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INKOGNITO

Unsere Kandidatin 1969 mit Aenne Brauksiepe, der damaligen Bundesfamilienministerin.
Unsere Kandidatin 1969 mit Aenne Brauksiepe, der damaligen Bundesfamilienministerin.
© Picture-Alliance/dpa


Sozialdemokratin von Geburt

Wer war's? fragt BLICKPUNKT BUNDESTAG und lädt Sie ein, Persönlichkeiten der Parlamentsgeschichte wieder zu begegnen. In jeder Ausgabe stellen wir jeweils ein Mitglied des Bundestages vor, das in der Geschichte Deutschlands eine bedeutende Rolle gespielt hat. Sein Name wird nicht genannt. Lüften Sie sein Inkognito und gewinnen Sie eine Reise für zwei Personen nach Berlin.

Sie war eine geborene Sozialdemokratin: Hineingewachsen ins sozialdemokratisch geprägte Arbeitermilieu ihrer fränkischen Heimatstadt schließt sie sich bereits als 13-Jährige der Sozialistischen Arbeiterjugend an. Nach dem Zweiten Weltkrieg widmet sie sich ganz der Politik, getreu ihrem Motto: „Politik ist eine viel zu ernste Sache, um sie allein den Männern zu überlassen.”

Sie hat niemals ihre Herkunft vergessen. Der Vater, gelernter Schuhmacher, arbeitet später als Gewerkschaftssekretär. Die Mutter hat nach der Heirat ihren Beruf als Köchin aufgegeben und widmet sich ganz der zuletzt neunköpfigen Familie. Unsere Kandidatin, das vierte Kind, besucht erst die „Volksschule”, dann die Handelsschule. Ihr Berufswunsch, Gärtnerin, erfüllt sich nicht. So verdient sie ihr Geld als Bürokraft beim Landesverband für Obst- und Gartenbau, was sich später als Glücksfall herausstellen wird.

Sie ist politisch aktiv, arbeitet für die der SPD verbundenen „Kinderfreunde”, die sich um die Betreuung und Weiterbildung von Kindern und Jugendlichen kümmern. Hier steigt sie bis zur Landesvorsitzenden in Bayern auf, wo die Arbeit der „Kinderfreunde” ab 1930 massiv beschnitten wird. Ihnen wird die „Politisierung von Schulpflichtigen” und die „gemeinsame Erziehung von Mädchen und Jungen” vor allem in Zeltlagern vorgehalten. 1933 werden die „Kinderfreunde” verboten.

Auch in der eigenen Familie erlebt sie politische Verfolgung hautnah. Seit 1928 ist sie mit einem Schriftsetzer und Sozialdemokraten verheiratet, der 1934 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat” zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt und später in das Konzentrationslager Dachau eingeliefert wird. Im Krieg wird er zum berüchtigten Strafbataillon 999 versetzt und gerät schließlich in Gefangenschaft. Seine Frau muss sich zu dieser Zeit mit ihren beiden Töchtern allein durchschlagen. Sie ist froh, unmittelbar nach Kriegsende ihre Arbeit in der Obst- und Gartenbaugenossenschaft wieder aufnehmen zu können.

Als ihr Mann 1946 aus der Gefangenschaft zurückkehrt, kandidiert sie bereits für den bayerischen Landtag. Sie ist entschlossen, sich ganz der politischen Arbeit zu widmen. Ihr Mann und ihre Eltern unterstützen sie dabei. Bei ihrem ersten Anlauf scheitert sie noch. Sie lässt sich jedoch nicht beirren und wird 1949 in den Bundestag gewählt.

Als Politikerin konzentriert sie sich auf die Europa- und Friedenspolitik, die Landwirtschaft und den Verbraucherschutz. Neben ihrer Mitgliedschaft im Bundestag gehört sie von 1958 bis 1966 dem Europäischen Parlament an, dessen Vizepräsidentin sie zwei Jahre lang ist.

1966 verlässt sie das Europäische Parlament, um in Bonn in der neu gebildeten Großen Koalition das Gesundheitsministerium zu übernehmen. Ihre Befugnisse werden 1969 erweitert, als in der sozial-liberalen Koalition ein Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit entsteht. An seiner Spitze kämpft sie mutig und hartnäckig für bessere Sexualaufklärung. Mit dem mit Bundesmitteln finanzierten Aufklärungsfilm „Helga” bricht sie 1967 ein Tabu: Erstmals wird im Kino über Geschlechtsverkehr und Geburtenkontrolle aufgeklärt, erstmals ist eine Geburt in allen Details zu sehen.

Für noch mehr Wirbel sorgt 1969 der „Sexualkunde-Atlas”, der den Beginn einer systematischen Sexualerziehung in westdeutschen Schulen markiert. Zu den Reaktionen sagt die verantwortliche Politikerin später: „Das war schlimm. Sogar mein Mann wurde seinerzeit darauf angesprochen, dass ich doch den ,Sexualkunde-Atlas? herausgegeben hätte und deshalb damit rechnen müsse, in die Hölle zu kommen.”

Bei der Bundestagswahl 1972 tritt sie nicht mehr an, engagiert sich aber im Stadtrat ihrer Heimatstadt und bis ins hohe Alter für ihre Partei auf Bundesebene. Sie stirbt 88-jährig in der Stadt, in der sie geboren ist.

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Einsendeschluss: 18. Juli 2007.

Unter den richtigen Einsendungen werden fünf Preise verlost. Der Hauptgewinn ist eine Reise für zwei Personen nach Berlin. Die Lösung unseres Rätsels in Heft 2/07 lautet: Hans Katzer. Eine Reise nach Berlin hat Heike Bremes aus Essen gewonnen.

Foto: Picture-Alliance/dpa
Erschienen am 18. Juni 2007


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