145. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 21. Februar 2008
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich.
Bevor wir in unsere Tagesordnung eintreten, möchte ich dem Kollegen Georg Brunnhuber zu seinem 60. Geburtstag gratulieren, den er vor wenigen Tagen begangen hat, und im Namen des Hauses alle guten Wünsche übermitteln.
Die Feierlichkeiten hat er erkennbar gut überstanden; das ist beruhigend.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die Tagesordnungspunkte 13, 23 und 25 abzusetzen und die verbundene Tagesordnung um die in der folgenden Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Vereinbarte Debatte
Zukunft des Kosovos nach der Unabhängigkeitserklärung
(siehe 144. Sitzung)
ZP 2 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Fehlende Strategien der Bundesregierung in der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Konsequenzen aus den Steuervergehen durch Finanztransfers ins Ausland
(siehe 144. Sitzung)
ZP 3 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
(Ergänzung zu TOP 30)
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, Horst Meierhofer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Naturschutz praxisorientiert voranbringen - Entwicklung der Wildtiere in Deutschland
- Drucksache 16/8077 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Eckpunkte für eine gerechte Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer
- Drucksache 16/8185 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Mechthild Dyckmans, Hans-Michael Goldmann, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsrechten, langfristigen Urlaubsprodukten sowie des Wiederverkaufs und Tausches derselben
- Drucksache 16/8187 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer, Dr. Christian Ruck, Dr. Wolf Bauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU,
der Abgeordneten Dr. Sascha Raabe, Gabriele Groneberg, Stephan Hilsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Ute Koczy, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Für eine neue, effektive und an den Bedürfnissen der Hungernden ausgerichtete Nahrungsmittelhilfekonvention
- Drucksache 16/8192 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Haushaltsausschuss
ZP 4 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
(Ergänzung zu TOP 31)
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 22. Juli 2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union
- Drucksache 16/6563 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)
- Drucksache 16/8222 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Joachim Stünker
Dr. Peter Danckert
Jörg van Essen
Wolfgang Ne¨kovic
Jerzy Montag
ZP 5 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP:
Möglichkeiten von Mitgliedern der Deutschen Kommunistischen Partei, über offene Listen der Partei DIE LINKE in Parlamenten Mandate zu erlangen, und die damit verbundenen Auswirkungen
ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Christoph Waitz, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Zehn Jahre Washingtoner Konferenz - Initiative für eine Nachfolgekonferenz in Deutschland
- Drucksache 16/7857 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Karl Addicks, Hellmut Königshaus, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Die Regierungsverhandlungen mit Bolivien für eine kritische Überprüfung der Entwicklungszusammenarbeit nutzen und an Bedingungen knüpfen
- Drucksache 16/5615 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ernst Burgbacher, Dr. Karl Addicks, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Potenziale der Tourismusbranche in der Entwicklungszusammenarbeit durch Aufgabenbündelung im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausschöpfen
- Drucksache 16/8176 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Tourismus
ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Integrationspolitik der Bundesregierung - Große Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit
- Drucksache 16/8183 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Außerdem mache ich auf eine nachträgliche Ausschussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam: Der in der 143. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz - ErbStRG)
- Drucksache 16/7918 -
überwiesen:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. Dann haben wir das so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 d auf:
4. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich und zur Änderung damit zusammenhängender Vorschriften
- Drucksache 16/8148 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz - EEWärmeG)
- Drucksache 16/8149 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
- Drucksache 16/8150 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) über die Bestandsaufnahme und den Handlungsbedarf bei der Förderung des Exportes Erneuerbare-Energien-Technologien 2003/2004
- Drucksachen 15/5938, 16/480 Nr. 1.17, 16/4962 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Maria Flachsbarth
Marco Bülow
Angelika Brunkhorst
Hans-Kurt Hill
Hans-Josef Fell
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst Bundesminister Sigmar Gabriel.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:
Guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute die ersten Bestandteile des integrierten Klima- und Energiepakets, das die Bundesregierung am 5. Dezember 2007 beschlossen hat. Die Bundesregierung hat das Ziel, die Treibhausgasemissionen unseres Landes bis zum Jahre 2020 um 40 Prozent zu senken. Wir gehen davon aus, dass wir bei den internationalen Verhandlungen, die auf Bali begonnen haben, Erfolg haben werden. Um zu erreichen, dass die Treibhausgasemissionen weltweit um 30 Prozent reduziert werden, muss auch die Europäische Union ihren Beitrag leisten. Um dieses Ziel in der Europäischen Union abzusichern, ist Deutschland bereit, einen Minderungsbeitrag von 40 Prozent zu erbringen, wenn wir international Erfolg haben.
Zu diesem Zweck hat das Kabinett in Meseberg im August des letzten Jahres eine Vielzahl von Gesetzentwürfen und Verordnungen in Auftrag gegeben. 14 davon haben wir am 5. Dezember 2007, nicht einmal drei Monate danach, beschlossen. Ein weiteres Paket wird am 21. Mai verabschiedet werden. Die ersten Gesetzentwürfe dazu liegen vor.
Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Erneuerbaren Energien im Strombereich wollen wir den Anteil erneuerbarer Energien im Stromsektor bis 2020 auf 30 Prozent ausbauen. Heute sind wir bei 14 Prozent. Das ist eine Riesenerfolgsgeschichte in unserem Land. Wir wollen den schlafenden Riesen wecken und dazu beitragen, dass die erneuerbaren Energien auch im Wärmesektor genutzt werden. Ihr Anteil beträgt im Wärmesektor im Moment etwa 6 Prozent. Wir wollen diesen Anteil auf 14 Prozent steigern. Allein in diesen beiden Sektoren haben wir 235 000 Arbeitsplätze in unserem Land geschaffen. Das ist ein Riesenerfolg in der Entwicklung der Technologie zur Nutzung der erneuerbaren Energien in unserem Land.
Mit unseren Ausbauzielen wollen wir die Zahl der Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien bis zum Jahre 2020 mindestens verdoppeln. Wir wollen drei Ziele miteinander verbinden: Erstens. Wir wollen mehr zum Klimaschutz beitragen, indem wir unsere Treibhausgasemissionen senken. Zweitens. Wir wollen vom Import von Rohstoffen wie Öl und Gas und damit von Preissprüngen unabhängiger werden. Drittens. Wir wollen neue Arbeitsplätze in unserem Land schaffen. Wir wollen zeigen, dass wirtschaftliches Wachstum, Leistungsfähigkeit und Wohlstand mit Klima- und Umweltschutz vereinbar sind.
Beim Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes geht es - dazu will ich etwas mehr sagen - um den Einsatz von Biokraftstoffen, die ja derzeit in der internationalen und auch in der deutschen Debatte umstritten sind.
Zum Thema Biokraftstoffe hat das Bundeskabinett Gesetz- und Verordnungsentwürfe verabschiedet: Das Biokraftstoffquotengesetz ist bereits am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Darin wird geregelt, dass wir stufenweise bis zum Jahr 2015 auf 8 Prozent Einsatz von Biokraftstoffen an den normalen Kraftstoffen kommen wollen.
Heute ändern wir hier im Parlament das Biokraftstoffquotengesetz mit dem Achten Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Diese Änderung soll uns, bezogen auf die tatsächliche Verringerung des CO2-Ausstoßes bei Kraftstoffen, ehrlicher machen. Der Mindestanteil von Biokraftstoffen wird in Zukunft in Deutschland nicht mehr energetisch definiert, wie es bislang in der Europäischen Union und auch in anderen Ländern immer noch der Fall ist, sondern der tatsächliche Klimaschutzbeitrag soll Grundlage für die Anrechenbarkeit des Einsatzes von Biokraftstoffen auf die Quote werden. In Zukunft dürfen Biokraftstoffe nur angerechnet werden, wenn sie mindestens einen Klimaschutzbeitrag von 30 Prozent gegenüber fossilen Kraftstoffen erbringen.
Meine Damen und Herren, die öffentliche Kritik am Einsatz von Biokraftstoffen in der Klimapolitik ist durchaus gerechtfertigt. Natürlich müssen wir darauf achten, dass wir uns nicht selbst täuschen und eine Scheinbilanz für die Senkung von CO2 vorlegen. Weder darf der Einsatz von Biokraftstoffen in Deutschland und Europa das Abholzen von Regenwäldern beschleunigen und begünstigen, noch dürfen wir die CO2-Emissionen wissentlich übersehen, die bei der Herstellung von Biokraftstoffen zum Beispiel im Hydrierungsverfahren ausgelöst werden können.
Das hat zur Folge, dass wir den 10-prozentigen Anteil an Biokraftstoffen, wie ihn die Europäische Union haben will, ehrlicherweise auch netto berechnen müssen. Die EU tut dies bislang nicht; sie bezieht sich in ihren Berechnungen nur auf den Energiegehalt und nicht auf den tatsächlichen Klimaschutzbeitrag. Bei Zugrundelegung des Nettoklimaschutzbeitrags müssen wir, um den von der EU verlangten 10-prozentigen Beitrag zu erbringen, dem Volumen nach 20 Prozent Biokraftstoffe beimischen. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf wollen wir also den ersten entscheidenden Schritt tun, um den Einsatz von Biokraftstoffen auf ihren tatsächlichen Klimaschutzbeitrag zu überprüfen.
Der zweite entscheidende Schritt ist die Einführung der Nachhaltigkeitsverordnung, die das Bundeskabinett bereits am 5. Dezember 2007 verabschiedet hat. Diese Nachhaltigkeitsverordnung, die ökologische Standards für die Anrechenbarkeit von Biokraftstoffen auf die Quoten nach dem Biokraftstoffquotengesetz regelt, liegt derzeit zur Notifizierung bei der Europäischen Union. Die Notifizierung ist notwendig, weil die ökologischen Standards natürlich Handelshemmnisse im europäischen Binnenmarkt auslösen sollen. Sie ist nach unserer Rechtsauffassung nicht WTO-widrig, weil wir nicht den Import von Biomasse, sondern durch die ökologischen Standards die Anrechenbarkeit auf die Biokraftstoffquote einschränken. Dies soll natürlich den wirtschaftlichen Druck auf die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien drastisch erhöhen.
Diese Nachhaltigkeitsverordnung Deutschlands soll das Vorbild für die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Regelungen zur Nachhaltigkeit beim Biokraftstoffeinsatz sein. Auch die EU-Kommission will ihr Ziel von 10 Prozent Biokraftstoffbeimischung bis 2020 an die Einhaltung dieser Kriterien binden. Der Vorwurf, diese Nachhaltigkeitskriterien würden erst in einem Jahrzehnt in Kraft treten, ist falsch. Richtig ist, dass die Entwicklung von Zertifizierungssystemen, die den Nachweis eines ökologisch nachhaltigen Anbaus erbringen können, Jahre in Anspruch nehmen wird. Aber nach Inkrafttreten der Nachhaltigkeitsverordnung im Jahr 2010 dürfen importierte Biokraftstoffe solange nicht auf die Quote angerechnet werden, bis diese Kriterien erfüllt sind.
Diese Strategie zur Durchsetzung von ökologischen Standards beim Anbau von Biomasse zur Energieerzeugung und die Orientierung an einer Nettobilanz müssen natürlich auch auf den Bereich der Stromerzeugung und der Wärmeproduktion ausgedehnt werden. Nicht nur das: Aus meiner Sicht müssen diese Kriterien auch für den Einsatz von Futtermitteln in der Landwirtschaft gelten;
denn wir führen am Beispiel der Biokraftstoffe natürlich derzeit eine Stellvertreterdiskussion. Weit mehr als 80 Prozent der weltweit angebauten Biomasse gehen in die Nahrungs- und Futtermittelerzeugung und nicht in die Kraftstofferzeugung. Hier geht es vor allem um Sojaanbau. In diesem Bereich ist Europa der größte Importeur und innerhalb Europas Deutschland. Wer über die Abholzung von Regenwäldern spricht und sich darüber beklagt, darf die Gefahren im Bereich der Brandrodung und des Anbaus von Soja in den Regenwäldern für die Futtermittelindustrie nicht permanent verschweigen.
Wenn die öffentliche Diskussion über Biokraftstoffe bewirkt, dass wir auch darüber reden und die Nachhaltigkeitskriterien auch im Bereich der Futtermittelindustrie ausbauen, dann leisten wir einen wirklichen Beitrag zum Schutz der Regenwälder und gegen das Abbrennen von Mooren in Indonesien.
Die Bundesregierung wird sich offensiv mit den umfangreichen Gutachten zu den ökologischen und sozialen Folgen der Biomasseproduktion auseinandersetzen und - das sage ich deutlich - gegebenenfalls im Kabinett die Biokraftstoffstrategie anpassen. Erste Überlegungen gehen in folgende Richtung:
Über die Klimabilanz und die derzeitigen Nachhaltigkeitskriterien hinaus sollten wir bestimmte Anbaumethoden generell von der Anrechenbarkeit bei Kraftstoffen und von der Förderung nach dem EEG und dem EEWärmeG ausschließen. Dazu zählen zum Beispiel die Abholzung von Regenwäldern oder das Abbrennen von Mooren.
In technologischer Hinsicht müssen wir auf den Einsatz organischer Reststoffe für die Energieerzeugung drängen. Dabei ist nicht nur die Klimabilanz deutlich besser; vor allem kommt es dabei nicht zu den befürchteten Nahrungsmittelkonkurrenzen. Im Übrigen geht es nicht um eine Konkurrenz zwischen Biomasse und Nahrungsmitteln, sondern zwischen Biomasse zur Kraftstoff- oder Energieerzeugung und dem Einsatz von Biomasse in der Futtermittelindustrie. Im Wesentlichen geht es in der Debatte um die Fleischerzeugung aus Rinder- und Schweinemast.
Dass wir in technologischer Hinsicht auf den Einsatz organischer Reststoffe - also auf Bioraffinerie - drängen wollen, war der Grund dafür, dass sich der Bundesfinanzminister und das Bundeskabinett auch in der Debatte um die Steuerbefreiung von Biokraftstoffen im letzten Jahr für diese technologische Richtung eingesetzt haben, statt auf die weitere Förderung eines zum Teil umstrittenen Einsatzes von Biomasse zu setzen.
Die Durchsetzung ökologischer und sozialer Standards in der EU ist auch deshalb wichtig, weil wir damit nicht auf eher instabile Länder mit einem schwer kontrollierbaren Anbau von Biomasse setzen müssen; vielmehr wollen und müssen wir künftig vor allem mit Partnern in Osteuropa zusammenarbeiten. Dann wird sich über die Transportbilanz auch die Klimabilanz verbessern.
Insgesamt werden wir im Lichte der existierenden Gutachten und im Rahmen der parlamentarischen Beratungen überprüfen müssen, ob wir unter Einhaltung der genannten Kriterien die ambitionierten Ausbauziele beim Biomasseeinsatz und insbesondere beim Kraftstoffeinsatz erreichen werden. Dazu zählt auch, dass wir die Novelle zur 10. Bundes-Immissionsschutzverordnung zur Einführung von B7 und E10 - Biodiesel- und Bioethanolkraftstoffe - erst dann in Kraft setzen werden, wenn die Zahlen des Verbandes der Automobilindustrie und auch der Automobilimporteure zu den potenziell betroffenen Fahrzeughaltern, deren Fahrzeuge diese Kraftstoffe nicht vertragen, überprüft worden sind.
Meines Wissens hat zum Beispiel die Kollegin Frau Reiche kritisiert, dass wir zu sehr auf Fachleute vertraut haben. In der Tat vertrauen wir nach wie vor auf Aussagen aus der Automobilindustrie. Das ist die Strategie der Bundesregierung, die sozusagen in großkoalitionärer Einigkeit gemeinsam mit dem Kollegen Seehofer erarbeitet wurde. Insofern können Sie die Kritik gleichmäßig verteilen.
- Wenn man Pressemitteilungen veröffentlicht, dann erwartet man doch eine Antwort, oder? Ich wollte nur höflich sein.
Gestatten Sie mir eine Bemerkung zur Nutzung von erneuerbarer Energie im Wärmebereich. Ich will auf einen Widerspruch im Zusammenhang mit der Kraftstoffdebatte hinweisen. Wenn es um die ökologischen Schäden beim Anbau von Biomasse für den Kraftstoffbereich und die dadurch entstehenden Konkurrenzen geht, dann darf man die Nutzungskonkurrenzen nicht dadurch verschärfen, dass man Biomasse zu Bioöl und Biogas verarbeitet, es zur Verbrennung freigibt und dies als Beitrag zum Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz bezeichnet.
Wenn es Nutzungskonkurrenzen bei Flächen gibt, dann müssen wir darauf achten, dass der Biomasseeinsatz effizient erfolgt. Deshalb haben wir im Wärmegesetz vorgesehen, dass die Verbrennung von Biogas nur bei der Kraft-Wärme-Kopplung - also bei der Produktion von Strom und Wärme - angerechnet werden kann. Wer diese Stoffe nur verheizen will, um Erdgas und Erdöl zu ersetzen, verschärft die Nutzungskonkurrenz und vertritt die Interessen eines kleinen Teils der deutschen Mineralölindustrie, statt eine technologische Entwicklung verbunden mit der Entstehung neuer Arbeitsplätze in Gang zu setzen. Das ist nicht der Gegenstand von Gesetzentwürfen der Bundesregierung.
Ich glaube, dass wir mit der Vorlage dieser Gesetzentwürfe einen guten Schritt geschafft haben. Wir sollten in den nächsten Wochen die weiteren Maßnahmen zur Erreichung unserer Klimaschutzziele diskutieren und umsetzen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Kollege Horst Meierhofer für die FDP-Fraktion.
Horst Meierhofer (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es vorwegzunehmen: Ich werde mich hauptsächlich - genauso wie der Herr Minister - auf die Biokraftstoffe konzentrieren. Frau Kollegin Brunkhorst wird sich später mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz dezidiert auseinandersetzen. Bevor die SPD, die Grünen und die CDU/CSU ihr Verletzungspotenzial ausschöpfen: Natürlich sind auch wir für die Förderung der erneuerbaren Energien. Auch uns geht es darum, den Anteil der erneuerbaren Energien im Energiemix deutlich zu erhöhen.
Heute geht es hauptsächlich um den Bereich der Biokraftstoffe. Der Herr Minister hat schön darum herumlaviert, wie gefährlich es sein könnte. Er tat so, als könnten wir kaum etwas dagegen tun. Wir setzen schließlich nur europäische Vorgaben um und versuchen vielleicht sogar, es noch etwas besser zu machen, als es die EU vorsieht. Aber an der Medienberichterstattung in den letzten Tagen und Wochen hat man recht deutlich gesehen, dass es eine ganz große Koalition derjenigen gibt, die große Schwierigkeiten haben. Nicht umsonst hat der Bundesrat den vorliegenden Gesetzentwurf abgelehnt. Ich darf es vorwegnehmen: Die FDP wird das Gleiche tun.
Die Biokraftstoffbeimischungsquote ist sowohl ökologisch als auch ökonomisch irrsinnig, sinnlos und kontraproduktiv. Deswegen halten wir davon überhaupt nichts. Sich damit herauszureden, dass es sich hier um Vorgaben der EU handle, ist insoweit scheinheilig, als wir alle wissen, dass gerade die Bundesregierung in besonderem Maße daran beteiligt war, dieses Gesetz zu puschen und die Beimischungsquote zu erhöhen. Daran werden wir uns nicht beteiligen.
Herr Minister Gabriel hat gesagt, dass es weniger um die Lebensmittelproduktion, sondern mehr um die Futtermittelproduktion geht. De facto wird es aber zunehmend mehr Nutzungskonkurrenzen geben. Damit werden auch die Lebensmittelpreise deutlich steigen. Ich bin gespannt, wie sich die Kollegen der Linkspartei dazu äußern werden; denn hier entsteht nicht nur ein ökonomisches, sondern auch ein soziales Problem. Ein ökologisches ist es ohnehin. Die Fleischpreise werden deutlich steigen. Die Weizenpreise sind bereits gestiegen. Hier kann man argumentieren, dies sei vernünftig, weil es der Landwirtschaft einen Vorteil bringe. Interessanterweise hat aber selbst der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gesagt, dass die Ideen der Bundesregierung zu Biomasse und Biokraftstoffen zu überdenken seien und dass man grundsätzlich darüber nachdenken solle, ob man hier auf dem richtigen Wege sei.
Dass es wirtschaftlich zu größeren Problemen kommt, haben wir alle festgestellt, und zwar allein dadurch, dass sich der Spritpreis zunehmend der 5-DM-Marke annähert, die die Grünen früher als Schreckgespenst gefordert haben. In diese Richtung geht es nun. Wenn man dadurch etwas für den Klimaschutz oder das ökologische Gewissen täte, könnten wir darüber inhaltlich diskutieren. Aber in Wirklichkeit tun wir das genaue Gegenteil. Wir unterstützen nicht diejenigen, die etwas ökologisch Sinnvolles tun wollen. Vielmehr geht es nur darum, dass wir etwas für unser Gemüt tun, um uns besser zu fühlen. Wir Deutsche glauben, etwas für den Klimaschutz zu tun. Dabei ist es uns egal, was im Rest der Welt passiert.
Die Gretchenfrage ist, wie es in den Ländern aussieht, die irgendwann nachhaltig wirtschaften sollen. Verschiedene Kollegen, die diese Länder besucht haben, haben festgestellt, dass dort das genaue Gegenteil passiert. In Südamerika, Malaysia und Indonesien beispielsweise werden riesengroße Flächen Regenwald abgeholzt. Das geschah zwar schon früher. Aber das Gesetz und das, was wir in Europa machen, werden die Probleme deutlich verschärfen. Wir wollen sicherlich nur nachhaltig hergestellte Produkte. Aber wir wissen, dass wir in Deutschland nicht in der Lage sein werden, die Probleme weltweit zu lösen, und dass das Potenzial hoch ist, wenn es darum geht, bestimmte Regelungen zu umgehen. Wenn wir so tun, als wäre es anders, ist das scheinheilig und außerdem ein bisschen blauäugig.
Bald wird die Biodiversitätskonferenz in Bonn tagen. Dann werden wir wieder hören, wie wichtig das alles sei. Aber gleichzeitig verschärfen wir die Probleme in den genannten Ländern, in denen die größte Biodiversität vorherrscht. Wir sorgen dafür, dass noch mehr Regenwald den Kettensägen zum Opfer fällt. Das ist ein gravierender Vorgang und geht in die vollkommen falsche Richtung.
Interessanterweise ist festzustellen, dass es hier eine riesengroße Koalition gibt. Die FDP-Bundestagsfraktion hat sich mit Vertretern von Umweltverbänden getroffen. Es gibt sicherlich unterschiedliche Positionierungen. Aber in einem Punkt sind wir uns einig: Es geht nicht darum, einen Nachhaltigkeitsfaktor einzuführen. Die Umweltverbände haben, genau wie wir, gesagt: Das Gesetz zur Beimischung von Biokraftstoffen läuft in die völlig falsche Richtung. - Das Gleiche sagen Misereor, die katholische Kirche, die evangelische Kirche, Frau Wieczorek-Zeul, Entwicklungshilfeorganisationen und Vertreter der SPD. Das ist eine wirklich große Koalition, breiter geht es nicht. Jetzt zu sagen: ?Wir werden versuchen, das vernünftig umzusetzen; wir haben hier EU-Vorgaben?, halte ich schon für einen bemerkenswerten Vorgang.
Das ist nicht allein ein Problem der SPD und der CDU/CSU; das war auch in der Vergangenheit so. Die Grünen haben mit der Politik begonnen, dass wir uns das ökologische Mäntelchen umhängen, damit wir uns ein bisschen besser fühlen. Wir haben heute Abend eine Diskussion zu dem Thema Verpackungsverordnung. Damit verhält es sich ähnlich. Die Menschen sollen Müll trennen, egal ob es sinnvoll ist oder nicht. Jetzt sollen sie an der Tankstelle das Gefühl haben, dass sie Bio tanken. Was aber im Rest der Welt passiert, ist offenbar vollkommen egal. Wenn das wirklich die Idee ist, wie wir unsere ökologische Arbeit hier definieren, dann frage ich mich schon, ob wir nicht ein bisschen über den Tellerrand hinausschauen sollten.
Ich denke, dass die Problematik zu dem Zeitpunkt, wenn es wirklich darum geht - der 10-Prozent-Anteil soll ja nicht schon im nächsten Jahr gelten -, schon so weit fortgeschritten ist, dass Nachhaltigkeit vermutlich leider keine Rolle mehr spielen wird, weil der Großteil des Regenwalds, der zur Erzeugung der Rohstoffe für Biosprit genutzt werden wird, dann schon abgeholzt sein wird. Dass der Orang-Utan damit vielleicht seinen Lebensraum verliert, ist auch egal. Vielleicht besuchen wir den später im Zoo. Vielleicht finden wir auch einen passenden Paten für ihn.
Dass wir die Meseberg-Beschlüsse nur umsetzen, damit wir uns besser fühlen, halte ich für ganz groben Unfug. Die FDP wird diese Ideen ablehnen. Ich kann Sie nur bitten, im Rahmen der Beratungen von diesen Ideen abzurücken, es anders zu machen und zu erkennen, dass damit weder ökologisch noch ökonomisch ein Fortschritt erzielt wird.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun die Kollegin Katherina Reiche, CDU/CSU-Fraktion.
Katherina Reiche (Potsdam) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Klimaschutz und die Sicherung der Energieversorgung gehören zu den wichtigsten Themen, denen sich nicht nur diese Koalition, sondern Deutschland insgesamt zu stellen hat. Deshalb beginnen wir heute mit den Beratungen zu dem wohl ehrgeizigsten Klimaschutzprojekt, das je eine Bundesregierung auf den Weg gebracht hat.
Ich möchte zunächst auf die Biokraftstoffindustrie eingehen. Zum einen haben wir nun endlich den Bericht vorliegen. Wir Umweltpolitiker sehen uns in unserer Sorge um die einheimische Biokraftstoffindustrie bestätigt.
Zum Zweiten. Herr Minister, natürlich brauchen wir verlässliche Zahlen, was die Beimischung angeht; die müssen vorgelegt werden. Dafür ist aber nicht der ADAC oder der VDA zuständig, sondern zuständig ist das Ministerium. Meines Wissens legen immer noch die Ministerien und das Parlament die Gesetzentwürfe vor und nicht der ADAC.
Insofern brauchen wir Verlässlichkeit. Die Verunsicherung der Autofahrer muss beendet werden.
Grundlage jeder zeitgemäßen Energieversorgung ist das bewährte Zieldreieck von Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz. Dies gilt auch für die erneuerbaren Energien, die einen ganz wichtigen Beitrag nicht nur zum Klimaschutz, sondern auch zur Versorgungssicherheit leisten. Zu unseren einheimischen Energieträgern gehören die erneuerbaren Energien; es gehören aber auch Technologien dazu, die sich bewährt haben. Ich bin dem Koalitionspartner dankbar, dass auch er immer wieder darauf hinweist - ich nenne Herrn Hempelmann und andere -, dass auch mit Braunkohle in Kombination mit CCS klimapolitisch viel zu machen ist.
Heute diskutieren wir aber über die erneuerbaren Energien, die mit 5,6 Prozent am Primärenergieverbrauch und circa 14 Prozent am Bruttostromverbrauch ein ganz wesentliches Element des Integrierten Klima- und Energieprogramms der Bundesregierung darstellen. Es ist das ambitionierteste Vorhaben, das je eine Bundesregierung auf den Weg gebracht hat. Ich bin auch überzeugt, dass dieses große Reformprojekt der Koalition unsere Handlungsfähigkeit unterstreicht.
Wir behandeln heute zwei zentrale Elemente, die Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz. Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien haben mit 41 Prozent den Löwenanteil an den bis 2020 zu erbringenden CO2-Einsparungen. Beide Gesetze sollen aber auch dafür sorgen, dass wir bei den erneuerbaren Energien Technologieführer bleiben.
Das EEG wird international als beispielhaft angesehen. Aber sicherlich ist nichts so gut, als dass es nicht noch besser werden könnte. Deshalb wollen wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz weiterentwickeln. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung beträgt mittlerweile 14 Prozent; das ist mehr, als viele erwartet haben.
Er soll bis zum Jahr 2020 auf 25 bis 30 Prozent erhöht werden.
Wir müssen aber auch die energieintensiven Industrien im Blick behalten; denn viele sind am Limit, was die Belastungen durch Strompreise und eigene CO2-Einsparungen betrifft. So kommen wir schnell an einen Punkt, an dem eine Rechnung klimapolitisch nicht mehr aufgehen kann. Ich bin davon überzeugt, dass nirgendwo auf der Welt so umwelt- und klimaschonend produziert wird wie in Deutschland. Wir müssen deshalb auch über Tarife und Degressionen sprechen. Es gerät leicht in Vergessenheit, dass es Sinn und Zweck der Degressionen ist, Unternehmen durch Innovationen marktfähig zu machen. Bei vielen Besuchen in der Branche der erneuerbaren Energien haben mich immer wieder die vorhandene große Innovationsfähigkeit und die technische Raffinesse beeindruckt. Dennoch werden Stimmen laut - und sie sind auch nicht zu überhören -, dass einige Bereiche überfördert sind. Ich denke zum Beispiel, dass in der Fotovoltaik Nachholbedarf besteht. Der Anteil der zur Verfügung gestellten Mittel steht momentan in keinem Verhältnis zu dem, was Fotovoltaik insgesamt zur Stromproduktion beiträgt. Ich glaube, dass Technologiesprünge dann möglich sind, wenn wir Innovationsanreize setzen. Ich denke dabei an Solarzellen der dritten Generation.
Ein weiteres wichtiges Thema sind die sogenannten Kombinationskraftwerke oder virtuellen Kraftwerke. Hier stellt sich die Frage, ob wir im EEG tatsächlich die erforderlichen Regelungen geschaffen haben, um das Zusammenspiel verschiedener Energieträger - wie zum Beispiel Wind und Biomasse oder Wind und Biogas - so zu kombinieren und zu fördern, dass erneuerbare Energien grundlastfähig werden. Wenn wir zu dem Schluss kommen, dass das noch nicht der Fall ist, dann sollten wir nachbessern.
Mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz beschreiten wir Neuland. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Wärmebereitstellung betrug im Jahr 2006 6 Prozent und ist in den letzten Jahren nur langsam gewachsen. Die Technologien sind vorhanden; oftmals fehlt es aber an der Marktdurchdringung, zum Teil auch wegen fehlender Wirtschaftlichkeit. Die erneuerbaren Energien im Wärmemarkt sind ein schlafender Riese, den wir mit diesem Gesetz wecken wollen.
Für uns als Union waren mehrere Punkte zentral: Zum einen sollen im Bereich Neubauten ganz klare, auch ehrgeizige Vorgaben gemacht werden, die zu erfüllen sind. Zum anderen wollen wir eine Verstetigung des Marktanreizprogramms erreichen, damit für die Branche verlässliche Mittel zur Verfügung stehen, die nicht schwanken. Aber wir haben auch darauf gedrungen, dass im Bereich des Gebäudealtbestandes vorsichtiger vorgegangen wird. Wir sind der Auffassung, dass eine Ausdehnung auf den Altbestand dazu geführt hätte, dass entweder gar nicht oder verzögert investiert worden wäre oder dass durch Stückelung der Investitionen die Verpflichtungen aus dem EEWärmeG möglicherweise umgangen worden wären. Diese Szenarien sind für unser Klima eher schädlich als nützlich. Gleichwohl wissen wir, dass die Gebäude in Deutschland zu 75 Prozent vor 1978 gebaut wurden, also energetisch nicht in dem heute notwendigen und wünschenswerten Maß ausgestattet sind.
Wichtig ist uns zudem, dass wir mit Anreizen arbeiten, um Klimaschutz zu realisieren. Jeden planwirtschaftlichen Ansatz halten wir für verfehlt. Wir setzen auf Markt, auf Innovationskraft und auch auf die Findigkeit unserer Handwerker. Ohne Hightech ist in einer modernen Industriegesellschaft nichts möglich.
Mir scheint der Hinweis wichtig, dass wir das Ziel im Auge behalten müssen, das der Minister am Anfang seiner Rede deutlich gemacht hat, nämlich die CO2-Emissionen um bis zu 40 Prozent zu reduzieren, wenn die internationalen Rahmenbedingungen stimmen. Also sollten wir uns möglichst viele Wege dahin offenhalten und nicht von vornherein Wege ausschließen. Das heißt auch für das Wärmegesetz: möglichst technologieoffen vorangehen.
Ein Blick in andere Länder zeigt uns, welche Dynamik im Bereich erneuerbare Energien vorhanden ist. Repower zeigt uns, dass Länder wie Indien aufrüsten. Auch in Kalifornien sind die grünen Technologien ein heißes Thema. Nicht wenige meinen, dass die USA nach den nächsten Wahlen, wenn dort andere klimapolitische Weichen gestellt werden, erneut ihre große technologische Innovationskraft beweisen werden. Ich finde, da müssen wir vorne mit dabei sein. Deshalb werben wir um Ihre Unterstützung.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Kollege Hans-Kurt Hill für die Fraktion Die Linke.
Hans-Kurt Hill (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linke sagt: Wirksamer Klimaschutz, gute Arbeit und bezahlbare Energie, das gehört zusammen, und zwar ohne Wenn und Aber.
Das alles geht mit erneuerbaren Energien.
Das funktioniert aber nur, wenn der Bundestag den gesetzlichen Rahmen richtig ausgestaltet. Nach dem, was uns vorliegt, droht der notwendige Ausbau von Wind- und Wasserkraft, Solarenergie, Biomasse und Erdwärme aber auf halbem Weg stecken zu bleiben. Ihre Gesetzentwürfe, meine Damen und Herren der Koalition, sind aus der Sicht der Linken viel zu lasch ausgelegt und zum Teil absolut untauglich, was den Wärmebereich betrifft. Die Linke fordert das Parlament auf, in den nächsten Monaten die schlimmsten Fehler zu korrigieren.
Lassen Sie mich erklären, worum es geht.
Erstens: Klimaschutz. Fest steht: Wenn wir die Erderwärmung in erträglichen Grenzen halten wollen, müssen die Treibhausgase bis 2050 weltweit um bis zu 80 Prozent gesenkt werden. Dies bestätigen uns auch die neuesten Daten des UN-Klimarates. Deutschland ist, wie wir wissen, weltweit einer der größten CO2-Verursacher. Deshalb müssen wir den CO2-Ausstoß bis 2020 um mindestens 40 Prozent senken. Das hat auch die Bundesregierung erkannt. Die Frage ist nur, ob sie sich gegen die Interessen der Industrie durchsetzen wird. Dieses Ziel werden wir - da gebe ich Frau Ypsilanti aus Hessen recht - nicht erreichen, wenn in Deutschland weiter klimaschädliche Kohlekraftwerke gebaut werden.
Das geht nämlich nur mit Energieeffizienz und erneuerbaren Energien. Allein im letzten Jahr haben Sonne, Wind und Co 110 Millionen Tonnen CO2 eingespart.
Zweitens. Kommen wir nur zur guten Arbeit. In der Branche der erneuerbaren Energien arbeiten zurzeit mindestens 235 000 Menschen; Herr Gabriel hat es bereits ausgeführt. Jedes Jahr kommen 25 000 neue Stellen hinzu. Bei der Kohle- und Atomwirtschaft erleben wir hingegen einen kontinuierlichen Arbeitsplatzabbau. Auch mit neugeplanten Großkraftwerken werden hier bis 2020 mindestens 45 000 Jobs verloren gehen. Erneuerbare Energien bringen also auch neue Beschäftigung. Natürlich müssen wir berücksichtigen, was für Arbeit entsteht. Ich spreche von guter Arbeit. Das heißt für die Linke: anerkannte Mitbestimmung, Betriebsräte und anständige Bezahlung - auch für Leiharbeiter. Das ist ein wichtiger Rahmen für eine ausgewogene Förderpolitik.
Drittens: bezahlbare Energie. Wir alle merken, wie die Preise für Öl und Gas ins Uferlose steigen und die großen Energiekonzerne weiter unverschämte Milliardenprofite machen. Keiner wird günstige Energieversorgung organisieren, der es zulässt, dass sich die fossilen oder atomaren Großkraftwerke weiter in der Hand von wenigen Energiebossen wie Eon, EnBW, RWE und Vattenfall befinden.
Wer das verspricht, der macht den Menschen in diesem Land etwas vor.
Dagegen senken erneuerbare Energien die Strom- und Heizpreise. Sie führen zu sinkenden Preisen an der Strombörse, und zusätzlich führen sie indirekt zu Einsparungen bei Gesundheits- und Umweltkosten. Wir Linke sagen: bezahlbare Energie, das geht nur mit Energieeinsparung und erneuerbaren Energien.
Bei diesen Rahmenbedingungen ergeben sich aus Sicht der Linken folgende Anforderungen an die Gesetzesentwürfe der Bundesregierung:
Es gilt, den Missbrauch der Stromnetze zu verhindern. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz muss die Verhinderungstaktik der Stromkonzerne jetzt ausgehebelt werden. Der Netzausbau darf nicht länger Konzerninteressen folgen, sondern muss dem Allgemeinwohl dienen. Das heißt, im Interesse von Klimaschutz, Beschäftigung und bezahlbarer Energie müssen die Stromnetze vorsorglich für den schnell wachsenden Bereich der erneuerbaren Energien ausgebaut werden; nach unserer Ansicht - Sie wissen das - gehören sie in staatliche Hand.
Warum werden von RWE und Co die Engpässe im Stromnetz nicht beseitigt? Doch nur, um einen Grund zu haben, Wind- und Solarparks abzuschalten, weil man mit abgeschriebenen Kohle- und Atommeilern natürlich mehr Geld verdient! Ich will ganz klar sagen: In meinen Augen ist so etwas kriminell. Anlagenbetreiber im Bereich erneuerbarer Energien sind deshalb künftig für solche Ausfälle zu entschädigen. Zudem brauchen wir einen Förderbonus für kluges Einspeisemanagement, zum Beispiel innovative Speicher für Wind- und Solarstrom.
Gut hingegen ist das Repowering, das heißt doppelter Energieertrag bei halber Anlagenzahl. Das überzeugt auch Windparkkritiker.
Die Ausgestaltung für die Offshorewindenergie, also Energiegewinnung im Meer, ist ebenfalls ein guter Aufschlag.
Bei der Windkraft an Land muss die Bundesregierung, müssen aber auch die Länder jenseits des EEG deutlich mehr Aktivität zeigen, um Hemmnisse abzubauen. Die Bauhöhenbegrenzung behindert den Bau von neuen Windrädern in fast allen Bundesländern und wurde unlängst auch von der EU-Kommission gerügt.
Wasserkraft ist im Einklang mit der Umwelt weiterhin machbar. Aber eine Notiz am Rande: Wenn wir den Schutz der Auenwälder verbessern wollen, müssen zuerst der unsinnige Elbausbau und auch das Projekt Donaukanal gestoppt werden.
Die Solarstrombranche war in der letzten Zeit erheblich in der Kritik, was teilweise wohl auch gerechtfertigt war. Hierbei geht es um Innovationsmüdigkeit, Ausruhen auf dem Stand der Technik usw. Erstaunlich ist allerdings, wie stark sich das im Gesetzesentwurf widerspiegelt. Ich habe mich in Betrieben in Sachsen und Sachsen-Anhalt davon überzeugt, dass Innovation und Entwicklung sehr wohl stattfinden. Und: Keine Branche schafft so viele Arbeitsplätze in Ostdeutschland wie die Solarbranche.
Was die Arbeitsbedingungen angeht, habe ich folgende Erfahrung gemacht: Mitbestimmung und faire Arbeitsbedingungen müssen Voraussetzung für eine gute Förderung sein, und zwar ohne Wenn und Aber.
Als Abgeordneter der Linken werde ich mich für ein starkes EEG einsetzen, mich aber auch für gute Arbeit in der Branche verwenden. Der Linken ist es nicht gleich, ob Menschen zu Dumpinglöhnen beschäftigt werden oder gute Arbeit geschaffen wird. Gerade in Ostdeutschland, wo die Solarbranche schnell wächst, ist das für die Menschen von erheblicher Bedeutung. Ich erwarte, dass die Branche hierbei mitzieht. Das wird sich dann auch in einer fairen Ausgestaltung der Förderung widerspiegeln.
Der zweite Gesetzesentwurf, der heute vorliegt, befasst sich mit der Förderung von erneuerbaren Energien im Wärmebereich. Es ist gut, dass CDU/CSU und SPD den ordnungspolitischen Ansatz der Linksfraktion aufgegriffen haben.
Aber das war es dann auch schon. Was uns hier vorliegt, ist ein schlechter Witz. Abgesehen davon, dass viel zu niedrige Ziele gesteckt werden, soll der Einsatz erneuerbarer Energien nur in Neubauten gefördert werden. Dabei ist doch auch Ihnen klar: Das weitaus größte Potenzial liegt im Altbau, nämlich 80 Prozent. - Den wollen Sie ausklammern. Das ist, wie gesagt, ein Witz. Hier wird offenbar der Wohnungswirtschaft nach dem Mund geredet, die auch schon beim Gebäudeenergiepass gegen den Klimaschutz gewettert hat.
Aber selbst der, der neu baut, kann sich künftig um die erneuerbaren Energien herumdrücken, wenn er bei der Wärmedämmung ein wenig drauflegt. Hierzu haben wir Linken folgenden Vorschlag zu machen: Wenn sich die Bundesregierung weiter weigert, auch die Besitzer von Altbauten beim Klimaschutz in die Pflicht zu nehmen, dann sollte sie auf das Wärmegesetz besser ganz verzichten und lieber die Energieeinsparverordnung, welche energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden regelt, anpassen.
Ein Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien im Wärmebereich, das die Ziele ?Klimaschutz?, ?Beschäftigung? und ?faire Energiepreise? ernst nimmt, muss nach Ansicht der Linken folgende Ansprüche erfüllen:
Erstens. Es muss den Anteil erneuerbarer Energien im Wärmesektor bis 2020 auf 20 Prozent erhöhen.
Zweitens. Neubauten sollten mindestens 30 Prozent, Altbauten mindestens 20 Prozent ihres Wärmebedarfs aus Solarenergie, Erdwärme oder Biomasse beziehen.
Drittens. Bei der Erfüllung dieses Vorhabens muss es einen Vorrang für Solar- und Erdwärme geben, und Biogas muss vor flüssige Biomasse gestellt werden. Darauf gehe ich gleich noch etwas näher ein.
Viertens. Grundsätzlich muss beim Einsatz von Bioenergie eine Pflicht zur Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung bestehen.
Fünftens. Elektrisch betriebene Wärmepumpen müssen mit Ökostrom betrieben werden, der das Zertifikat ?Grüner Strom Label? aufweist.
Sechstens. Echte Passivhäuser sollten von der Pflicht ausgenommen werden.
Um noch einmal auf die Bioenergie zurückzukommen: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht sehr wohl den Einsatz von Bioheizöl in einfachen Heizkesseln ohne Kraft-Wärme-Kopplung vor. Das hat zwei Folgen:
Erstens wird auf innovative Technik wie Solarthermie und Erdwärmenutzung verzichtet. Die Beschickung der Heizungsanlage mit Agroheizöl ist nun einmal einfacher als neue Technik.
Zweitens verspielt die Bundesregierung damit jegliche Chance der ökologischen und klimaverträglichen Nutzung von Biomasse. Allein die Erhöhung der Biokraftstoffquote, die hier auch zur Beratung steht, ist eine Absage an Klimaschutz und Beschäftigung in Deutschland.
Dabei sind sich nach meiner Einschätzung die meisten Abgeordneten im Umweltausschuss mittlerweile einig, dass die Biokraftstoffquote nicht zielführend ist.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat in einem Gutachten deutlich gemacht, dass eine Biospritquote über 7 Prozent auf Kosten des Naturhaushaltes und auf Kosten anderer Biomassenutzung geht. Mehr geben die Flächen in der Bundesrepublik Deutschland nicht her. Die SPD will aber 20 Prozent, also das Dreifache. Das bedeutet umweltschädliche Monokulturen und massenweise Import von Agrosprit, der in den Entwicklungsländern zu Raubbau und Vertreibung von Kleinbauern führt. Das ist mit uns nicht zu machen. Die Linke fordert deshalb eine Rücknahme der Zwangsquote für Biosprit. Richten Sie die Bioenergieförderung endlich auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz aus.
Die Linke will Förderung von reinen Biokraftstoffen in regionalen Strukturen und Vorrang für Biogas.
Ich fasse zusammen:
Erstens. Für die Linke ist das EEG zur Förderung erneuerbarer Energien im Stromsektor ein weltweites Erfolgsmodell und ohne Alternative.
Seine Ausgestaltung muss sorgfältig vorgenommen und gegen unseriöse Behauptungen in Schutz genommen werden. Ich blicke da insbesondere auf die Kolleginnen und Kollegen der FDP.
Zweitens. Die Vorschläge zur Förderung erneuerbarer Energien im Wärmebereich sind unserer Ansicht nach das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Hier verlangt die Linke von der Bundesregierung ein deutliches Nachlegen, wenn sie nicht an Glaubwürdigkeit verlieren will.
Drittens. Die Biokraftstoffquote stellt einen Angriff auf kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland dar. Sie führt zu einer menschenverachtenden Produktion von Biokraftstoffen, die den Namen ?Bio? nicht verdienen, und zum Raubbau an Regenwäldern. Nach Ansicht der Linken gehört sie komplett abgeschafft.
Meine Damen und Herren, werte Kollegen, ich freue mich auf die kommenden Beratungen, bei denen wir hoffentlich gemeinsam Ihre vorgelegten Gesetze so verbessern werden, dass sie in der Tat für wirksamen Klimaschutz, gute Beschäftigung und bezahlbare Energien stehen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Dirk Becker ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
Dirk Becker (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit einem Dreivierteljahr reden wir über die Beschlüsse von Meseberg. Heute ist endlich die Stunde des Parlamentes gekommen. Wir befassen uns mit den ersten Gesetzesentwürfen des dort geschnürten Pakets.
Bei der nun anstehenden Beratung über das Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich und dem entsprechenden Neuregelungsgesetz im Strombereich geht es heute sicherlich um ganz entscheidende Stellschrauben. Der Wärme- und der Strombereich sind zwei zentrale Bereiche, an denen sich entscheidet, ob wir es schaffen, unsere CO2-Emissionen entsprechend zu reduzieren.
Ich möchte zunächst stellvertretend für die Bundesregierung dem Umweltministerium danken. Es gab einen straffen Fahrplan und ein umfangreiches Programm. Wir haben allen Unkenrufen zum Trotz den Fahrplan halten können. Das hat manchem im Ministerium einiges abverlangt. Vonseiten der SPD-Fraktion dafür zunächst einmal herzlichen Dank.
Klar ist aber auch, dass in diesem zügigen Verfahren zwar vieles geregelt werden konnte, manches aber noch verbessert werden kann. Dafür sind wir schließlich da. Wir freuen uns, dass wir diesen Spielraum sehen. Diesen Spielraum werden wir nutzen.
Damit komme ich zum ersten Gesetzentwurf und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Noch einmal - das haben zwei Redner angesprochen -: Frau Reiche hat Recht, dass dies eines der erfolgreichsten Gesetze ist, die von diesem Parlament jemals verabschiedet wurden. Darauf sind wir stolz. Herr Meierhofer, es bringt nichts, ständig zu sagen, dass auch Sie die erneuerbaren Energien fördern wollen. Die Tatsache, dass diese Regelungen von über 40 Ländern übernommen wurden, ist der Beweis dafür, dass dies das effizienteste Instrument ist. Daher sagen Sie endlich Ja zum EEG, aber argumentieren Sie nicht immer damit, dass Sie zwar wollen, aber nicht wissen, wie.
Das Modell der Einspeisevergütung ist das effizienteste und auch das wirtschaftlichste. Wir werden an diesem Modell festhalten; das ist unbestritten.
Wichtig ist aber, dass wir das System der Einspeisevergütung weiterentwickeln. Neue Aufgaben warten auf uns; das hat Frau Reiche angesprochen. Wir müssen unser Augenmerk stärker darauf lenken, wie wir Netz- und Marktintegration in diesem Gesetz sicherstellen. Ich bin sicher, es wird dazu im weiteren Verfahren Lösungsansätze geben. Wir müssen sehen, wie wir beispielsweise fluktuierende erneuerbare Energien verlässlicher in den Energiemix einbeziehen. Hierzu werden wir weitere Vorschläge machen. Aber auch die Anpassung der Vergütungssätze wird erforderlich sein, sowohl in einigen Technologien nach unten - Frau Reiche hat ein Beispiel angesprochen - als auch bei anderen Technologien nach oben.
Man hat manchmal den Eindruck, die Windenergie ist für viele abgeschrieben. Es wird über Offshoreanlagen und Repowering gesprochen. Aber ich sage Ihnen: Unsere Ziele für den Ausbau, die Quoten für erneuerbare Energien, können wir nur dann erreichen, wenn auch weiterhin Onshoreanlagen gefördert werden.
Auch hier müssen wir schauen, ob die Vergütungssätze ausreichend sind. Es gibt zumindest Anzeichen, dass die Vergütungssätze tatsächlich ein Problem darstellen und dass hier noch einmal nach oben hin nachjustiert werden muss. Das wird im weiteren Verfahren zu prüfen sein.
Ich komme zum zweiten Gesetzentwurf, dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz. Herr Hill, Sie haben hier ein Untergangsszenario mit den Worten geschildert, man hätte besser nichts machen sollen. Entschuldigung, das ist Blödsinn. Richtig ist, dass die Pflicht zum Einsatz erneuerbarer Energien nur im Bestand greift und dass der Anteil im Bestand pro Jahr etwa um 1 Prozent wächst. Das ist natürlich wenig. Man kann das aufsummieren: Bis 2020 kommt dann schon ein erklecklicher Batzen zusammen. Wir müssen also die Regelungen zum Bestand ändern.
Aber wir haben hier in der Tat ein Problem. Ich sage das mit dem klaren Bekenntnis, dass auch ich mir durchaus ordnungsrechtliche Verpflichtungen zum Bestand hätte vorstellen können. Anteilig finde ich das gut. Aber wir haben schon heute ein Vollzugsdefizit. Wer garantiert denn, dass das, was in der EnEV vorgeschrieben ist, heute eingehalten wird? Wir alle wissen von dem Problem. Die Zahlen zeigen immer wieder, dass in der EnEV zwar tolle Werte stehen - wir werden versuchen, sie noch weiter zu verschärfen -, aber wer prüft sie vor Ort? Wenn ich diese Probleme nicht lösen kann, aber im Ergebnis den CO2-Ausstoß mindern will, dann versuche ich zunächst einmal einen freiwilligen Ansatz.
Einen Satz an die Oppositionsparteien: Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie zugeben, dass es keiner von Ihnen für möglich gehalten hätte, dass wir das Marktanreizprogramm auf 500 Millionen Euro aufstocken. Das ist ein Riesenerfolg dieser Bundesregierung. Das hätte keiner von Ihnen für möglich gehalten.
Ich glaube sehr wohl, dass die Menschen in diesem Land über dieses ambitionierte Programm zu erreichen sind. Es muss weiterhin Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden. Auch müssen wir die Handwerker entsprechend schulen. Dann haben wir mit diesen 500 Millionen Euro viele Möglichkeiten, um die erneuerbaren Energien im Wärmebereich wirklich marktfähig zu machen.
Ich sage aber auch deutlich: Der Anteil von 14 Prozent erneuerbarer Wärme, den wir bis 2020 erreichen wollen, ist nicht der letzte Schritt, sondern der erste Schritt. Danach wird es weitere Schritte geben. Das Ziel lautet folgendermaßen - das kann man nachlesen -: Wir wollen durch energetische Gebäudesanierung den Bedarf an Wärme immer weiter absenken. Der geringe Bedarf, der am Ende noch übrigbleibt, soll durch erneuerbare Energien - ich füge für mich hinzu: ohne Ressourcenverbrauch und ohne Verbrennungsprozesse - gedeckt werden. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Geothermie und insbesondere die Solarenergie. Wir müssen weg von der Verbrennung wertvoller Biomasse und wertvollen Mineralöls.
Dieses zweite Ziel wird nach meiner festen Überzeugung nur erreicht werden können, wenn wir jetzt zwar auf der einen Seite festlegen, über einen längeren Zeitraum verlässlich mindestens 500 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, und versuchen, die Menschen dazu zu bewegen, diese Förderung in Anspruch zu nehmen, auf der anderen Seite aber deutlich machen, dass es eine Deadline gibt, und sei es in zehn Jahren. Das heißt, es muss über längere Zeit einen Anreiz geben; aber ab dem Zeitpunkt X - zum Beispiel 2020; ich nenne einmal diesen Zeitpunkt - muss auch im Bestand die Einsatzpflicht bestehen. Auf diese Weise gibt es für alle einen langen Planungszeitraum, sodass sich jeder frühzeitig überlegen kann, schon jetzt die Förderung in Anspruch zu nehmen oder später im Wege des Ordnungsrechtes bei einem Heizungsaustausch auf erneuerbare Energien umzusteigen.
Ich glaube, wir werden im Interesse des Klimaschutzes und der Unabhängigkeit von Energieimporten um diesen Weg mittel- bis langfristig nicht herumkommen. Für mich ist eine wichtige Option, den Menschen heute zu sagen: Nehmt den Anreiz in den nächsten Jahren in Anspruch; ihr müsst damit rechnen, dass es irgendwann aus den von mir dargestellten Gründen zur Pflicht werden wird.
Dies sind einige Punkte, die wir im weiteren Verfahren beraten werden. Ich bin sicher, Herr Hill, dass Ihre Einschätzung total falsch ist. Wir werden bis 2020 mit diesen beiden Gesetzen und mit dem gesamten Programm 36 Prozent der angepeilten Reduzierung der CO2-Emissionen schaffen. Das ist ein ambitioniertes und gutes Ziel, und das wird ein Erfolg dieser Koalition.
Danke.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun der Kollege Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die Grünen.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Besucher aus Hammelburg auf der Tribüne! Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist einer der größten Erfolge der grün-roten Koalition:
für den Klimaschutz, für die Sicherung der Energieversorgung und für die Senkung der Strompreise. Vor allem bewirkte das EEG eine weltweit bestaunte industrielle Entwicklung und weitreichende Innovationen. Das EEG ist ein zentrales Element zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, vor allem im Osten Deutschlands. Auch am Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre hat es einen beachtlichen Anteil.
Seit Inkrafttreten im Jahre 2000 gingen die gesamten CO2-Emissionen Deutschlands durchschnittlich um 18 Millionen Tonnen jährlich zurück. Ohne die seit 2000 neu in Betrieb gegangenen EEG-Anlagen wären die Emissionen in Deutschland nicht gesunken, sondern sogar gestiegen. Das EEG ist das erfolgreichste Klimaschutzinstrument.
Es ist gut, dass inzwischen die Union wieder hinter den Grundprinzipien des EEG steht, wollte sie doch noch im Wahljahr 2005 die Einspeisevergütung abschaffen. Anders als die Liberalen hat die Union einen erfreulichen Wandel vollzogen und kämpft sogar mit uns Grünen und der SPD in Brüssel für das deutsche System der Einspeisevergütung.
Statt des hochbürokratischen und zum Scheitern verurteilten Vorschlags der EU-Kommission eines elektronischen Handels brauchen wir ein europaweites Einspeisungssystem. Dafür werden wir Grünen uns einsetzen.
Angesichts der großen wirtschaftlichen Erfolge des EEG wäre es folgerichtig, wenn sich die Koalition vehement für eine Stärkung aller erneuerbaren Energien im Strombereich, im Wärmesektor, bei Treibstoffen und auch bei der Energieeinsparung einsetzen würde. Doch die Große Koalition ist weit davon entfernt, auch im Wärme- und Kühlungssektor sowie beim Transport eine ähnliche Dynamik zu schaffen. Zwar hören wir viel Rhetorik von Kanzlerin Merkel, dass man alles für den Klimaschutz tun müsse; aber im Klimaschutz- und Energiepaket der Bundesregierung finden wir davon nur sehr wenig.
Es ist unglaublich, aber wahr: Sowohl die Bundeskanzlerin als auch der Bundesumweltminister setzen sich für den Bau neuer Kohlekraftwerke ein, bekanntlich die klimaschädlichste Art der Stromerzeugung.
Zu Recht ernten sie damit immer mehr Bürgerproteste statt neuer Kohlekraftwerke. Wir Grünen werden diese neue Bürgerbewegung weiter unterstützen.
Der Ausbau der Kohlekraft und die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken wären das größte Hemmnis für einen schnellen und dynamischen Ausbau der erneuerbaren Energien, so wie es die Branche kann und auch will.
Viele zweifelten doch im Jahre 2000, ob wir in zehn Jahren eine Verdopplung des Stromanteils für erneuerbare Energien hinbekommen. Die Erneuerbare-Energien-Branche schaffte sogar in sieben Jahren viel mehr. Mit dieser Wachstumsdynamik kann die Branche sowohl den Atomausstieg leisten und 40 Prozent CO2-Reduktion schaffen als auch die Kohlekraftwerke ersetzen. Wir brauchen keine neuen Kohlekraftwerke.
Das Ziel des Bundesumweltministers, einen Anteil von 25 bis 30 Prozent erneuerbaren Energien zu erreichen, ist nicht ambitioniert. Die Branche kann und will mehr. Das sollten wir auch akzeptieren und entsprechende Maßnahmen anstoßen.
Andererseits setzt die Verknappung der fossilen und atomaren Ressourcen die Versorgungssicherheit aufs Spiel, wie aktuell am nationalen Notstand in Südafrika zu sehen ist. Wer wie die großen Energiekonzerne und die Bundesregierung heute noch auf Atom und Kohle setzt, sorgt dafür, dass spätestens übermorgen die Lichter ausgehen werden. Das ist die Entwicklung, auf die wir zusteuern.
Die Große Koalition setzt weiter auf die Besteuerung der reinen Biokraftstoffe statt auf Steuererleichterungen. Sehenden Auges lassen Sie die heimischen dezentralen Ölmühlen und Biodieselanlagen in Konkurs gehen. Stattdessen unterstützen Sie mit dem Beimischungszwang sogar die Abholzung tropischer Regenwälder. Herr Minister Gabriel, Sie sprechen vom Urwaldschutz, sorgen aber mit Ihrem Biokraftstoffquotengesetz für die Abholzung genau dieser Wälder.
Auch Ihre halbherzige und ökologisch wie sozial unzulängliche Nachhaltigkeitsverordnung für Bioenergien wird dies nicht ändern. Klimaschutz und Waldschutz sehen anders aus.
Meine Damen und Herren von der Koalition, bei Ihren Gesetzentwürfen stimmt oft nur die Überschrift, aber nicht der Inhalt. In der Fassung, in der Sie das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz vorgelegt haben, wird in der Branche der Erzeuger von erneuerbarer Wärme die notwendige und erhoffte Ausbaudynamik nicht entstehen, vor allem deshalb, weil Sie das große Volumen des Altbausektors unberührt lassen. Herr Becker, es genügt nicht, die Mittel für das Marktanreizprogramm aufzustocken; man muss auch für den Abfluss sorgen.
Unter Ihrer Regierung war bereits im letzten Jahr ein drastischer Rückgang bei den Neuinvestitionen für Sonnenkollektoren und Holzpelletsheizungen zu verzeichnen. Das ist keine Ausbaudynamik.
Auch im Biogassektor haben Sie in Ihrer Regierungszeit bereits einen 70-prozentigen Markteinbruch zu verantworten. Statt nun massiv entgegenzusteuern, wollen Sie in der Biogaseinspeisung zwar die Netzzugangsbedingungen ein wenig verbessern - das ist auch gut -, aber keine Vergütung für das eingespeiste Biogas einführen. So erreichen Sie keine Dynamik im innovativen Mittelstand.
Selbst in der von Ihnen vorgeschlagenen Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gibt es Licht und Schatten. Es ist gut, bessere Anreize für Offshore-Windanlagen zu schaffen, aber bitte vernachlässigen Sie nicht die mittelständisch orientierte Windkraftbranche an Land. Onshore-Windräder können viel kostengünstiger und schneller emissionsfreien Windstrom erzeugen als die Mühlen auf dem Meer. Doch trotz gestiegener Rohstoffpreise wollen Sie die Windvergütung weiter senken und setzen zu wenig Anreize für Repowering. Dabei haben wir doch - ebenfalls unter Ihrer Regierungsverantwortung - seit dem letzten Jahr einen bedenklichen Rückgang bei den Windkraftneuinstallationen in Deutschland.
Auch in der Fotovoltaik setzen Sie auf willkürlich festgelegte drastische Vergütungssenkungen, selbst auf das Risiko hin, dass diese hochinnovative Branche Markteinbrüche zu befürchten hat. Wir schlagen vor, die Degression der Vergütung nicht auf Jahre hinweg festzuschreiben, sondern dynamisch an das Marktwachstum anzubinden. Bei starkem Wachstum könnte die Vergütung stärker gesenkt werden als bei Stagnation oder gar Investitionsrückgang. Mit unserem Modell wird es für die Branche weiterhin verlässliche Wachstumsbedingungen geben, und gleichzeitig werden die Kosten schnell gesenkt werden können.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, Sie haben noch harte Arbeit vor sich, um das Klima- und Energiepaket wirklich zu einem Klimaschutzerfolg werden zu lassen. Wir Grünen bieten Ihnen dazu unsere aktive Mitarbeit im parlamentarischen Verfahren an,
haben wir doch in der Vergangenheit mit der Einführung des EEG bewiesen, dass wir erfolgreich Wirtschaftspolitik und Klimaschutz zusammenbinden können. Wir bieten Ihnen faire parlamentarische Beratungen an mit dem ehrlich gemeinten Ziel der Zustimmung der Grünen - aber natürlich nur, wenn die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes allen erneuerbaren Energien - Sonne, Wind, Wasser, nachhaltig angebauten Bioenergien, Erdwärme und Meeresenergien - gute Wachstumsmöglichkeiten bietet und ein im Vergleich zum Entwurf deutlich verbessertes Wärmegesetz für erneuerbare Energien eine Dynamik auch im Altbausektor entfachen kann.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Fell.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Denn uns muss immer wieder klar werden: Nur mit erneuerbaren Energien und mit Energieeinsparungen können der Klimaschutz und die Verhinderung von weiter steigenden Erdgas-, Erdöl- und Strompreisen gelingen.
Ich danke Ihnen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Rolf Hempelmann, SPD-Fraktion.
Rolf Hempelmann (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Herr Fell, wir haben uns - ich glaube, alle Fraktionen im Deutschen Bundestag haben das konzediert - mit dem Ziel einer EEG-Verstromung von 30 Prozent im Jahr 2020 eine ambitionierte Aufgabe gestellt. Wir müssen eine Menge dafür tun, um das auch tatsächlich zu erreichen. Derjenige, der sich tagtäglich damit befasst, welche Investitionen in die erneuerbaren Energien selbst, aber zum Beispiel auch in die Netze dazu notwendig sind, weiß, dass das eine Aufgabe ist, an deren Bewältigung wir hart zu arbeiten haben. Dennoch ist es so, dass am Ende 70 Prozent des Stroms nicht aus erneuerbaren Energien erzeugt werden. Nur weil es populär ist, so zu tun, als ob wir in diesem Zeitraum ohne Kohleverstromung auskämen, ist eine Täuschung der Öffentlichkeit.
Deswegen sage ich Ihnen ganz klar: Wir wollen, dass die alten Mühlen - diejenigen, die am stärksten CO2 ausstoßen - so zeitnah wie möglich abgeschaltet werden. Dazu brauchen wir aber Neuinvestitionen, auch in Kohlekraftwerke. Wir haben ganz klar gesagt: Unsere Priorität ist dabei die Kraft-Wärme-Kopplung, die letztlich aufgrund ihrer Effizienzgrade und ihres Wärmeausstoßes Vorteile gegenüber dem Kondensationsstrom hat. Wir wollen im Bereich Forschung und Entwicklung Demonstrationsobjekte für die Technik der CO2-Abscheidung und -Speicherung schaffen, wohl wissend, dass noch nicht alle Fragen beantwortet sind. Aber ich denke, da gilt das Vorsorgeprinzip. Innerhalb des Zeitraums bis 2020 werden wir dann sehen, wo Optionen für eine weitere Kohleverstromung liegen. Aber klar ist: Wir wollen die alten Mühlen zeitnah beseitigen. Das geht leider nicht allein über erneuerbare Energien, sondern dazu brauchen wir neue moderne Kraftwerke im Bereich der Kohle.
Das ist aber nicht das Thema der heutigen Debatte. Ich möchte mich vor allen Dingen auf die Novelle zum Erneuerbare-Energien-Gesetz konzentrieren, auch wenn die Aufregung groß ist, da hier Argumente angeführt werden, die offenbar dem einen oder anderen in der Fraktion der Grünen nicht passen, weil sie mit der Realität zu tun haben.
Heute weiß mittlerweile nicht nur jeder Mediziner, dass mit ?EEG? nicht das Elektroenzephalogramm gemeint ist, sondern das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Es ist - das haben mehrere Redner schon gesagt - eine Erfolgsgeschichte geworden.
Gelegentlich wird der Vorwurf gemacht - heute wieder insbesondere von der FDP -, dass dieses Instrument nicht wirtschaftlich angelegt sei und es zu Überförderungen oder Unterförderungen - wie auch immer - komme. Der Monitoringbericht spricht eine andere Sprache: Gerade in dieser Hinsicht ist das Instrument ein Erfolgsbeispiel. Wir haben mit den im EEG festgelegten Vergütungssätzen und Degressionsschritten offenbar - jedenfalls im Großen und Ganzen - die richtige Richtung beschritten. Es gibt kaum Überförderungen. Da, wo es sie gibt, werden wir sie beseitigen. Es gibt aber vor allen Dingen keine Unterförderungen; sonst wäre dieses Instrument nicht so erfolgreich gewesen, wie es über Jahre gewesen ist. Ich glaube, dass wir, was die Wirtschaftlichkeit dieses Instrumentes angeht, von der Grundausrichtung her noch besser werden können, aber schon in der Vergangenheit - auch das muss man sagen - gut gewesen sind.
Ein Punkt, den wir dieses Mal besonders hervorheben wollen, ist das Thema Netz- und Marktintegration von erneuerbaren Energien. Ich will dazu ein paar Worte sagen; andere Kollegen werden weitere Aspekte ansprechen.
Es gibt im Gesetzentwurf eine Verordnungsermächtigung zum Thema Netzintegration. Ich glaube, dass wir uns die Mühe machen sollten, in weiteren gesetzgeberischen Verfahren zu überlegen, was wir möglicherweise schon jetzt nicht nur in der Verordnung, sondern auch im Gesetz tun können, um frühzeitig mögliche Anreize dafür zu setzen, dass der EEG-Strom noch wertvoller wird, weil er noch stetiger eingespeist wird.
Es gibt eine ganze Menge guter Ideen. Vorgeschlagen werden zum Beispiel die Verkopplung verschiedener Anlagen der erneuerbaren Energien - von Wind- und Biogasanlagen beispielsweise -, die Kopplung von Angebots- und Nachfrageseite - zum Beispiel von Windenergieproduzenten und Kühlhäusern - oder innovative Speichermöglichkeiten. Selbst die großen Energieversorgungsunternehmen denken darüber nach, ob Nachtspeicherstrom künftig für Elektroautos genutzt werden kann. All das sind Ideen, mit denen wir uns befassen müssen. Wir müssen überlegen, was wir gesetzgeberisch schon jetzt tun können, um diesen Weg zu beschreiten.
Letztendlich wird das dazu führen, dass wir insbesondere bei der volatilen Windstromerzeugung die Täler und die Spitzen abfangen können, dass wir zu mehr Volllaststunden in diesem Bereich kommen, dass der Bedarf an teurer Regelenergie sinkt und damit der Wert des Stroms aus erneuerbaren Energien deutlich steigt. Auch die Netzbetreiber werden etwas davon haben; denn die Netzstabilität wird dann selbstverständlich leichter herzustellen sein. Das ist gerade vor dem Hintergrund wichtig, dass wir den Anteil der erneuerbaren Energien an der Verstromung in den nächsten Jahren deutlich steigern wollen. Last but not least wird das die Akzeptanz dieses Instruments sowohl in der Bevölkerung als auch in der betroffenen Wirtschaft deutlich steigern.
Ein anderes Stichwort in diesem Zusammenhang ist die Marktintegration. Dabei geht es darum, die Anreize so zu setzen, dass die erneuerbaren Energien ein Stück weit, da wo es möglich ist, von der Vergütung wegkommen. Wir müssen zu am Markt erzielten Preisen und Gewinnen kommen. In der Vergangenheit wurden diesbezüglich durchaus Fortschritte gemacht. Wir glauben, dass da noch mehr möglich ist. Im Dialog mit der Branche sind dazu Vorschläge erarbeitet worden. Sie unterscheiden sich ein Stück weit von dem, was im Gesetzentwurf angeregt wird. Ich glaube, dass wir hier noch einmal genau hinschauen sollten. Wir müssen Anreize setzen, die dazu führen, dass die Erzeuger von erneuerbaren Energien schrittweise in Richtung Eigenvermarktung gehen. Wir müssen einen Schritt in Richtung Entsendung der erneuerbaren Energien in den Wettbewerb machen. Das wird uns nicht von einem Tag auf den anderen gelingen. Wenn wir diese Schritte machen, gehen wir aber in die richtige Richtung.
Ich bin ganz sicher, dass wir im weiteren Verfahren den Gesetzentwurf, der im Grundsatz schon sehr gut ist, optimieren können. Dazu sind selbstverständlich auch die Fraktionen der Opposition herzlich eingeladen. Ich weiß, dass es auch dort engagierte Verfechter der erneuerbaren Energien gibt. Wir wollen diese Ressourcen gerne nutzen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun die Kollegin Angelika Brunkhorst, FDP-Fraktion.
Angelika Brunkhorst (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die FDP begrüßt die Zielsetzung der EU, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 20 Prozent zu reduzieren. Überdies haben wir auch den interfraktionellen Vorschlag des Bundestages unterstützt, nach dem eine unkonditionierte Reduzierung um 30 Prozent bis zum Jahr 2020 erreicht werden soll. Ebenso richtig ist das Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch bis dahin auf 20 Prozent zu steigern.
Leidenschaftlichen Streit gibt es allerdings in mindestens zwei Punkten.
Der erste Punkt ist: Welche Instrumente wollen wir nutzen, um die erneuerbaren Energien stärker in den Energiemix zu integrieren? Ist das EEG wirklich der Weisheit letzter Schluss, oder geht es, zumindest beim Zubau, auch anders, kostengünstiger und besser? Das EEG ist keine heilige Kuh. Hier gibt es auf jeden Fall einen Dissens.
Der zweite Punkt bezieht sich sowohl auf die erneuerbaren Energien als auch auf die Zukunft der konventionellen Energieträger. Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung - neuerdings muss ich auch einige Kollegen von der Union ansprechen -, wollen am liebsten aus allem gleichzeitig aussteigen: aus der Kernenergie und aus der Kohleverstromung gleich mit. Das halten wir für unverantwortlich. Das ist ein Unfug, der ins wirtschaftliche Desaster führen kann.
Verkaufen Sie die Leute doch nicht für dumm. Umwelt- und Klimaschutz sind keine Themen für den ökologischen Neobiedermeier, sondern Energiepolitik ist vor allen Dingen ein Hightech-Thema. Wenn Sie das Klima von Treibhausgasemissionen entlasten wollen, dann gelingt das nur mit Hightech auf allerhöchstem Niveau,
sowohl im Bereich der erneuerbaren Energien als auch bei den konventionellen Kraftwerkstechnologien inklusive einer möglichen CO2-Abscheidung.
Die vorliegende Novelle des EEG ändert am Grundproblem nichts. Das EEG hat entscheidende Webfehler. Es ist kostspielig. Das wird immer deutlicher, je mehr Zeit vergeht. Es ist immer wieder fatal, wenn sich der Staat anmaßt, den richtigen Preis für bestimmte Technologien zu kennen. Woher sollte der Staat dieses Wissen nehmen? Es ist ein weiterer Fehler, den Wettbewerb zwischen den verschiedenen erneuerbaren Energien nahezu komplett auszuschalten.
Wir von der FDP setzen dem EEG ein System der differenzierten Mengensteuerung entgegen, ein System, das nicht sprachlos ist, wenn es um erneuerbare Wärme geht oder um die Nutzung der erneuerbaren Energien im Bereich Verkehr.
- Das hat funktioniert.
An anderer Stelle werden wir darüber diskutieren.
Ihre Begeisterung für das EEG teilen wir nicht. Dennoch enthält die heute von Ihnen vorgelegte Novelle des EEG einige positive Aspekte gegenüber der bisherigen Förderpraxis. Sinnvoll ist insbesondere, dass grundlastfähigen Energien endlich ein gewisser Vorrang eingeräumt wird.
Die FDP begrüßt außerdem die Beendigung einiger Doppelförderungen und die Tatsache, dass die Förderung regenerativen Stroms stärker als bisher einer Degression unterworfen wird und die Produzenten stärkere Anreize haben sollen, ihren Strom auch selbst zu vermarkten. Diese Wahlmöglichkeit zwischen EEG-Förderung und Eigenvermarktung bringt die erneuerbaren Energien zumindest ein kleines Stück näher an ihre Marktfähigkeit.
Völlig inakzeptabel ist jedoch, dass nach der heute vorgelegten Novelle beim EEG-Erfahrungsbericht in Zukunft keine Ressortabstimmung mehr vorgegeben sein soll. Noch dreister ist: Das BMU soll in die Lage versetzt werden, zentrale Elemente des Gesetzes, nämlich die Degressionsregel und die Biomassenachhaltigkeitskriterien, nur durch Rechtsverordnung und ohne Beteiligung der Parlamente festzulegen. So geht das nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungskoalitionsfraktionen.
Das allein wäre für uns schon Grund genug, diese Novelle abzulehnen.
Inhaltlich negativ bewerten wir auch die zum Teil absurden und kontraproduktiven Regelungen beim Repowering. Es ist noch kein Offshorepark gebaut worden, aber die Förderung für Offshore-Windenergie wird massiv erhöht.
- Ich bin noch nicht fertig.
Gerade bei der Realisierung der Offshoretechnologie steht uns noch ein gewaltiger Kraftakt bevor. Täuschen wir uns nicht: Es sind noch viele technische Fragen dieser Vision offen. In den Werkshallen werden gigantische Windräder gefertigt, deren Gondeln 400 Tonnen wiegen. Das ist Extremmaschinenbau, dessen Technik erst erprobt werden will. Nebenbei bemerkt: Die Nordsee ist kein seichtes, zahmes Gewässer. Auch da werden wir uns noch wundern.
Zudem sollten wir das Problem der Übertragung des Windstroms an Land und über Land nicht vergessen. Allerorten gibt es mittlerweile Engpässe bei den Netzkapazitäten. Auch hier wünsche ich mir von den gleichen Akteuren wie beim EEG innovative Visionen. Die Zauberworte heißen ?Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung? und ?intelligente Netze?. An dieser Stelle ganz nebenbei: Niedersachsen hat seit Dezember 2007 ein Erdkabelgesetz. Das sind faszinierende Techniken, die zugegebenermaßen erheblich viel Geld kosten werden. Das dürfen wir dem Verbraucher nicht verschweigen.
Bei der Biomasseverstromung steht für die FDP fest, dass der Einsatz von Reststoffen und Gülle verstärkt Vorrang haben muss. Wir meinen auch, dass wir den sogenannten Nawaro-Bonus nicht zu erhöhen brauchen. Vielmehr sollten wir durch Umschichtung den Einsatz von Gülle und anderen Reststoffen verstärkt honorieren, nicht zuletzt wegen der hier schon verschiedentlich angesprochenen Nutzungskonkurrenzen bei der Biomasse. Diese Konkurrenzen wollen wir nicht noch mehr verstärken.
Nun zum Wärmegesetz. Das Ergebnis der langwierigen Diskussionen über dieses Gesetz kann nicht zufriedenstellen. Rund 37 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland entfallen auf den Wärmebereich, also auf die Warmwasserbereitung und die Beheizung von Gebäuden. Diesen gewaltigen Schatz wollen Sie jetzt heben, indem Sie eine Pflicht zur Nutzung erneuerbarer Energien für das zarte Pflänzchen Neubauten einführen. Derzeit werden pro Jahr lediglich 175 000 Neubauten realisiert. Das kann also nicht weiterhelfen.
Alle hochtrabenden Pläne, endlich einen großen Wurf für den Wärmebereich zu erzielen, sind gescheitert. Das Bundesumweltministerium musste im Verlauf der Ressortabstimmung eine herbe Niederlage einstecken und den Gebäudebestand aus dem Geltungsbereich des Gesetzes gänzlich streichen. Jetzt bettelt man um weitere Fortschritte, indem man den Umweg über die Länder nimmt.
Die Bundesregierung versucht zudem, den Gesetzentwurf aufzupeppen und als Erfolg zu verkaufen. So verspricht sie unter § 13 Fördermittel, die in direktem Gegensatz zum Kern des Gesetzes stehen. Denn für Anlagen, die der Erfüllung der Nutzungspflicht dienen, kann man gar keine Fördermittel erhalten. Zudem sind Regelungen zur Verwendung dieser Mittel bereits im Rahmen des Marktanreizprogramms getroffen worden. Bitte täuschen Sie die Bürger nicht durch großartige Förderversprechen und eine doppelte Buchung der Finanzmittel!
Am vorliegenden Entwurf eines Wärmegesetzes sind auch die maßlosen Bußgeldregelungen und die Verletzung der Eigentumsrechte durch den Anschluss- und Benutzerzwang zu kritisieren. Ist das Ihre Politik des 21. Jahrhunderts? Das kann es ja wohl nicht sein. Eigentumsrechte sind Bürgerrechte, und die sollte man schützen und nicht diskreditieren.
Die FDP hat als erste Fraktion bereits im Sommer letzten Jahres ein abgestimmtes und umfassendes Konzept zur Nutzung der erneuerbaren Energien im Wärmebereich vorgelegt. Wir haben in unserem Antrag auf Drucksache 16/5610 dargelegt, dass dadurch große ökologische Fortschritte erzielt werden können und die Integration des Gebäudesektors in den Emissionshandel gelingen kann. So könnten die Maßnahmen zur Gewinnung von Wärme aus regenerativer Energie untereinander diskriminierungsfrei, marktwirtschaftlich, technologieoffen, wettbewerbsneutral und unter minimalem gesamtwirtschaftlichem Aufwand gefördert werden.
Leider hat das Wärmegesetz die gleichen Webfehler wie das EEG. Man versucht, bestimmte Technologien zu definieren und deren Anwendungs- und Nutzungsbedingungen strikt vorzugeben. Wie wir auch an der heutigen Debatte sehen, führen solche Vorhaben immer wieder zu einem kontinuierlichen Anpassungsbedarf an die sich wandelnden Marktbedingungen.
Die von Ihnen vorgelegten Gesetzentwürfe enthalten, wie schon erwähnt, durchaus positive Aspekte. Dazu gehört unter anderem der Vorrang für grundlastfähige erneuerbare Energien bei der Netzeinspeisung. Auch die Kraft-Wärme-Kopplung verdient eine besondere Würdigung ihrer Stärken, wenn auch die geplante KWK-Pflicht bezüglich mittlerer Biomasseanlagen doch reichlich überzogen ist, wie es auch die absurden Anschlusszwänge sind.
Am Ende überwiegen für uns die negativen Aspekte. Die FDP lehnt das vorgelegte Gesetzespaket ab, sowohl aus ökonomischen als auch aus ökologischen Gründen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer, CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gute Nachricht ist: Deutschland ist und bleibt Vorreiter beim Klimaschutz, und das nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt.
Es ist vor allem dem herausragenden Einsatz unserer Bundeskanzlerin und ihrem sehr geschickten Agieren als EU-Ratspräsidentin zu verdanken, dass man sich im letzten Jahr in Europa verbindlich auf ?20/20/20? geeinigt hat: auf eine 20-prozentige Energieeinsparung, eine 20-prozentige Reduktion der Treibhausgasemissionen und einen 20-prozentigen Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020. Dadurch wurden der Fortschritt in Heiligendamm und der Durchbruch in Bali hin zu einer sich abzeichnenden internationalen Lösung unter Beteiligung aller überhaupt erst möglich.
Deutschland ist aber nicht nur Vorreiter beim Klimaschutz, sondern auch Schrittmacher und Benchmark beim Energiesparen. Die Energieeffizienz ist ein Feld, das leider immer etwas zu kurz kommt, obwohl es sich hierbei eigentlich um den Königsweg der Energiepolitik handelt. Das Bundeswirtschaftsministerium hat hierzu ein sehr umfangreiches Paket vorgelegt. Die Bundesregierung hat im Herbst letzten Jahres entscheidende Fortschritte bei der Energieeffizienz erzielt, gepaart mit Fortschritten bei neuen Energietechnologien. Nur diesem Fortschritt - der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch - ist es zu verdanken, dass wir von den weltwirtschaftlichen Krisen und von den Ausschlägen der Preise für Rohstoffe und Energie bisher relativ wenig betroffen sind. Deshalb müssen wir diesen Weg konsequent weitergehen.
Mit der ersten Tranche des integrierten Klima- und Energiepaketes, die wir heute in erster Lesung behandeln, folgen den Worten des letzten Jahres weitere, entscheidende Taten. Das integrierte Klima- und Energiepaket ist ein geeigneter Ansatz, um zu erreichen, dass 2020 zwischen 25 und 30 Prozent des Stromes und mindestens 14 Prozent der Wärme aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Das ist - wie auch immer man das im Einzelnen definieren will, Herr Bundesminister Gabriel - ein deutlicher Beitrag zum Klimaschutz und zur Versorgungssicherheit. Durch eine Biokraftstoffquote von 20 Prozent oder mehr werden wir die Unabhängigkeit weiter vorantreiben. Die Union unterstützt dieses Vorhaben uneingeschränkt.
Die erneuerbaren Energien haben mittlerweile einen Anteil von 14 Prozent; 14 Prozent unserer Energie werden somit CO2-neutral erzeugt. Hinzu kommen die ungefähr 26 Prozent unserer Energie, die in Kernkraftwerken erzeugt werden. Das heißt, bereits heute, 2008, werden in Deutschland gut 40 Prozent des Stroms CO2-frei erzeugt. Selbst wenn wir die erneuerbaren Energien massiv ausbauen und bis 2020 einen Anteil von 25 bis 30 Prozent erreichen - vielleicht sogar 35 Prozent -, werden diese Bemühungen nicht ausreichen. Wir handeln also mit Zitronen; denn der Anteil unseres Stromes, der CO2-frei erzeugt wird, wird, wenn wir die Kernkraftwerke abschalten, 2020 immer noch unter dem liegen, was wir heute haben. Die Differenz muss nämlich durch fossile Energieträger gedeckt werden. Der Strom kommt schließlich nicht einfach so aus der Steckdose. Insofern kann ich nur alle auffordern - auch unseren geschätzten und geliebten Koalitionspartner -, sich der Realität zu stellen.
Jetzt zum Erneuerbare-Energien-Gesetz. Das Bessere ist bekanntlich der Feind des Guten. Wir sind uns ja einig, dass wir mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz für den Strombereich erreichen wollen, dass der Anteil der erneuerbaren Energien auf 25 bis 30 Prozent steigt. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist erfolgreich, auch was die Menge anbelangt - keine Frage. Es ist auch einfach: mit einem Fixpreis und mit einer Abnahmegarantie. Auch die Administration ist kein Problem. Aber wir kommen - das haben wir schon gemerkt - zunehmend in zwei Problembereiche hinein, die beim jetzigen Stand der Vorlage des Kabinettsbeschlusses noch nicht in ausreichendem Umfange gewürdigt sind.
Das eine Problem ist der Netzausbau. Wir haben zu wenig Netze, und wir haben die Netze an der falschen Stelle. Wir können die Strommengen, die erzeugt werden, in die Netze gar nicht einspeisen. Wir haben also kein Problem bei der Stromerzeugung, sondern bei der Zurverfügungstellung des Stromes. Dafür wird und muss die Bundesregierung - das Wirtschaftsministerium ist ja damit befasst - im Mai mit dem zweiten Paket eine Lösung vorschlagen, die greift und trägt. Die bisherigen Bemühungen, das Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz, haben bei weitem nicht die Fortschritte gebracht, die notwendig sind. Ich will aber heute nicht im Detail darauf eingehen; darauf kommen wir noch zu sprechen.
Das andere Problem ist die System- und Netzintegration der erneuerbaren Energien insgesamt. Wir stoßen schon heute an Systemgrenzen. Als der Anteil der erneuerbaren Energien bei 2 Prozent, bei 4 Prozent lag, hatten wir kein Problem. Aber schon die 14 Prozent, die wir heute haben, bekommen wir nicht ins Netz eingespeist.
Aus unserer Sicht gibt es neben dem Netzausbau drei Stellgrößen, die noch nicht entsprechend geregelt sind.
Erstens zur Frage der Marktintegration. Dazu werden wir konkret vorschlagen, mit einem sogenannten Marktprämienmodell die Direktvermarktung des Stromes aus erneuerbarer Energie zu verbessern. Das beste Kombikraftwerk ist - darüber haben viele Kollegen eben schon gesprochen - der Markt, der mit seinen kreativen Suchprozessen Mittel und Wege findet, die erneuerbaren Energien untereinander oder auch die erneuerbaren mit fossilen Energien so zu kombinieren, dass im Strombereich Fahrplanlieferungen möglich sind und Regelenergie und Ausgleichsenergie zur Verfügung gestellt werden können.
Was nützt es uns, wenn wir den Strom erzeugen, ihn aber nicht in das System bringen können? Bei einer Quote von 25 bis 30 Prozent wird unser System dies nicht leisten können. Deshalb ist da Not am Mann. Wir können nicht warten, bis das Licht ausgeht, sondern müssen bereits jetzt im parlamentarischen Verfahren zum Erneuerbare-Energien-Gesetz nachjustieren. Wir sind hier für konstruktive Anregungen aufgeschlossen und werden einen konkreten Änderungsvorschlag einbringen.
Ein zweiter Punkt bedarf näherer Betrachtung, der noch nicht richtig im Licht der Öffentlichkeit steht, weil es sich um eine komplizierte Angelegenheit handelt: die Neuordnung des sogenannten Wälzungsmechanismus. Zusätzlich zu den Differenzkosten, die 2007 bei den erneuerbaren Energien 3,3 Milliarden Euro betrugen, machen die Kosten des Wälzungsmechanismus - das sind die neuesten Angaben der Bundesnetzagentur, die uns in der letzten Woche mitgeteilt wurden - mittlerweile 1 Milliarde Euro aus. Das sind Kosten der Netzanbindung und der Veredlung des unsteten Stroms aus erneuerbarer Energie. Diese Kosten machen den Strom aus erneuerbarer Energie letztlich für den Verbraucher unnötig teuer. Mit einer Neuordnung des Wälzungsmechanismus, also der Abwicklung und Abrechnung der EEG-Kosten, muss hieran Hand angelegt werden; dies sollten wir in dem parlamentarischen Verfahren ganz konkret angehen. Auch dieser Punkt liegt uns sehr am Herzen.
Als dritten Punkt spreche ich etwas an, was ebenfalls bereits angeklungen ist. Wir wollen die erneuerbaren Energien massiv ausbauen. Die Gelder sind begrenzt; jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Daher müssen wir die Gelder möglichst effizient ausgeben und uns daran orientieren, welches die geringsten Vermeidungskosten sind, welche erneuerbare Energie bis 2020 - das ist unser Zielhorizont - den größten Beitrag liefern kann und welcher erneuerbaren Energie es vor allen Dingen um Technologieförderung geht.
In diesem Zusammenhang müssen wir uns mit der Fotovoltaik näher auseinandersetzen. Das BMU hat hierzu dankenswerterweise Zahlen für den Kabinettsbeschluss vom 5. Dezember 2007 ausgerechnet, die besagen, dass es sich um eine nicht unerkleckliche Summe handelt. Selbst in Zeiten der Bankenkrise sollte uns diese Summe aufhorchen lassen. Bis 2020 werden Differenzkosten von knapp 70 Milliarden Euro für das Gesamtengagement bei den erneuerbaren Energien zu Buche schlagen. Davon entfallen - wie gesagt, es sind die Zahlen von Herrn Gabriel und nicht meine - 34 Milliarden Euro auf die Fotovoltaik. Das sind über 45 Prozent der Gesamtkosten. Zugleich trägt die Fotovoltaik nur mit maximal 6 Prozent zur Stromerzeugung bei. Angesichts dessen muss schon die Frage erlaubt sein, ob wir uns im parlamentarischen Verfahren die einzelnen Technologien nicht hinsichtlich der Vergütungshöhe und der Degressionssätze sehr genau anschauen sollten.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Wir haben Gelegenheit, das Ganze in den weiteren Runden zu beraten.
Ich möchte Folgendes festhalten: Zu Beginn meiner Rede habe ich gesagt: Wir sind Vorreiter und Benchmark. Wichtig ist aber, dass wir nicht in dem Sinne Vorreiter bleiben, dass wir vorangehen und uns niemand folgt, sondern in dem Sinne, dass wir vormachen, wie es funktioniert. Es funktioniert aber nur, wenn wir im Hinblick auf den Klimaschutz das energiepolitische Zieldreieck von Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit erfüllen. Gelingt uns dies, werden uns andere Länder wie die USA, China oder Indien folgen.
Lassen Sie uns in diesem Sinne den vorliegenden Gesetzentwurf weiter optimieren. Dann können wir es erreichen, die drei von mir genannten Punkte unter einen Hut zu bringen. Wir sind dazu bereit und freuen uns auf eine konstruktive Diskussion.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Bärbel Höhn ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Pfeiffer hat eben noch einmal auf den Ausgangspunkt der heutigen Debatte über die vorliegenden Gesetzentwürfe hingewiesen: Das war die Diskussion über den Klimaschutz im letzten Jahr. Ich muss ehrlich sagen, dass ich es gar nicht so schlecht fand, als sich die Kanzlerin auf der großen Konferenz in Heiligendamm für den Klimaschutz eingesetzt hat. Das war schon eine Verbesserung gegenüber dem früheren Kanzler Schröder, der die Wertigkeit des Klimaschutzes nicht erkannt hatte. Insofern war es gut, dass eine ehemalige Umweltministerin Kanzlerin geworden ist; sie versteht ihr Geschäft.
- Vielen Dank. Das wollte ich erreichen.
Jetzt frage ich aber, was daraus geworden ist.
Heute geht es um den ersten großen Schritt zur Umsetzung dessen, was vor einem Jahr versprochen worden ist. Interessant ist, dass das Vorhaben nicht als Klimapaket, sondern als EEG bezeichnet wird. Wir reden nicht über das Klimapaket, um das es eigentlich geht, sondern über das Erneuerbare-Energien-Gesetz.
Hans-Josef Fell hat recht, was den Erfolg des Erneuerbare-Energien-Gesetzes angeht. Es ist in der Tat das Herzstück des Klimaschutzes. Das EEG war aber nicht die Idee der Schwarzen, sondern ist von Jürgen Trittin und den Grünen angeschoben worden.
Wenn man der Frage nachgeht, was im vergangenen Jahr aus dem EEG geworden ist, dann stellt man fest, dass das Herz des Klimaschutzes zu stottern beginnt.
Im vergangenen Jahr gab es 25 Prozent weniger Investitionen in Windkraft und 60 Prozent weniger Investitionen in Biogasanlagen, und das bei einem Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Sie zu verantworten haben. Sie schwächen das Herzstück des Klimaschutzes. Das ist nicht in Ordnung. Wir brauchen ein starkes EEG, um beim Klimaschutz voranzukommen.
Das Klimapaket der Bundesregierung hat drei große Schwächen. Erstens hat es große Lücken. Deshalb reden wir heute über das EEG. Zweitens schrumpft das ehrgeizige Klimaschutzpaket von Tag zu Tag. Drittens ist es zwar gut gemeint, aber schlecht gemacht.
Lassen Sie mich auf die Lücken eingehen. Ich finde es interessant, dass auch Herr Hempelmann sofort darauf eingegangen ist. In der Debatte ist nicht die Rede von Steinkohlekraftwerken. Das ist aber notwendig. Wenn es um Klimaschutz und CO2-Reduktion geht, dann müssen wir auch über Investitionen in neue Kohlekraftwerke in Deutschland diskutieren. Denn sie sind der größte Feind des Klimaschutzes.
Sie haben darauf hingewiesen, Herr Hempelmann, dass es nur noch moderne Anlagen gibt. - Sie haben sich in die letzte Reihe gesetzt. Da gehören Sie auch hin.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Höhn, die Übertragungsanlage reicht aus, um den Kollegen Hempelmann mit diesen Botschaften auch in der dritten und vierten Reihe zu erreichen.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Okay.
Dann lassen Sie uns den Blick auf das Kohlekraftwerk in Hamburg richten. Der CO2-Ausstoß dieses modernen Kraftwerks beträgt 9,2 Millionen Tonnen. Das entspricht dem CO2-Ausstoß von 3 Millionen Autos, die 20 000 Kilometer pro Jahr fahren.
Der Bau großer Kraftwerke macht jeden Klimaschutz zunichte.
Das ist die Achillesferse Ihrer Klimaschutzpolitik.
Minister Gabriel hat in der Braunschweiger Zeitung festgestellt - Zitat -:
Es macht mir Sorge, dass jetzt bereits geplante Standorte für neue Kraftwerke infrage gestellt werden. Das ist gefährlich: ...
So hat jeder seine Sorgen. Die Anwohner sind in Sorge um ihre Gesundheit und Lebensumgebung.
Die Umweltverbände haben Sorge um das Klima. Und der Umweltminister hat die Sorge, dass nicht genug Kohlekraftwerke gebaut werden. Das ist das Problem dieser Politik.
Wenn man sich damit befasst, was die CDU/CSU fordert, stellt man fest, dass sich eine tolle Allianz gefunden hat. Frau Reiche fordert mehr Braunkohlekraftwerke, die, wie wir wissen, die größten Klimakiller dieser Republik sind. Herr Pfeiffer sagt, am besten sei eine Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke. Das alles stellt Ihnen beim Klimaschutz ein Armutszeugnis aus. So darf es nicht sein.
Schauen wir uns einmal an, was aus dem großen Klimapaket geworden ist, das der Umweltminister vor einem halben Jahr vor dem Gipfel von Meseberg vorgelegt hat. Er hat gesagt, elektrische Nachtspeicherheizungen müssten ab 2009 verboten werden. Ist das im Klimapaket drin? Nein. Dann hat er gesagt, das Dienstwagenprivileg müsse gekappt werden. Ist das im Klimapaket drin? Nein. Dann hat er gesagt, die Maut müsse auf Lkws ab 7,5 Tonnen ausgeweitet werden. Ist das im Klimapaket drin? Nein. Dann hat er gesagt, die Kfz-Steuer müsse auch bei Altfahrzeugen auf den CO2-Ausstoß umgestellt werden. Ist das im Klimapaket drin? Nein. Dieses Klimapaket schmilzt von Tag zu Tag. Es wird immer weniger. Schließlich wird nichts mehr übrig bleiben.
Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz wird auf Neubauten beschränkt. Altbauten sind nicht mehr im Paket. Das Gros, bei dem man wirklich etwas tun könnte, ist also ausgenommen. In der Realität, wenn es um das Ganze geht, machen Sie schlechte Politik. Das nutzt dem Klima nicht, sondern schadet ihm.
Herr Minister Gabriel, ich habe den Eindruck, dass es sich beim Klima- und Energiepaket wie mit dem Gletschereis im Klimawandel verhält. Jedes Mal, wenn man hinschaut, sind die Eisberge geschrumpft. Das ist kein gutes Zeichen, auch nicht für die Eisberge.
Ich möchte noch - das wurde bereits mehrfach angesprochen - auf die Biokraftstoffe eingehen. Das ist in der Tat ein spannender Punkt. Hier gilt das Motto: Gut gemeint, aber schlecht gemacht. Schauen wir uns die von der Bundesregierung vorgeschlagene Beimischungsquote an. Sie treiben mit dieser Quote einen großen Teil unserer Wirtschaft, die kleinen und mittelständischen Betriebe, die sich im Bereich der erneuerbaren Energien und Biokraftstoffe engagieren, in die Insolvenz und stärken die großen Mineralölkonzerne. Das führt zu Monokulturen und zu einem nicht nachhaltigen Anbau von Pflanzen, aus denen Biokraftstoffe gewonnen werden. Das ist ein Ergebnis Ihrer Politik.
Deshalb hat der Bundesrat auch kürzlich gesagt: Wenn 10 Prozent Biokraftstoffe beigemischt werden müssen, müssen 1,5 Millionen Autofahrer Superbenzin tanken, weil ihre Fahrzeuge nicht über die entsprechende Technik verfügen. Herr Gabriel, auch hier heißt es wieder einmal: Gut gemeint, aber schlecht gemacht. Die Ausführung Ihrer Vorhaben ist Pfusch. Das werden wir weiter so benennen.
In einem Punkt hat Herr Gabriel allerdings recht. Wenn wir einen nachhaltigen Anbau gerade im Bereich der Biomasse haben wollen, dann können wir uns nicht allein auf Biokraftstoffe beschränken; denn wenn der Regenwald abgeholzt wird, ist es egal, ob das Palmöl in den Autotank geht oder für Lebensmittel verwendet wird. Wir müssen den Regenwald vor nicht nachhaltigem Anbau und Rodungen schützen. Deswegen müssen wir Biokraftstoffe und Lebensmittel gleich behandeln. Das wäre der richtige Weg.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Höhn!
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Letzter Satz. Ich weiß Bescheid. Ich sehe Sie aufleuchten.
- Manchmal leuchtet auch der Präsident, finde ich.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ein leuchtender Präsident schadet dem Parlamentarismus nicht.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
In die EU werden 5 Millionen Tonnen Palmöl eingeführt. Davon sind 80 Prozent für Lebensmittel und Kosmetika bestimmt. Auch das müssen wir stoppen.
Lieber Herr Präsident, meine Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Geduld. Ich finde, dieses Paket ist schlecht gemacht. Pfusch im Gesetzgebungsverfahren, ein schrumpfendes Klimapaket, Lücken beim Verkehr und Ja zur Kohle, das alles geht nicht. Das ist ein Nein zum Klimaschutz. Das ist nicht gut für den Klimaschutz.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Höhn, es schadet dem Parlamentarismus gewiss nicht, wenn der Präsident leuchtet. Aber es hilft der Einhaltung der vereinbarten Debattenzeiten, wenn das Aufleuchten der Lampe am Rednerpult zu einer baldigen Beendigung der Rede beiträgt.
- Sehr schön. Schauen wir einmal, ob es in der weiteren Debatte hilft.
Nun hat das Wort der Kollege Rainer Fornahl für die SPD-Fraktion.
Rainer Fornahl (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident, für die einleuchtenden Anmerkungen zum Umgang miteinander.
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Werte Kollegin Höhn, Sie sollten nicht nur Hohn und Häme versprühen, sondern Sie sollten auch immer daran denken, dass das Mögliche und das Machbare zusammengeführt werden müssen. Genau das ist, glaube ich, mit dem IKEP insgesamt und den konkreten Vorgaben, über die wir heute diskutieren, ein gutes Stück weit auf den Weg gebracht worden. Wir werden am Ende des Tages sehen, ob wir die ambitionierten Ziele erreichen, sodass wir alle damit zufrieden sein können. Ich kann Sie alle einladen, daran konstruktiv mitzuarbeiten. Halten Sie keine Wahlkampfreden, auch wenn am Sonntag in Hamburg Wahlen stattfinden!
Ich will vom eher unverbindlichen Allgemeinen zum Konkreten kommen und auf einen Aspekt hinweisen, der eine zentrale Rolle beim IKEP und beim Klimaschutz spielt, und zwar auf den Gebäudebereich. Der Gebäudebestand in Deutschland umfasst 17 Millionen Wohngebäude mit ungefähr 40 Millionen Wohneinheiten. 40 Prozent des Endenergieeinsatzes in der Bundesrepublik Deutschland werden für das Heizen und das Kühlen in diesen Bestand gesteckt. Darin steckt ein gewaltiges Potenzial, das wir gemeinsam heben müssen. Dazu haben wir mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz einen ersten Vorschlag gemacht, der wichtige Rahmenbedingungen umfasst. Wir wollen den Anteil der erneuerbaren Energien in der gesamten Bandbreite bis 2020 auf 14 Prozent anheben. Das ist nicht das Endziel. Das geht nach 2020 selbstverständlich noch weiter.
Wir wollen aber dabei nicht vergessen, dass man auch mit Kraft-Wärme-Kopplung eine ganze Menge Energie einsparen kann. Beide Aspekte müssen gemeinsam berücksichtigt werden. In diesem Gesetz geht es auch um quartiersbezogene Lösungen, also um die dezentrale Erzeugung von Strom und Wärme. Insbesondere diese zu fördern, ist gut und richtig. Die finanzielle Förderung in der Größenordnung von 500 Millionen Euro für diesen Bereich kann sich durchaus sehen lassen. Mit diesem Geld kann man eine ganze Menge bewirken.
Ich bedauere ein Stück weit, dass wir den Altbaubestand aus dem Gesetzentwurf genommen haben. Aber das liegt an den realen Möglichkeiten und der Machbarkeit. Wir setzen auf die entsprechenden Anreizprogramme. Ich denke, dass im Zusammenhang mit den Vorgaben der EnEV die Eigentümer von Einfamilienhäusern oder die Eigentümer von großen Wohnanlagen ein eigenes Interesse daran haben, Maßnahmen zur Energieeinsparung zu ergreifen, die notwendige energetische Sanierung und Modernisierung in die Wege zu leiten und erneuerbare Energien einzusetzen.
Ich will noch auf eines verweisen: Das Gesetz enthält eine Klausel, die es den Ländern erlaubt, mehr zu tun, als in dem Rahmengesetz des Bundes vorgesehen ist. Baden-Württemberg hat schon etwas auf den Weg gebracht. Ich finde es sehr interessant, dass das Land Berlin mit den Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen eine Vereinbarung unterzeichnet hat, die die Umsetzung von Energiesparmaßnahmen und den Abbau von Hemmnissen, Energiesparmaßnahmen zu ergreifen, vorsieht. Das ist ein nachahmenswertes Beispiel. Dem sollten alle Länder nacheifern; denn nach der Föderalismusreform I sind die Länder für den Wohnungsbereich und den Baubereich zuständig. Die müssen dann natürlich den einen oder anderen Euro in die Hand nehmen. Darauf sollte man an der Stelle verweisen.
Neben dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz und der EnEV, die ich schon angesprochen habe, sind wichtige Instrumente insbesondere die Einführung der Energieausweise und - eine Erfolgsgeschichte par excellence - das CO2-Gebäudesanierungsprogramm.
Das muss man immer wieder erwähnen, und man muss die Größenordnung darstellen. Für den Zeitraum 2006 bis 2009 geben wir über 4 Milliarden Euro aus. 400 000 Wohnungen wurden bereits saniert. Diesen Weg wollen wir weitergehen. Wir wollen über ergänzende und zusätzliche Maßnahmen im sozialen Bereich in den Kommunen - energetische Sanierung von Schulen, Kindergärten, Turnhallen usw. - und auch bei den Bundesbauten im Rahmen von Programmen erhebliche Mittel in die Hände nehmen - 600 Millionen Euro werden den Kommunen und 120 Millionen Euro für die energetische Sanierung von Bundesbauten zur Verfügung gestellt -, damit in diesen Bereichen eine energetische Sanierung durchgeführt werden kann. So wird die Umsetzung der entscheidenden Aspekte, nämlich Energieeinsparung und Energieeffizienz auf der einen Seite und die Nutzung von erneuerbaren Energien auf der anderen Seite, ermöglicht.
Damit wird alleine schon für diesen Sektor deutlich, dass wir, die Koalition, gemeinsam durchaus in der Lage sind, bei einer ambitionierten Zielsetzung mit Ordnungsrecht und Marktanreizen auf Bundesebene das Nötige und Machbare zu fördern. Wir sind schon jetzt in der Lage - und werden dies auch in Zukunft sein -, bei den klassischen Formen von Energie immer wieder eine Schippe draufzulegen - eine Mütze Wind oder ein paar Sonnenstrahlen, um bei dem Bild zu bleiben -, um die erneuerbaren Energien zu stärken.
Mit diesem Paket, über das wir heute in erster Lesung diskutieren, sind wir, so meine ich, auf einem guten Wege. Ich kann Sie alle nur ermuntern, an der weiteren Diskussion aktiv und konstruktiv teilzunehmen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Dr. Georg Nüßlein ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Frau Höhn hat gesagt, die Koalition bringe das Herz des Klimaschutzes, nämlich das EEG, zum Stottern. Frau Höhn, ich sage Ihnen eines: Ihnen dabei zuzuhören, wie Sie sich ereifern und laut und schrill Ihre Meinung vortragen, geht mir aufs Herz,
insbesondere dann, wenn Sie bei der Gelegenheit auch noch die Unwahrheit behaupten.
Denn eines muss man einmal deutlich sagen: Das von Ihnen viel gerühmte - und auch zu Recht gerühmte - EEG geht auf das Stromeinspeisegesetz der Union zurück. Das dürfen Sie nicht vernachlässigen.
Warum sollten wir denn gegen etwas sein, das wir ursprünglich maßgeblich mit angestoßen haben?
Dabei geht es natürlich auch um ein Instrument für den Klimaschutz. Dieses Thema wird politisch dominant, und das zu Recht.
Obwohl nur 3,2 Prozent der klimaschädlichen Gase in Deutschland emittiert werden, haben wir als Industriestaat eine Vorbildfunktion für andere. Dieser Vorbildfunktion können wir aber nur dann gerecht werden, wenn es uns gelingt, Ökonomie und Ökologie sinnvoll zueinanderzubringen. Das muss doch sozusagen die Überschrift für alle Gesetze sein, die wir heute unter diesem Tagesordnungspunkt beraten.
Um beim EEG zu bleiben: Es geht dabei natürlich auch um Versorgungssicherheit und Ressourcenschonung. Gestern gab es die Meldung, Lukoil dreht den Ölhahn zu. Das ist natürlich ein Thema, um das wir uns kümmern müssen. Es geht aber auch um die Themen Innovationsförderung und Erschließung von Schlüsseltechnologien. Gerade mit Blick auf diesen Bereich sollten wir im Rahmen der Novellierung des EEG noch einmal darüber nachdenken, wie wir es zielorientiert erreichen, neue Technologien, zum Beispiel im Bereich der Fotovoltaik oder der Geothermie, zu fördern, und zwar ohne auf der einen Seite riesige Differenzkosten zu produzieren und auf der anderen Seite die Strukturen, die unbestritten auf Basis des EEG geschaffen worden sind, zu zerstören.
Ich bestreite nicht, dass es insbesondere vielen Kolleginnen und Kollegen von der CSU darum geht, mit diesem Gesetz Regional- und Strukturpolitik zu machen. Im Bereich der Landwirtschaft ist uns einiges gelungen.
Ich sage aber auch: Damals hatten wir andere Ansätze. Es ging darum, wie man Boden und Fläche aus der landwirtschaftschaftlichen Produktion herausnimmt. Auch in diesem Bereich müssen wir darüber reden, ob nicht das eine oder andere angepasst werden muss. Freiflächenanlagen für Fotovoltaik auf dem besten Ackerland - das muss aus meiner Sicht überhaupt nicht sein.
Außerdem müssen wir uns überlegen, wie wir im gesamten Bereich der Biomasse einvernehmlich etwas zustande bringen.
Mit dem EEG machen wir aber auch ein Stück weit Wettbewerbspolitik. Ich sage deutlich: Der vielzitierte Markt in diesem Bereich ist nicht so, wie wir uns ihn vorstellen. Wir haben vier große Versorger. Ohne Einspeiserechte kann man nicht sicherstellen, dass kleine und mittelständische Stromproduzenten in den Markt eintreten können. Ich wiederhole: Ohne diese Rechte geht es nicht. Deshalb stehen wir in ganz besonderer Weise zum EEG als Wettbewerbsinstrument.
Wenn man sich diese Politikfelder anschaut, dann erkennt man, dass man die Differenzkosten, von denen heute schon die Rede war, nicht einseitig der Klimapolitik zuordnen darf. Man muss aber berücksichtigen, dass es diese Kosten gibt, und man muss darauf entsprechend reagieren. Wir tun das über die Härtefallregelung für die energieintensiven Industrien. Diese Regelung ist dort wichtig, wo wir aus physikalischen Gründen keine Möglichkeiten haben, die Energieeffizienz zu erhöhen.
Aus meiner Sicht müssen wir dort noch mehr tun, wo sich soziale Härten ergeben. Herr Hill, Sie haben das Thema Altbauten und Wärmegesetz angesprochen. Ich hätte hören wollen, was Sie gesagt hätten, wenn wir das gemacht hätten, was Sie hier vorschlagen; dann wären nämlich die Mieten gestiegen. Ich kann mir gut vorstellen, was für ein Lamento von Ihnen gekommen wäre. Es ist richtig, sich hier zunächst einmal auf Neubauten zu konzentrieren.
Das Gleiche gilt übrigens für das Thema Mobilität. Mobilität ist ein hohes Gut für die Menschen auf dem Land, insbesondere für die einfachen Leute dort. Wir haben leider die Pendlerpauschale kassiert. Wir haben das gegen den Widerstand vieler, auch in der Union, getan, die diese Sache anders gesehen haben. Man muss sich die Frage stellen: Wie geht das weiter?
Damit sind wir bei dem Thema Steuerpolitik. Ich sage in aller Klarheit: Allen, die heute behaupten, EEG und KWK seien Preistreiber, halte ich immer wieder entgegen, dass ein erheblicher Teil der Verteuerung durch die Steuerpolitik verursacht wird. Ein Durchschnittshaushalt, also ein Haushalt mit drei Personen, zahlt für den Strom heute 60 Euro pro Monat. 20 Euro davon entfallen auf Steuern und Konzessionsabgabe, 2,85 Euro gehen auf das EEG zurück.
Man muss sich vielleicht einmal Gedanken darüber machen, wie man an dieser Stelle das eine oder andere ausgleicht.
Wir reden heute über die Novellierung des EEG. Dabei müssen wir natürlich über den Tellerrand hinausschauen. Der Kollege Pfeiffer hat dankenswerterweise das Thema Netze angesprochen. Einen Ausbau der Nutzung der erneuerbaren Energien, wie wir uns ihn vorstellen, gibt es nur, wenn wir Hochspannungstrassen bauen. Es geht nicht alles auf einmal. Wir haben mit einigen Widersprüchen zu kämpfen: Wir wollen auf der einen Seite erneuerbare Energien und auf der anderen Seite keine Hochspannungstrassen; wir wollen auf der einen Seite Wasserkraftwerke und auf der anderen Seite die Verschärfung des Wasserhaushaltsrechts, um dadurch einen Beitrag dazu zu leisten, dass in diesem Bereich am Ende weniger produziert wird; wir wollen auf der einen Seite auf dem Gebiet der Wärmeerzeugung zusätzliche erneuerbare Energien einsetzen und auf der anderen Seite die BImSchV so weit verschärfen, dass 7,25 Millionen Einzelraumfeuerungsanlagen bis zum Jahr 2024 auszutauschen sind. Das passt doch nicht zusammen. Ich bitte, hier auch darauf zu achten - wir werden das als Koalitionspartner sicherlich tun -, dass hier letztendlich auch die Konsistenz stimmt.
Ich füge hinzu: Was die Biomasse angeht, wollen wir natürlich keine Maismonokulturen. Wir brauchen eine gute landwirtschaftliche Praxis.
Was wir überhaupt nicht wollen, ist das Abholzen der Regenwälder. An dieser Stelle hat Frau Höhn recht: Es kommt nicht darauf an, wozu der Regenwald abgeholzt wird: für die Lebensmittelproduktion, für die Futtermittelproduktion - die Futtermittel fließen am Schluss ebenfalls in die Lebensmittelproduktion -, für die Kosmetikaproduktion oder zur Verwertung als Energierohstoffe. Wir müssen da etwas tun. Das geht aber nur, wenn man ein Zertifizierungssystem einführt. Außerdem muss man eine WTO-konforme Übergangslösung schaffen - der Herr Minister hat gesagt, dass das geht -, durch die ausgeschlossen wird, dass bei uns Palmöl auf den Markt kommt, für dessen Produktion Regenwälder abgeholzt werden.
Erfolg haben wir nur, wenn wir den Regenwäldern vor Ort, zum Beispiel in Indonesien, die nötige Bedeutung zukommen lassen. Das heißt, ein Teil der Versteigerungserlöse muss so eingesetzt werden - und zwar nicht nur national, sondern auch international -, dass diejenigen, die den Regenwald wegen ihrer Armut abholzen, eine Entschädigung erhalten, wenn sie das nicht mehr tun. Auch das ist eine ökonomische Frage.
Letzte Anmerkung. Natürlich waren wir bei der Entscheidung zum Biokraftstoff nicht konsistent im Hinblick auf das, was man aufgrund der Klimadiskussion hätte erwarten dürfen. Wir müssen das jetzt korrigieren. Angesichts dessen, was da auch von der EU an Anforderungen auf uns zukommt, Herr Minister, dürfen wir jetzt nicht erst einmal die nationalen Kapazitäten zerschlagen, um dann am Ende zu schauen, woher der Stoff zur Beimischung kommt.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun der Kollege Marco Bülow, SPD-Fraktion.
Marco Bülow (SPD):
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es schon interessant, bei solchen Debatten zu hören, wer alles die Väter und Mütter eines Projekts - hier des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, kurz EEG - sind. Wir haben gerade schon ein bisschen gewitzelt. Wahrscheinlich muss man das bis zu Bismarck oder vielleicht noch weiter zurückverfolgen, bis man den Vater oder die Mutter gefunden hat. Wie dem auch sei: Ich finde es gut, dass sich immer mehr zum Erneuerbare-Energien-Gesetz bekennen. Wahrscheinlich werden wir in 20 oder 30 Jahren eine Debatte haben, in der auch die FDP sagt, dass sie das EEG erfunden hat. Das würde mich freuen; denn dann wären wir alle zusammen.
Wichtig ist, dass wir dieses Gesetz jetzt fortentwickeln und noch einmal betonen, welch immense Bedeutung die erneuerbaren Energien innerhalb des Klimaschutzes haben. Ich will die Zahl noch einmal nennen: 110 Millionen Tonnen CO2 sind dadurch letztes Jahr eingespart worden. Wenn wir mit den erneuerbaren Energien nicht so weit wären, wie wir sind, hätten wir über ein ganz anderes Klimapaket zu diskutieren und müssten noch viel mehr machen. Deswegen müssen wir daran weiterarbeiten.
Frau Höhn, es gibt bestimmte Sachen, über die wir uns auseinandersetzen können, über die es eben keine Übereinstimmung gibt. Aber konstruieren Sie doch bitte keine Gegensätze, wo es keine gibt. Die meisten von uns sind für das EEG. Dann lassen Sie uns doch gemeinsam schauen, wie wir das EEG fortentwickeln und die erneuerbaren Energien weiter vorantreiben!
Dass das Klimapaket schrumpft, trifft einfach nicht zu. Wir haben den ersten Teil des Klimapakets vorgestellt. Das ist genau so geblieben, wie es am Anfang in Meseberg besprochen und von Sigmar Gabriel, unserem Umweltminister, und anderen Ministern vorangetrieben worden ist.
- Das ist genau so geblieben, wie es besprochen worden ist. Der zweite Teil des Pakets folgt. Das wird um die anderen Punkte, die Sie zum Teil erwähnt haben, also noch ergänzt.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Kollege Bülow, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Höhn?
Marco Bülow (SPD):
Immer doch.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Bülow, Sie haben behauptet, das Klimapaket sei genauso eingebracht worden, wie es in Meseberg beschlossen worden sei. Aber wir haben gerade festgestellt, dass im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz der gesamte Bereich Altbau fehlt. Können Sie bestätigen, dass ebendieser Bereich Altbau in Meseberg noch drin war, aber mittlerweile fehlt, das Paket also auch in diesem Punkt geschrumpft ist?
Marco Bülow (SPD):
Es gibt sicherlich Punkte, in denen es nicht so ist, wie es in Meseberg besprochen worden ist.
Das heißt aber nicht, dass Gesetze insgesamt fehlen. Außerdem diskutieren wir ja jetzt im Parlament noch über diese Gesetze.
Da müssen wir natürlich schauen, das einzubeziehen.
Aber Fakt bleibt: Die Gesetze, die in Meseberg beschlossen worden sind, sind auch so eingebracht worden. Wie sie aussehen, ist eine andere Frage. Aber darüber diskutieren wir jetzt im Parlament.
Der erste und der zweite Teil des Pakets insgesamt sind ein Start in die Klimaschutzpolitik. Etwas anderes sagt niemand, auch niemand in der Regierung. Trotzdem: Es ist der beste und stärkste Start, den es in Europa überhaupt gibt. Das muss man einmal zur Kenntnis nehmen.
Ich muss doch noch einen Satz zu Herrn Pfeiffer sagen. Herr Pfeiffer, Sie können es mit Ihrer Atomkraft ja nicht lassen.
Sie müssen natürlich damit rechnen, dass es eine Antwort darauf gibt. Sie stellen eine Milchmädchenrechnung auf. Sie haben sehr viel über Energieeffizienz gesprochen. Da stimme ich Ihnen in allen Punkten zu. Aber diese Effizienz müssen Sie dann auch einbeziehen. Sie sagen, im Strombereich erbrächten Atom und erneuerbare Energien gemeinsam über 40 Prozent. Wenn wir die Energieeffizienz aber steigern, brauchen wir nicht mehr 100 Prozent der Energie, sondern viel weniger,
und dann kommen wir mit den erneuerbaren Energien auch hin.
Die Kombination von Effizienz und erneuerbaren Energien macht es.
Ich möchte noch ganz kurz auf die Diskussion zum Thema ?Urwald, Regenwald, Palmöl? eingehen; diese Diskussion ist zum Teil ja berechtigt. Ich habe nur das Gefühl, dass die Diskussion über diese durchaus kritischen Punkte ein wenig in eine Hetzkampagne ausartet. Deshalb meine ich, dass man sie wieder auf die Füße stellen sollte. Es ist nämlich vollkommen daneben und vollkommen falsch, die Zerstörung von Regenwäldern alleine auf die vermehrte Nachfrage nach Palmöl für Biokraftstoffe zurückzuführen. Wir müssen genauso - das hat der Umweltminister zu Recht gesagt - über drei andere Faktoren diskutieren. Der erste ist der Sojaanbau. Dieser ist nämlich immer noch der ?Hauptschuldige?, weil zum Decken des Bedarfs an Tierfutter viele Sojaflächen ausgewiesen werden. Der zweite ist der Holzeinschlag aufgrund der Nachfrage nach tropischen Hölzern. Zum Dritten landen 90 Prozent des Palmöls, das von Deutschland importiert wird, in Kosmetika und Lebensmitteln. Auch das wurde hier schon angesprochen. All das muss also genauso kritisiert und auf den Prüfstand gestellt werden. Zudem muss man wissen - wir waren ja in Indonesien -, dass es immer noch viele Flächen gibt, wo Palmölplantagen angelegt werden könnten, ohne dass Regenwald abgeholzt werden müsste. Auch das sollte man berücksichtigen. Erst dann kann man eine faire und vernünftige Diskussion führen. Diese sollten wir führen - gar keine Frage! -, aber dann auch gemeinsam von dieser Basis ausgehend.
Jetzt doch noch einmal zum Erneuerbare-Energien-Gesetz. Ich glaube, dass es wichtig ist, es fortzuentwickeln. Natürlich müssen die erneuerbaren Energien quantitativ ausgebaut werden, wir müssen aber auch schauen, dass wir eine bessere Netzintegration hinbekommen. Wir brauchen diese, damit Strom aus erneuerbaren Energien besser von den Netzen aufgenommen werden kann. Außerdem müssen Möglichkeiten geschaffen werden, damit mit Strom aus erneuerbaren Energien auch Volllaststunden erbracht werden können. Das muss unser Ziel sein. Deshalb sollten wir unseren Förderschwerpunkt in den nächsten Jahren auf diesen Bereich legen.
Hier gibt es längst intelligente Lösungen. Deswegen ist es falsch, zu sagen: Na ja, wenn der Wind nicht bläst oder wenn die Sonne nicht scheint, gibt es Schwierigkeiten mit den erneuerbaren Energien. Dieses Denken ist überholt. Man muss vielmehr auf intelligente Lösungen zurückgreifen.
Hier wären zum einen Speichertechnologien zu nennen, zum anderen Projekte wie das Kombikraftwerk. Hier liegt die Zukunft. Ein Kombikraftwerk, Frau Brunkhorst, das aus mehreren erneuerbaren Energiequellen gespeist wird, ist Hightech. Hiermit gelingt es nämlich - das ist jetzt schon bewiesen -, Volllaststunden zu erbringen und damit eine Grundlast abzudecken. Diese Technologie ist allen anderen nicht nur deshalb überlegen, weil sie CO2-frei ist, sondern auch deshalb, weil sie Strombedarfsspitzen abdecken kann, was eigentlich alle anderen Kraftwerke nicht können. Diesen Weg müssen wir beschreiten. Bei der Neuregelung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes müssen wir dafür sorgen, dass dieser Bereich gefördert wird.
Mir scheint, dass die Vorlagen der Regierung zu erneuerbaren Energien im Strom- wie im Wärmebereich sehr gut sind. So können wir sie uns in einzelnen Bereichen näher anschauen. In vielen Bereichen gibt es riesige Potenziale. Ich nenne die Solarthermie, die wir gerade mit dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz fördern wollen. Auch die Geothermie, die immer ein wenig vergessen wird, bietet riesige Potenziale. Ich glaube, dass es wichtig ist, diesen Bereich sehr stark zu fördern.
Wir dürfen aber - das hat ja auch mein Kollege Dirk Becker schon gesagt - das Zugpferd der erneuerbaren Energien nicht vergessen. Den größten Anteil an diesen hat ja nach wie vor die Windkraft. Wir dürfen jetzt nicht nur darauf achten, auch wenn es wichtig ist, dass wir mit dieser Technologie aufs Meer gehen, sondern wir müssen auch darauf achten, dass das Repowering ordentlich gelingt. Der Austausch einer bestehenden Anlage gegen eine neue kann nämlich eine Verdopplung oder gar eine Verdreifachung der Energieerzeugung bewirken. Darüber hinaus gibt es noch viele Flächen, gerade an Autobahnen, die sich dafür eignen, neue Windkraftanlagen zu installieren. Auf diese Weise könnte also auch hier noch ein deutlicher Zuwachs erzielt werden.
Eines ist aber auch klar: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, so gut und zielgenau es auch ist, wird zur Erreichung dieses Ziels nicht ausreichen. Wir müssen auch dafür sorgen, dass in den Ländern bürokratische Hemmnisse abgebaut werden, die den Ausbau der Windkraft einschränken. Man kann nämlich nicht auf der einen Seite fordern, für mehr Energieeffizienz zu sorgen, und auf der anderen Seite diese Effizienzsteigerung dadurch behindern, dass man die Nabenhöhe begrenzt. So verhindert man nämlich, dass Windkraft marktfähiger wird und noch günstiger Strom produziert.
Ich denke, dass wir ein gutes neues Erneuerbare-Energien-Gesetz auf den Weg bringen werden. Ich lade wie auch schon meine Vorredner alle Parteien ein, daran mitzuwirken. Es ist wichtig, dass wir auch außerhalb der Koalitionsfraktionen eine große Zustimmung zu diesem Gesetz bekommen. Jedem dürfte klar sein, welche Bedeutung diesem Gesetz innerhalb des Klimapaketes zukommt.
Damit alleine allerdings - das ist deutlich geworden - werden wir unsere Klimaschutzziele nicht schultern; hierfür sind viele Maßnahmen nötig, die ja im Klimapaket zusammengefasst worden sind. Wir müssen auch zukünftig immer wieder neue Maßnahmen ergreifen, um unseren Klimaschutzpfad erfolgreich zu beschreiten. Damit wird nicht nur der CO2-Ausstoß reduziert werden, sondern wir werden dann in vielen einzelnen Bereichen so viel Technologieförderung betrieben haben und so viele Arbeitsplätze geschaffen haben, dass all das zu einem wichtigen Bestandteil der Industrie unseres Landes und damit auch unserer Gesellschaft wird. Das ist der eigentliche Beitrag, den wir hier zu leisten haben. In diesem Sinne: auf gute Zusammenarbeit und gute Verhandlungen.
Danke schön.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist nun die Kollegin Dr. Maria Flachsbarth für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die schwarz-rote Koalition hat die Energie- und Klimaschutzpolitik ganz oben auf die Agenda gesetzt. Im Rahmen der deutschen G-8- und EU-Präsidentschaft 2007 sind unter der Federführung unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel ambitionierte Klimaschutzziele vereinbart worden. In den Weltklimaberichten der Vereinten Nationen wurde nachdrücklich auf die Notwendigkeit des Handelns hingewiesen.
Zugleich hat die Bundesregierung im Rahmen des Energiegipfelprozesses eine nachhaltige Diskussion über ein nationales Energiekonzept angestoßen. Energie- und Klimapolitik gehören zusammen. Dabei ist die Beachtung des Zieldreiecks Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit entscheidend.
In Bezug auf die Versorgungssicherheit ist vor allem die Importquote der Energieträger und deren Verfügbarkeit in der Zukunft wichtig. Deutschland importiert 60 Prozent der Steinkohle, 80 Prozent des Erdgases und 100 Prozent des Mineralöls. Fossile Rohstoffe sind endlich. Nach Angaben des BMWi reichen die Kohlevorräte noch 100 Jahre, die an Erdgas und Erdöl noch 50 Jahre. Deshalb ist der intelligente Ersatz von fossilen Brennstoffen durch regenerative Energien auch eine Frage der Generationengerechtigkeit und der Nachhaltigkeit.
Die Union tritt aus Gründen der Versorgungssicherheit für einen breiten Energiemix von Kernenergie über Kohle, Gas und Öl bis hin zu den erneuerbaren Energien ein. Deren Anteil, beispielsweise im Strombereich, ist 2007 auf 14 Prozent gestiegen. Dabei trägt jede der weit über 70 000 Gigawattstunden erneuerbarer heimischer Energien zur Versorgungssicherheit bei. Die Wirtschaftlichkeit des Energiemixes ist entscheidender Standortfaktor für die deutsche Industrie und damit für Arbeitsplätze und zugleich zunehmend eine bestimmende Größe einer neuen sozialen Frage in Deutschland: Wie viel Energie kann ich mir leisten, an der Tankstelle, bei der Stromrechnung und den Heizkosten?
Die Härtefallregelung des EEG hilft energieintensiven Betrieben und hilft damit auch, Arbeitsplätze zu sichern, kostet aber natürlich wieder mehr für all diejenigen Betriebe und Verbraucher, die nicht unter diese Regelung fallen. Andererseits ist in den letzten Jahren zu beobachten, dass die Strompreise, obwohl der EEG-Anteil am Strompreis konstant 3 bis 4 Prozent ausmacht, dennoch steigen. Das liegt zum einen an der Mehrwertsteuererhöhung, zum anderen aber auch an unvollkommenen Marktstrukturen, wodurch Energieversorgungsunternehmen höhere Preise am Markt erzielen können. Und das liegt eben nicht nur, aber auch an der Endlichkeit fossiler Rohstoffe, entsprechenden Spekulationen an den Rohstoffmärkten und politischen Instabilitäten in den Lieferländern.
All das führt insgesamt zu einem aktuellen Ölpreis von über 100 Dollar pro Barrel. Die konventionellen Energieträger allein sind eben keine Garantie für moderate Energiepreise. Außerdem ist jeder Euro der 70 Milliarden pro Jahr für Energieimporte weg. Bei den 3,3 Milliarden Euro Differenzkosten 2006 für erneuerbare Energien findet vom Anlagenbau bis zur Energieerzeugung ein Großteil der Wertschöpfung in unserem Land statt, und zwar mit positiven Auswirkungen auf Wirtschaft, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen.
Ich komme zur Umweltverträglichkeit der Energie- und Klimapolitik, insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel. Langfristiges Ziel der deutschen und europäischen Politik ist ein Kioto-Plus-Abkommen und die Verankerung des 2-Grad-Ziels. Deshalb hat das Bundeskabinett auf Grundlage der Vereinbarungen des Europäischen Rates in Meseberg im August 2007 entsprechende Eckpunkte beschlossen und pünktlich zur Klimakonferenz auf Bali am 5. Dezember 2007 ein umfangreiches Paket mit 14 Gesetzen und Verordnungen vorgelegt. Eine Reduktion von 36 Prozent der CO2-Emissionen in Bezug auf 1990 soll erreicht werden. Es gibt kein vergleichbares Industrieland mit einem ähnlich ambitionierten und konkret ausgestalteten Programm, liebe Frau Höhn.
Ich komme zu den drei diskutierten Gesetzentwürfen im Einzelnen. Das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz sieht für das Jahr 2020 einen Anteil von 14 Prozent der Wärme- und Kälteerzeugung aus erneuerbaren Energien vor, und zwar durch die anteilige Nutzungspflicht erneuerbarer Wärme bei Neubauten, aber auch durch mehr Wärmedämmung oder Nutzung von Fernwärme bzw. Kraft-Wärme-Kopplung. Der Union ist es in diesem Zusammenhang besonders wichtig, das Ganze technologieoffen auszugestalten. Außerdem ist die Aufstockung des Marktanreizprogramms auf 500 Millionen Euro pro Jahr für uns besonders wichtig. Wir wollen eine Verstetigung und Verrechtlichung dieses wichtigen Instruments, um den Investoren und vor allen Dingen der mittelständisch geprägten Branche verlässliche Rahmenbedingungen zu geben.
Das Achte Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sieht vor, den Anteil der beigemischten Biokraftstoffe ab dem Jahr 2015 ausschließlich an der Minderung von Treibhausgasemissionen auszurichten, um den CO2-Ausstoß bis 2020 um 10 Prozent zu senken. Dabei ist die Nachhaltigkeitsverordnung zu beachten. Der Minister hat darauf hingewiesen.
Bezug nehmend auf die aufgeregte Diskussion der letzten Tage über die Kosten, die auf die Besitzer älterer Fahrzeuge zukommen sollen, bittet meine Fraktion den Bundesumweltminister nachdrücklich, sich mit der Autoindustrie ins Benehmen zu setzen. Diese Problematik hätte, mit Verlaub, Herr Minister, eigentlich im Rahmen der Vereinbarungen der Roadmap bereits ausgeräumt sein müssen. Denn Biokraftstoffe sind das wichtigste Instrument, das europäische 120- bzw. 130-Gramm-Ziel zu erreichen.
Der Bundesfinanzminister lässt dem Bundestag in diesen Tagen endlich den Biokraftstoffbericht zukommen. Nach dem ersten Durchblättern ist ersichtlich, dass die Biodieselpreise nach Inkrafttreten der zweiten Stufe der Steuerreform Anfang dieses Jahres nicht mehr auskömmlich sind.
Die Realität zeigt, dass das stimmt: Erzeugungskapazitäten in Deutschland werden stillgelegt, und der B100-Markt ist faktisch tot. Stattdessen sollte jetzt auf die Beimischung gesetzt werden. Auch dieser Weg scheint nun aus den oben genannten Gründen nicht gangbar. Ich gehe davon aus, dass dem Bundestag sehr bald belastbare Fakten über die Motorenverträglichkeit vorgelegt und alle Optionen zur Dekarbonisierung im Mobilitätssektor vor dem Hintergrund dieser Fakten erneut vorurteilsfrei geprüft werden.
Den größten Beitrag zur Erfüllung unserer Klimaschutzziele aber muss das Erneuerbare-Energien-Gesetz leisten. Das Ziel der Bundesregierung, den Anteil erneuerbaren Stroms bis 2020 auf 25 bis 30 Prozent auszubauen, bedeutet eine Verdopplung in den nächsten zwölf Jahren. Um diesen enormen Zuwachs bewältigen zu können, müssen deshalb alle erneuerbaren Energien weiter zielgenau gefördert werden.
Windenergie lieferte 2007 mit fast 40 Milliarden Kilowattstunden den größten Anteil am erneuerbaren Strom. Allerdings geht der Zubau in den letzten Jahren deutlich zurück. Daher ist es sinnvoll, das Repowering weiter zu fördern.
Offshorewind ist weiterhin der Hoffnungsträger der Politik für einen zügigen Ausbau der Windenergie, verbunden mit der Aussicht, an den windstarken Standorten vor der Küste eine wesentlich höhere Zahl an Volllaststunden zu erzielen. Allerdings gibt es nach wie vor ungelöste technische Probleme im Rahmen der Gründung, der Wartung auf hoher See und der Anforderungen an das Material durch Wind, Wasser und Salz. Auch hier sind weitere Anreize notwendig.
Biomasse hat einen Anteil von etwa 20 Prozent an der Ökostromproduktion. Flächenkonkurrenz und höhere Substratpreise erschweren den wirtschaftlichen Betrieb und weiteren Zubau. Deshalb muss der Bestand der Altanlagen gesichert und zugleich die Nutzung von Gülle forciert werden, um das klimaschädliche Ausgasen von Methan aus direkt auf die Felder ausgebrachter Gülle zu reduzieren.
Außerdem muss versucht werden, so viel organische Substrate wie möglich, auch Abfall- und Nebenprodukte, Biogasanlagen zugänglich zu machen. Eine bessere Wärmenutzung ist umweltpolitisch dringend erforderlich. Da könnte der KWK-Bonus weiter lenkend eingreifen.
Der Bereich des Sonnenstroms macht angesichts sehr hoher Kosten ein Nachjustieren erforderlich. So stellt die Fotovoltaik derzeit nur gut 3 Prozent des Ökostroms; ihr Anteil an der Gesamtvergütung erneuerbaren Stroms beträgt allerdings 20 Prozent.
Wasserkraft liefert seit Jahren konstant etwa 22 Milliarden Kilowattstunden Strom. Hier ist allerdings kein wesentlicher Zubau mehr möglich.
Geothermie spielt bislang keine Rolle in der Stromproduktion. Allerdings hat sie großes Potenzial, grundlastfähigen Strom zu liefern. Deshalb ist da weitere Förderung notwendig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, darüber hinaus müssen wir sehen, wie wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz weiterentwickeln und die erneuerbaren Energien näher an den Markt führen können. Dazu gehört, die zeitlichen Fristen für die optionale Eigenvermarktung flexibler zu gestalten. Ziel muss die Verschiebung der Erzeugung in die Zeiten hoher Nachfrage sein. Die Veredelungs- und Wälzungskosten müssen transparenter werden. Wir wollen unabhängigen Erzeugern ermöglichen, sich an diesem Markt zu beteiligen. Die Bundesnetzagentur sieht hier Effizienzpotenziale in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro.
Wir wollen virtuelle Kraftwerke fördern. Durch die Kombination von Wind-, Biomasse- und Speicherkraftwerken kann erneuerbarer Strom nahezu grundlastfähig werden.
Was wir uns allerdings nicht vorstellen können, ist die sehr weitgehende Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung. Denn damit wäre das Parlament bei der weiteren Gestaltung wichtiger Instrumente im EEG praktisch außen vor - so bitte nicht!
Das IKEP ist am Freitag letzter Woche im Bundesrat beraten worden. Nun wird die Bundesregierung eine Gegenäußerung vorlegen; die Ausschussberatungen des Bundestages einschließlich der Anhörungen finden von März bis Mai statt. Eine Verabschiedung im Bundestag und Bundesrat soll möglichst noch vor der Sommerpause erreicht werden, um bald Sicherheit über die Rahmenbedingungen für die Branche und die Finanzgeber zu erzielen.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung setzt mit dem IKEP und insbesondere mit den drei heute anberatenen Gesetzentwürfen energiepolitische Weichenstellungen für die Zukunft. Wir wollen alles daran setzen, die Vorhaben auf der Basis der ehrgeizigen Klimaschutzziele und im Dreiklang von Umweltschutz, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit erfolgreich zu gestalten. Wir wollen dabei auch die Punkte im Blick behalten, die im Rahmen des dritten Energiegipfels erarbeitet worden sind. Es wurde vom Prognos-Institut und vom EWI gezeigt, dass Klimaschutz und ein breiter Energiemix zu annehmbaren Kosten möglich sind. Allerdings gilt dies nur unter Einbeziehung aller uns zur Verfügung stehenden Energietechniken.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ich schließe die Aussprache.
Bei den Tagesordnungspunkten 4 a bis 4 c wird interfraktionell Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 16/8148, 16/8149 und 16/8150 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 4 d. Es geht um die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 16/4962 zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung auf Drucksache 15/5938 über den Bericht der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) über die Bestandsaufnahme und den Handlungsbedarf bei der Förderung des Exportes Eneuerbare-Energien-Technologien 2003/2004. Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen angenommen.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 5 auf:
Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Straßenbaubericht 2007
- Drucksache 16/7394 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann werden wir so verfahren.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner Herrn Bundesminister Wolfgang Tiefensee das Wort für die Bundesregierung.
Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir stellen heute den Straßenbaubericht 2007 vor. Wie in jedem Jahr legen wir ein Konvolut auf den Tisch, das nicht nur zum Zustand unserer Bundesfernstraßen Auskunft gibt, sondern gleichermaßen Informationen zur Finanzierung, zum rechtlichen Rahmen und zu modernen Technologien enthält. Ergänzt wird dieser Bericht durch ein umfangreiches Tabellenwerk. Sie können sich so davon überzeugen, dass wir in Deutschland über ein hervorragend ausgestattetes, dichtes Netz an Bundesfernstraßen verfügen, das sich mit denen anderer europäischer Staaten messen kann und das das Rückgrat für unsere Wirtschaft darstellt.
Der Zustand der Straßen ist im Durchschnitt gut, was aber nicht heißt, dass Abgeordnete in ihren Wahlkreisen nicht auch anderes erleben. Der Bericht zum Zustand unserer Straßen muss in den Zusammenhang mit Mobilität und Infrastruktur in unserem Land gesetzt werden. Es geht darum, dass wir einerseits mit dieser Infrastruktur die enormen Herausforderungen der Zukunft bewältigen müssen und andererseits eine Branche unterstützen müssen - immerhin sind 2,5 Millionen Menschen im Bereich der Logistik beschäftigt -, die uns wichtig sein muss.
Lassen Sie mich einige Daten aus diesem Bericht herausgreifen, um deutlich zu machen, wo wir stehen. Wir verfügen über ein Netz von ungefähr 12 500 Autobahnkilometern und über 40 000 Bundesfernstraßenkilometern.
Wir haben im Berichtszeitraum erheblich zulegen können, indem wir die von Ihnen bereitgestellten Bundesmittel eingesetzt haben, um 60 Kilometer der Bundesautobahnen zu erweitern und rund 180 Kilometer neu zu bauen. Wir haben 44 Kilometer der Bundesfernstraßen vierstreifig und 111 Kilometer zweistreifig ausbauen können und haben damit ein Drittel der Projekte im Bedarfsplan, der ein Finanzvolumen von rund 50 Milliarden Euro umfasst, fertigstellen können. In den neuen Bundesländern sind sogar 50 Prozent der Bedarfsplanprojekte als erledigt anzusehen. Das ist auch im Hinblick auf die Vereinigung Deutschlands eine Erfolgsgeschichte.
Ich greife nur die Küstenautobahn A 20, das Vorantreiben der A 38 oder den Fortgang bei der A 9 und der A 4 heraus. Hier sind wir gut vorangekommen, sodass wir konstatieren können: Ein Drittel der Aufgaben und die Hälfte der Verkehrsprojekte ?Deutsche Einheit? im Bedarfsplan des Ostens sind erledigt. Wir werden auch in den kommenden Jahren in dieser Richtung weiter investieren.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass Verkehr und Lebensqualität zusammengehören. Wir haben im vergangenen Berichtszeitraum auch in den Lärmschutz investieren können. Die Zahlen sind beachtlich: Wir haben Lärmwände in einer Größenordnung von rund 65 Kilometer und Lärmschutzwälle in einer Größenordnung von 75 Kilometer errichten können. 12 000 Quadratmeter Lärmschutzfenster konnten eingebaut werden. Wir haben Ortsumgehungen in einer Größenordnung von 120 Kilometer gebaut. Wir haben uns um Radwege gekümmert. Rund 90 Kilometer sind an Bundesfernstraßen entstanden. Das alles führt dazu, dass die Lebensqualität nicht durch den Verkehr beeinträchtigt wird.
Ein Weiteres: Wir kümmern uns um die Finanzierung nicht nur mit dem klassischen Instrument der Investitionsmittel über den Haushalt, sondern indem wir Public-Private-Partnership-Modelle in Gang setzen. Ich erinnere daran, dass wir im Berichtszeitraum erste Projekte im Bereich der A 8 Augsburg-München und der A 4 in Thüringen in Angriff nehmen konnten. Projekte im Bereich der A 1 werden folgen. Auch F-Modelle, der Albaufstieg auf der A 8 oder die Hafenquerspange in Hamburg, werden geprüft. Hier soll eine neue Finanzierung ermöglicht werden.
Darüber hinaus treiben wir die Planungsbeschleunigung voran. Wir brauchen kürzere Zeiträume zwischen der Idee, der Entwicklung eines Konzeptes und der Realisierung. Mit der Umsetzung unseres Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetzes und den dort enumerativ aufgeführten Maßnahmen erreichen wir eine Verkürzung um bis zu zwei Jahre, damit der volkswirtschaftliche Nutzen von Baumaßnahmen eher zum Tragen kommt.
Es geht darum, die Verkehrsbeeinflussung voranzutreiben. Sie finden in dem vorliegenden Bericht eine Fülle von Maßnahmen, wie wir Standstreifen zur Verfügung stellen und die Zuläufe zu Autobahnen regeln, aber auch auf Staus und dergleichen mehr aufmerksam machen. Wir wollen die Maut, die sich zu einer Erfolgsstory ausweitet, auch dazu nutzen, Verkehre beeinflussen zu können. Da ist sicherlich in der Zukunft noch einiges zu tun.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Das Geld ist gut angelegt. Wir kommen voran, wenn es darum geht, die Maßnahmen des Bedarfsplanes im Hinblick auf die Bundesfernstraßen abzuarbeiten.
Wir müssen aber - das soll in diesem Zusammenhang der letzte Gedanke sein - die Kapazitäten der Straße in den Modal Split mit den anderen Verkehrsträgern einordnen. Dies gilt auch für die Herausforderungen, die in Europa vor uns stehen. Deutschland ist Drehscheibe. Ich verhehle nicht, dass wir im Hinblick auf die Zunahme des Güterverkehrs auf der Straße - wir prognostizieren bis 2050 einen Anstieg auf das Doppelte; das ist ein Anstieg um 100 Prozent - noch lange nicht so weit sind, dass wir eine Antwort auf jede in diesem Zusammenhang wichtige Frage gefunden hätten. Wir werden im Masterplan Güterverkehr und Logistik, den wir voraussichtlich im März der Öffentlichkeit vorstellen werden, viele Antworten geben. Wir wollen auch auf der europäischen Ebene zusammen mit dem Verkehrskommissar nach Lösungen suchen.
Meine Damen und Herren, es geht darum, Verkehr zu vermeiden, ihn intelligent zu lenken und jedem Verkehrsträger - Straße wie Schiene wie Binnenwasserstraße - den ihm gemäßen Platz zuzuweisen. Dort, wo er den größten Nutzen entfaltet, die Lebensqualität nicht beeinträchtigt und den Klimaschutz vorantreibt, soll er eingesetzt werden.
Wir sind auf einem guten Weg. Der Bericht, den wir Ihnen heute vorlegen, belegt das mit eindrücklichen Zahlen.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Jan Mücke für die FDP-Fraktion.
Jan Mücke (FDP):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Deutschland ist seit Jahren Exportweltmeister, was sich auch im grenzüberschreitenden Güterverkehr widerspiegelt. Die Zahl der grenzüberschreitenden Lkw-Fahrten stieg zwischen 1996 und dem Berichtsjahr 2006 um circa 70 Prozent. Der Umfang der Güterverkehrsleistungen stieg von 57,9 Milliarden Tonnenkilometer im Jahr 1996 auf über 105 Milliarden Tonnenkilometer im Berichtsjahr 2006. Das entspricht einem Zuwachs von 82 Prozent innerhalb von 10 Jahren, also innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes. Ein ähnliches Bild stellt sich uns im Inland dar. Dort nahmen die Güterverkehrsleistungen in den letzten 10 Jahren um 54 Prozent zu, bezogen auf die letzten 15 Jahre sogar um 75 Prozent.
Dieser Anstieg wird nach allen Prognosen, nach allem, was wir aus der Verkehrswissenschaft wissen, in den nächsten Jahren anhalten; bis 2015 wird - das steht in dem Bericht - ein Zuwachs von 64 Prozent erwartet. Die Realität hat diese Prognosen aber längst eingeholt. Die Zahlen, die für 2015 prognostiziert wurden, werden wir wahrscheinlich schon 2008, also in diesem Jahr, erreichen.
Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Güterverkehrsleistung bei gleichbleibendem Straßenanteil bis zum Jahr 2050 verdoppelt haben wird.
Die Frage ist, wie das Parlament mit der prognostizierten Verdoppelung umgeht. Wenn wir Exportweltmeister bleiben wollen, müssen wir uns die Frage stellen, wie die Verkehrsinfrastruktur künftig finanziert werden soll. Ist Deutschland fit für die Verdoppelung des Güterverkehrsaufkommens? Wenn ich den Straßenbaubericht unter diesem Blickwinkel lese, muss ich feststellen, dass das Bild, das sich abzeichnet, nicht so rosig ist, wie es der Herr Minister hier geschildert hat.
Ich möchte aber nicht nur auf die Investitionen, sondern vor allem auf den Zustand der bestehenden Straßen eingehen. Schauen Sie sich einmal den Fahrbahnzustand unserer Bundesstraßen an: Nur circa 58 Prozent sind voll gebrauchsfähig, 17,9 Prozent sind leicht eingeschränkt gebrauchsfähig, und 23,5 Prozent sind stark eingeschränkt gebrauchsfähig. Diese Zahlen sind erschreckend. Es ist ein Problem, wenn wir nur 60 Prozent der Bundesstraßen vollständig nutzen können. Wir wissen, dass diese Zahlen aus den Jahren 2003 und 2004 stammen. Wenn wir unsere Bundesstraßen benutzen, können wir täglich feststellen, in welchem Zustand sie sich befinden. Das lässt nichts Gutes für die Zukunft erahnen.
Das gilt insbesondere, wenn wir den prognostizierten Anstieg bei den Güterverkehrsleistungen berücksichtigen.
Aber auch in Bezug auf den Ausbau des Fernstraßennetzes besagt der Bericht für das Berichtsjahr nichts Erfreuliches. Zwar wurden auch in diesem Jahr Projekte neu für den Verkehr freigegeben, insgesamt nahm die Länge der Bundesfernstraßen aber um 104 Kilometer ab. Das kann nicht allein der Tatsache geschuldet sein, dass es Umstufungen gegeben hat; denn auch die Länge der übrigen überörtlichen Straßen hat abgenommen, und zwar um 17 Kilometer.
Ich möchte Sie an die 60er- und den Anfang der 70er-Jahre erinnern - damals war ich noch gar nicht geboren -: Zu dieser Zeit wurden in einem Haushaltsjahr mehrere hundert Kilometer an Bundesfernstraßen neu gebaut. Von diesen Zahlen sind wir weit entfernt.
Warum sind wir weit entfernt davon? Vor allem, weil im Haushalt sehr viel weniger Geld zur Verfügung steht, als eigentlich notwendig wäre.
Wir alle wissen, dass die Pällmann-Kommission vor einigen Jahren versucht hat, den für Ausbau und Erhaltung des Bundesfernstraßennetzes notwendigen Finanzbedarf objektiv festzustellen. Dort ist man auf einen Mindestbetrag von 6,5 Milliarden Euro im Jahr gekommen.
Sie alle kennen die Haushaltszahlen. Der Haushaltsansatz für 2006 lag bei 4,86 Milliarden Euro. Die Koalition hat versucht, durch Umschichtungen 1 Milliarde Euro draufzulegen. Am Ende ist sehr viel weniger herausgekommen. Wenn diese Entwicklung, die schon einige Jahre anhält, so weitergeht, dann heißt das nichts anderes, als dass wir in jedem Jahr immer weniger Geld für die Bundesfernstraßen für Verfügung haben und dass sich der Zustand der Bundesfernstraßen dauerhaft verschlechtern wird, weil wir nicht mehr investieren.
Die Finanzplanung der Bundesregierung sieht keineswegs einen Aufwuchs oder - wie der Herr Minister immer so freundlich sagt - eine Verstetigung der Finanzmittel vor. Die Finanzplanung weist beispielsweise für das Jahr 2011 nur noch Investitionen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro aus. Das ist erheblich weniger als das, was die Pällmann-Kommission objektiv als Bedarf für den Ausbau der Bundesfernstraßen festgesetzt hat.
Ich möchte namens der FDP-Fraktion noch an einen Fakt erinnern, der in der Öffentlichkeit immer weniger eine Rolle spielt, weil die meisten die Mehrwertsteuererhöhung und diverse andere Preissteigerungen schon völlig vergessen haben. Ich erinnere an die Äußerungen aus der Bauindustrie, die erst Anfang der Woche auf der bautec hier in Berlin gemacht wurden: Vom Jahr 2006 bis heute gab es einen Anstieg der Baupreise um fast 8 Prozent. Daran hat die Mehrwertsteuererhöhung einen ganz erheblichen Anteil. Wenn wir um die Preissteigerungen - ganz genau sind es 7,7 Prozent - wissen, aber unseren Etat für die Bundesfernstraßen nicht weiter ausbauen, heißt das, dass wir mit demselben Ansatz von Jahr zu Jahr weniger an Bundesfernstraßen bauen und unsere Infrastruktur immer schlechter wird. Das ist absolut nicht ausreichend, um unsere Pflichten auf Dauer zu erfüllen und um auf die Verdopplung des Güterverkehrsaufkommens - das betone ich für die Öffentlichkeit - in den nächsten Jahren eine adäquate Antwort zu geben.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch an die Maut und an den Mautbetrug erinnern. Ursprünglich wurde davon gesprochen, dass die Mehreinnahmen, die wir aus der Maut erzielen, zusätzlich zu den Mitteln, die aus dem Haushalt für die Straßeninfrastruktur zur Verfügung gestellt werden, investiert werden. Diese zusätzlichen Mittel wurden nie für die Bundesfernstraßen verwendet; denn der Bundesfinanzminister hat seinen Zuschuss für den Verkehrshaushalt um genau den Betrag, den wir über die Maut zusätzlich einnehmen, gekürzt. Diesen Zustand können wir als FDP-Fraktion auf gar keinen Fall hinnehmen, weil dies dauerhaft dazu führt, dass unsere Straßeninfrastruktur von Jahr zu Jahr schlechter statt besser - das wäre notwendig - wird.
Wir alle müssen uns die Frage stellen: Was ist uns eine gute Straßeninfrastruktur oder Infrastruktur generell wert? Gerade einmal 2 Prozent aller Ausgaben im Bundeshaushalt sind in die Fernstraßeninfrastruktur investiert worden; diese Zahl ist viel zu gering. Dieser Wert reduziert sich im Übrigen für das Jahr 2007 auf 1,8 Prozent.
Wir müssen die Prioritäten für die Investitionen in diesem Land ganz anders setzen. Wenn wir nicht wollen, dass Deutschland im Verkehrskollaps erstickt, wenn wir wollen, dass wir weiter Wirtschaftswachstum haben, dann brauchen wir eine hervorragende Infrastruktur. Diese muss anständig finanziert werden.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Klaus Lippold für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Klaus W. Lippold (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte vorwegschicken, Herr Minister Tiefensee, dass ich Ihnen für den Erfolg bei der Umsetzung des Bedarfsplans Straße ganz herzlich danken will. Es ist ein Erfolg, den wir miteinander erzielt haben. Man sollte das nicht kleinreden lassen.
Dass es dazu noch einige Anmerkungen gibt, ist völlig richtig. Aber man muss deutlich sagen, dass wir die Zeichen der Zeit erkannt haben, dass wir die Verkehrsentwicklung kennen. Die Verkehrsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland zeichnet sich nach wie vor dadurch aus, dass der Straßenverkehr nicht nur einen hohen Anteil hat, sondern auch in Zukunft haben wird. Über die Frage der Verlagerung wird zwar immer wieder diskutiert, aber aufgrund der Kapazität des Schienennetzes ist dies nicht möglich.
Ich will darauf hinweisen, dass der Ausbau der Schieneninfrastruktur, insbesondere im Hafenhinterland, eine weitere Möglichkeit ist, zur Entlastung der Straße beizutragen. Denn wenn wir den gesamten Containerverkehr, den wir erfolgreich in unseren Häfen anlanden, hinterher auf der Straße wiederfinden, dann ist diese Situation untragbar. Deshalb ist es absolut notwendig, die Schiene als Ergänzung der Straße einzubeziehen. Daran werden wir weiterhin arbeiten.
Ich will darüber hinaus deutlich machen, dass der Straßenbau für die Entwicklung unserer Wirtschaft von besonderer Bedeutung ist. Dabei geht es auch, aber nicht nur um die Bauindustrie. Selbstverständlich ist allerdings auch die Bauindustrie von der Auftragsvergabe in diesem Bereich betroffen. Dieser Punkt ist für die Entwicklung der Wirtschaft in Deutschland zentral.
Herr Minister, Sie haben auf die Entwicklungen im Logistikbereich hingewiesen. Die Logistik wird eine wichtige Zukunftsbranche sein; das gilt für die Weltwirtschaft insgesamt. Deshalb sind wir gehalten, unsere Infrastruktur so auszubauen, dass wir in diesem Bereich mithalten können, damit wir auch in Zukunft von den positiven Entwicklungen, die wir im Logistikbereich bislang zu verzeichnen haben, profitieren können.
Vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung wird das besonders notwendig sein. Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Wir haben die EU-Osterweiterung gemeinschaftlich bejaht. Aber mit dem aus ihr resultierenden Mehrverkehr müssen wir auch de facto umgehen können. Auch das ist im Hinblick auf den Straßenverkehr ein wichtiger Aspekt.
Wer sich die Haushalte unserer osteuropäischen Nachbarländer ansieht, der stellt fest, dass dort im Bereich der Straße viel investiert wird, im Bereich der Schiene aber fast gar nichts. Der Verkehr aus diesen Ländern wird also vor allem über die Straße kommen. Er kann aber nicht an der bundesdeutschen Grenze auf die Schiene umgeladen werden.
Daher müssen wir darauf achten, dass wir in Zukunft trotz all dieser Entwicklungen handlungs- und mobilitätsfähig bleiben. Dieser Punkt ist für uns von ganz entscheidender Bedeutung.
Ich will noch etwas zur Erhaltung der Infrastruktur sagen. Herr Minister, Sie haben freundliche Worte benutzt, indem Sie gesagt haben, dass wir auf unseren Straßen im Durchschnitt noch keine Probleme haben. Die Formulierung ?im Durchschnitt? macht deutlich, dass es Abweichungen nach oben und nach unten gibt. Zu meiner Freude haben wir in den neuen Bundesländern ein hervorragendes System aufgebaut, das von einigen in diesem Hause manchmal nicht in dem Maße gewürdigt wird, in dem es gewürdigt werden sollte.
Ich möchte einmal darauf hinweisen, dass wir im Bereich der Verkehrsinfrastruktur generell, insbesondere aber im Bereich der Straßenverkehrsinfrastruktur im Interesse der neuen Bundesländer Hervorragendes geleistet haben.
Allerdings häufen sich die Defizite in den alten Bundesländern; das muss man ohne Umschweife sagen. Auch hier muss etwas getan werden. Früher hieß es: Wenn man von Hessen nach Thüringen fährt, merkt man das an der Straße. Heute heißt es: Wenn man von Thüringen nach Hessen fährt, merkt man das an der Straße. Das kann auf die Dauer nicht so weitergehen.
Herr Minister, wir haben uns einmal gemeinschaftlich und mit großem Erfolg dafür eingesetzt, dass mehr Mittel für die Verkehrsinfrastruktur bereitgestellt werden. Ich glaube, diesen Kampf sollten wir jetzt fortsetzen. Denn der letzte Erfolg, den wir gemeinschaftlich erzielt haben, war leider nicht so groß, wie ich es mir erhofft habe; auch das möchte ich ganz deutlich sagen.
Wenn ich mir vor Augen führe, wie viel wir in Brückenbauten investieren müssen, welche Zusatzinvestitionen auf uns zukommen und was wir in den Lärmschutz investieren müssen, stelle ich mir die Frage: Was bleibt dann noch für den dringend notwendigen Neubau, den wir den Bürgern versprechen, zum Beispiel für den Neubau von Umgehungsstraßen etc., der auch zur Sicherung der Lebensqualität der Menschen beiträgt und nicht nur Belastungen mit sich bringt? Auch das muss sichergestellt werden.
Ich sage ganz unverhohlen, dass es einen Punkt gibt, der mir nicht gefällt: Wenn es in einem Finanzierungssystem wie der IKB zu einer Krise kommt, dann sind plötzlich und schnell 6 Milliarden Euro verfügbar.
Ich sage ganz deutlich: Ich möchte nicht, dass es erst zu einer Krise kommen muss - zum Beispiel, wie es in Milwaukee geschehen ist, durch eine eingestürzte Brücke -, damit Mittel für den Straßenbau zur Verfügung gestellt werden. Das muss vorher geschehen und nicht hinterher, wenn die Brücke bereits eingestürzt ist!
Das setzt voraus, dass wir hierfür generell Mittel einplanen.
Wir dürfen uns nicht nur daran orientieren, was gerade in einem spezifischen Teilabschnitt notwendig ist. Der Investitionsbedarf ergibt sich auch daraus, dass es zu Preiserhöhungen gekommen ist, die, wenn über die Höhe der bereitgestellten Mittel entschieden wird, berücksichtigt werden müssen. Hier sind Positionen, bei denen einiges getan werden muss.
Ich bin froh, dass es uns gemeinschaftlich gelungen ist, die Mittel für den Lärmschutz aufzustocken. Ich glaube, dass das im Sinne aller Bundesbürger ist. Lärmbelastung bedeutet nämlich eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität. Wir werden an diesem Punkt weiter arbeiten müssen. Wir müssen allerdings nach kosteneffizienten Lösungen suchen. Wenn ich von Aschaffenburg aus in den bayerischen Raum hinein fahre und die Kapselungen betrachte, muss ich mich fragen, inwieweit Kosteneffizienz gegeben ist, ob es vertretbar und begründbar ist, wenn so viel an Mitteln für ein verhältnismäßig kurzes Stück Lärmschutz aufgewandt wird. Die effiziente Verwendung von Mitteln ist eine der Positionen, von denen ich meine, dass wir sie angehen müssen.
Wir dürfen die Erfolge bei der Schaffung von Radwegen an Bundesfernstraßen nicht kleinreden. Radwege an Bundesfernstraßen sind nicht nur ein Beitrag zu mehr Sicherheit. Es gibt hier dringenden Bedarf, dem wir entgegenkommen müssen. Auch an diesem Punkt sollten wir weiter arbeiten.
Rastplätze an Bundesautobahnen, insbesondere für den Lkw-Verkehr, sind - das müssen wir deutlich machen - notwendig. Hier gibt es nach wie vor einen Engpass. Sie, Herr Minister, haben sich kürzlich dazu geäußert. Ich sage ganz offen: Auch wenn es nicht abgestimmt war, habe ich es begrüßt. Auch hier muss also noch etwas getan werden.
Wir sollten einmal gemeinschaftlich prüfen, inwieweit eine Privatfinanzierung der Rastplätze denkbar und möglich ist. Wir müssen PPP sicherlich stärker einsetzen, als das bislang der Fall ist. Wir sollten die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft besser ausstatten, damit sie handlungsfähiger wird und eine stetige Mittelvergabe erfolgen kann. Den Grundstock würde die Überweisung der Mauteinnahmen an diese Institution bilden. Ferner wäre es sinnvoll, mit den Haushältern über eine begrenzte Kreditfähigkeit dieser Institution zu sprechen. Das alles - PPP-Projekte auf der einen Seite, Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft auf der anderen Seite - ersetzt allerdings nicht die Anmerkungen, die ich zum Haushalt und generell zur Finanzierung gemacht habe; auch diese Dinge sind nach wie vor notwendig.
Letzter Gedanke. Ich halte es für wichtig, dass wir die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern optimal gestalten, damit fließende Übergänge möglich sind. Auch dadurch können wir die Straße entlasten. Das setzt, um das deutlich zu sagen, voraus, dass die Bahn ihr Angebot an Güterannahmestellen zumindest aufrechterhält. Die Bahn muss erreichbar sein, wenn sie ihren Beitrag in der Fläche leisten können soll. Wenn Güterannahmestellen geschlossen werden, ist eine Verlagerung von Verkehr von der Straße auf die Schiene, vorsichtig gesagt, nur widersprüchlich zu denken. Hier muss sich etwas ändern. Das Ganze muss logisch, in sich stimmig zusammengeführt werden. Da haben wir noch etwas zu tun. Aber nach dem, was wir bislang gemeinschaftlich geschafft haben, muss ich sagen: Wir werden, wenn wir es weiterhin entschlossen angehen, noch mehr in dieser Richtung schaffen.
Ganz herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dorothée Menzner für die Fraktion Die Linke.
Dorothée Menzner (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Nach Weihnachten haben wir alle Jahre wieder das gleiche Ritual: Die Bundesregierung legt den Straßenbaubericht für das Vorjahr vor. Er hat fast den gleichen Text wie sein Vorgänger; lediglich bei den Zahlen kann man eine Anpassung an die aktuelle Entwicklung feststellen.
Über den Straßenbaubericht 2006 haben wir im Plenum nicht diskutiert, nur im Ausschuss. Aber wenn ich an unsere Debatte über den Straßenbaubericht 2005 denke - das war am 16. März 2006 -, muss ich sagen, dass es - sieht man von dem Part ab, den wir den Maßnahmen für die damals bevorstehende Fußballweltmeisterschaft gewidmet haben - nicht auffallen würde, wenn wir die gleichen Reden wie vor zwei Jahren wieder halten würden. Die Linke kritisierte damals, dass in den Neubau von Straßen zu viel Geld fließt. Zwar sagen wir kein kategorisches Nein zum Neubau; aber Instandhaltung, Erhalt und Ausbau der bestehenden Straßen muss aus unserer Sicht unbedingt Vorrang eingeräumt werden.
Im Bericht 2007 stellen wir nunmehr fest, dass der Bestand an Bundesfernstraßen abnimmt. Auch die Ausgaben des Bundes für den Straßenbau sinken. 2007 gab es zwar 168 Kilometer mehr Autobahnstrecken, aber gleichzeitig 272 Kilometer weniger Bundesstraßen als 2006. Per saldo ist also die Netzlänge um 104 Kilometer geschrumpft. Der Rückgang resultiert im Wesentlichen aber nicht daraus, dass Straßenabschnitte zurückgebaut worden und dort Wälder und Wiesen entstanden wären, sondern aus einer Umwidmung. Bundesstraßenabschnitte wurden zu Landstraßen umgewidmet, was dann auch bedeutet, dass die Kosten für Unterhalt und Instandhaltung andere zu tragen haben.
Es ist dem aktuellen Bericht zu entnehmen, dass weniger Autobahnabschnitte gebaut wurden und mehr für die Substanzerhaltung getan wurde. Dies begrüßt die Linke ausdrücklich; das wollte ich an dieser Stelle auch einmal sagen.
Dem vorliegenden Bericht hätte ich aber gern etwas mehr zu anderen Themen entnommen, unter anderem zur Ausweitung von Mautstrecken. Gerade zu den Strecken, die vom Güterverkehr als Ausweichstrecken benutzt werden, weil sie dicht an Autobahnen vorbeiführen bzw. parallel zu Autobahnen verlaufen, finde ich in diesem Bericht zu wenig. Hier wünsche ich mir für den nächsten Bericht deutlich mehr; hier müssen wir, wie ich glaube, etwas tun.
Ein Blick auf die dem Bericht angefügte Straßenkarte genügt, um festzustellen, dass in den Landesteilen im Westen, abgesehen von kleinen Ausnahmen, genügend Autobahnen vorhanden sind. 2007 wurden einige Autobahnabschnitte vollendet; ich spreche jetzt nur die A 14 Halle-Magdeburg, die A 20 Lübeck-Stettin und die A 38 Göttingen-Halle an. Herr Lippold, was Sie zu diesem Thema gesagt haben, ist komplett falsch. Die Linke hat nie gesagt, es werde zu wenig in die Infrastruktur im Osten investiert. Über diesen Bereich haben wir uns nie nennenswert beklagt. Wir haben zwar gesagt, es gebe große Defizite, aber das Thema Straßen ist nicht unbedingt ein Schwerpunkt unserer Kritik.
Im Osten Deutschlands ist also eine Menge getan worden. Aber die Straßenkarte zeigt auch, dass es nach wie vor Lücken gibt, auch solche, bei denen es einen schon jucken könnte, einen Filzer zu nehmen und eine Verbindung zu schaffen. So dürfte zum Beispiel die Autobahn 14 Magdeburg-Wismar durchaus noch sinnvoll sein. Das ist übrigens eine sehr alte Planung; dieser Abschnitt war schon zu DDR-Zeiten vorgesehen. Aber bei der A 39 Lüneburg-Wolfsburg sieht es schon anders aus. Hierfür sehen wir keine Notwendigkeit, und es existiert nicht nur bei uns, sondern auch in der betroffenen Region Widerstand. Nicht zuletzt sieht der Bundesverkehrswegeplan von 2003 bei der A 39 keinen vordringlichen Bedarf.
An diesem Beispiel wird deutlich, dass wir bei Lückenschlüssen sehr wohl berücksichtigen müssen, wie sie von den Menschen in den betroffenen Regionen angenommen werden. Eine Verkehrspolitik ohne Akzeptanz der Menschen läuft in die falsche Richtung.
Als Beispiel erwähne ich nur den umstrittenen Weiterbau des Stadtrings hier in Berlin, der einerseits gravierend ins Stadtbild einschnitte, andererseits aber einen Lückenschluss in Richtung Ostsee ermöglichte. Dies muss nach unserer Auffassung aber mit den Menschen gemeinsam diskutiert werden; hier darf man keine Politik am Reißbrett machen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, uns fehlt im Straßenbaubericht eine kritische Abwägung von Maßnahmen. Woher sollte sie aber kommen, wenn dieser Bericht Jahr für Jahr fortgeschrieben wird und nur die Zahlen des vergangenen Jahres eingearbeitet werden? Es ist hier schon angesprochen worden, dass wir eine Verdoppelung der Transportmengen im Güterverkehr erwarten. Sollten diese Prognosen eintreffen, wird es erhebliche Auswirkungen haben. Allerdings sind diese Prognosen für 42 Jahre berechnet, da sie bis zum Jahr 2050 reichen, und damit noch längst nicht Realität. Erstens kann man hier inhaltlich umsteuern - dem sollten wir uns stellen -, und zweitens muss ich niemandem hier im Hause erzählen, wie sehr sich Deutschland in den letzten 42 Jahren verändert hat. Wir dürfen also nicht als Gesetz annehmen, dass das unbedingt genau so eintreten wird, wie es prognostiziert worden ist.
Hätte zum Beispiel 1840 jemand eine Verkehrsprognose für die nächsten 40 Jahre abgegeben, dann hätte er die Verkehrsprobleme sicherlich anders eingeschätzt, als sie sich 1880 tatsächlich darstellten. Damals gab es ein sehr dichtes Eisenbahnnetz, von dem wir heute nur träumen können. Seitdem ist es zerfleddert worden und geschrumpft.
Wenn wir Transportprobleme lösen wollen, dann müssen wir die Bahn mit in die Verantwortung nehmen. Wir müssen die Verkehrsträger gemeinsam betrachten. Deswegen ist ein Straßenbaubericht alleine etwas zu kurz gesprungen. Nur die Kombination aller Verkehrsträger wird uns helfen, Probleme zu lösen und dabei den Menschen und der Umwelt gerecht zu werden.
Deswegen betone ich an dieser Stelle für unsere Fraktion ausdrücklich: Die Bahn ist ein wichtiger Verkehrsträger und kann nicht losgelöst von der Straße betrachtet werden. Ebenso wie die Bundesfernstraßen, die nicht Renditeinteressen unterworfen werden dürfen - wir sind grundsätzlich gegen PPP-Projekte -, darf auch die Bahn nicht den Interessen renditehungriger Anleger unterworfen werden.
Wir meinen, dass wir nicht nur einen Straßenbaubericht - so wichtig dieser Teilaspekt auch ist -, sondern auch einen Verkehrswegebericht brauchen und regen an, die Verkehrsprobleme und -anforderungen integrierter zu betrachten und ein integriertes Verkehrskonzept für Straße, Schiene und Wasserstraße zu erarbeiten und fortzuschreiben.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Anton Hofreiter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Jahren sind einige Trends deutlich sichtbar geworden, die mehr oder weniger mit dem Straßenbau verknüpft sind. Dazu gehört zunächst der Klimawandel, der kaum noch zu leugnen ist. Man muss die CDU/CSU loben: Auch sie hat inzwischen erkannt, dass der Klimawandel ein ernstes Problem ist.
Der Rohölpreis ist auf über 100 Dollar pro Barrel gestiegen. Andere bereits bekannte Entwicklungen wie die Abwanderung und Alterung der Bevölkerung in vielen Teilen Deutschlands haben sich fortgesetzt. Der Schwerverkehr auf den Bundesfernstraßen hat in manchen Bereichen stark zugenommen. Der Unterhaltsrückstand bei den Bundesfernstraßen ist nicht etwa geringer geworden, sondern hat tendenziell weiter zugenommen. Des Weiteren kommt - wie bereits erwähnt wurde - eine große Anzahl von Brücken in ein Alter, in dem eine Sanierung dringend notwendig ist.
Wie hat das Bundesverkehrsministerium auf diese Entwicklungen reagiert? Im Straßenbaubericht findet sich dazu wenig. Es wird einfach weiter in den Neubau von Straßen investiert. Die Rede des Bundesministers war ein sehr schönes Beispiel dafür, wie man eine ganze Reihe von entscheidenden Trends ignorieren kann. Auch die eigentlich bemerkenswerte Rede des Herrn Kollegen Lippold war im Gegensatz zu seiner einleitenden Bemerkung, dass die Zeichen der Zeit erkannt wurden, ein schönes Beispiel dafür, dass sie nicht erkannt wurden. Es wurde dargestellt, wie das zweitwichtigste Netz - das Schienenverkehrsnetz - vernachlässigt wird und entscheidende Maßnahmen nicht ergriffen werden. Die Rede war interessant, aber sie hat eher die Defizite aufgezeigt.
Lassen wir aber zunächst die Klima- und Umweltfrage beiseite und wenden wir uns der Frage zu, ob das investierte Geld unter verkehrlichen Gesichtspunkten sinnvoll eingesetzt wird. Im Straßenbaubericht findet sich eine ganze Reihe von Beispielen aus Mecklenburg-Vorpommern, Bayern oder Niedersachsen, wo Geld für Ortsumgehungen eingesetzt wird, die von 4 000, 6 000 oder 7 000 Kraftfahrzeugen am Tag genutzt werden. Das heißt, wir haben Geld ausgegeben, Fläche verbraucht und Natur zerstört und dabei nicht einmal verkehrliche Probleme gelöst.
Vor dem Hintergrund, dass unsere Bundesstraßen im Durchschnitt von 9 000 Kraftfahrzeugen am Tag - auf manchen werden täglich 50 000 Kfz gezählt - und die Bundesautobahnen von 100 000 Kraftfahrzeugen befahren werden, geben wir Geld für Straßen aus, die nur von einem Bruchteil davon genutzt werden.
Angesichts der ökonomischen Abhängigkeit unseres Landes von einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur ist die Vernachlässigung der Beseitigung der Engpässe zugunsten von Investitionen in Straßen, auf denen nichts los ist, volkswirtschaftlich hochgradig schädlich.
Es geht auch um die zeitnahe Beseitigung von Engpässen. Dies darf nicht erst in 20 oder 30 Jahren geschehen. Dazu gibt es eine ganze Reihe von einfachen Maßnahmen wie die Einführung eines Tempolimits - es erhöht die Durchgängigkeit -, die Telematik - sie kostet zwar ein wenig Geld, ist aber weitaus schneller umsetzbar - und eine zeitlich gestaffelte Lkw-Maut. Das alles kann man relativ schnell umsetzen und entlastet damit an den entscheidenden Stellen das Straßennetz.
Nun zu der schönen Rede der FDP. Die FDP hat sich - wie erwartet - ganz klassisch verhalten. Sie verhält sich in diesem Bereich wie ein Gast, der gerne ein Fünf-Sterne-Hotel hätte, im Steuerbereich verhält sie sich aber so, als müsste man dafür nur wie für ein Ein-Sterne-Hotel bezahlen. Das geht einfach nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich schätze euch. Aber redet doch einmal mit euren Finanzpolitikern, damit eure Politik zumindest ansatzweise stimmig wird.
Wir geben gerne zu, dass es richtig ist, wie vorgesehen mehr Geld für den Unterhalt auszugeben. Aber noch immer fallen 45 Prozent der Brücken in die Kategorien ?kurzfristige Sanierung? oder ?sofortige Sanierung?.
Eine zentrale Aufgabe der Verkehrspolitik ist es, Mobilität für alle zu sichern. Angesichts von Rohölpreisen in Höhe von über 100 Dollar stellt sich die Frage, ob Straßenneubau die richtige Antwort ist. Man darf nicht vergessen: Bereits jetzt haben nur rund 50 Prozent der Bevölkerung einen regelmäßigen Zugang zum Auto.
Deshalb denkt einmal darüber nach, ob Straßenneubau eine sinnvolle Antwort ist, wenn die Preise weiter steigen. Des Weiteren stellen wir fest: Viele der jetzt gebauten Projekte sind vor über 30 Jahren geplant worden. Seitdem haben sich aber die Verkehrsströme verlagert. Die Menschen wohnen und arbeiten woanders. Können wir es uns wirklich leisten, so überholte Planungen noch umzusetzen?
Wir müssen bis zum Jahr 2050 die CO2-Emissionen um 80 Prozent reduzieren, um ein stabiles Klima zu erhalten und unsere Lebensgrundlagen zu sichern. Eine Straße baut man aber nicht für fünf bis zehn Jahre, sondern für 30, 40 oder 50 Jahre. Im Jahr 2013 wird der nächste IPCC-Report erwartet. Wir wissen bereits, dass er noch viel dramatischer ausfallen wird als der im letzten Jahr, der die uns allen bekannten Wirkungen entfaltet hat. Darauf deuten alle wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum Beispiel zur Entwicklung des Grönlandeises hin. Das ist nicht zu bestreiten. Es ist zu befürchten, dass sich der Straßenneubau in wenigen Jahren als Investitionsruine herausstellen wird.
Was ist nötig? Wir brauchen dringend eine Revision des Bundesverkehrswegeplans und der Infrastrukturausbaugesetze. Wir brauchen eine Mobilitätsgesamtplanung zur Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen und der Wirtschaft in diesem Lande, welche die unbestrittenen Trends - noch nicht einmal eure Kanzlerin bestreitet sie - nicht ignoriert, wie es gerade der Bundesverkehrsminister getan hat, sondern sie berücksichtigt.
Eine klimafreundliche, erdölarme und leistungsfähige Infrastruktur lässt sich aber nicht über Nacht schaffen. Mit Planung und Umsetzung müssen wir jetzt beginnen. Es gilt jetzt umzusteuern, um Mobilität für unsere Wirtschaft und für uns alle zu erhalten.
Ich hoffe nicht - das meine ich ehrlich -, dass wir wieder - wie beim Klimaschutz - 20 Jahre Überzeugungsarbeit leisten müssen, damit ihr dann endlich so weit seid, wie wir es bereits vor 20 Jahren waren.
Sonst haben wir ökonomisch und umweltpolitisch, aber auch im Mobilitätsbereich ernsthafte Probleme.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nun hat das Wort der Kollege Jörg Vogelsänger für die SPD-Fraktion.
Jörg Vogelsänger (SPD):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir debattieren über den Straßenbaubericht 2007 in der Kernzeit im Parlament und nicht im Ausschuss. Das ist angemessen. Der Ausbau und der Erhalt der Infrastruktur sind entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Hier bleibt die Koalition am Ball.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, zur Erinnerung: Der Bundesverkehrswegeplan wurde 2003 von Rot-Grün verabschiedet. Die Große Koalition macht nichts anderes, als diesen umzusetzen. Sie von der FDP waren nicht mit dabei gewesen,
aber die Grünen waren dabei, und wir haben einen guten Bundesverkehrswegeplan.
Weiter: Die Große Koalition hat gehandelt. Wir haben die mittelfristige Finanzplanung für den Bereich Verkehrsinfrastruktur - das betrifft Schiene, das betrifft Wasserstraße, das betrifft Straße - deutlich verbessert, und zwar im Milliardenbereich. Mir ist klar, dass sich der eine oder andere mehr wünscht. Herr Mücke, das ist für einen Verkehrspolitiker völlig klar. Das gebe auch ich zu. Aber die Umsetzung ist - auch wenn man selber in der Regierung ist - sehr viel schwieriger. Ich empfehle Ihnen einen Blick nach Niedersachsen, wo die FDP in der Regierung sitzt. Schauen Sie sich einmal den Haushalt an! Dann wissen Sie, wie viel das Land Niedersachsen in Landesstraßen investiert. Da zeigt sich, wie Verantwortung wahrgenommen wird. Auch das muss man machen.
- Wir reden über den Bund, und wir sind im Bundestag, aber bei der Verkehrsinfrastruktur sind wir alle in der Verantwortung, auch die Länder. Das sollten wir ganz deutlich machen.
Wir als Große Koalition haben auch im Verkehrshaushalt 2008 deutlich nachgebessert, und zwar im dreistelligen Millionenbereich.
Es ist ein Erfolg der Koalition, dass wir diesen dreistelligen Millionenbetrag bereitgestellt haben. Das Geld wird sinnvoll eingesetzt. Unser verehrter Ausschussvorsitzender hat schon darauf hingewiesen, dass wir ein deutliches Problem hinsichtlich der Lkw-Parkplätze an Autobahnen haben. Es kann und darf nicht sein, dass wir dem Speditionsgewerbe eine Auflage nach der anderen machen, was notwendig ist, aber nicht genügend Stellplätze vorhanden sind. Deshalb ist das sinnvoll eingesetztes Geld, und deshalb ziehen wir dort Investitionen vor.
Ein Weiteres: Man sollte als Politiker auf dem Boden der Realität bleiben und anerkennen, dass etwas erreicht wurde. 1990 standen wir vor der Situation, dass ein Staat am Ende war und eine völlig desolate Infrastruktur hatte. Seit 1990 ist mit den Verkehrsprojekten ?Deutsche Einheit? eine Riesenaufbauleistung vollbracht worden.
Ich verwahre mich gegen die Aussage, damit habe Ostdeutschland gewonnen. Deutschland hat insgesamt durch die Verkehrsprojekte ?Deutsche Einheit? gewonnen.
Die Ostseeautobahn führt von Mecklenburg-Vorpommern nach Schleswig-Holstein und nützt auch Hamburg. Das ist ganz deutlich. Dazu ein Wort an die Linke: Sie bekritteln immer - das ist richtig so -, dass die Arbeitslosigkeit noch zu hoch ist; aber die Koalition handelt. Sie gehören immer zu den Bedenkenträgern und den Verhinderern von Verkehrsinfrastruktur.
Nach den Verkehrsprojekten ?Deutsche Einheit? und dem Thema Infrastruktur will ich nun auf ein weiteres wichtiges Thema eingehen. Wir in Deutschland sind gut mit dem Ausbau des Radwegenetzes vorangekommen. Im Bericht ist nachzulesen, dass das Netz immerhin 17 300 Kilometer umfasst. Mittlerweile sind einige Kilometer hinzugekommen. Das sorgt für mehr Verkehrssicherheit, und das sorgt dafür, dass die Umwelt entlastet wird. Die Große Koalition wird da weiter am Ball bleiben. Im Übrigen hat das Parlament dazu immer gute Beiträge geleistet. Wir sorgen dafür, dass 90 Millionen Euro für den Bau von Radwegen eingesetzt werden, und das ist gut so.
Ich will noch etwas zu den Radwegen sagen. Für mich ist eines schwierig: Vertreter von Straßenbaubehörden sagen mir oft: Wir haben weitere Radwege geplant, aber 20 bis 25 Prozent der Mittel müssen wir für Ausgleichsmaßnahmen einsetzen. - Das halte ich für falsch. Ein Radweg hat auch einen ökologischen Wert. Wenn die Leute das Auto stehen lassen, gewinnen wir alle. Deshalb sollten wir uns dieses Themas noch einmal annehmen.
Verkehrspolitik hat auch eine europäische Dimension. Wir alle freuen uns, dass Grenzkontrollen entfallen sind und damit die Staus an den Grenzen zu Polen und zur Tschechischen Republik endlich ein Ende haben. Wir freuen uns, wenn Schlagbäume fallen, andere wollen wieder Mauern errichten. Als Große Koalition haben wir aber auch die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die europäischen Verkehrskorridore weiter ausgebaut werden. Das ist eine Pflicht, die aus dem Zusammenwachsen von Europa erwächst. Deshalb muss auch der Straßenbau vorangetrieben werden.
Verkehrspolitik ist ein vielschichtiges Thema. Da hört man von manchen Abgeordneten schon einmal: Wir brauchen mehr Bildung statt Beton. - Dieselben Abgeordneten schreiben uns dann in netten Briefen, wie wichtig die Ortsumgehung im eigenen Wahlkreis ist. Wir sollten souverän sagen: Wir brauchen eine verbesserte Infrastruktur und selbstverständlich auch verstärkte Aufwendungen im Bildungsbereich. Da bleibt die Koalition dran.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Die Kollegin Renate Blank ist die nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion.
Renate Blank (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte über den jährlich vorzulegenden Straßenbaubericht der Bundesregierung ist nicht nur eine Pflichtübung in diesem Haus. Denn die Frage, wie wir es mit der Straßenverkehrsinfrastruktur in Deutschland halten, ist eine Zukunftsfrage ersten Ranges.
Die Verkehrspolitik muss die Zukunft im Blick haben.
Kollege Hofreiter von den Grünen, wenn man über Straßen in den neuen Bundesländern, in Bayern, in Niedersachsen - eigentlich in allen Flächenländern - spricht, dann muss man sicherlich darauf hinweisen, dass auf manchen Straßen nicht sehr viel Autoverkehr stattfindet. Aber eines muss man auch sagen: Alle Straßenbaumaßnahmen dienen auch der Erschließung der Fläche und der Mobilität der Menschen. Und wenn im Durchschnitt jeder Haushalt in Deutschland pro Monat 350 Euro für Mobilität ausgibt, dann haben diese Haushalte auch einen Anspruch darauf, dass ein Teil ihrer Steuern dafür verwendet wird, dass sie mobil sein können. Wir brauchen also auch die Straßen, die nicht ganz so stark befahren sind.
Auch hängt jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland vom Straßenverkehr ab. Diese Zahlen sollten wir auf keinen Fall vergessen. Der Zustand unserer Straßen und die Investitionen in unsere Straßen gehören sozusagen zum ?Eingemachten? unseres Volksvermögens. Nur eine gut ausgebaute, leistungsfähige und sichere Verkehrsinfrastruktur sichert die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger und schafft notwendige, wettbewerbsfähige Standortbedingungen von Industrie und Handel.
Wir wissen auch, dass die fahrfähige Bevölkerung von 2006 bis 2010 von 68,1 Millionen Personen auf 68,9 Millionen Personen anwachsen wird, während die Zahl der Personen zwischen 10 und 18 Jahren, die für den Schülerverkehr bestimmend ist, von 7,9 Millionen auf 7,3 Millionen zurückgehen wird.
Die Zahl der Pkw-Zulassungen ist im Berichtszeitraum um 500 000 gestiegen. Damit sind mittlerweile 46,5 Millionen Pkw, 2,6 Millionen Lkw und rund 4 Millionen Krafträder zugelassen. Ich glaube, diese Zahlen sprechen für sich.
Der Straßenbaubericht belegt auch, dass bei der Entwicklung der Straßeninfrastruktur ein Paradigmenwechsel bevorsteht. Der Neubaubedarf ist weitestgehend gedeckt. In Zukunft wird für uns mehr und mehr die Finanzierung des Ausbaus, der Modernisierung und des effizienten Betriebs des Straßennetzes die größte Herausforderung darstellen. Dazu brauchen wir aber auch die entsprechende Mittelausstattung. Wenn wir im internationalen Standortwettbewerb nicht zurückfallen wollen, dann müssen wir dem Ausbau und der Erhaltung unseres Straßennetzes eine hohe Priorität einräumen. Die Frage ist, ob die Finanzausstattung ausreicht, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Ich bedanke mich in diesem Zusammenhang bei den Haushältern, die für 2008 die Mittel für den Straßenbau um circa 300 Millionen Euro erhöht haben. Herr Minister, Sie haben uns auf Ihrer Seite, wenn es um mehr Mittel für den Straßenbau geht. Ich muss aber sagen: Die 1,2 Milliarden Euro, die der Finanzminister für die IKB ausgibt, wären sinnvoller im Straßenbau angelegt gewesen.
Bei dem Stichwort ?Management der IKB? muss man schon darüber nachdenken, ob hier richtig gehandelt wurde. Beim Bereich Straßenbau handelt das Ministerium schon richtig, aber wir bräuchten etwas mehr Geld. Jedenfalls ist das Management im Ministerium in diesem Bereich besser als bei der IKB.
Leider gibt es schlechte Noten für die deutschen Bundesstraßen. Rund 40 Prozent des 40 711 km langen Streckennetzes sind in einem mehr oder weniger maroden Zustand. Das zeigt der Straßenbaubericht 2007 auf. 23,5 Prozent der Bundesstraßen erhalten in dem Bericht sogar die Zustandsnote 4,5 bis 5,0, also ?eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit?. Im Klartext bedeutet das: sehr stark wahrnehmbare Unebenheiten; deutlich erkennbare Spurrillen mit Aquaplaninggefahr; schlechte, stellenweise unzureichende Griffigkeit.
Deutlich besser ist dagegen laut Straßenbaubericht 2007 der Fahrbahnzustand auf den Autobahnen, und das trotz permanent steigender Verkehrsbelastung. 80,4 Prozent des aktuell rund 12 500 Kilometer langen Streckennetzes schaffen die Note 1 bis 3,5 und sind damit ?voll gebrauchsfähig?. Bei knapp 20 Prozent der Bundesautobahnen lässt der Fahrbahnzustand allerdings zu wünschen übrig.
Nun, Herr Minister, zu dem Thema Brückenbau. Ich will hier keine Panik hervorrufen, und es besteht auch keinerlei Anlass zur Panik. Im Straßenbaubericht 2007, der immerhin 81 Seiten hat, wird der Zustand der Brücken nur auf einer halben Seite behandelt. Im Straßenbaubericht 2006 waren die Brücken überhaupt nicht existent; vielleicht sind sie vergessen worden. Ich bin der Meinung: Bei über 37 000 Brücken mit einem Anlagevermögen von rund 40 Milliarden Euro interessiert doch der bauliche Zustand. Ich bitte, das im Straßenbaubericht in Zukunft etwas ausführlicher darzustellen.
Herr Minister, wir haben zum Thema Brückenzustand - mein Kollege Lippold hat schon darauf hingewiesen, dass die Brücken äußerst wichtig sind - einen Bericht angefordert. Dieser Bericht liegt leider noch nicht vor. Ich hoffe, Herr Minister, dass Sie diesen Bericht im Laufe des Monats März vorlegen. Ich bin überzeugt, dass das Ministerium auf der Höhe der Zeit ist und per Knopfdruck über den Zustand jeder einzelnen Brücke - Beschaffenheit, Unterhaltungszustand usw. - Auskunft geben kann. Die Ausgaben für die Erhaltung von Brücken und Ingenieurbauwerken der Bundesfernstraßen sind deutlich gestiegen. Das wird auch im Straßenbaubericht 2007 dargestellt.
Herr Minister, ich zitiere aus dem Straßenbaubericht 2005: Immerhin erhalten 12,8 Prozent der Brücken die Note 3,0 bis 3,4; ihre Instandsetzung ist umgehend erforderlich. Das macht schon ein bisschen betroffen. Ich glaube, hier haben das Parlament, die Haushälter und die Verkehrspolitik insgesamt noch eine große Aufgabe zu bewältigen, damit wir den Zustand unserer Brücken halten und auch verbessern.
In 200 000 Staus pro Jahr verpuffen im Übrigen mehr als 14 Milliarden Liter Kraftstoff und Kosten in Höhe von 100 Milliarden Euro. Fast die Hälfte der Autofahrer steht täglich im Stau. Im deutschen Straßenverkehr werden jährlich rund 12 Milliarden Liter Kraftstoff durch Staus und zähfließenden Verkehr unnötig verbraucht. Zumindest ein erheblicher Teil davon könnte durch gezielten Infrastrukturausbau sowie durch moderne Verkehrsmanagementsysteme und Verkehrsinformationsdienste eingespart werden.
Im ganzen Straßenbaubericht 2007 zeigt sich, wie wichtig es war, die Verkehrswegeplanung zu beschleunigen. Mit dem Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz, das im Dezember 2006 in Kraft trat, wurden ein wichtiges Vorhaben der Großen Koalition umgesetzt und ein Reformversprechen eingelöst. Mit dem Gesetz werden Planungsverfahren in ihrer Dauer und vor allen Dingen in ihren Kosten kalkulierbarer. Die Bürokratie verschlingt nämlich über die Hälfte der Autobahnbaukosten. Von den ermittelten 27 Millionen Euro pro Kilometer Autobahn entfällt nur ein Viertel der Kosten auf die Fahrbahn. Der größte Anteil sind die Verwaltungskosten, die während der Genehmigungsphase anfallen. Das können wir auf jeden Fall noch ändern.
Auf der einen Seite nimmt der Verkehr insgesamt zu, und auf der anderen Seite stehen die zur Umsetzung der erforderlichen Bauvorhaben notwendigen öffentlichen Mittel nicht zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung. Die klassische Haushaltsfinanzierung stößt hier an ihre Grenzen. Deshalb müssen wir neue Wege gehen, zum Beispiel, indem wir die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft kreditfähig machen, um so notwendige Projekte schneller verwirklichen zu können. Wir brauchen einen Bewusstseinswandel, der den Blick auf die zentrale Bedeutung der Verkehrsinfrastruktur lenkt.
Das bedeutet, dass wir in Zukunft mehr Geld für Verkehrsinfrastruktur brauchen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege Klaas Hübner für die SPD-Fraktion.
Klaas Hübner (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Straßenbaubericht 2007 legt Rechenschaft darüber ab, wie die Verwendung von Haushaltsmitteln durch die Bundesregierung erfolgt ist, und das wird mit vielen Zahlen untermalt. So können wir Parlamentarier bewerten, wie die Bundesregierung gearbeitet hat. Es ist auf den ersten Blick wie trocken Brot: ein bisschen fade, dient aber der Ernährung. Dennoch hat dieser Bericht eine hohe politische Bedeutung.
Der Straßenbaubereich ist einer der größten Investitionsposten des Bundeshaushalts. Die Investitionen kommen zum allergrößten Teil den Unternehmen und damit den Arbeitnehmern in Deutschland zugute. Auch der Nutzen der Investitionen entfaltet sich unmittelbar. Ohne gute Straßenverbindungen, ohne eine funktionierende Infrastruktur - eine solche haben wir in Deutschland - wären wir nicht Exportweltmeister. Hier zeigt sich: Gute Verkehrspolitik, gute Infrastrukturpolitik ist immer die Voraussetzung für eine gute Wirtschaftspolitik.
Auch beim Aufbau Ost sind wir nicht mehr weit davon entfernt, die gesetzten Ziele zu erreichen. Es ist uns in einer gemeinsamen Kraftanstrengung mit den ostdeutschen Landesregierungen gelungen, binnen relativ weniger Jahre die Bundesfernstraßen in Ostdeutschland grundlegend zu modernisieren und die größten Engpässe zu beseitigen. Bis zum nahen Ende dieses Jahrzehnts werden fast alle Neubaumaßnahmen im Autobahnbereich abgeschlossen sein. Über 90 Prozent der Verkehrsprojekte ?Deutsche Einheit? sind realisiert oder kurz vor der Fertigstellung. Das ist ein großer Erfolg dieser Regierung, aber auch der Gesellschaft insgesamt,
und zwar nicht nur für Ostdeutschland, sondern für Deutschland insgesamt; denn Deutschland profitiert insgesamt, wenn der Osten aufholt. Deswegen kann man sagen: Weiter so auf diesem Weg, Herr Minister! Wir danken Ihnen dafür!
Der Straßenbaubericht dokumentiert die strukturellen Veränderungen, die wir mit unserer Verkehrspolitik erreicht haben. Wir haben die Verkehrspolitik modernisiert. Im Straßenbaubericht ist auch unser Umweltengagement dokumentiert worden. Wir finanzieren immer mehr Maßnahmen im Bereich Lärmschutz, beim Radwegebau und auch im Naturschutz. Daran zeigt sich, dass wir in der Verkehrspolitik auf eine Kombination von Mobilität, Ökonomie, aber auch Ökologie setzen. Das ist moderne Verkehrspolitik.
Der Straßenbaubericht dokumentiert ferner den Einsatz neuer Instrumente in der Verkehrssteuerung. Jeder Stau, der nicht entsteht, ist eine Entlastung von Umwelt und Wirtschaft. Mit der engeren Verknüpfung der Verkehrsträger fördern wir eine stärkere Einbindung insbesondere der Bahn, richtigerweise, aber auch der Binnenschifffahrt in die Transportketten. Hier verbinden wir Umwelt und Wirtschaft ebenfalls. Das ist echte Nachhaltigkeit.
Der Straßenbaubericht dokumentiert schließlich die Bereitschaft, nicht nur über neue Finanzierungsinstrumente zu reden, sondern auch aktiv nach Wegen zu suchen, sie einzusetzen. Der Bericht zeigt zum Beispiel, dass die Lkw-Maut - wer hätte das nach den Startschwierigkeiten gedacht? - und damit der Einstieg in die Nutzerfinanzierung ein voller Erfolg ist.
Wir werden die Mautsysteme weiter ausbauen, um Verkehre steuern zu können. Auch hier verbinden wir wieder Ökonomie, Ökologie und Verkehrssteuerung verbunden mit einer besseren Finanzierung der Verkehrswege in Deutschland - auch das gehört zu unserem modernen Ansatz.
Außerdem bestätigt der Bericht, dass Public-Private-Partnership, öffentlich-private Partnerschaft, ein gutes Instrument ist, wenn es im richtigen Moment verantwortungsvoll eingesetzt wird. Ich will nicht sagen, dass dort von vornherein alles gut gewesen ist. Aber wir haben gelernt, wir haben es fortentwickelt. Mit den laufenden A- und F-Modellen haben wir Erfahrungen gesammelt, die wir für die nächste Generation der Public-Private-Partnership-Modelle nutzen werden. Auch hier gilt in meinen Augen, Herr Minister: Wir sind auf einem guten Weg.
Schließlich wird im Straßenbaubericht noch ein Trend dokumentiert, der die Straßenverkehrspolitik nachhaltig verändern wird - das ist von einigen in der Debatte heute schon angesprochen worden -: Die Neubaumaßnahmen werden weniger; Ausbau und Erhalt von Bundesfernstraßen gewinnen an Bedeutung. Damit wird nicht nur die Zahl der Bändchen geringer, die wir durchschneiden können; es verändert sich auch der politische Fokus.
Ernstzunehmende Kritiker wie der Bundesrechnungshof weisen uns darauf hin, dass es bei der Erhaltung der Bundesfernstraßen erhebliche Effizienzreserven gibt. Dass der Bund bestellt, die Länder aber ausführen, zeigt schon, dass hier möglicherweise Spielräume vorhanden sind. Dass es außerdem keinerlei Vergleichsmaßstäbe für effizientes Handeln gibt, erhärtet den Verdacht, dass Ineffizienzen vorhanden sein könnten. Einen Teil dieser Spielräume sollten wir uns leisten; denn der von uns gewollte Föderalismus wird nie ganz reibungslos funktionieren. Wir können aber versuchen, das Miteinander von Bund und Ländern bei der Straßenbauverwaltung effizienter zu gestalten.
Im Rahmen der Föderalismuskommission II sollten wir noch einmal einen Versuch unternehmen, um hier weiterzukommen; denn die Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, dass das Geld in diesem Bereich, das ja aus Steuermitteln stammt, möglichst effizient eingesetzt wird. Ich glaube, hier liegt noch eine kleine Aufgabe vor uns, die wir angehen sollten.
Klar ist: Straßenbau ist weder Selbstzweck, noch ist er des Teufels. In der richtigen Dimension und in Verbindung mit einer umweltorientierten Verkehrspolitik sind Straßen Lebensadern für Wirtschaft und Gesellschaft. Unsere Straßenbaupolitik ist verantwortungsvoll und stellt damit eine gute Investition in die Zukunft dar.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/7394 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe, das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 145. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 22. Februar 2008,
an dieser Stelle veröffentlicht.]