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Subventionen: Keine Kohle mehr?

Bild: Michael Müller (li.) und Joachim Günther (re.)
Michael Müller, SPD (li.) und Joachim Günther, FDP, (re.) im Gespräch.

Bild: Michael Müller sitzt und spricht
Im Gespräch: Michael Müller ...

Bild: Joachim Günther sitzt und spricht
... und Joachim Günther.

Welche Subventionen kann sich der Staat in Zeiten knappster Kassen noch leisten? Darf es weiter „Kohle für die Kohle“ geben oder ist der Aufbau Ost wichtiger?
Darüber führte BLICKPUNKT BUNDESTAG ein Streitgespräch mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, und dem FDP-Bundestagsabgeordneten Joachim Günther.

Blickpunkt Bundestag: Die Bundesregierung hat gerade beschlossen, die Steinkohle bis zum Jahr 2012 mit knapp 16 Milliarden Euro weiter zu fördern, wenn auch mit abnehmender Tendenz. Wenn deutsche Steinkohle dreimal so teuer ist wie Importkohle, ist dann diese Subvention noch zu rechtfertigen?

Michael Müller: Natürlich ist das eine hohe Summe, aber wir haben auch erheblich gekürzt, von fast drei Milliarden auf 1,8 Milliarden Euro im Jahr. Zudem wird das Unternehmen insgesamt mit rund einer Milliarde Euro mehr belastet. Vor dem Hintergrund, dass die Kohle der Energieträger ist, der am längsten von den fossilen Energieträgern bestehen bleiben wird, ist diese Unterstützung ökonomisch vertretbar. Die entscheidende Frage ist, ob diese Politik eine Perspektive hat.

Blickpunkt: Hat Sie eine Perspektive, Herr Günther? Müsste der Staat nicht eher in die Zukunft als in die Vergangenheit investieren?

Joachim Günther: Natürlich. Und wir müssen uns die Frage stellen: Was bringen uns Subventionen überhaupt? Und wie müssen wir mit ihnen in der Zukunft umgehen? Das gilt in besonderem Maße für die Steinkohle. Aus unserer Sicht müssen die Steinkohlesubventionen schneller heruntergefahren werden. Jetzt haben wir die kuriose Situation, dass wir sowohl die Steinkohle als auch die erneuerbaren Energien in fast gleicher Höhe subventionieren. Das ist keine besonders klare Politik.

Blickpunkt: Bleiben wir noch bei der Kohle. 16 Milliarden Euro für 40.000 Kumpel in den nächsten acht Jahren – damit wird jeder Steinkohlearbeitsplatz jährlich mit 50.000 Euro finanziert. Ist das nicht altes Denken?

Müller: Zugegeben, es mag so wirken. Aber vergessen wir nicht, dass wir dabei auch Vergangenheitslasten abzubauen haben. Außerdem: Eine sofortige Stilllegung wäre vermutlich nicht billiger, vielleicht sogar noch teurer, weil man vieles auf einmal zahlen müsste.

Günther: Bei der Braunkohle ist es doch auch gegangen!

Müller: Das können Sie nicht vergleichen. Die Situation der Braunkohle war völlig anders. Fast kein anderes Land der Erde hat die Umwelt so belastet wie die DDR. Aber: Die Hauptfrage ist doch, welchen zukünftigen energiepolitischen Kurs wir fahren wollen. Dabei ist das Ressourcenproblem – also die Frage der Rohstoffe – die zentrale Zukunftsauseinandersetzung. Es muss stärker um die alternativen Energien, etwa die Solarwirtschaft, gehen, aber es ist auch klar, dass in vielen Bereichen der Welt hochmoderne Energie-Kohletechnik eine zunehmende Bedeutung bekommt. Insofern ist der Doppelschritt aus Effizienz und Solarenergie, den wir machen, durchaus sinnvoll.

Blickpunkt: Was ist denn der Hauptgrund für die Unterstützung der Kohle? Ein sozialverträglicher Beschäftigungsabbau oder die nationale Energiesicherheit?

Müller: Ich würde eher den technischen Aspekt unterstreichen. Wenn wir hochmoderne Kohlekraftwerke mit hohen Wirkungsgraden nicht selbst betreiben, können wir diese Technik auch nicht fortentwickeln und exportieren. Es besteht aber ein großer Weltmarkt dafür.

Günther: Aber die Frage bleibt doch, ob die Kohle generell die Zukunftsenergie ist. Wenn man die Milliardensummen beispielsweise in die Wasserstofftechnik oder in andere Alternativenergien investieren würde, könnten wir vielleicht schneller zu einem zukunftsträchtigen Ergebnis kommen.

Müller: Aber das bekämpfen Sie doch gerade mit der Ablehnung des Erneuerbaren-Energie-Gesetzes.

Blickpunkt: Haben die Menschen in den neuen Ländern Verständnis für die massive Förderung der Steinkohle?

Günther: Den meisten Menschen im Lande sind die enormen Summen gar nicht genau bekannt. Aber fast alle Landesregierungen in den neuen Ländern beklagen, dass hier eher in die Vergangenheit investiert wird. Deshalb plädieren sie auch dafür, darüber nachzudenken, ob die Schritte nicht kürzer sein müssten und das Geld schneller umgelenkt werden könnte in Zukunftsbereiche wie Bildung und Forschung. Das wäre im Übrigen auch für die im Bergbau Beschäftigten ehrlicher und sinnvoller, weil es für sie neue Perspektiven gäbe.

Blickpunkt: Spielt bei der Kohleförderung ein westdeutscher Egoismus eine Rolle oder die Rücksicht auf bevorstehende Wahlen in Nordrhein-Westfalen?

Müller: Das sehe ich nicht. Wir haben auch erhebliche Kraftanstrengungen für die Braunkohle in Ostdeutschland unternommen. Oder denken Sie an unsere Veränderungen beim Emissionshandel, die zu einem erheblichen Teil den neuen Ländern zugute kommen.

Günther: Ich bleibe dabei: Bei uns war der Kohlerückbau viel härter und hat viele Menschen schwer betroffen, weil es keine vergleichbaren Subventionen im Hintergrund gab.

Blickpunkt: Der Osten sorgt sich, dass der Aufbau Ost stecken bleiben könnte. Ist der Kampf um Subventionen härter geworden?

Günther: Das wird oft so dargestellt. Dabei geht es in Wahrheit gar nicht in erster Linie um mehr Geld. Das Entscheidende, was wir im Osten brauchen, ist weniger Bürokratie. Wir müssen den Mut haben, bestimmte Gebiete mit Sonderrechten auszustatten. Wenn das nicht gelingt, wandert die Wirtschaft weiter nach Osten aus. In Tschechien beispielsweise werden Unternehmen, die investieren, zehn Jahre steuerfrei gestellt.

Blickpunkt: Insgesamt sind 1.250 Milliarden Euro an Bruttotransferleistungen in die neuen Bundesländer geflossen – trotzdem bleibt der Aufschwung aus. Müssen da nicht Zweifel an der Wirkung staatlicher Förderungspolitik aufkommen?

Günther: Vieles mag da nicht optimal gelaufen sein. Deshalb sage ich ja auch, dass die Förderung mit Geld allein nicht entscheidend ist. Nach wie vor wandern die Leute aus dem Osten ab, in den nächsten zehn Jahren befürchten wir einen weiteren Aderlass von einer Million Menschen. Das wäre eine Katastrophe. Deshalb müssen wir radikal umdenken und neue Bedingungen für die Wirtschaft schaffen.

Müller: Es ist keine Lösung, wenn man sich den Niedriglohnsektoren Osteuropas anpasst. Das wäre das Fatalste, denn das ist eine Spirale ohne Ende. Das ist so, als würde man einen Patienten für halbtot erklären, darauf die Dosis erhöhen, so dass der Patient erst recht stirbt. Die Qualität der deutschen Wirtschaft ergibt sich aus der Leistungsfähigkeit, aus dem Bildungsniveau, der Innovationskraft, der Teamfähigkeit. Deshalb müssen wir in diese Richtung die Weichen stellen. Sonst können wir, kann Europa, in Zeiten der Globalisierung nicht bestehen.

Blickpunkt: Ist das bisherige Gießkannenprinzip bei den Subventionen falsch? Brauchen wir eine „Leuchtturm“-Politik?

Günther: Auf jeden Fall muss man sich auf bestimmte Strategien konzentrieren. Eine Festlegung auf einzelne Städte oder „Leuchtturm“-Bereiche halte ich für problematisch. Man muss vernetzt denken. Also: gezielte Förderung der Infrastruktur etwa.

Müller: Leuchttürme sind wichtig. Aber es geht genauso auch um die Verknüpfung einzelner Branchen mit Wissenschaft, Dienstleistung, Zulieferanten. Es geht um die Breite und mehr Qualifikation.

Blickpunkt: Spielen sich Ost und West beim Gerangel um Staatshilfen gegeneinander aus?

Günther: Die Gefahr besteht, aber das muss verhindert werden. Am wichtigsten ist, dass der Staat vernünftige Bedingungen für die Ansiedlung von Betrieben schafft. Wenn die Bevölkerungsabwanderung im Osten nicht gestoppt wird, dann verfallen in den Städten Theater und Straßen.

Müller: Eine Gefahr, die nicht auf die neuen Länder beschränkt bliebe. Alle westlichen Industrieländer werden ohne eine Gegensteuerung in den nächsten Jahrzehnten massive Probleme bekommen. Dafür spricht schon allein die Bevölkerungsentwicklung. Wir werden lernen müssen, auch mit Schrumpfungsprozessen produktiv umzugehen.

Das Gespräch führte Sönke Petersen.
Fotos: Phalanx Fotoagentur

Reden Sie mit beim Thema „Subventionen”:
Michael Müller, SPD: michael.mueller@bundestag.de
Joachim Günther, FDP: joachim.guenther@bundestag.de
Redaktion: blickpunkt@media-consulta.com


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