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Parlamente in Europa

Bild: Blick ins spanische Parlament
Das spanische Parlament.

Demokratie nach deutschem Vorbild

Als in Spanien Ende der siebziger Jahre der Übergang zur Demokratie organisiert wurde, holte man sich Rat in der Bundesrepublik. So wurden mit der Verfassung von 1978 in Spanien zum ersten Mal die Grundrechte für jeden einzelnen Bürger direkt einklagbar. Auch die Beziehungen zwischen Parlament und Regierung wurden nach dem Vorbild des deutschen Grundgesetzes gestaltet. Das wohl wichtigste Element ist das konstruktive Misstrauensvotum, das den Sturz einer Regierung durch das Parlament nur dann ermöglicht, wenn gleichzeitig ein neuer Regierungschef gewählt wird. Die Abgeordnetenkammer des spanischen Cortes ist so wie der Bundestag in seinen Möglichkeiten beschränkt, eine Regierung zu stürzen, die nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit im Parlament hat.

Der spanische Regierungschef hat obendrein das Recht, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben. In Deutschland kann das nur der Bundespräsident zum Beispiel innerhalb von 21 Tagen nach dem Scheitern einer Vertrauensfrage, bei der der Bundeskanzler prüfen lässt, ob die Mehrheit der Abgeordneten noch hinter ihm steht. Das Recht der Auflösung erlischt aber, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen neuen Bundeskanzler wählt.

Disziplinierend für die spanischen Abgeordneten der Regierungsfraktion wirkt das Wahlverfahren für den Regierungschef: In offener namentlicher Abstimmung wählen sie den Regierungschef oder entziehen ihm das Vertrauen. Abweichler sind damit einem weit stärkeren Druck ausgesetzt als in Deutschland, wo der Kanzler in geheimer Abstimmung gewählt wird.

Gleichzeitig ist die Oppositionsbank in Spanien noch ein wenig härter als in Deutschland. Denn die Kontrollmöglichkeiten sind recht beschränkt. Zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses etwa bedarf es in der spanischen Abgeordnetenkammer einer mehrheitlichen Zustimmung. Im Bundestag ist hierfür nur die Unterstützung von einem Viertel der Bundestagsabgeordneten nötig.

Text: Matthias Rumpf
Foto: picture-alliance
Erschienen am 15. Dezember 2004


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