Logo Deutscher Bundestag Blickpunkt Bundestag online

> Parlament > Parlament


zurück

Meinungsbild zum Thema „Sportwetten“

Bild: Sitzung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages.
Sitzung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages.

Der Sportausschuss im Vorfeld der Fußball-WM

Sport ist nicht nur „die schönste Nebensache der Welt“ sondern auch ein Spektakel mit ökonomischem Gewicht, hohen organisatorischen Anforderungen und zudem Schauplatz von Auseinandersetzungen über gesellschaftliche Normen und Spielregeln. Das zeigt die Arbeit im Sportausschuss des Bundestages gerade im Vorfeld der Fußball-WM. Derzeit geht es Schlag auf Schlag: Auf das sensible Thema „Stadionsicherheit“ folgte die ebenso kontroverse Problematik einer Liberalisierung des Marktes für Sportwetten. Eine boomende Wachstumsbranche, die auf Rekordumsätze im WM-Jahr hofft. Die Sportpolitiker wollten sich ein Bild machen und baten Experten zur öffentlichen Anhörung in den Ausschuss.

Von der Besuchergalerie aus fällt der Blick auf das mächtige Reichstagsgebäude und die Spree, auf der an diesem kalten Mittwoch im Januar dicke Eisschollen treiben. Unten im Sitzungssaal, auf der einen Seite des riesigen runden Konferenztisches und mit dem Rücken zur großen Fensterfront, sitzen die Mitglieder des Sportausschusses. Pünktlich um 14 Uhr eröffnet der Ausschussvorsitzende Peter Danckert (SPD), die fünfte Sitzung in dieser Wahlperiode.

Hinter den 16 Sportpolitikern des Bundestages liegen turbulente Wochen. Neben ihrer intensiven Arbeit für den Vereins- und Behindertensport, für den Sportstättenbau oder gegen Doping ist es auch ihre Aufgabe, sportliche Großereignisse wie etwa die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland mit vorzubereiten. Für Aufregung gleich zu Jahresbeginn hatte eine Studie der Stiftung Warentest gesorgt, die den WM-Stadien in Deutschland teilweise erhebliche Sicherheitsmängel bescheinigte. Der Sportausschuss nahm daher am 18. Januar eine Anhörung zum Thema Stadionsicherheit in seine reguläre Sitzung auf. Dort lieferten sich Vertreter der Stiftung, des WM-Organisationskomitees und der Stadion-Betreiber einen mitunter heftigen Schlagabtausch.

Keine gewöhnliche Sitzung

Auch eine Woche später, am 25. Januar, findet in dem großen Saal im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus keine gewöhnliche Sitzung statt. Der Ausschuss, der sich mit allen Fragen sowohl des Spitzen- als auch des Breitensports in Deutschland befasst, hat vier Experten aus dem Bereich der gesundheitlichen Aufklärung und der Suchtforschung sowie zwei Vertreter der Staatlichen Lotterieverwaltung und des Deutschen Sportbundes eingeladen. Sie haben den Parlamentariern gegenüber Platz genommen und stehen ihnen zweieinhalb Stunden lang zum Thema „Sportwetten und Spielsucht“ Rede und Antwort. Und nicht nur ihnen, sondern allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich für diese Problematik interessieren, denn es handelt sich um eine öffentliche Anhörung.

Anlass ist eine EU-Vorlage, die eine Liberalisierung im Bereich der Sportwetten vorsieht und über die das Bundesverfassungsgericht voraussichtlich im April entscheiden wird. Natürlich ist wenige Monate vor Beginn der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland das Interesse an einer Lockerung des bisher geltenden staatlichen Monopols im Wettmarkt groß. Private Wettfirmen und Medienkonzerne reiben sich schon die Hände in der Erwartung gigantischer Wetteinnahmen während der WM.

Wett-Boom zur Weltmeisterschaft

Grund genug für den Sportausschuss, sich mit möglicherweise auch unerwünschten Folgen einer solchen Marktöffnung auseinanderzusetzen. Betrachtet er es doch als eine seiner Aufgaben, nicht nur über aktuelle Trends, sondern auch über potenzielle Fehlentwicklungen im Sport und in den Bereichen, die unmittelbar mit dem Sport zusammenhängen, möglichst frühzeitig und umfassend informiert zu sein.

Ins Gespräch waren die Sportwetten durch den Bundesliga-Wettskandal Anfang 2005 gekommen, als bekannt wurde, dass Fußballschiedsrichter gegen Geld Spiele manipuliert hatten, um bestellte Wettergebnisse herbeizuführen. Der Attraktivität der Wetten tat dies keinen Abbruch. In der Branche tummeln sich neben dem staatlichen Anbieter Oddset derzeit viele halblegale oder gar illegale Wettfirmen, die in Deutschland etwa über Internetseiten mit ausländischen Domains erreichbar sind. Bizarre Ausnahmeregelungen gibt es zudem: So darf der private Anbieter betandwin trotz staatlichen Monopols Sportwetten anbieten, weil ihn eine alte DDR-Glücksspiel-Lizenz schützt. 2005 verdreifachte er gegenüber 2004 seinen Umsatz.

Kehrseiten der Liberalisierung?

Die Gäste des Sportausschusses machen bereits in ihren Eingangsstatements auf die Kehrseiten der eventuell bevorstehenden Liberalisierung aufmerksam. Professor Gerhard Meyer vom Institut für Psychologie und Kognitionsforschung Bremen etwa weist darauf hin, dass das Suchtpotenzial bei Sportwetten sehr hoch sei und eine Wettbewerbssituation zwischen verschiedenen Sportwettenanbietern im Widerspruch zum Gedanken der Suchtprävention stehe. Andreas Eichler, Generalsekretär des Deutschen Sportbundes, erklärt, dass sich vor allem der Breitensport in hohem Maße durch die staatlichen Abgaben aus den Glücksspielerträgen finanziere und nur dadurch seine gesellschaftlich integrative Funktion erfüllen könne. Ein Wegfall oder deutlicher Rückgang dieser Mittel aufgrund einer generellen Marktfreigabe des Glücksspiels sei schwer zu kompensieren, da die öffentlichen Kassen leer seien.

Auf die Eingangsstatements der Sachverständigen und Interessenvertreter folgen mehrere Fragerunden der Abgeordneten, in denen bestimmte Aspekte der Problematik vertieft werden. Am Ende der Anhörung ist das Meinungsbild klar: Eine weitere Marktöffnung im Bereich der Sportwettenanbieter lehnen die Gäste allesamt ab. Um Informationen und Denkanstöße reicher verlassen die Sportpolitiker um 16 Uhr 30 den Saal. Nun ist zunächst das Bundesverfassungsgericht am Zug: Im April, zwei Monate vor Beginn der Weltmeisterschaft, wollen die Karlsruher Richter ein Urteil über die Zulassung privater Wettanbieter vorlegen.

Text: Nicole Alexander
Foto: Deutscher Bundestag
Erschienen am 22. Februar 2006

Weitere Informationen:

Informationen zum Sportausschuss finden Sie unter:

Webseite: www.bundestag.de/ausschuesse/a05


Artikelanfang Leserbrief schreiben Druckansicht