Präsident der USA in seiner State of the Union erklärt hat, entspricht ungefähr 1 Prozent des amerikanischen Bruttosozialprodukts. Das heißt, mit diesen Impulsen bewegen wir uns in etwa in der Relation dessen, was der amerikanische Präsident in seiner State of the Union als konjunkturfördernde Maßnahmen angekündigt hat.
Drittens würde jede Abkehr vom notwendigen Konsolidierungskurs, die mit einem Konjunkturprogramm verbunden wäre, zwangsläufig zu gegenläufigen Entwicklungen führen. Es wäre sehr wahrscheinlich, dass ein Verlassen des Konsolidierungspfades in der jetzigen Situation nicht nur ein sträflicher Wiederholungstatbestand wäre, der uns im Hinblick auf das Ziel der Generationengerechtigkeit Lügen strafen würde und der vor allen Dingen dem verbreiteten Verdacht Vorschub leistete, dass die Politik im Zweifelsfall immer bereit ist, sich leichtfüßig in eine höhere Staatsverschuldung zu flüchten. Diese Abkehr könnte gerade angesichts des derzeitigen Inflationsdrucks viel mehr auch die europäische Geldpolitik betreffen. Sie könnte zu einer restriktiveren Geldpolitik, also zu Zinserhöhungen durch die EZB führen. Je nach Ausmaß würde die Konjunktur dadurch stärker belastet, als ein Konjunkturprogramm beschleunigend wirken könnte.
Bisher sind die Auswirkungen der globalen Finanzmarktturbulenzen auf die deutsche Konjunktur und damit auf den aktuellen Bundeshaushalt verkraftbar. Bisher! Es besteht Grund zu der Annahme, dass dies weiterhin so bleibt. Aber ich rate dringend, sich von der lieb gewordenen Vorstellung zu verabschieden, dass wir künftig - genauso wie 2006 und 2007 - mit unerwarteten Steuermehreinnahmen rechnen könnten, die wir bisher zu zwei Dritteln in die Absenkung der Nettokreditaufnahme und zu einem Drittel in zusätzliche Investitionen für Wachstum und Beschäftigung gesteckt haben. Ich sage an dieser Stelle sehr prononciert: Auf unerwartete zusätzliche Steuermehreinnahmen kann in diesem Jahr niemand hoffen. Das Gegenteil ist nicht auszuschließen.
Vor diesem Hintergrund sehe ich die hauptsächliche Gefahr für den weiteren notwendigen Konsolidierungskurs nicht in der konjunkturellen Entwicklung, sondern in den trotz schwieriger Rahmenbedingungen ungebremsten politischen Begehrlichkeiten gegenüber dem Haushalt.
Die Gleichzeitigkeit unverträglicher politischer Forderungen und Vorschläge verwirrt nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern behindert auch die Stetigkeit unseres Kurses. Runter von der Staatsverschuldung, aber rauf mit diversen Ausgaben und runter mit den Steuersätzen und das alles gleichzeitig, dies funktioniert nicht. Das sollte endlich Common Sense in diesem Haus werden.
Ich betreibe keine Schwarzmalerei, aber die haushaltsbelastenden politischen Wünsche übersteigen die gegenwärtig sichtbaren und beherrschbaren Einnahmeausfälle durch die etwas schwächer werdende Konjunktur um ein Vielfaches. Deshalb sage ich: Vorsicht an der Bahnsteigkante! Die Große Koalition hat keinerlei Anlass, von ihrer erfolgreichen, soliden Haushaltspolitik abzuweichen, weder durch ökonomisch fragwürdige Programme noch durch zusätzliche steuerliche Entlastungen nach einer Serie bereits erfolgter Steuersenkungen.
Die jüngste ist gerade einmal sieben oder acht Wochen her. Für die anstehenden Verhandlungen zum Bundeshaushalt 2009 kann dies nur zweierlei bedeuten: Erstens. Die Verhandlungen werden von uns allen sehr große Disziplin und Konzentration auf das wirklich Notwendige verlangen. Zweitens. Sie werden noch weniger vergnügungssteuerpflichtig sein, als sie es je waren.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Dr. Hermann Otto Solms für die FDP-Fraktion.
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kann gar kein Zweifel sein, dass diese aktuelle Krise am Finanzmarkt ihren Ausgang in den Vereinigten Staaten genommen hat, dass dort Fehler gemacht worden sind und dass dies zu kritisieren ist. Es ist aber nicht Sache eines Oppositionspolitikers, sich mit den Fehlern in den Vereinigten Staaten zu befassen, sondern meine Aufgabe ist es, zu prüfen, was die Bundesregierung getan hat, ob sie Fehler gemacht hat und wer für diese Fehler verantwortlich ist. Darüber müssen wir heute reden.
Ich halte es auch für richtig, Herr Bundesfinanzminister, und ich unterstütze - das sage ich jetzt persönlich, weil wir das in der Fraktion nicht abgestimmt haben -, dass Sie jetzt in einer erneuten Runde öffentliche Finanzmittel beiziehen, um den endgültigen Untergang der IKB zu vermeiden, insbesondere um Schaden vom deutschen Finanzmarkt abzuwenden.
Aber: Wer ist verantwortlich für den riesigen Verlust an öffentlichen Mitteln, der nun eingetreten ist? Ich will auf die Fehler hinweisen.
Erstens. Ihr Vorgänger Hans Eichel hat die ersten Fehler gemacht. 2001 hat er entschieden - der Bundestag war mit dieser Angelegenheit nicht befasst -, dass die KfW als Eigentümerin bei der IKB eintritt. Es war immer unsere Auffassung, dass sich eine staatliche Förderbank nicht an privaten, riskanten Spekulationsgeschäften beteiligen darf.
Ich habe dies, Herr Bundesfinanzminister, auch im Wahlkampf 2005 öffentlich gesagt. In der WiWo ist das zitiert. Ich habe Herrn Eichel und Frau Matthäus-Maier auch persönlich gesagt: Wenn wir 2005 Verantwortung übernommen hätten, wäre diese Beteiligung unverzüglich veräußert worden. - Dann hätten wir uns den Schaden erspart.
Sie haben nun 2005 den Fehler begangen, das zu übernehmen und das Engagement fortzusetzen. Sie haben die Verantwortung dafür, dass der Staat, also der Steuerzahler, an diesen riskanten Spekulationsgeschäften beteiligt geblieben ist.
Zweiter Fehler. Herr Eichel hat die Bankenaufsicht unzureichend geregelt. Er hat einen Kompetenzwirrwarr zwischen Bundesbank und BaFin mit Streitigkeiten bis jetzt ausgelöst. Jetzt soll es angeblich einen vorläufigen Kompromiss zwischen beiden Instituten geben. Wir haben damals gefordert, die Kompetenz auf eine Institution zu konzentrieren, und zwar am besten auf die Deutsche Bundesbank, weil diese unabhängig ist und nicht unter Ihrer Aufsicht steht. Sie würde Ihnen dafür aber auch die Verantwortung ersparen.
Auch das ist nicht gemacht worden.
Was ist dabei herausgekommen? Nicht nur Kompetenzwirrwarr bei der Bankenaufsicht, sondern auch Kompetenzwirrwarr bei der Aufsicht durch den Bundesfinanzminister; denn Sie sind an der Aufsicht der IKB direkt und indirekt geradezu dreifach beteiligt, nämlich durch den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden Herrn Leinberger, der im Vorstand der KfW sitzt, und durch Herrn Asmussen, Abteilungsleiter im Finanzministerium, der gleichzeitig im Verwaltungsrat der BaFin und im Aufsichtsrat der IKB sitzt, sich also sozusagen selbst kontrolliert. Auch das liegt in Ihrer Verantwortung. Schließlich hat die BaFin beansprucht, die Überwachung der IKB selbst durchzuführen und die Bundesbank herauszuhalten, sodass die Überwachungsfehler eindeutig der BaFin zuzuschreiben sind. Diese dreifache Überwachung hat zu dem Versagen geführt. Jetzt soll mir aber niemand erklären, das alles wäre geheimnisvoll und vertuscht worden. Ich habe mir - wie es jeder tun kann - den Geschäftsbericht der IKB aus dem Internet heruntergeladen und ausgedruckt. Dort sind ja alle Zahlen aufgeführt; jeder kann sie sich anschauen. Zumindest Fachleute hätten doch aufmerksam werden müssen.
Ich möchte eine Passage zitieren; das ist etwas, was man sich nur auf der Zunge zergehen lassen kann. In dem Geschäftsbericht steht: Unsere Investments konzentrieren sich zu zwei Dritteln auf US-Portfolios, insbesondere auf Hypothekenkreditforderungen. - Dann kommt das Schönste:
Wir nutzen unsere große Expertise ? in diesem Bereich aber auch, um auf Provisionsbasis externe Gesellschaften bei deren Investments in internationale Kreditportfolien zu beraten. Dies bezieht sich insbesondere auf das Conduit ?Rhineland Funding Capital Corporation? in den USA.
Das ist ja eine Tochtergesellschaft der IKB. Die haben sie beraten, damit der gleiche Mist, der bei der IKB durchgeführt wird, auch bei dem Conduit durchgeführt wird.
?Unsere große Expertise? - und das hat bei Ihnen niemand gemerkt? Das steht doch alles im Geschäftsbericht! Der Aufsichtsrat bestätigt das ja.
Der nächste Fehler: das Krisenmanagement, das Sie durchgeführt haben - jetzt wird ja schon die dritte Hilfsaktion durchgeführt. Die erste Hilfsaktion fand im August statt: 3,5 Milliarden Euro sind zur Verfügung gestellt worden. Die zweite Hilfsaktion fand am 30. November statt. Dabei sind die Mittel der KfW zur Abschirmung der Risiken auf 4,8 Milliarden Euro erhöht worden. Vorgestern gab es die dritte Runde: 1,2 Milliarden Euro öffentliche Mittel sind zur Verfügung gestellt worden. Das sind insgesamt 6 Milliarden Euro. Ist das jetzt die letzte Runde? Sind diese Aktionen jetzt abgeschlossen? Oder wie viele Runden haben wir noch vor uns? Kann das jemand sagen?
Sie beschimpfen die privaten und die anderen Banken. Sie haben in der FAS in einem Interview gesagt:
Das begründet meine Aufforderung an die anderen Banken, jetzt schnell alles offenzulegen, was sie an erkennbaren Risiken mitschleppen, damit der Markt nicht im Vierzehn-Tage-Rhythmus von Hiobsbotschaften weiter nervös gemacht wird.
Was passiert denn in Ihrem Bereich? Was haben Sie denn jetzt aufgedeckt? - Sie verfahren nach der Salamitaktik: Wenn es notwendig ist, dann wird etwas aufgedeckt. Dann wartet man bis zur nächsten Krise. Was hier vorgeführt wird, ist wirklich dilettantisch.
Meine Damen und Herren, insgesamt sind mindestens 6 Milliarden Euro öffentliche Mittel verbrannt. Die sind verbraucht. Wer ist dafür verantwortlich? Darum geht es hier. Wir wollen kein Bauernopfer, etwa das von Frau Matthäus-Maier, sehen. Wir wollen wissen, wer für den Verlust von 6 Milliarden Euro Steuernmitteln hauptsächlich verantwortlich ist. In diesem Fall ist das eindeutig der Bundesfinanzminister.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Norbert Röttgen für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU):
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in dieser Debatte mit einer ausländischen Stimme beginnen,
und zwar mit dem englischen Kolumnisten Martin Wolf, der sich in der englischen Financial Times - in meiner freien Übersetzung - kurz so geäußert hat:
Ein Finanzsektor, der enorme Gewinne für die Insider und gleichzeitig wiederholte Krisen für Hunderte Millionen unbeteiligter Zuschauer produziert, ist auf lange Sicht politisch inakzeptabel.
Gerade diejenigen, die eine marktwirtschaftlich geprägte Globalisierung wollen, müssen das als die Achillesferse der Globalisierung erkennen. Effektives Handeln ist jetzt gefordert, bevor eine noch größere globale Krise kommt.
Ich glaube, dass der sicherlich völlig unverdächtige Kolumnist der Financial Times die politische Dimension der Krise, in der wir uns befinden, deutlich gemacht hat. Es gibt sicherlich eine ganze Menge bankenregulatorischer Fragen, aber es geht im Kern um diese politische Dimension.
Wenn ich seine Aussage noch einmal reduzieren wollte, würde ich sagen: Es geht inzwischen nicht mehr nur um die Rettung von Geld, es geht schon gar nicht um Rechthaberei, sondern es geht um die Wiederherstellung von Vertrauen. Das ist die Aufgabe und Herausforderung, der wir gerecht werden müssen.
Das geht nicht mit Schnellschüssen. Es braucht Entschlossenheit, vielleicht auch ein bisschen Mut, sich dieser Situation zu stellen.
Was könnten Elemente für eine konzeptionelle Antwort auf die Krise sein, die ihr gerecht werden? Es geht doch darum, aus der Krise zu lernen.
Das erste Element ist: Wir müssen erfassen, was das Charakteristische der Finanzglobalisierung ausmacht, was sich eigentlich so fundamental verändert hat - es gibt fundamentale Veränderungen -, warum wir nicht einfach mit den Instrumenten und der Art weitermachen können, die wir in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg, eingeführt unter Ludwig Erhard, mit Erfolg praktiziert haben.
Ein Charakteristikum ist, dass Risiken und Krisen zwar national oder regional entstehen, aber in ihren Auswirkungen nicht mehr national oder regional begrenzbar sind, sondern globale Auswirkungen haben, und zwar für Politik, Wirtschaft und private Haushalte in der ganzen Welt. Niemand kann sich diesen Risiken und Krisen, die an irgendeiner Stelle entstehen - diesmal in den USA; es könnte auch Asien sein -, entziehen, auch nicht hier in Deutschland. Wir sind miteinander verbunden.
Aus diesem Charakteristikum folgt eine Antwort. Es folgt nicht die Antwort, dass der Staat überflüssig wird. Ich bin fest überzeugt, dass die Globalisierung den Staat alles andere als überflüssig macht. Er hat eine neue Aufgabe. Tatsache ist aber, dass eine adäquate Antwort auf die Globalisierung und auch auf die Finanzglobalisierung nicht rein national sein kann. Das Gebot der Stunde ist internationale Kooperation. Darum sollte man nicht so oft damit drohen: Wenn wir uns nicht einigen, machen wir es allein. - Wir sind nicht der entscheidende Akteur in dieser Frage, sondern internationale Kooperation ist das Gebot der Stunde.
Ich möchte auf den Anlass dieser Regierungserklärung zurückkommen, das G-7-Finanzministertreffen. Es ist zu würdigen, dass es diese Kooperation gibt und dass unser Land und diese Bundesregierung in ihrer Präsidentschaft die Bedeutung erkannt und eine führende Rolle übernommen haben. Ich will keine Rechthaberei betreiben, aber doch an die Auseinandersetzungen erinnern, die es um Heiligendamm und das G-8-Treffen in Deutschland gab, auch an den politischen Widerstand - das ging bis hin zu militantem Widerstand - gegen das Treffen und die Kooperation überhaupt. Ich glaube, dass die Finanzmarktkrise all diejenigen, die sagen: ?Wir brauchen diese Kooperation nicht; sie ist böse; sie ist eine Versammlung von denjenigen, die Ausbeutung betreiben wollen?, eines Besseren belehrt. Manche sollten ihren Horizont weiten. Nichts ist nötiger als internationale Zusammenarbeit.
Das gilt auch im Hinblick auf die Schwellenländer - das hat Herr Steinbrück gesagt -, die ein stabilisierender Faktor sind. Darum müssen wir die vorhandenen Institutionen entwickeln. Der Internationale Währungsfonds hat eine Geschichte und hat in seiner Geschichte schon unterschiedliche Funktionen wahrgenommen. Ich halte es für sinnvoll, den Internationalen Währungsfonds zu einem globalen Frühwarnsystem für die Finanzmärkte weiterzuentwickeln. Ein solches Instrument brauchen wir. Wir sollten an dieser Fortentwicklung aktiv mitwirken.
Ich glaube, dass in der aktuellen Finanzmarktkrise die Stunde Europas schlägt. Nach den großen Erfolgen der europäischen Integration fragen wir jetzt immer wieder: Was ist eigentlich die Legitimation Europas heute? Ist Europa Opfer seines eigenen Erfolges geworden? Nein, Europa erweist sich im Zeitalter der Globalisierung als die erste und beste Antwort auf ebendiese Globalisierung. Jetzt, da der Euro fast zehn Jahre alt ist, können wir auch sagen: Der Euro erlebt in diesen Tagen - ich glaube nicht, dass das zu hoch gesprochen ist - vielleicht seine erste historische Rechtfertigung. Der Euro liefert in dieser Krise den Bürgern in den Ländern der Eurozone einen Schutz, den die gute alte Mark nicht hätte liefern können. Der Euro hat sich in dieser Krise als Garant für Währungsstabilität und als Gestaltungsinstrument bewährt.
Deshalb ist es gut, dass die Entscheidung zugunsten des Euro getroffen worden ist. Darum erkläre ich, dass wir als Unionsfraktion - ich glaube, das ist auch die Position Deutschlands - die entscheidende institutionelle Voraussetzung für Währungsstabilität, also für einen stabilen Euro, erhalten wollen. Diese sehen wir in der unabhängigen Europäischen Zentralbank.
Europa stellt, wie ich glaube, auch die unterste Ebene für eine Regulierung des Bankensektors dar. Wenn wir es neben der Aufgabe der Regulierung auch noch schaffen wollen, die Europäische Union zu einem Schutzraum für ihre Bürger gegen Ansteckung von solchen Gefahren zu entwickeln, dann dürfen wir nicht weiter zuschauen - das tun wir zurzeit noch zu sehr -, wie sich die nationalen Wirtschaftspolitiken, abgesehen vom Feld der Regulierung, eher weiter auseinanderentwickeln, als dass sie zusammenkommen. Die Europäische Union braucht neben dem Regulierungsansatz auch einen gemeinsamen, abgestimmten, kohärenten, insbesondere Deutschland und Frankreich vereinenden wachstums- und wirtschaftspolitischen Ansatz. Wir brauchen mehr Kohärenz der Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union.
Wir können uns nicht auf den Standpunkt zurückziehen, Deutschland und Frankreich seien traditionell verschieden. Nein, das können wir uns nicht mehr leisten. Wir brauchen eine besser abgestimmte Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union.
- Das gilt auch für die Sozialpolitik, völlig richtig. Man kann übrigens Wirtschafts- und Sozialpolitik an dieser Stelle nicht unabhängig voneinander denken. Völlig richtig.
Was bedeutet das für Deutschland? Es bedeutet, dass Protektionismus keine vernünftige Option für unser Land ist.
- Es ist gut, dass Sie sich melden. - Es bedeutet, dass Stimmungsmache und Angstmache das Gegenteil von Wahrnehmung politischer Verantwortung sind. Es ist geradezu verwerflich, die Ängste von Menschen zu parteipolitischen Zwecken zu missbrauchen, wie es Ihre Methode ist. Darum ist es gut, dass Sie sich als Betroffene von sich aus gemeldet haben.
Das bedeutet auch, dass wir schauen müssen, wie sich Deutschland besser auf die Globalisierung einstellen kann. Meine Überzeugung ist, dass die entscheidende Ursache für unser Wachstum ist, dass sich unsere Unternehmen bis in den Mittelstand hinein konsequent auf die Globalisierung eingestellt haben. Dieser Prozess wurde in den letzten Jahren vollzogen und stellt die wirtschaftliche Basis für unseren derzeitigen Aufschwung dar. Ich halte die Feststellung für zutreffend, dass sich der Bankensektor in Deutschland in den letzten Jahren nicht konsequent auf die Globalisierung eingestellt hat. Der Bankensektor in Deutschland hat sich nicht optimal auf die Globalisierung eingestellt.
Zu dem Fragenkomplex, wie der Bankensektor zukünftig aussehen soll, gehört auch eine durch die Finanzkrise auf die Tagesordnung gekommene Frage: Was ist die Legitimation, und was ist die Rolle öffentlicher Banken? Meine Damen und Herren, es entspricht nicht der Wahrnehmung politischer Verantwortung, sich nur mit den Fragen zu beschäftigen, die bequem sind. Es ist auch nicht böse, diese Frage zu stellen; vielmehr steht die Frage, was im Zeitalter der Finanzglobalisierung Rolle und Legitimation öffentlicher Banken in Bezug auf das internationale Finanzgeschäft ist, auf der Tagesordnung.
Diese Frage hat bestimmte bankenspezifische Implikationen, zum Beispiel in Bezug auf die Risiko- und Bonitätsbewertung des Kapitalmarktes bei öffentlichen Banken. Sie hat aber eben auch eine politische Dimension.
Es ist etwas anderes, ob der Staat im Krisenfall einer privaten Bank gegenübertritt und entscheidet, zu intervenieren und zu helfen oder nicht, oder ob der Staat in Form des Vehikels einer öffentlich-rechtlichen, also - das sage ich bewusst so - einer privatrechtlichen Bank mit erheblicher öffentlicher Beteiligung, selber Akteur ist und für sein Fehlverhalten die Bürgerinnen und Bürger und die Steuerzahler direkt oder mittelbar mit in Haftung nimmt.
Diese Inhaftungnahme der Bürger und Steuerzahler braucht eine Rechtfertigung.
Diejenigen, die Staatsbanken eine führende Rolle zuweisen - der Bundesfinanzminister hat das ja in einem Interview angeregt -, haben eine Bringschuld, zu begründen, warum sich öffentliche Banken im internationalen Finanzgeschäft beteiligen sollen. Ich glaube, dass sie das nicht tun sollten; denn diese Bringschuld kann an dieser Stelle nicht erbracht werden.
Ich möchte einen letzten Punkt anmerken. Was bedeutet die Finanzkrise für Deutschland? Ich glaube, dass sie den Sinn von Konsolidierungs- und Wachstumspolitik deutlich macht. Manche Menschen fragen sich: Was haben wir eigentlich von Haushaltskonsolidierung? Was haben wir vom Sparen? Was haben wir vom Wachstum? - Diese Finanzmarktkrise macht deutlich, dass der Sinn von Konsolidierungs- und Wachstumspolitik darin liegt, dass der Staat wieder Handlungsfähigkeit gewinnt. Ein überschuldeter Staat ist nicht krisenfähig; er kann nicht handeln. Darum müssen wir diesen Kurs - konsolidieren, Handlungsfähigkeit zurückgewinnen, Wachstumsgrundlagen stärken - fortsetzen. Er macht durch die Herstellung von Wettbewerbsfähigkeit und durch wirtschaftliche Stärke unser Land stark gegenüber den Ansteckungsgefahren der Weltwirtschaft.
Eine Krise wünscht man sich nie. Wenn sie aber schon da ist, sollte man das Beste daraus machen, nämlich aus ihr lernen. Ich glaube, dass die Veränderungen so fundamental sind, dass dazu auch politischer Mut gehört. Aber angesichts der Stärken und des Potenzials unseres Landes - wir haben es in den letzten zwei Jahren gesehen - bin ich ganz sicher, dass wir genügend Optimismus für diesen Mut haben können und dass wir der Verpflichtung, unserem Land zu dienen, es in diesen Zeiten wetterfest zu machen und die Chancen zu nutzen, nachkommen können. Aber es bedarf auch einer aktiven Annahme der Herausforderungen der Globalisierung.
Das ist eine Aufgabe, der wir uns auch in diesem Parlament stellen müssen.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Gregor Gysi, Fraktion Die Linke.
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Röttgen, in einem Punkt muss ich Ihnen recht geben: Aus Krisen kann man eine Menge lernen.
Das entspricht auch meinen Erfahrungen; das will ich gar nicht leugnen. Ich habe mich auch gefreut, dass Sie, Herr Steinbrück, gesagt haben, die letzte Steuerkürzung sei erst sieben Wochen her. Sie hätten aber dazusagen sollen, dass es sich dabei um eine Kürzung der Körperschaftsteuer für die Kapitalgesellschaften, also die Deutsche Bank, handelte, während Sie vor über einem Jahr für die Gesamtheit die Mehrwertsteuer um 3 Prozent erhöht haben. Das ist das, was wir an Ihrer Steuerpolitik immer kritisieren.
Ich finde, wir müssen kurz darstellen, worum es bei dieser Krise geht und was in den USA geschehen ist. Die Öffentlichkeit muss das ja verstehen. Die Banken in den USA haben Kredite an Hausbesitzer oder Leute, die Häuser kaufen wollten, auch wenn sie kaum Geld hatten, gegeben. Das klingt erst einmal edel, und man sagt: Mein Gott, die geben ja sogar Ärmeren Geld.
- Ich sagte, es klingt edel. - Das Problem ist nur, dass die Banken davon ausgingen, dass die Häuser im Wert steigen und dass man im Wege der Zwangsversteigerung alles wunderbar realisieren kann. Da haben sie sich verspekuliert; denn der Wert der Grundstücke ist gesunken. Weil sie aber schlau sind, haben sie gesagt: ?Das Risiko wollen wir nicht alleine tragen?, Wertpapierfonds gebildet und diese den Europäern angeboten. US-hörig, wie die Europäer sind, allen voran die öffentlich-rechtlichen Banken, haben sie sich gesagt: Das müssen wir unbedingt kaufen; da machen wir ein todsicheres Geschäft. - Damit sind sie furchtbar auf die Schnauze gefallen. So einfach ist das Ganze.
Herr Röttgen, Sie haben gefragt, was das Typische an der Finanzglobalisierung ist. Das kann ich Ihnen sagen; denn dafür gibt es eine unwiderlegbare Zahl: Täglich werden weltweit 1 900 Milliarden Dollar umgesetzt. Für den gesamten Waren- und Dienstleistungsbereich sind das täglich 38 Milliarden Dollar, also 2 Prozent davon. Das heißt, dass 1 862 Milliarden Dollar täglich zu reinen Spekulationszwecken umgesetzt werden. Das hat die Politik ermöglicht,
und das bezahlen wir heute in dieser Krise teuer. Das ist die Wahrheit.
Man kann nämlich entgegen der Annahme mancher Banker aus Geld nicht Geld machen. Das funktioniert nie oder nur kurzfristig, und irgendwann hat man den Schaden. Herr Steinbrück, Sie haben die Bankvorstände kritisiert. Ich muss hier Herrn Solms zustimmen - ich weiß nicht, ob ihm das angenehm ist oder mir; das spielt auch keine Rolle; auf jeden Fall muss ich ihm zustimmen -: Sie, Herr Steinbrück, haben nichts zur Verantwortung der staatlichen Kontrolle gesagt und damit auch nichts zu Ihrer eigenen Verantwortung. Das ist nicht hinnehmbar.
Ich führe einmal die entsprechenden Beispiele an. Die Westdeutsche Landesbank aus NRW hat sich an den unsicheren Geschäften mit 23 Milliarden Euro beteiligt, und zwar in der Zeit, Herr Steinbrück, als Sie als Finanzminister bzw. Ministerpräsident die Aufsicht hatten. Aber Sie haben nichts dazu gesagt.
Die Bayerische Landesbank hat unter Aufsicht des Finanzministers und heutigen CSU-Vorsitzenden Huber Risikogeschäfte im Umfang von 16 Milliarden Euro gemacht. Dazu ist nichts gesagt worden.
Die Sachsen-Landesbank hat unter Verantwortung des früheren Finanzministers und heutigen Ministerpräsidenten Milbradt sowie des heutigen Finanzministers Tillich Risikogeschäfte im Umfang von 18 Milliarden Euro gemacht. Dazu ist nichts gesagt worden.
Dann gibt es noch die Industriekreditbank, eine private Mittelstandsbank, die mindestens 15 Milliarden Euro in diese Risikogeschäfte gesteckt hat. Nur hat sich - da hat Herr Solms völlig recht - eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, nämlich die Kreditanstalt für Wiederaufbau, an dieser Privatbank zu 38 Prozent beteiligt und haftet jetzt für alles mit. Das ist das Problem, vor dem wir unter anderem stehen.
Herr Steinbrück, Sie haben nichts dazu gesagt, dass ein Angehöriger Ihres Ministeriums im Aufsichtsrat der Industriekreditbank sitzt. Was hat er da eigentlich getrieben? Sie und auch Herr Glos haben Kontrollfunktionen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Wie haben Sie diese eigentlich wahrgenommen? Sie hätten sagen müssen: Alle diese Kontrollfunktionen haben nichts, aber auch gar nichts diesbezüglich verhindert. - Das wäre die erste ehrliche Feststellung gewesen.
Dann gibt es noch - auch da hat Herr Solms recht - die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Man fragt sich, wozu wir die eigentlich haben, wenn sie nichts davon mitkriegt, was an Spekulationsgeschäften weltweit läuft.
Damit komme ich zur zweiten Seite, zur Deregulierung. Herr Steinbrück, Sie haben - im Übrigen völlig zu Recht - vor einem Jahr in einem Interview gesagt, dass es da ?komische Produkte? und eine ?irrationale Entwicklung? auf dem Finanzmarkt gibt. Das stimmt. Aber Sie vergaßen zu erwähnen, dass diese komischen Produkte und diese irrationale Entwicklung überhaupt erst durch die SPD/Grünen-Regierung erlaubt worden ist. Wenigstens das müssen Sie doch einmal feststellen.
Es war Ihr Vorgänger, Hans Eichel, der die Hedgefonds zugelassen hat, über die dann später Müntefering gemeckert hat. Es war die Änderung des Finanzmarktförderungsgesetzes und des Kreditwesengesetzes, mit denen die komischen Produkte und die Spekulation in Deutschland zugelassen wurden. Sie selber, Herr Steinbrück, haben gesagt, dass die Kreditverbriefungen das Ziel der Finanzmarktförderung sind. Wissen Sie, was die USA gemacht haben? Sie haben das alles als Kreditverbriefungen angeboten. Ihr Ziel ist also erreicht worden, und damit sind wir jetzt auf die Schnauze gefallen. Das ist die Wahrheit; das muss man doch einmal sagen können.
Ich will den Nobelpreisträger für Wirtschaft Joseph Stiglitz erwähnen, damit Sie nicht denken, die Einwände kämen nur von der Linken oder gelegentlich von der FDP; sie kommen auch von anderer Seite.
- Dazu würde ich an Ihrer Stelle jetzt gar nichts sagen.
Joseph Stiglitz hat der taz gesagt:
Die wichtigste Ursache der gegenwärtigen Turbulenzen ist ein Übermaß an Deregulierung.
Das ist das Problem. Wir wollen eine Re-Regulierung. Wenn die Politik die direkte Verantwortung für die Finanzmärkte weltweit aufgibt, dann schwächen wir die Demokratie. Denn die Wahlmöglichkeit zwischen der Union und der Linken würde diesbezüglich nichts mehr bringen, wenn beide in diesen Fragen nichts mehr zu entscheiden haben. Genau das wollen wir aber nicht. Wir wollen ein Primat der Politik, auch über die Finanzmärkte, und nicht umgekehrt.
Das heißt: Wir fordern ein Verbot von Nebengeschäften und Zweckgesellschaften. Wir meinen, dass angesichts dieser Unsummen, mit denen dort jongliert wird, entsprechende Sicherheiten hinterlegt werden müssen und es eine wirksame Kontrolle geben muss.
Es ist schon absurd. Sie müssen den Bürgerinnen und Bürgern einmal Folgendes erklären: Wenn ein Bäckermeister eine zweite Filiale eröffnet und er die Umsätze nicht angibt, dann hat er mehrere Staatsanwälte und das Finanzamt auf dem Hals; da ist dann was los. Wenn ein ALG-II-Bezieher falsche Angaben macht und dadurch 50 Euro monatlich mehr bekommt, als ihm zusteht, dann werden wir aber aktiv. Aber wenn Milliarden weltweit verschleudert und verspielt werden, dann gibt es kein Finanzamt und keinen Staat, die sich darum kümmern. Das ist nicht vermittelbar.
Jetzt kommt der eigentliche Nachteil. Wer haftet denn für eintretende Verluste? Das sind doch nicht Ihre Privatkassen. Dann haften die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das ist nicht vermittelbar. Herr Röttgen hat recht, wenn er das sagt. Das ist wirklich nicht vermittelbar.
Das Problem ist, dass Sie, Herr Steinbrück, erst gesagt haben, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler würden diesmal nicht haften; dafür würden Sie sorgen. Jetzt sagen Sie: Na ja, 1,5 Milliarden Euro! - Als ob das nichts wäre! 1,5 Milliarden Euro ist der Betrag, den die Union brauchte, um die Umsetzung ihrer Kindergeldforderung zu finanzieren. Dann kommt nachher wieder das Argument: Jetzt haben wir leider kein Geld mehr. - Verstehen Sie, das sind die Zusammenhänge, die die Leute immer besser durchschauen.
Die Steuermindereinnahmen sind doch ein gesellschaftliches Problem. Ich kenne die Zahlen nicht genau; ich tue auch nicht so, als ob ich sie genau kenne. Sie nennen als Größenordnung eine Summe von 5 bis 6 Milliarden Euro. Ich kann das nicht einschätzen. Es geht hier aber um Verluste in Milliardenhöhe. Wer muss die denn ausgleichen? Wollen Sie das wieder mit einer Mehrwertsteuererhöhung machen, oder wie müssen die Bürgerinnen und Bürger das bezahlen? Entweder Sie kürzen Leistungen oder Sie erhöhen Steuern; das ist nicht hinnehmbar.
Es geht aber nicht nur darum. Die Länder übernehmen Bürgschaften. Viele Bürgschaften in Milliardenhöhe werden übernommen. Keiner von uns kann einschätzen, wie viel Geld davon fällig wird und wie viel Geld nicht fällig wird.
Dann haben wir noch die Westdeutsche Landesbank. Die entscheidet sich, 1 500 Menschen zu entlassen. Da trifft es direkt die Beschäftigten, die jetzt für die Verluste herhalten müssen. Das ist das, was mich so stört; Bankenkrise für Bankenkrise passiert dasselbe: Die Gewinne streichen die privaten Banken ein. Da schreien sie alle: Wir wollen keinen Staat. Kommt bloß nicht zu uns! Das sind unsere Gewinne. Es ist furchtbar, wenn wir dafür ein paar Steuern zahlen müssen etc. - Die Gewinne streichen sie ein. Aber sobald Verluste vorhanden sind, rufen sie nach den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, die das ausgleichen sollen. Die Zeche bezahlen letztlich immer dieselben. Es sind die Rentnerinnen und Rentner, die Arbeitslosen, die Kranken, die abhängig Beschäftigten und - nicht zu vergessen - die kleinen und mittleren Unternehmen; denn diese werden steuerlich ganz anders kontrolliert als die Großkonzerne. Das ist ein Problem, das wir haben.
Jetzt will ich gar nicht auf Herrn Zumwinkel zu sprechen kommen. Aber all das ist Symbolik. Wir haben - das habe ich schon mehrfach gesagt - einen Reichtum, der maßlos wird. Wir haben zunehmende Armut. Jede Gesellschaft verträgt hier nur eine bestimmte Spanne. Wenn diese Spanne immer größer wird, ist dies gesellschaftlich zerstörerisch.
Deshalb sage ich Ihnen: Machen Sie etwas dagegen! Das sollte sich nicht so weiterentwickeln.
Herr Röttgen hat zu Recht gesagt, dass wir über die Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Banken neu diskutieren müssen. Das stimmt. Ich möchte daran erinnern: Landesbanken sind dem Gemeinwohl verpflichtet. Sie sollen auch kleine Kredite an Bürgerinnen und Bürger sowie an kleine und mittlere Unternehmen gewähren. Es muss ihnen untersagt werden, weltweit zu spekulieren - und dann noch frei von Kenntnis, also ohne jede Sachkenntnis, ohne wirksame Kontrolle und das Ganze zum Nachteil der Bürgerinnen und Bürger. Wir müssen die Aufgaben der Landesbanken deutlich formulieren. Wir wissen das aus Berlin. Wir wissen das aus Sachsen und jetzt auch aus Bayern.
Nun lassen Sie uns doch einmal etwas unternehmen, indem wir festlegen, was deren Aufgabe eigentlich ist. Sie sollen fördern und helfen und nicht weltweit spekulieren, wovon sie nichts verstehen, und dann müssen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler das alles bezahlen. Genau das ist nicht hinnehmbar.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ludwig Stiegler ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
Ludwig Stiegler (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Röttgen hat gerade vergessen,
Steinbrück und Glos dafür zu danken, dass sie in dieser Krise gemeinsam wie weiland Plüsch und Plum so besonnen und beherzt gehandelt haben. Deshalb sage ich dies in seinem Namen an die Adresse der beiden Minister.
Ich denke, wir sollten froh sein, dass sie manches Trennende hintangestellt, die Sache gemeinsam vorangebracht und Schaden von diesem Lande abgewendet haben. Es ist leicht, demagogisch zu reden, wie es Kollege Gysi getan hat.
Es ist aber schwer, dann im harten Alltag Schaden von den Menschen und von unserer Ökonomie abzuwenden. Das ist die Hauptaufgabe, die die Politik in diesen Tagen hat.
Wir haben hier wieder ein schönes Déjà-vu-Erlebnis. Wir Sozialdemokraten haben in unserem Grundsatzprogramm stehen: So viel Staat wie nötig und so viel Markt wie möglich. Wir haben gesehen: Wenn ein alleingelassener Markt versagt, ist die internationale Staatengemeinschaft genötigt, wieder für Recht und Ordnung zu sorgen. Die Krise ist da. Sie ist tiefgreifend und hässlich.
Ich möchte an dieser Stelle auch den Zentralbanken danken. Sie haben die Liquiditätskrise großartig gemeistert. Die Banken haben einander nicht mehr vertraut. Sie wären an ihrem gegenseitigen Misstrauen erstickt. Sie haben gedacht: Wenn die anderen bei ihren Papieren so einen Mist haben wie wir, können wir ihnen kein Geld geben. - Die Banken waren nicht in der Lage, sich selbst zu disziplinieren. Die Zentralbanken haben ihre ?wealthy and successful asses? gerettet. Sage mir also keiner, der Staat habe in der Finanzindustrie nichts zu suchen. Wir haben jetzt den Beweis dafür.
In der Not flüchten alle in Staatsanleihen. In der Not sind die Zentralbanken Lender of last resort.
Hauptaufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Krise in der Finanzindustrie nicht auf die Realwirtschaft durchschlägt. Das ist das Entscheidende. Wir haben eine gute Konjunktur. Wir müssen sie retten und bewahren. Das werden wir auch tun.
Die Bedenken sind es durchaus wert, darüber zu diskutieren. Wer gestern die Rede von Bernanke gehört bzw. gelesen hat und wer die Äußerungen von Strauss-Kahn vom IMF vernommen hat, weiß das. Zum ersten Mal seit 25 Jahren fordert der IMF einen Fiskalimpuls. Früher hat er immer genau das Gegenteil gesagt. Deshalb sage ich auch an die Adresse der Bundesregierung: Halten wir es wie die klugen Jungfrauen, und bereiten wir uns auf den Tag und die Stunde vor, wo wir handeln müssen.
Ich will keine Hektik verbreiten; das ist auch keine Übertreibung. Aber es muss Vorsorge getroffen werden.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Stiegler, ich mache vorsichtshalber darauf aufmerksam, dass ich den Einzug mit Öllampen in das Parlament aus Sicherheitsgründen nicht gestatten könnte.
Ludwig Stiegler (SPD):
Dann werden wir sie modernisieren und Elektrolampen daraus machen.
Das Positive ist, dass es in Deutschland keine Kreditklemme gibt. Die Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben genügend Geld, um die Kreditbedürfnisse zu befriedigen. Wir haben keine amerikanischen oder englischen Verhältnisse. Wir haben derzeit mehr Geld, als gebraucht wird. Unser Bankensystem hat sich in Krisenzeiten bewährt. Was mussten wir in den letzten Jahren über die Überlegenheit des angelsächsischen Systems lesen! Ganze Bibliotheken sind mit Büchern darüber gefüllt worden. Jetzt wissen wir: Das At-Arm?s-Length-Banking hat dazu geführt, dass alle in die Grube gefallen sind. Ein gutes Banking in Zusammenarbeit mit Einlegern, Kunden und Unternehmen, das ist es, was wir auch in Zukunft in Deutschland brauchen.
Herr Röttgen, wir haben keinen Grund, die öffentlichen Banken schlechtzureden. Wir haben Gott sei Dank die Sparkassen; die Sparkassen sind in Zeiten des Sturms ein Stabilitätsfaktor in den Regionen. Man darf die Transformationsprobleme einiger Landesbanken nicht hernehmen, um die öffentlichen Banken insgesamt ins Gerede zu bringen. Der öffentliche Sektor ist unsere Rückversicherung, gerade im Zeitalter der Globalisierung.
Ich stimme Ihnen zu: Diese Banken sollten nicht mit den großen Hunden pinkeln gehen, weil sie am Ende das Bein nicht hochbringen. Das haben wir jetzt mehrfach feststellen können. Entweder sind die Landesbanken Partner der Sparkassen
und helfen ihnen daheim bzw. auf internationaler Ebene bei der Syndizierung von Krediten, oder sie nehmen diese Aufgabe nicht wahr. Dann sollten sie die Gelder zurückgeben, und die Sparkassen erledigen das selber.
Der öffentliche Finanzsektor darf aber nicht nebenbei ins Gerede gebracht werden. Das Dreisäulensystem ist für uns eine wichtige Rückversicherung.
Wir müssen das Hauptproblem angehen. Was ist denn die Hauptursache? Was steckt hinter all dem, was passiert ist? Das ist die Gier nach übermäßiger Rendite. Wer mehr Rendite haben will, als man realistischerweise erwarten kann, kauft diese schlimmen Produkte. Wir brauchen wieder mehr Moral und Selbstbeherrschung in der Finanzindustrie.
Anders als diejenigen, die die Gier zu solchem Verhalten gebracht hat, sollten wir auf dem Boden bleiben und nicht das ganze System infrage stellen.
Wir haben - in den USA wie bei uns - Lehren zu ziehen. Ich orientiere mich dabei an dem, was das Financial Stability Forum aufgezeigt hat. Verheerende Kreditprüfungsstandards gibt es bei uns nicht. Wir vergeben keine Kredite an Kreditnehmer, bei denen nur die Adresse stimmen muss; wir haben ordentliche Kreditbeziehungen. Ich war froh, dass die Sparkassen gestern auch gesagt haben, dass sie ordentliche Kredite nicht weiterverkaufen und dafür auch nicht mehr Geld verlangen.
In den USA gab es betrügerische Praktiken. Wenn ein Institut wie das Financial Stability Forum Begriffe wie ?betrügerische Praktiken? benutzt, dann muss das schon gewaltig gewesen sein. Ich denke, man wird mit den Amerikanern reden müssen, wieso es unter Aufsicht der Fed und Tausender von Agenturen zu diesen betrügerischen Praktiken - Drückerkolonnen wurden in irgendwelche Gegenden geschickt und haben Kredite verkauft - kommen konnte und wie das in Zukunft verhindert werden kann, aber auch darüber, wer für den Schaden geradesteht. Ich denke, man sollte nicht einfach sagen, dass wir das hinnehmen. Diejenigen, die Mist in Goldpapier verpackt und ihn als werthaltig verkauft haben, müssen zur Verantwortung gezogen werden.
Daran war auch die Deutsche Bank beteiligt. Es ist erstaunlich, dass die Deutsche Bank in ihrer Pressekonferenz gesagt hat: Wir waren so schlau und sind frühzeitig ausgestiegen. - Gleichzeitig haben sie den Mist noch gehandelt. Kann man als ordentlicher Kaufmann einem Partner Mist verkaufen? Sie sollten einmal das Protokoll der Pressekonferenz der Deutschen Bank nachlesen und überlegen, ob das so in Ordnung ist.
- Einverstanden, es gibt den Grundsatz ?caveat emptor?, der Käufer soll aufpassen. Aber Betrug ist selbst unter diesen Bedingungen nicht erlaubt. Wenn ich weiß, dass ich mit Mist handele, dann muss ich es auch als Mist deklarieren und nicht als Gold.
Bei den Banken gibt es ein schwaches Risikomanagement. Da sollten sie in sich gehen. Wir haben gutgläubige Investoren, die nicht selber geprüft haben, was sie gekauft haben, sondern sich auf Triple A verlassen haben. Wir müssen mit den Ratingagenturen hadern, die falsche Illusionen geweckt haben. Sie sollen in Zukunft für das, was sie empfehlen, haften. Hier ist Moral Hazard im Spiel. Die Ratingagenturen dürfen nicht etwas als Triple A deklarieren, was sie selber gestrickt haben und wofür sie bezahlt worden sind; das muss in Zukunft getrennt werden.
Hinzu kommen die Verlockungen im Bezahlungssystem der Beteiligten. Diese Boni-Sklaverei vieler Banker ist eine der Ursachen dafür, dass sie moralisch schwach geworden sind. Wir haben gerade im Zusammenhang mit Managergehältern darüber gesprochen. Wir müssen auch darüber reden, dass die Bezahlung in der Finanzindustrie nicht dazu verleiten darf, andere zu betrügen und nur auf kurzfristigen Vorteil zu achten.
Wir müssen Modelle entwickeln, die man durchschauen kann. Wer heute die verschiedenen CDOs anschaut, der braucht große Rechnerwerke, um die Finanzflusskaskaden überhaupt zu überblicken. Wir müssen dafür sorgen - national, international und europäisch -, dass in der Branche wieder nach Regeln gespielt wird. Erst dann wird das Vertrauen zurückkehren. Kredit kommt von Vertrauen. Wenn das Vertrauen fort ist, dann bricht alles zusammen. Zum Vertrauen gehören klare Regeln, eine strenge Aufsicht, aber auch die Beherrschung der Gier.
An Warnungen hat es in den letzten Jahren nicht gefehlt. Aber sie sind international nicht befolgt worden. Es ist lächerlich, allein auf ein paar deutsche Institute, auf ein privates Institut, die IKB, einzuprügeln. Wenn ich in die Schweiz, nach Frankreich oder nach England schaue, dann stelle ich fest: Unter vielen anderen Sündern befindet sich auch ein deutscher. Dieses Problem müssen wir bewältigen. Ein Stück weit haben wir das bereits getan, indem wir gesagt haben: Wir wollen nicht Tausende von anderen schädigen. Der Finanzminister hat diese Angelegenheit ordentlich gemanagt. Wir dürfen die Finanzmärkte in Zukunft nicht der Gier überlassen, sondern wir müssen hier eine ordentliche Arbeit machen.
Gerade was die IKB betrifft, stelle ich mir so manche Frage. Die Ackermänner und die Müller von den privaten Banken rühmen sich in Pressekonferenzen ihrer großen Gewinne. Wenn es aber um die Rettung einer privaten Bank geht, dann sagen sie, wie die Schwaben es ausdrücken: Wir habbet nix, wir gebbet nix, wir hän schon gegebbe.
Auch das ist kein Verhalten, das sich hier zur Nachahmung empfiehlt.
Wir haben eine schwere Krise. Mit Jammerei und Beschuldigungen kommen wir da nicht heraus. Wenn die Feuerwehrleute darüber diskutieren, wer am Brand schuld ist, dann ist ein warmer Abbruch die Folge. Wir haben jetzt miteinander diese Krise zu bewältigen und Schaden von der Realwirtschaft abzuwenden.
Wir haben uns darauf vorzubereiten, dass die Krise nicht anhält. Das ist unsere Aufgabe, die wir gemeinsam erfüllen werden.
- Sie können weiterhin am Wegesrand quengeln. Das ist Ihre Rolle; das ist okay. Dafür braucht man nicht viel Hirnschmalz. Wir werden uns anstrengen, das Notwendige zu tun.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun der Kollege Fritz Kuhn das Wort.
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Stiegler, ich fand übrigens nicht, dass Herr Gysi unverantwortlich dahergeredet hat.
Er hat eine analytisch präzise Aussage gemacht: Wenn die kleinen Leute Mist bauen, dann werden sie zur Rechenschaft gezogen; wenn eine große private Bank pleitegeht, dann hilft der Staat aus. - Das war kein Populismus, sondern eine Analyse.
Sie haben mit irgendwelchen feuilletonistischen Aussagen herumgeeiert, ohne wirklich konkret zu werden.
Herr Finanzminister, als Sie Ihre Regierungserklärung abgegeben haben, hatte ich das Gefühl: Da redet jemand, der für irgendeine große Tageszeitung die internationalen Finanzmärkte analysiert; er stellt hier und da eine kleine These auf, und der Text, den er vorträgt, wirkt rund. Ich habe nicht den Eindruck gehabt: Hier redet jemand, der als Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland, auch als Chef der Finanzaufsicht die Verantwortung für das hat, was am Finanzmarkt in Deutschland geschehen ist.
Herr Steinbrück, außerdem hatte ich den Eindruck: Je länger Sie reden, je schneller Sie reden, je witziger Sie in Ihrer Ironie reden, desto mehr entziehen Sie sich dieser Verantwortung. Sie glauben wohl, Sie könnten dieses Parlament mit Ihrer Analyse in den entscheidenden Fragen täuschen: Was haben Sie eigentlich falsch gemacht? Hätten Sie etwas anders machen müssen? An welchen Punkten hat dieser Finanzminister versagt?
Die erste Warnung vor den Subprime-Krediten und vor der amerikanischen Immobilienkrise hat der IWF im Dezember 2005 schriftlich - also für alle lesbar - ausgesprochen; ich erspare Ihnen jetzt das entsprechende Zitat. Im Dezember 2005 wurde klargemacht: Es sind in den Vereinigten Staaten viele ungesicherte Kredite unterwegs; die internationale Finanzgemeinschaft möge damit vorsichtig umgehen.
Jetzt stelle ich mir die Frage: Was macht eigentlich ein Finanzminister, der dies liest? Im Aufsichtsrat der IKB sitzt ein Abteilungsleiter seines Ministeriums. Der Finanzminister weiß zudem, dass Landesbanken - sein Ministerium ist für sie nicht zuständig; dennoch ist er von den Steuereinnahmen der Länder abhängig - in diesen Bereichen spekulieren. Das war kein Geheimnis; das steht ja auch in den Geschäftsberichten. Herr Solms hat es richtig gelesen. Ich frage noch einmal: Was macht eigentlich dieser Finanzminister? Herr Steinbrück, haben Sie Ihre Mitarbeiter, die dem Kontrollorgan der IKB angehören, aufgefordert, festzustellen, inwiefern Subprime-Kredite Spekulationsgegenstand der IKB sind? Haben Sie dies als Mitverantwortlicher für dieses Geldinstitut getan, ja oder nein? Sehr verehrter Herr Steinbrück, darüber hätten Sie hier einmal reden müssen.
Der Chef von Eon, Herr Dr. Hartmann, ist der Vorsitzende des Aufsichtsrats der IKB. Hat er genug Zeit, um diese private Bank effektiv kontrollieren zu können, oder nicht? Da frage ich mich: Wann reden wir hier einmal über die Aufsichtsratsstrukturen?
Wir fordern seit langem: Es sollten nicht mehr als fünf Aufsichtsratsmandate pro Person erlaubt sein. Außerdem sollten Aufsichtsratsmitglieder die notwendige Zeit und Kompetenz haben, um sich mit den Details zu beschäftigen. Herr Steinbrück, hierfür sind Sie verantwortlich.
- Selbstverständlich haben Sie hier eine Verantwortung. Ich wünsche mir einen Finanzminister, der darauf achtet, dass in Deutschland keine unerträglichen Risiken vorhanden sind, für deren Beseitigung im Zweifel der Staat einspringen muss.
Reden wir doch einmal konkret über die IKB. Bisher sind dort 7,6 Milliarden Euro verbraten worden. Obwohl der Anteil des Bundes an der IKB nur 38 Prozent beträgt, hat er davon indirekt über die KfW schon 6 Milliarden Euro übernommen. Dabei ist die IKB eine private Bank; viele wissen das nicht. Ich frage mich: Was ist mit den privaten Banken? Wo ist ihr Beitrag?
Das Erste, was ich von Ihnen verlange, Herr Minister, ist, dass Sie durchsetzen, dass die privaten Banken einen höheren Anteil erbringen, wenn die IKB gerettet werden soll. An dieser Stelle möchte ich festhalten: Es ist richtig, dass die IKB gerettet wird. Würde man das nicht tun, würden viele, die gar nichts dafür können, darunter leiden.
Zweitens. Da sich der Bund über die KfW mit jetzt noch einmal 1 Milliarde Euro - vielleicht wird dieser Betrag sogar noch höher - an der Beseitigung des entstandenen Schadens beteiligt, würde mich interessieren: Können Sie diesem Hohen Hause eigentlich garantieren, dass es das dann war? Oder ist in der nächsten Woche oder in drei Wochen die nächste Milliarde fällig? Sie müssen ausschließen, dass sich das wiederholt. Sonst stellt sich die Frage: Wie viel Geld stecken wir in dieses Kartenhaus noch hinein? Das wäre nicht zu verantworten.
Herr Finanzminister, Ihre Darstellung, was auf internationaler Ebene, zum Beispiel im Rahmen der G 7, zu tun ist, war schön. Sie haben viele Vorschläge aufgeführt, die wir schon einmal gemacht haben. Indem Sie diese Debatte führen, lenken Sie aber davon ab, dass die Bundesregierung und ganz speziell Sie als Finanzminister Verantwortung für das tragen, was in diesem Sektor geschieht.
Jetzt möchte ich noch etwas zur Verantwortung der Länder und zu den Landesbanken sagen. Bei mir hat es geraschelt, als der Ramsauer Peter am Dienstag dieser Woche gesagt hat: Wenn es nach ihm ginge, dann gäbe es schon lange einen Untersuchungsausschuss.
Ich habe mir gleich gedacht: Wenn der Ramsauer Peter so daherredet, dann will er nur von der Bayerischen Landesbank ablenken.
- Jetzt schreien Sie. Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn Herr Ramsauer schreit; denn dann ist er getroffen.
Was ist da geschehen? Die ?schlaue? CSU wollte die Veröffentlichung des Ergebnisses der Bayerischen Landesbank am liebsten auf die Zeit nach der Kommunalwahl hinauszögern.
Das hat aber - Gott sei Dank! - nicht funktioniert, weil die Finanzmärkte in solchen Situationen etwas kritischer sind.
Zu Ihrem Parteivorsitzenden kann man nur sagen: Entweder ist er verlogen, oder er ist einfach dumm.
Denn als Finanzminister von Bayern ist er unter anderem für die Aufsicht der Bayerischen Landesbank zuständig. Er muss wirklich von Tuten und Blasen keine Ahnung gehabt haben; er wusste nicht, was bei diesem Geldinstitut los war.
- Herr Ramsauer, Sie können es sich aussuchen: dumm oder verlogen. Es liegt an Ihnen, die bessere Alternative zu wählen.
Ich komme zum Schluss. Wir haben viele kluge Vorschläge dazu gehört, wie man auf internationaler Ebene vorgehen sollte. Die Bundesregierung hat sich ihrer Verantwortung aber nicht gestellt. Das werden wir, die Opposition - ich glaube, hier sind sich alle drei Oppositionsfraktionen einig -, Ihnen nicht durchgehen lassen. Sie sind für das, was geschehen ist, mitverantwortlich. Dieser Verantwortung müssen Sie sich stellen. Bereiten Sie sich auf intensive Debatten in den nächsten Wochen vor!
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Eduard Oswald für die CDU/CSU-Fraktion.
Eduard Oswald (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute im deutschen Parlament die Finanzmarktentwicklung und die Finanzmarktkrise. Wir würden allerdings einen großen Fehler machen, wenn wir diese Diskussion so führen würden, als handele es sich dabei vor allem um ein deutsches Problem. Schließlich hat diese Krise ihren Ausgang an den US-Immobilienmärkten genommen. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die amerikanische Finanzaufsicht der wundersamen Geldvermehrung, die uns auf dem Wege der Verbriefung und des weltweiten Verkaufs strukturierter Finanzprodukte erreicht hat, nicht so lange zugeschaut hätte.
Ich sage ein Zweites: Risikofreude bei Unternehmen und Investoren darf, ja soll sich lohnen. Wenn aber risikofreudige Investoren stets damit rechnen können, dass sie bei Turbulenzen von der Politik aus der Risikohaftung ausgelöst werden, dann ist dies eine Quelle von Instabilität.
Die bisherige Diskussion zeigt: Für die Zukunft müssen die nationalen und internationalen Regeln neu justiert werden. Wir sollten uns bei dieser Debatte darüber im Klaren sein, dass man Turbulenzen nie gänzlich wird verhindern können. Dies wäre nur um den Preis einer Strangulierung der Finanzmärkte möglich. Diese könnten dann aber nicht mehr ihrer zentralen Aufgabe nachkommen, nämlich der Bereitstellung von Investitionskapital für die Weltwirtschaft. Es gilt daher, die nationalen und internationalen Aufsichtsregeln mit den von den Marktteilnehmern eingegangenen Risiken in eine bessere Balance zu bringen.
Es ist richtig, wenn wir angesichts der gegenwärtigen Situation einen kühlen Kopf behalten und genau überlegen, anstatt uns zu Maßnahmen hinreißen zu lassen. Wir brauchen eine Diskussion über die Fragen: Wie viel Freiheit der Märkte wollen und brauchen wir, und welche systemischen Risiken sind mit dieser Freiheit verbunden? Ab wann produziert die Jagd der Finanzmarktteilnehmer nach Spitzenrenditen Auswüchse, die der Realwirtschaft mehr schaden als nützen? Ich stelle fest: Zur Deregulierung der Finanzmärkte gibt es keine Alternative. Sie hat der Wirtschaft und den Bürgern neue Anlage- und Finanzierungsmöglichkeiten eröffnet, und sie hat zur Risikostreuung beigetragen. Zugleich hat sie das Sortiment an Finanzprodukten so komplex gemacht, dass Bankmanager und Aufsichtsbehörden gleichermaßen den Überblick verloren haben. Genau hier gilt es anzusetzen.
Wir haben erfahren: Es gibt Finanzprodukte, bei denen niemand weiß, was sich eigentlich darin befindet. Wir haben erfahren: Es gibt anscheinend Bankvorstände, die mit solchen Produkten in großem Umfang arbeiten und sich nur auf die Bewertung der Ratingagenturen verlassen. Das kann doch nicht wahr sein, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
So entstehen die Probleme, die wir haben.
Aus all dem, was wir bisher erfahren haben - möglicherweise werden wir in den kommenden Wochen und Monaten noch mehr erfahren -, ziehe ich folgende Schlüsse:
Erstens. Das, was wir gerade erleben - die Auswüchse, die ich eben skizziert habe -, darf sich so nicht wiederholen.
Zweitens. Alle Finanzmarktteilnehmer, Banken und Aufsicht haben den Ratings eine viel zu entscheidende Rolle zugeteilt. Anstatt Risiken selber vernünftig einzuschätzen, haben sich die Marktteilnehmer fast blind auf die Ratings verlassen, oft sogar ohne die gerateten Produkte selbst zu verstehen.
Ein Sachverständiger hat in unserer Anhörung zur Rolle der Ratingagenturen in dieser Woche festgestellt: Ratingagenturen haben in großem Stil bei der Vorhersage der Finanzkrise versagt. Es ist ihnen nur beschränkt gelungen, Investoren frühzeitig vor Fehlentwicklungen zu warnen. Sie sind damit in der aktuellen Krise den ihnen zugedachten Aufgaben nicht ausreichend gerecht geworden. - Damit ist alles gesagt.
Gleichwohl sind die Ratingagenturen in der aktuellen Finanzkrise nicht die Schuldigen. Sie haben sie nicht ausgelöst; sie haben sie aber befördert. Nach dem, was wir wissen, bleibt für mich festzustellen: Ratingagenturen und Ratings wurden von Banken und Investoren überschätzt. Zu Beginn der 90er-Jahre gab es die Forderung, die Europäer sollten ein eigenes, europäisch geprägtes Ratingsystem entwickeln. Leider scheiterte der Versuch damals an zu unterschiedlichen Interessen. Wir sollten die derzeitige Umbruchphase nutzen, um einen neuen Anlauf zu unternehmen. Möglicherweise könnten Banken, Versicherer und/oder die EZB unterstützend wirken.
Drittens. Wir müssen uns überlegen, ob wir genug getan haben, um zu verhindern, dass Kreditinstitute in großem Stil Geschäfte außerhalb ihrer Bilanzen, ohne die erforderliche Transparenz und Aufsicht, durchführen können. Ich halte nichts davon, in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit eines Basel III zu sprechen. Man muss erst einmal Basel II ordentlich anwenden. Aber wir müssen darüber nachdenken, ob die Sicherungsmechanismen, die wir mit Basel II in nationales Recht umgesetzt haben und die seit Beginn dieses Jahres gelten, ausreichen. In anderen Bereichen, zum Beispiel im Bilanzrecht, sind weitere gesetzliche Konsequenzen bereits in Vorbereitung; der Finanzminister hat darauf hingewiesen.
Viertens. Das Wort ?Transparenz? wird in den Diskussionen natürlich stark strapaziert. Wir müssen aber genauer definieren, was wir darunter eigentlich verstehen. Es reicht nicht, allein das Wort zu sagen. Für mich gilt es, Transparenz stärker zu adressieren.
Fünftens. Die internationale Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden muss weiter verbessert werden; das ist für mich ganz klar. Ich stelle eindeutig fest: Die Bankenaufsicht in Deutschland hat nicht versagt. Sie ist nicht dazu da, die Geschäftspolitiken der Marktteilnehmer zu bewerten. Ich sage auch: Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland keine Systemkrise, sondern wir haben ein stabiles Drei-Säulen-Modell. Auch Ludwig Stiegler hat gerade darauf hingewiesen. Ich sehe in diesem Bereich also kein Versagen. Dass die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Aufsicht verbessert werden muss, ist in den ganzen Diskussionen aber unmissverständlich klar geworden.
Für mich heißt das keinesfalls, dass ich eine einheitliche europäische Aufsichtsbehörde befürworte. Ganz im Gegenteil: Entsprechende Ideen auf europäischer Ebene, etwa die Lamfalussy-Gremien zu stärken, weisen uns nicht den richtigen Weg.
Meine Damen und Herren, wir reden in diesen Wochen viel über Subprime, über Bankenkrise und über Finanzmärkte. Weitaus direkter betrifft die Krise jedoch die Menschen in den eigenen vier Wänden, die ihre Raten nicht bezahlen können und denen eine Zwangsversteigerung ihrer Häuser droht. Dies erleben wir in den USA zurzeit in großem Ausmaß. Gott sei Dank können wir sagen: nicht in Deutschland. Dies ist kein Zufall. Hier gibt es keine Immobilienpreisblase. Hier gibt es Banken, Sparkassen und Bausparkassen, die in Übereinstimmung mit ihren Kunden seit jeher auf die Karte Sicherheit setzten. Festzinskultur, ausreichender Eigenkapitaleinsatz, solider Blick auf die Einkommensverhältnisse und Bausparverträge, so lauten die Stichworte für diese Sicherheit. Das ist beruhigend.
Aber nicht nur das. Es sollte uns auch Selbstbewusstsein für die Debatten geben, die wir in Europa führen, nicht zuletzt für die Debatte über die Bewältigung der aktuellen Finanzkrise. Diese Sicherheit wollen wir uns bewahren. Das sage ich auch mit Blick auf das Weißbuch der Europäischen Kommission zum Hypothekarkredit.
Ein Unternehmer in meiner bayerischen Heimat, der im Bankgeschäft tätig ist, hat in diesen Tagen gesagt:
Aber das Bankgeschäft bleibt immer auch eine Dienstleistung. Es geht nie allein um den eigenen Vorteil, sondern um einen Dienst und eine Leistung für einen anderen, und daraus entsteht der kostbare Wert des Vertrauens.
Wir müssen uns hier gemeinsam wünschen, dass die Banken das verlorene Vertrauen wiederherstellen; denn Vertrauen ist nicht nur die Grundlage für die Finanzgeschäfte, sondern auch für unser Wirtschaftssystem insgesamt. Wenn das Vertrauen in die Finanzmärkte in unserem Land nicht vorhanden ist, dann gibt es auch kein Vertrauen in unser Wirtschaftssystem der sozialen Marktwirtschaft, das wir aber benötigen, weil es dazu keine brauchbare und vernünftige Alternative gibt.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Frank Schäffler für die FDP-Fraktion.
Frank Schäffler (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Spätestens seit dieser Woche müsste eigentlich allen klar sein: Die IKB ist eine Staatsbank, für deren Wirken die Bundesregierung unmittelbar Verantwortung trägt.
Dabei hat diese Bundesregierung unendlich versagt, nicht nur im Risikomanagement, sondern auch im Krisenmanagement; wir erleben es tagtäglich.
Ingrid Matthäus-Maier hat am 14. Juli 2007 erklärt, die IKB sei für die KfW im Mittelstandsgeschäft ein wichtiges Ohr am Markt.
Wenige Tage später hat der Markt sie eingeholt. Die Bundesregierung hat die notwendige Sorgfalt bei der Kontrolle der IKB vermissen lassen.
Herr Solms hat auf die Rolle des Abteilungsleiters im Finanzministerium hingewiesen. Es hat schon ein Geschmäckle, wenn der zuständige Abteilungsleiter für die Finanzmarktaufsicht gleichzeitig im Aufsichtsrat einer privaten Bank sitzt und stellvertretender Verwaltungsratvorsitzender der BaFin ist. Wenn das kein Geschmäckle hat, dann frage ich mich, was heutzutage noch ein Geschmäckle hat. Das stinkt zum Himmel.
Ein KfW-Vorstand ist Vorsitzender des Finanz- und Prüfungsausschusses des IKB-Aufsichtsrates und soll jetzt für seine gute Leistung auch noch Aufsichtsratsvorsitzender werden. Sie als Regierung halten den Corporate Governance Kodex ständig hoch, halten sich in Ihren eigenen Unternehmen aber nicht daran. Bemerkenswert ist die Begründung, wieso im Falle der IKB zum Beispiel keine Selbstbeteiligung an der Haftpflichtversicherung für den Vorstand und den Aufsichtsrat für notwendig erachtet wurde, wie es im Kodex ausdrücklich vorgesehen ist. Ich zitiere aus dem Geschäftsbericht 2005:
Wir sind unverändert der Auffassung, dass die Vereinbarung eines Selbstbehalts nicht geeignet ist, die Motivation und das Verantwortungsbewusstsein zu verbessern.
Dann heißt es von der Regierung, Sie seien vom Vorstand getäuscht und über die Risiken nicht informiert worden. Auch dazu ist ein nochmaliger Blick in den Geschäftsbericht 2006/2007 sinnvoll:
In dem Posten ?Andere Verpflichtungen? sind Kreditzusagen über insgesamt 11,9 Milliarden Euro Gegenwert an Spezialgesellschaften enthalten, die nur im Falle kurzfristiger Liquiditätsengpässe bzw. vertraglich definierter Kreditausfallereignisse von diesen in Anspruch genommen werden können.
Genau das ist passiert.
Es war eine bewusste Entscheidung der IKB, in den US-Immobilienmarkt zu investieren, und über die Verantwortung hierfür, darüber, wer diese Entscheidung getroffen hat, haben Sie, Herr Finanzminister, hier in diesem Haus heute nichts gesagt.
Zu Hause haben Sie die Mittelstandsbank IKB als Mittelstandsfinanzierer verkauft; tatsächlich war es ein schlecht geführter Hedgefonds, der internationale Spekulationsgeschäfte gemacht hat. Das ist der eigentliche Skandal.
Wenn wir heute zum Krisenmanagement kommen, dann müssen Sie sich auch für das verantworten, was Sie im letzten Dreivierteljahr hier in Deutschland gemacht haben. Es war der Kardinalfehler am Anfang, dass Sie über die außerbilanzielle Zweckgesellschaft Rhineland Funding von Beginn an eine Liquiditätszusage gemacht haben, ohne andere Beteiligte mit ins Boot zu nehmen. Es war ein Kardinalfehler, dass Sie bis heute 80 Prozent der Lasten bei der IKB übernehmen, obwohl wir nur 38 Prozent der Anteile halten. Darin liegt Ihre eigentliche Verantwortung.
Die privaten Banken und die anderen Marktteilnehmer sagen inzwischen, der Staat werde das schon richten. Diese Ihre Verantwortung müssen Sie tatsächlich tragen, und diese Konstellation ist auch die Voraussetzung dafür, dass Sie bei jeder neuen Runde dabei sind und die anderen sich zurückziehen.
Außerdem haben Sie die Dimension völlig unterschätzt. Die geschassten Vorstände haben bis Ende des Jahres noch ihr Gehalt erhalten, eine fristlose Kündigung ist nicht erfolgt, und die Gratifikationen in sechs- und siebenstelliger Höhe aus dem Vorjahr sind in diesem Jahr noch ausgezahlt worden. Erst jetzt ist der Aussichtsrat eingeschritten. Da frage ich mich: Ist das ein Indiz dafür, dass der Aufsichtsrat, also auch das Finanzministerium, über das Engagement und über die Risiken, die die IKB eingegangen ist, tatsächlich unterrichtet war?
Außerdem haben Sie nichts aus der Finanzkrise gelernt. Wir haben seit Anfang dieses Jahres die IPEX-Bank ausgegliedert, unter dem Dach der KfW, und man könnte meinen, bei der Besetzung der Aufsichtsräte achtete man jetzt ein bisschen mehr auf Qualität. Nichts ist geschehen: Sie haben Ihren Staatssekretär in den Aufsichtsrat geschickt,
der Wirtschaftsminister hat seinen Staatssekretär in den Aufsichtsrat geschickt. Man muss da nur hoffen, dass künftig nichts passiert, sondern tatsächlich nur Risiken eingegangen werden, die im Zweifel den Steuerzahler nicht weiter belasten.
Aus meiner Sicht hätten Sie die IPEX-Bank an dieser Stelle verkaufen sollen. Es wäre sicherlich falsch gewesen, Steuergelder aus dem Verkauf der IPEX-Bank für die Rettung der IKB einzusetzen, aber ich glaube, Sie hätten ordnungspolitisch damit eine richtige Entscheidung getroffen, denn Sie hätten die Flanke auf dieser Seite beseitigt.
Der Skandal setzt sich letzte Woche fort. Der Wirtschaftsminister und der Finanzminister stellten sich am Mittwoch vor die Kamera und verkündeten eine weitere Stützung des Bundes in Höhe von 1 Milliarde Euro. Gestern wurde in der Öffentlichkeit bekannt, dass Sie die Öffentlichkeit nicht richtig informiert haben. Tatsächlich werden weitere 700 Millionen Euro fließen, die Sie von einem künftigen Verkaufserlös abziehen wollen. Sie haben damit einen ungedeckten Scheck auf die Zukunft ausgestellt und das Parlament - das haben Sie heute Morgen auch gemacht - wissentlich falsch informiert.
Unser Fazit: Sie haben schon heute dem Bund ein Verlustrisiko von weit mehr als 6 Milliarden Euro hinterlassen. Das entspricht der Lohn- und Einkommensteuer von 4 Millionen Familien mit einem Durchschnittseinkommen von 30 000 Euro brutto oder - wir diskutieren viel über Kindergelderhöhung - 30 Euro mehr Kindergeld in diesem Land.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Zeit.
Frank Schäffler (FDP):
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Dass Frau Matthäus-Maier - wie ich gestern in der Presse lesen musste - dann im Krisengespräch eine Verlängerung ihres Vertrages als KfW-Chefin angesprochen hat, schlägt das dem Fass den Boden aus. Herr Minister, räumen Sie endlich in Ihrem Laden auf!
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Ortwin Runde, SPD-Fraktion.
Ortwin Runde (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Solms, Sie haben vorhin Ihre Rolle definiert und gesagt, dass Sie sich als Opposition nicht mit der Finanzmarktkrise in den Vereinigten Staaten befassen müssten; Ihnen geht es vielmehr darum, der Regierung eins zu verpulen. Angesichts der Dimension und der Auswirkungen dieser Krise müssen Sie sich aber fragen lassen: Verstehen Sie Ihre Rolle da richtig? Wäre es angesichts dieser Finanzmarktkrise nicht angebracht, einmal selbstkritisch die Position der FDP in der Vergangenheit zum Thema Finanzmärkte zu reflektieren?
Welche Stellung haben Sie zum Thema Hedgefonds bezogen? Welche Stellung haben Sie zum Thema REITs bezogen, bei dem es darum geht, Wohnungen an die Börse zu bringen und dort zum Handelsobjekt zu machen? Stellen wir uns vor, welche Auswirkungen es in solchen Finanzmarktkrisen für die Bevölkerung gehabt hätte, wenn das Realität geworden wäre.
Weitere Beispiele sind die Private-Equity-Beteiligungsgesellschaften und das Risikobegrenzungsgesetz. Welche Positionen haben Sie dazu vertreten? Wo haben Sie gewirkt? Haben Sie zur Verminderung der Risiken an den Finanzmärkten beigetragen, oder ist das inhärent in dem, was Sie vertreten?
- Damit sind wir exakt beim Thema.
Herr Gysi, Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die Subprime-Krise der Ausgangspunkt war. Die Amerikaner haben fröhlich ihren Mist - wie Ludwig Stiegler es ebenfalls zu Recht nannte - in die Märkte geschickt. Aber Ihre weitere Analyse verrät nicht sonderlich viel wirtschaftlichen Sachverstand. Sie haben gesagt, die öffentlich-rechtlichen Banken in Deutschland hätten sich wegen ihrer Amerikahörigkeit in dem Geschäft besonders engagiert.
Diese Analyse erscheint mir zu stark verkürzt. Sie erklärt auch nicht, warum nicht etwa die öffentlich-rechtlichen Banken in Deutschland und die IKB am stärksten von der Subprime-Krise betroffen sind, sondern die amerikanischen Großbanken und damit diejenigen, die am besten Bescheid wissen, wie Kapitalmärkte funktionieren. Insofern trifft das so nicht zu.
Erstaunlich ist auch, dass zum Beispiel die UBS, Merrill Lynch und Morgan Stanley mit Summen im zweistelligen Milliardenbereich betroffen sind. Insofern muss man vorsichtig sein, Herr Solms, die IKB-Krise als singulären Akt völlig unabhängig von kritischen Bewegungen an den Finanzmärkten zu betrachten.
Ich meine, die Krise bei der IKB ist nicht von irgendwelchen Laienspielgruppen bei mittelgroßen deutschen Banken im öffentlichen oder privaten Bereich verursacht worden. Dies ist vielmehr eine Krise, die in dieser Tiefe nur Profis haben anrichten können.
Ich finde es bezeichnend, dass ein Vorstand einer großen deutschen Privatbank sagt: Ich habe auf das Triple A der Ratingagenturen vertraut. Warum soll ich mir weitere Gedanken machen? Dazu kann ich nur sagen: Hier ist natürlich etwas verloren gegangen. Nur die Banken sind nicht betroffen, deren Bankvorstände - diese sind für das operative Geschäft und die Ausrichtung der Geschäftsfelder von entscheidender Bedeutung - gesagt haben: Ich handele nur mit Sachen, deren Risiken ich selbst überschauen kann. Ich habe Bankvorstände erlebt, die gesagt haben: Obwohl uns alle unsere Investmentbanker geraten haben, uns auf Derivate und Subprime-Pakete einzulassen, haben wir das nicht getan. Diese Vorstände fühlen sich heute bestätigt.
Warum es zu einer Vertrauenskrise im gesamten Bankensektor gekommen ist, haben wir in der Anhörung erfahren: Die Geschäfte sind inzwischen so komplex, dass sie keiner mehr überblickt. Die Ratingagenturen haben bei Eintritt der Krise gesagt: Auch Bankvorstände müssen genauso wie ein Patient, der ein Rezept einlöst, auf die Nebenwirkungen und das Kleingedruckte achten. Ein gutes Rating wie Triple A bedeutet noch lange nicht, dass es wirtschaftlich gut geht. Diese Zusammenhänge müssen wir sehen.
Herr Schäffler, Sie haben gefragt, welches die Aufgabe eines Finanzministers in dieser Zeit ist. Herr Röttgen hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass wir es mit den Auswirkungen globaler Finanzmärkte zu tun haben. Wenn sich der deutsche Finanzminister als Vertreter einer der größten Volkswirtschaften nicht um Regelwerke der internationalen Finanzmärkte kümmerte, hätte er seine Aufgabe verfehlt. Er hat aber auf dem Gipfel in Heiligendamm - das haben Sie bereits erwähnt - Anstöße gegeben und gesagt: Wenn ihr mit ganz geringem Eigenkapital so große Räder dreht, gefährdet dies das System der internationalen Finanzmärkte. Das ist der richtige Ansatz.
Wenn man sich anschaut, welche Räder sowohl bei den Hedgefonds als auch bei den Private-Equity-Fonds und in den Zweckgesellschaften gedreht werden, dann muss man feststellen: Darum müssen wir uns kümmern. Es verwundert mich allerdings, dass parallel zu Basel II - hier haben wir uns infolge der letzten Finanzmarktkrise um eine bessere Eigenkapitalunterlegung von Bankgeschäften gekümmert - der regulierte Bankensektor fröhlich Auswege in Form von Zweckgesellschaften sucht.
Das bedeutet, dass fast alle Banken neben dem eigentlichen Bankgeschäft Glücksräder aufgebaut und darauf vertraut haben, dass ihnen das Glück ewig hold ist. Das funktioniert im Bankenbereich aber ganz offenkundig nicht.
In einer Situation, in der die Märkte im Finanzsektor zum großen Teil zusammengebrochen sind und Vertrauen nur durch eine Liquiditätsversorgung der Zentralbanken, von der EZB bis hin zur Fed, geschaffen werden konnte, ist es unsere Aufgabe, die Stabilität der Finanzmärkte auf Dauer sicherzustellen. Dabei sind Aspekte der globalen, der europäischen und der nationalen Ebene zu berücksichtigen. Auch auf der nationalen Ebene gibt es viel zu tun. Kredite müssen ein Gesicht haben. Die Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, wer Kreditgeber ist. Das gilt nicht nur für gut bediente Kredite, sondern auch dann, wenn jemand aufgrund von Brüchen in seiner Biografie wie Arbeitslosigkeit vorübergehend in Schwierigkeiten gerät. Dann dürfen diese Kredite nicht an irgendwelche Kreditverwerter verkauft werden, sondern dann muss er mit seiner Sparkasse darüber reden können. Deswegen ist das System, das wir haben, das Dreisäulensystem, etwas Verteidigenswertes und Stabilisierendes.
Dass wir eine neue Aufgabenbestimmung der Landesbanken nach den Veränderungen, die die Privatbanken in Brüssel erzwungen haben, vornehmen müssen, ist richtig. Aber ich glaube, auch die haben jetzt gelernt. In Sachsen haben sie gelernt, in Bayern und in anderen Ländern. Auch ich habe meine Erfahrung als Aufsichtsratsvorsitzender einer Landesbank, die ein bestimmtes Geschäftsfeld hatte. Wir sind nicht so darin verwickelt. Das ist aber nach meiner Zeit, und ich übernehme keine Verantwortung für die Geschäfte, die jetzt dort gemacht werden.
Ich glaube, die Aufgabe des Finanzministers der Bundesrepublik Deutschland ist in der Tat auch, auf Regelwerke Einfluss zu nehmen. Allein mit Schuldzuweisungen bei der IKB kommen wir nicht weiter.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Runde.
Ortwin Runde (SPD):
Ein letzter Satz, Herr Präsident. - Die entscheidende Frage haben Sie alle nicht beantwortet.
Wie würden Sie bei der IKB vorgehen?
Würden Sie sie in Insolvenz gehen lassen, oder würden auch Sie sie wegen der Auswirkungen auf die Finanzmärkte stabilisieren? Das ist die entscheidende Frage.
Dass ich mir einen größeren Anteil und ein anderes Engagement der Privatbanken wünschen würde, ist richtig, aber diese Frage müssen Sie beantworten.
Schönen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erlaube mir den gut gemeinten Hinweis, dass es für die Bewirtschaftung der knappen Redezeiten außerordentlich hilfreich ist, die entscheidenden Fragen nicht nach Ablauf der gewährten Zeit zu stellen, sondern möglichst gleich zu Beginn. Dann kann man sie noch in voller Schönheit entfalten.
Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Gerhard Schick für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dann will ich genau das tun, was Sie, Herr Präsident, anmahnen, nämlich die zentralen Fragen in den Mittelpunkt stellen, und zwar gleich am Anfang der Rede. Ich glaube, das tut auch not, nachdem einige Beiträge aus den Koalitionsfraktionen relativ wolkig blieben. Herr Oswald hat darüber gesprochen, dass die Banken wieder Vertrauen herstellen sollen,
Herr Stiegler hat Moralappelle an die Banken gerichtet.
Sagen Sie einmal, was ist denn eigentlich die Aufgabe der Politik, und was ist die Aufgabe eines Parlaments? Es ist doch nicht die Aufgabe, leere Appelle zu richten,
sondern es ist die Aufgabe, die notwendigen Hausaufgaben, die in Deutschland zu machen sind, jetzt endlich anzugehen. Dazu möchte ich von Ihnen Antworten hören.
Sie können sich doch nicht um die Beantwortung der entscheidenden Fragen drücken. Erste Frage: Wie geht es mit der Finanzaufsicht in Deutschland weiter? Sie überlassen es der BaFin und der Bundesbank, die sich seit Monaten und Jahren beharken, sich zu einigen. Es läge in der Verantwortung der Regierung, aus Anlass dieser Krise, in der einige Sachen falsch gelaufen sind, diesen Prozess selber zu gestalten, eine Neugestaltung der Aufsicht durchzuführen und die Fragen, die sich aus der Krise ergeben - sie sind schon angeklungen -, wirklich zu beantworten.
Der Finanzminister lehnt sich locker zurück und gibt keine Antwort auf die heutige Frage, was die Zukunft der deutschen Finanzaufsicht ist.
Ich komme zur zweiten Frage. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat ungefähr 1 600 Mitarbeiter, die KfW ungefähr 3 800 Mitarbeiter. Das sind zwei große Institutionen unter dem Dach des Bundesfinanzministeriums, von dem wir jetzt wissen, dass es viele Probleme in diesem Bereich überhaupt nicht gesehen hat. Herr Steinbrück hat gesagt, die Experten hätten die Lage nicht richtig eingeschätzt. Ja, aber auch die Experten des Finanzministeriums haben die Lage nicht richtig eingeschätzt.
Herr Steinbrück hat davon gesprochen, dass es Inkompetenzen bei Bankmanagern gegeben habe. Da fragen wir uns natürlich: Ist es für die Zukunft machbar, mit einer Hand voll Leuten zu überprüfen, was die Finanzaufsicht und die KfW in Deutschland tun? Ich meine: Nein.
Sie müssen hier einmal erläutern, wie Ihr Ministerium das in Zukunft überwachen will. Zu diesen Fragen haben wir heute Antworten von Ihnen erwartet. Die kamen aber nicht.
Dritte Frage: Wie sieht die Zukunft des öffentlichen Bankensektors in Deutschland aus? In Sachsen stellen wir ein dramatisches Versagen der Politik beim Controlling der Landesbank fest. Es gibt kein Geschäftsmodell, und es entstehen hohe Lasten für die Steuerzahler in Sachsen. Wir erleben, dass Herr Rüttgers und Herr Oettinger im CDU-Präsidium aus irgendwelchen politischen Gründen nicht miteinander können und deswegen sinnvolle Verhandlungen um die Zukunft der Landesbank nicht möglich sind. Wir erleben weiter, dass ein CSU-Vorsitzender und Finanzminister in Bayern nicht weiß, welche Rolle man im Verwaltungsrat einer öffentlichen Bank hat. Wie antwortet also die Bundesregierung auf die Frage: Wie geht es im öffentlichen Bankensektor weiter?
Wollen Sie denn wirklich die Zukunft des öffentlichen Bankensektors den Sargnägeln dieses Bankensektors, den CDU- bzw. CSU-Ministerpräsidenten, überlassen? Lassen Sie sich doch einmal auf der Zunge zergehen, was von der Union in diesem Bereich in den letzten Jahren geleistet worden ist: Landowsky in Berlin, Milbradt in Sachsen, Rüttgers bei der West-LB und jetzt das Chaos unter Herrn Huber in Bayern. Das ist doch eine Katastrophe.
Wir erwarten vom deutschen Finanzminister, dass er die Initiative ergreift, um den öffentlichen Bankensektor in Deutschland zu stützen und ihm eine Zukunftsperspektive zu eröffnen, dass er die Konsolidierung vorantreibt und ein solides Geschäftsmodell errichtet. Aber dazu haben Sie nichts gesagt. Sie verweigern die Moderatorenrolle, die Sie dringend einnehmen müssten.
- Ja, aber wenn diese Landesparlamente und Landesregierungen miteinander verhandeln sollen, dann wird nur etwas Gutes dabei herauskommen, wenn man die Egoismen - die Sicherung der einzelnen Minifinanzplätze, die überhaupt nicht gelingen kann - überwindet und eine gemeinsame Antwort für Deutschland findet. Anders wird es nicht gehen, Herr Steinbrück.
Herr Runde, Sie haben die ganze Zeit über die großen internationalen Dinge gesprochen. Sie haben ja recht: Wir müssen auch über das Internationale sprechen. Dann muss man sich einmal die Frage stellen, ob es eigentlich sinnvoll ist, dass Produkte fünfmal hin- und hergeschoben werden - Stichwort ?Repackaging? -, sodass am Schluss niemand mehr den Inhalt kennt. Ich erinnere an die gestrige Debatte über eine Mehrwertsteuerermäßigung für Produkte für Kinder. Wir haben gesagt: Es darf keine Ausnahmen geben. - Wenn Sie auch die Verantwortung für den internationalen Bereich - einen Finanzmarkt, der immer mehr Produkte hin- und herschiebt - wahrnehmen wollen und das Internationale in den Vordergrund rücken, dann stellt sich schon die Frage, warum aus der deutschen Bundesregierung keine Initiative in Richtung Devisenumsatzsteuer, Finanztransaktionssteuer - das hat die österreichische Bundesregierung vorgeschlagen - kommt. Ich erwarte auch auf diese Frage eine Antwort von der deutschen Bundesregierung. Diese werden wir als Grüne in Zukunft einfordern. Wir haben in unserem Antrag einige Vorschläge gemacht. Folgen Sie ihnen!
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nun erhält der Kollege Otto Bernhardt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Otto Bernhardt (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mit den Ursachen, dem Ausmaß und der Verantwortung für diese Krise beginnen. Zu den Ursachen: Wir haben gehört - das ist richtig -, es handelt sich um bonitätsmäßig schlechte Immobilienkredite, die verbrieft, gemischt - man nennt das ?strukturiert? - und dann von anderen Banken gekauft wurden. Die Größenordnung liegt irgendwo bei 1,5 Billionen Euro. Das entspricht den Gesamtschulden der öffentlichen Hand in Deutschland.
Der Abschreibungsbedarf, das hat sich am Wochenende in Tokio gezeigt, liegt zurzeit bei etwa 275 Milliarden Euro. Ich sage bewusst ?zurzeit?, denn der Wert dieser Papiere wird jeden Tag neu festgelegt. Insofern kann heute auch noch niemand sagen: Wir wissen schon ganz genau, wie groß der Schaden ist. - Zum überwiegenden Teil handelt es sich Gott sei Dank noch um Buchverluste, die nur abgeschrieben werden. Was das wirklich bringt, wissen wir nicht.
Nach den Informationen, die heute vorliegen, liegen auf jeden Fall Papiere im Wert von über 100 Milliarden Euro bei deutschen Banken. Dementsprechend haben wir zurzeit einen Abschreibungsbedarf, der irgendwo bei 20 Milliarden Euro liegt. Herr Minister, dann kann man auch ausrechnen, wie hoch die Steuerausfälle sind: 39 Prozent, es geht noch um das Jahr 2007. Das heißt, sie liegen irgendwo bei 8 Milliarden Euro.
Jetzt kommt das Problem mit den Verantwortlichen. Wenn man von einer Sache viel versteht, ist es schwierig; dann kann man sich dem Thema wirklich nur sehr differenziert zuwenden. Es gibt mindestens sechs Gremien oder Institutionen, die die Probleme nicht erkannt haben, deren Vertreter heute aber tolle Reden halten.
Natürlich liegt die Hauptverantwortung bei den Vorständen der Banken; das ist völlig klar.
Aber auch die Aufsichtsgremien der Banken haben es nicht gemerkt. Ich finde es nicht fair, wenn hier immer darauf hingewiesen wird, dass der Wirtschaftsminister und der Finanzminister zum Beispiel im Aufsichtsgremium der KfW sitzen. Alle Fraktionen sind dort vertreten. Auch Herr Lafontaine sitzt in diesem Gremium. Man muss das ganz nüchtern wissen.
Auch die Aufsichtsgremien haben es also nicht gemerkt.
Viel schlimmer ist das jedoch bei den Ratingagenturen, die hier schon angesprochen worden sind. Was da passiert ist, ist eine Katastrophe.
All die Prüfungsgesellschaften mit klingenden Namen, die nicht nur intensiv geprüft haben,
sondern auch hohe Rechnungen gestellt haben, haben es nicht gemerkt.
Ich muss an dieser Stelle ebenfalls, auch wenn ich die beiden Institutionen schätze, die Bundesbank und die Bankenaufsicht nennen. Heute wissen sie genau, um welche Papiere es sich handelt und wie schlecht und schwach die sind. Deshalb warne ich davor, mit der Schuldzuweisung so ganz schnell zu sein.
Was die Organisation der Bankenaufsicht anbetrifft, Herr Kollege Dr. Schick: Es gibt eine klare Regelung im Gesetz. Darin steht: Die beiden sollen sich einigen. Wenn sie sich nicht einigen, muss der Minister tätig werden. Das war übrigens 2003 bei der Gründung der BaFin der Fall. Damals wurden sie sich nicht einig. Da gab es einen Erlass. Ich bin froh, dass sie sich jetzt geeinigt haben. Damit ist der Minister nicht mehr am Zug. Die gesetzliche Anforderung ist erfüllt. Sie haben sich geeinigt. Ich bin die Richtlinie ziemlich genau durchgegangen und darf sagen: Sie haben sich auf einer vernünftigen Basis geeinigt.
Die Arbeitsteilung ist jetzt deutlich klarer.
In diesem Zusammenhang gibt es natürlich weitere Fragen, so zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Bereichs. Ich sage in großer Bescheidenheit, die gar nicht eine meiner Stärken ist: Wir dürfen uns hier nur mit unserem Bereich auseinandersetzen. Für das Thema Landesbanken sind wir nicht zuständig. Ich persönlich habe die klare Vorstellung: Landesbanken, Sparkassen, das ist ausschließlich Ländersache. Wir haben genug Probleme bei uns. Lassen wir das die Länder machen! Dort ist Lösungsbedarf.
Wir haben nur ein Problem, und das ist die KfW. Das ist eine Bank, die wir brauchen; darüber sind wir alle uns im Klaren. Sie hat etwas gemacht, wozu mit Recht gesagt worden ist: Es war sogar die Empfehlung eines Ministers, dass sie sich da beteiligen soll. Ich sage hier sehr deutlich: Natürlich ist die IKB rechtlich gesehen eine Privatbank, aber faktisch - das zeigt nun mal die Diskussion - ist sie schon eine ziemlich öffentlich-rechtliche Bank.
Ich sage genauso deutlich: Ich bin froh, dass man am Mittwoch eine Lösung gefunden hat, einen Weg, um die Bank zu retten. Bedenken Sie die Auswirkungen, wenn sie in die Insolvenz gegangen wäre! Wir hätten heute eine ganz andere Diskussion. Beide, Finanz- und Wirtschaftsminister, wären gescholten worden. Man kann nicht in Euro ausrechnen, was die Insolvenz kosten würde. Ich verweise nur auf die hier genannten 24 Milliarden Euro Einlagen bei der Bank. Die würden mit einer Konkursquote bedient. Wie hoch die wäre, wenn man erst einmal die Papiere abgewickelt hätte - - Ich warne Neugierige!
Vor dem Hintergrund bin ich enttäuscht - ich vermute, Sie, Herr Minister, sind es auch -, dass von den rund 7 Milliarden Euro, die bisher eingesetzt wurden, über 80 Prozent von der KfW, vom öffentlichen Bereich, aufgebracht worden sind, während der andere Bereich nur knapp 20 Prozent beigesteuert hat. Ich sage sehr deutlich: Das ist zu wenig. Das finde ich nicht so toll.
Die Insolvenz wäre nämlich eine katastrophale Entwicklung für den Einlagensicherungsfonds; die Bank gehört zum privaten Einlagensicherungsfonds.
Ich glaube, ich spreche im Namen zumindest der beiden großen Fraktionen, wenn ich sage: Eine solche Aktion wie bei der IKB darf nicht Schule machen. Es wird befürchtet, dass jetzt die Ministerpräsidenten hier anreisen usw. Um es klar zu sagen: Wir sind nur für das hier zuständig. Das ist ein einmaliger Fall.
Ich gehöre aber nicht zu denen, die behaupten: Das Problem ist endgültig gelöst; da kommt nichts mehr. - Das kann man bei der Bewertungsproblematik wirklich nicht sagen. Wer dies von der Regierung fordert, der fordert etwas, was sie heute nicht bringen kann. Deswegen ist die Aussage des Ministers richtig: Wir haben noch ein schwieriges Jahr vor uns, aber wir hoffen, das war sozusagen der letzte Akt.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, abschließend Folgendes sagen: Schnellschüsse sind populär; das weiß ich. Ich glaube aber, es ist richtig, wie die Regierung vorgeht: zunächst ausführlich zu analysieren und das Ganze insbesondere - der Kollege Röttgen hat schon darauf hingewiesen - im internationalen Bereich abzuklären. Wir können das Thema nicht isoliert betrachten. Wer das glaubt, der hat noch nicht begriffen, was Globalisierung bedeutet. Deshalb müssen wir eines tun: klarmachen, dass Deutschland diese Krise ab kann. Unser Banken- und Wirtschaftssystem ist stabil genug; wir können sie ab. Natürlich würde es uns noch besser gehen, wenn es die Krise nicht gäbe; denn sie kostet viel Geld.
Es gibt also keinen Anlass zur Panik - wir lösen die Krise -, aber natürlich auch keinen Anlass zur Verharmlosung. Wir brauchen jetzt ein Stück Gelassenheit und ein Stück Internationalität. Im Rahmen der G-7-Staaten werden wir dieses Problem gemeinsam lösen.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kollegen Jörg-Otto Spiller, SPD-Fraktion, das Wort.
Jörg-Otto Spiller (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir führen heute keine Debatte über eine einzelne private Geschäftsbank, sondern wir führen eine Debatte über die internationale Finanzmarktlage und über ihre Auswirkungen auf Deutschland.
Ich sage sehr freimütig: Wenn es nicht den Hintergrund dieser Finanzmarktkrise gäbe, wäre natürlich die Frage, ob man eine einzelne Bank stützen muss, ganz anders zu beurteilen.
Da wäre sicher auch die schon ordnungspolitisch naheliegende Frage zu prüfen gewesen, ob man nicht besser eine geregelte Abwicklung der IKB vornimmt. Das hätte natürlich bedeutet, dass der Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken, das heißt der privaten Geschäftsbanken, heftig hätte bluten müssen. Das wäre aber durchaus eine ernst zu nehmende Alternative gewesen.
Angesichts der Situation, in der wir uns heute befinden, kann ich für meine Fraktion nur sagen: Wir haben Respekt vor dem,
was der Bundesfinanzminister und der Bundeswirtschaftsminister in dieser Woche zur Stabilisierung der Bank in die Wege geleitet haben. Ich teile die Auffassung des Kollegen Bernhardt, dass die private Seite noch ein bisschen mehr bringen könnte. Aber die Grundentscheidung war in der jetzigen Situation erforderlich.
Ich teile ausdrücklich den Respekt, den mehrere hier schon gegenüber den Maßnahmen geäußert haben, die der Bundesfinanzminister ja nicht erst in den letzten Wochen, sondern schon das ganze Jahr 2007 über unternommen hat, um auf internationaler Ebene - auf europäischer Ebene wie auf der Ebene der G 7 bzw. der G 8 - für eine Stabilisierung der Finanzmärkte und für eine Verbesserung ihrer Transparenz zu sorgen.
Wir haben im Finanzausschuss des Bundestages am Mittwoch ein Fachgespräch über und mit Ratingagenturen geführt. Das war aufseiten der Ratingagenturen - alle großen waren vertreten - nicht gerade von übermäßigen Selbstzweifeln geprägt. Sie legten eher ein dreistes Selbstbewusstsein an den Tag. Das kam in ihrer Kernaussage zum Ausdruck, sie hätten alles richtig gemacht. Bedauerlicherweise hätten die Banker sie aber missverstanden; denn die hätten eine Triple-A-Note für ein Gütesiegel gehalten. So sei das aber nicht gemeint gewesen.
Das ist eine neue Erkenntnis. Das haben die Ratingagenturen bisher nicht so deutlich gesagt, dass man ihnen im Grunde genommen nicht glauben sollte bzw. ihre Aussagen zumindest nicht überbewerten sollte.
Auch Folgendes ist in dem Gespräch von mehreren Seiten herausgearbeitet worden: Erstens ist es notwendig, dass Bankvorstände selbst versuchen, zu verstehen, welche Finanzprodukte sie kaufen oder vielleicht sogar verkaufen wollen. Das Zweite ist: Wenn sie sich bei der Bewertung eines schwer durchschaubaren Produktes durch Ratingagenturen unterstützen lassen wollen, dann dürfen sie sich nicht mit einer simplen Note begnügen, sondern müssen nachfragen. Dann müssen die Ratingagenturen genau sagen, was sie untersucht und eingeschätzt haben und worauf sich ihre Bewertung bezieht.
Das alles ist keine wirklich neue Erkenntnis. Die Bundesbank hat in den letzten Jahren jedes Jahr einen - wie ich finde, gut lesbaren - sogenannten Finanzstabilitätsbericht vorgelegt. Sie hat sich seit 2005 besonders mit der Frage der Wirkung von Kreditveräußerungen, Derivaten und Verbriefungen befasst. Ein Derivat ist - das ist wie in der Mathematik - eine Ableitung, aber nicht unbedingt die erste, sondern manchmal schon die zweite, dritte, vierte oder fünfte. Wenn es fünf Ableitungen geben kann, muss das Produkt sehr kompliziert sein.
Die Bundesbank hat darauf hingewiesen, dass die ursprüngliche Vorstellung war, die Risiken zu mindern;
auch durch Kreditveräußerungen, durch die Bildung von Paketen könne man eine Risikostreuung erreichen und nebenbei mehr Spielraum für neue, angemessene Kreditfinanzierungen der Unternehmen schaffen. Das klang alles sehr plausibel. Aber schon vor drei, vier Jahren hat die Bundesbank zu Recht darauf hingewiesen, dass das nur funktioniert, wenn die Produkte nicht zu komplex sind und wenn die Bankvorstände, die Entscheidungsträger, wissen, worüber sie entscheiden.
- Das Finanzministerium, lieber Herr Kollege Schäffler, ist nicht zuständig für Entscheidungen von Bankvorständen. Sie haben hier eine für mich sehr verblüffende Argumentation gebracht,
als wäre der Staat für alles oder manchmal eben auch für gar nichts zuständig. Das ist nicht wirklich überzeugend.
Was müssen wir jetzt tun? Da folge ich dem, was der Kollege Bernhardt, aber auch der Kollege Schick gesagt hat: Wir müssen uns fragen, welche Aufgaben und welche Möglichkeiten der Staat hat. Natürlich betrifft das in erster Linie die beiden Behörden in Deutschland, die sich um die Bankenaufsicht kümmern: die Bundesbank, die für die laufende Kontrolle der Institute zuständig ist, und die BaFin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Beide haben ein hohes Maß an Kenntnis; das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Da ist viel Expertise. Aber die Instrumente müssen offenbar verbessert werden, damit diese hochkarätigen Fachleute auch handeln können. Wir dürfen jetzt nicht, sozusagen aus der Defensive heraus, so tun, als hätten sie alles richtig gemacht. Nein, es gibt einen Bedarf, die Bankenaufsicht zu stärken, und es gibt einen Bedarf, die Verantwortung von Wirtschaftsprüfern zu stärken und möglicherweise auch Haftungsansprüche zu präzisieren. Das werden wir uns vornehmen müssen.
Die letzten Wochen und Monate waren oft mit Feuerwehraktionen belastet. Wenn das Haus lichterloh brennt, muss man löschen. Aber die Hauptaufgabe von Feuerwehren ist nicht der gelegentliche Löscheinsatz, sondern der Brandschutz,
der vorbeugende Brandschutz. Es muss darauf hingewiesen werden: Wenn eine Bank meint, sie müsste im Heizungskeller Nitroglycerin und auf dem Dachboden Benzin lagern, dann muss man ihr sagen, dass das nicht geht.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/7531 und 16/7191 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 143. Sitzung - wird am
Montag, den 18. Februar 2008,
an dieser Stelle veröffentlicht.]