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Leib und Seele zusammenhalten

Bild: Jan Becker und Stefan Czernoch
Die Restaurantchefs Jan Becker und Stefan Czernoch im Gespräch.

Bild: Jan Becker
Jan Becker, Betriebsleiter bei Käfer.

Bild: Tasse, mit einem Käfer und dem Reichstagsgebäude bedruckt
Tassendetail.

Bild: Stefan Czernoch
Stefan Czernoch, Betriebsleiter von pedus service.

Bild: Kandiszucker, Weißzucker und Milch
Zutatendetails.

Menschen im Bundestag

Stefan Czernoch und Jan Becker sind Herren über Restaurants, Kantinen und Bistros im Deutschen Bundestag. Sie arbeiten für unterschiedliche Unternehmen, aber mit gleich hohen Ansprüchen.

Zu mir oder zu dir? So könnte die Frage lauten, wenn sich zwei wie Stefan Czernoch und Jan Becker verabreden. Schließlich gibt es mehr als eine Alternative. Abgeordnetenrestaurant im Reichstagsgebäude – Heimspiel für Jan Becker. Besucherrestaurant im Paul-Löbe-Haus – Heimspiel für Stefan Czernoch. „Käfer“ in der Reichstagskuppel – Becker. Dussmann-Kasino im Jakob-Kaiser-Haus – Czernoch. Könnte also eine längere Diskussion werden. Aber man einigt sich schnell auf das Dachgartenrestaurant.

Stefan Czernoch muss neidlos anerkennen, dass die Aussichten hier großartig sind. Ein Punkt für „Käfer“. Obwohl seine Terrasse, die inzwischen zum Abgeordnetenrestaurant im Jakob-Kaiser-Haus gehört, auch nicht schlecht ist. Vorteil „Dussmann“.

Manchmal mögen die beiden diese kleinen Scheingefechte. Denn auf den ersten Blick sind sie Konkurrenten – Stefan Czernoch, der Betriebsleiter von pedus service, einem Unternehmen der Dussmann-Gruppe, und Jan Becker, der Betriebsleiter der Käfer Berlin GmbH. „Ich war zuerst da“, sagt Becker und lacht. „Aber wir machen rund 3000 Essen täglich“, kontert Czernoch.

In den Häusern des Bundestages gibt es für das leibliche Wohl der Abgeordneten, Mitarbeiter und Besucher verschiedene Angebote. Kantinen, Bistros, eine Espressobar und Restaurants für alle, die hier arbeiten und zwischendurch zu Kräften kommen müssen. Erlebnisgastronomie für jene, die als Gäste oder Touristen kommen. Zwei Unternehmen, „Dussmann“ und „Käfer“, sorgen dafür, dass Leib und Seele zusammengehalten werden, vor allem in hektischen Zeiten.

Die Käfer Berlin GmbH betreibt im Reichstagsgebäude zwei Restaurants – eines auf der Plenarebene mit rund 180 Plätzen und eines auf dem Dach, das 364 Tage im Jahr geöffnet ist und rund 200 Plätze bietet. Manchmal verkauft ein „fliegender Händler“ auch noch Eis und Süßigkeiten in der Kuppel. 89 Käfer-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen für beste Gastronomie. Das Dachgartenrestaurant steht allen Bürgern offen, es kann für Veranstaltungen und Geschäftsessen gebucht werden und ist weithin bekannt und beliebt. Ein Highlight, wenn man Berlin besucht. Vor allem seiner guten Küche wegen. Deutsche Gerichte vom Feinsten und deutsche Weine gehören dazu. Dafür braucht man Einkäufer mit Gespür für Qualität und Lust auf Experimente. Bisonfleisch und Straußenfleisch von brandenburgischen Farmen standen schon auf der Karte. Das Lieblingsgericht des Chefs ist da immer zu finden: Boulette – vom Kalb und mit einem feinen Kartoffelsalat angerichtet. Sieht so gut aus, wie es schmeckt.

„Die Speisewagen sind oft die letzte Rettung, wenn der Hunger der Abgeordneten groß ist.“

Pedus Service, das zu „Dussmann“ gehört, deckt neben der Gastronomie einen anderen, für die Arbeit im Bundestag ganz wichtigen Bereich ab, den man im weitesten Sinne mit Catering umschreiben kann. Ein großes Kasino, eine Cafeteria und das Abgeordnetenrestaurant im Jakob-Kaiser-Haus, das Besucherrestaurant, das Mitarbeiterrestaurant und die Espressobar im Paul-Löbe-Haus werden von pedus service betrieben. Alle zusammen bieten 1110 Sitzplätze. Und dafür, dass sich jeder bestens bedient fühlt, arbeiten 52 Angestellte, in Sitzungswochen kommen 15 Mitarbeiter freier Firmen dazu. Täglich werden zudem rund 100 Essen für den Kindergarten des Bundestages zubereitet, in Sitzungswochen gibt es Catering für Ausschussberatungen und Sitzungen aller Art und Größe. Abgeordnete wissen das zu schätzen, schließlich sind die Arbeitstage oft pausenlos und die kleinen Speisewagen von „Dussmann“ die letzte Rettung, wenn der Hunger groß ist. Und wer dann doch mal mehr Zeit hat, ist im Restaurant im Jakob-Kaiser-Haus bestens beraten und sollte auf jeden Fall mal den Zander auf Muscheln und Spargel probieren. Ausgezeichnet. Hält mit der Kalbsboulette auf jeden Fall mit.

So betrachtet kommen sich Stefan Czernoch und Jan Becker gar nicht ins Gehege. Und deshalb können sie auch ganz entspannt zusammensitzen und über ihre Arbeit reden. Beide strahlen aus, dass ihnen großen Spaß macht, was sie tun.

Da ist der Mann mit den sehr blauen Augen, Stefan Czernoch. „Könnten Kontaktlinsen sein“, stichelt Jan Becker. Sind es aber nicht. Stefan Czernoch trägt zu den blauen Augen an diesem Tag eine sonnig-gelbe Krawatte. Der 41-jährige Nürnberger ist seit 2001 Betriebsleiter im Bundestag. Seine Berufsbiografie ist seitenlang, schließlich hat er mit 15 schon eine Lehre als Koch angefangen. Die Prüfung bestand er mit einem Menü aus Melonencocktail mit Portweinschaum, geschmortem Tafelspitz und Kaiserschmarrn. Nach der Ausbildung hat er in der Schweiz und in Deutschland in renommierten Hotels als Koch gearbeitet, die Hotelfachschule besucht und war Küchenchef in einem großen Hotel in Berlin.

Stefan Czernoch darf sich mit dem Titel eines Küchenmeisters schmücken. Kochen, das gesteht er allerdings, tut er heute nur noch wenig. Als Betriebsleiter hat man anderes zu tun. Wie beim Kochen ist aber auch hier gutes Timing gefragt und vor allem Organisationstalent. „Als ich hier anfing, war das zum großen Teil noch Baustelle. Aber auch heute verlangt einem die Logistik ziemlich viel ab. Allein 1300 Essen täglich im Kasino anzubieten, ist nicht so einfach, denn es soll vielseitig sein, schmackhaft, natürlich gesund und auch nicht zu teuer. Aber ich freue mich auf jede neue Woche hier.“ Seinen Arbeitstag beginnt Stefan Czernoch mit einem Rundgang durch die „Outlets“, wie er die verschiedenen Lokalitäten nennt. Besprechungen, Planungen, Korrespondenz – die Tage sind oft zu kurz, aber immer abwechslungsreich. Wie die Stadt Berlin, die dem Franken, dem das „R“ so wunderbar von der Zunge rollt, gut gefällt. Hier kann man alles groß denken. Und wenn er jemals ein Restaurant für die Stadt kreieren sollte, würde er es auch so nennen: „Think Big“. Darin wäre dann alles ein wenig größer als normal. Vielleicht so wie seine Uhr mit dem knallig orangenen Armband. Ja, gibt er zu, einen kleinen Uhrentick habe er schon. Wie war das mit dem Koch und dem Timing?

„Die Speisewagen sind oft die letzte Rettung, wenn der Hunger der Abgeordneten groß ist.“

Jan Becker hat vielleicht einen kleinen Krawattentick. Gibt er aber nicht zu. Weiß-rosa kariert ist das Stück heute und sieht aus wie eine Einzelanfertigung. Das verneint der 32-jährige Berliner bescheiden. Halt nur gut gekauft. Einkaufen macht ihm übrigens auch in seiner Funktion als Betriebsleiter, die er seit März diesen Jahres innehat, Spaß.

Die Zeit dafür ist allerdings knapp geworden. Trotzdem mischt er so oft es geht mit, wenn es darauf ankommt, die Entscheidung für deutsche Küche in beste Ergebnisse umzumünzen. Und wer von seinen Mitarbeitern mit Vorschlägen und Entdeckungen kommt, ist beim Chef immer an der richtigen Adresse. Jan Becker hat eine Ausbildung als Restaurantfachmann gemacht und als Kellner angefangen. Er war im Ausland – in London und in der Schweiz. Und er hat auf einem „Traumschiff“ gearbeitet, bevor er in Berlin in einem, wie er findet, der schönsten Hotels der Stadt, dem Savoy-Hotel in der Fasanenstraße, anfing. Dann kam er zu „Käfer“, zuerst in die Friedrichstraße und dann als Einkaufsleiter in den Bundestag. Und weil er gut war, haben sie ihn gefragt, ob er den Job als Betriebsleiter haben will. Wollte er.

Eine Bewährungsprobe hatte er schon im vergangenen Jahr mit Bravour gemeistert: Am Tag der Bundespräsidentenwahl baute „Käfer“ das Buffet für rund 3000 Gäste auf. Alles war exakt zu der Zeit fertig, als die Wahl vorbei war. Vielleicht wusste Becker mehr als alle anderen? Nein, so war es nicht. Er habe Blut und Wasser geschwitzt, sagt er und sein Kollege Stefan Czernoch lächelt. Der Stress mit den vielen Essen, die alle zum gleichen Zeitpunkt fertig und dazu schmackhaft sein sollen, ist ihm bekannt. Aber am Ende, wenn alles geklappt hat, kann man doch stolz sein.

Ohne Koch- und Cateringkünste würde auch das beste Parlament nicht richtig funktionieren. Da kann man froh sein, dass zwei wie Stefan Czernoch und Jan Becker die Hüte dafür aufhaben. Und dass man zu diesem oder zu jenem gehen kann und immer gut bedient ist.

Text: Kathrin Gerlof
Fotos: studio kohlmeier
Erschienen am 17. August 2005


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