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Auszeichnungen und Abschiede

Unverwechselbar: Otto Graf Lambsdorff ist 80 Jahre alt.
Unverwechselbar: Otto Graf Lambsdorff ist 80 Jahre alt.

Querflöte — Instrument für Finanzminister?
Querflöte — Instrument für Finanzminister?

Begegnungen im Parlamentsviertel

Mut zur Erkenntnis

Normalerweise sind im Parlamentsviertel Politikerinnen und Politiker die Handelnden, Medienleute die Beobachter. Dieser Grundsatz gilt ganz besonders für Robert Birnbaum, den Parlamentskorrespondenten des Tagesspiegels. Doch heute steht er, der anders als manche seiner Kollegen wenig Aufhebens um sich macht, selbst im Mittelpunkt. Denn Bundestagspräsident Norbert Lammert verleiht ihm im Reichstagsgebäude den Medienpreis des Parlaments. Damit der Bundestag nicht in den Verdacht kommt, ihm genehme Berichterstattung auszeichnen zu wollen, ist eine Jury unabhängiger Journalisten mit der Auswahl betraut. Ausschlaggebend für ihre Entscheidung war ein Artikel Birnbaums über die Arbeit eines Untersuchungsausschusses.

Lammert betont, ihm habe die Entscheidung sehr eingeleuchtet: „Robert Birnbaum hat die Begabung, über Dinge zu schreiben, die er kennt, und sie so zu beschreiben, dass sie anderen nachvollziehbar werden.” Peter Frey, der Juryvorsitzende, formuliert sein Lob für den Preisträger etwas burschikoser: „Birnbaum ist ein mutiger Vogel, was sich in seinen Artikeln erfreulich bemerkbar macht.” Der Geehrte selbst redet nicht von Mut, sondern von dem Erkenntnisgewinn, den man selbst beim Schreiben hat. Und dass es auch Personen gibt, die sich von ihm unzutreffend charakterisiert sehen: „Es gibt Leute, die nicht einsehen, wie sie sind.”

Am Rande des Empfangs berichtet Heide Reiss, Pressefotografin, von einer Privatreise nach Neuseeland. Das sei ein schönes Land für Biker. Da sind ihr Kollege Achim Melde und Bundestagsdirektor Hans-Joachim Stelzl ganz Ohr. Denn beide sind Mitglieder der Bikergruppe des Bundestages, in der Fotograf Melde der Tour Guide des obersten Parlamentsbeamten ist.

Journalistisches Herzblut

Und noch einmal stehen Journalisten im Mittelpunkt einer Veranstaltung. Im Spiegel-Büro am Pariser Platz geht es um die Verabschiedung von zwei altgedienten Politikbeobachtern, von Jürgen Leinemann und Hartmut Palmer. Hier kommt es zu einer seltenen Begegnung: Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Vorgänger Gerhard Schröder, die sich sonst eher aus dem Weg gehen, begrüßen sich mit einem Händedruck. Schröder hält die Laudatio für Leinemann, und zwar „umsonst”, wie der sonst für Vorträge gut bezahlte ehemalige Regierungschef mit einem Schuss Selbstironie betont. Norbert Blüm, langjähriger Arbeitsminister, gibt in unnachahmlichem Dialekt den Laudator für Hartmut Palmer. Beide Politiker sind sich einig: So sehr Unabhängigkeit für guten Journalismus unabdingbar sei, an journalistischem „Herzblut” dürfe es dennoch nicht fehlen.

Schnörkellose Sätze

Wie hier geht es bei Ehrungen, Buchvorstellungen und anderen Feierlichkeiten in Berlin meist überparteilich zu. So auch beim Empfang zum 80. Geburtstag des langjährigen Parlamentariers und Regierungsmitglieds Otto Graf Lambsdorff. Sehr viele seiner Parteifreunde sind in die Orangerie des Schlosses Charlottenburg gekommen, aber auch alle anderen Bundestagsparteien, Stiftungen und viele Organisationen sind vertreten, sogar die Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Deutsche Gewerkschaftsbund. Selbst der Dalai Lama hat seinen Sonderbotschafter mit persönlichen Glückwünschen geschickt.

Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi von der SPD hat die Laudatio für den Mann übernommen, der politisch fast immer auf der anderen Seite stand, selbst zu Zeiten der sozialliberalen Koalition. Er räumt ein, eine solche Würdigung sei immer eine Gratwanderung. Einerseits gebe es die alte katholische Weisheit: „Zu viel Weihrauch schwärzt den Heiligen.” Andererseits wolle er auch nicht in die Rolle des großen englischen Porträtisten Sargent geraten, der einmal gesagt hat: „Jedes Mal, wenn ich ein Porträt male, verliere ich einen Freund.”

Auch Lambsdorff hat zur Begrüßung der vielen Gäste ein passendes Zitat zur Hand. Es sei ja hier nicht wie im Zirkus: „Den Affen kennen alle, der Affe kennt niemanden.” Er kenne die meisten ja. Wie immer gibt der Graf sich so, wie ihn Wolfgang Gerhardt, früherer FDP-Vorsitzender, charakterisiert: „Klar konturiert in seinen Gedanken und Worten, eher kurze Sätze, präzise ohne Schnörkel, unverwechselbar in seiner physischen Gestalt mit seinem Krückstock.”

Flötentöne statt Finanzen

In kleinerem Rahmen, aber ebenfalls überparteilich besetzt ist eine Ehrung, die sich am Rande einer Sitzung vor den Türen des Plenarsaals abspielt. Zum 60. Geburtstag überreichen dem Sozialdemokraten und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück ein Freidemokrat und ein Christsozialer eine Querflöte. Die Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Otto Fricke, und des Finanzausschusses, Eduard Oswald, wollen dem Jubilar damit helfen, sich noch einen Traum zu erfüllen und ein Instrument zu lernen. Das Geschenk, scherzt Fricke, sei nicht so zu verstehen, dass die beiden Vorsitzenden dem Minister die Flötentöne beibringen wollten. Die Querflöte habe eine andere Symbolik: „Peer Steinbrück liegt häufig genug mit seinen eigenen Leuten quer. Das ist das passende Instrument zum Minister.”

Fotos: Picture-Alliance
Text: Klaus Lantermann
Erschienen am 22. März 2007


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